Internet Statement 2008-13

 

Bahnvorstand, Politiker und Medienhetze versuchen erneut

die Knebelung der Lokführer und der GDL – das geht alle an!


Walter Grobe, 6.3.2008     

Nachdem der Bahnvorstand Anfang dieses Jahres unter dem Druck des Arbeitskampfes und der öffentlichen Meinung endlich zugesagt hatte, der Lokführergewerkschaft GDL die Eigenständigkeit ihrer Tarifpolitik und das Vertretungsrecht für die Lokführer vertraglich zu garantieren, stellte sich in den letzten Wochen heraus, daß er ein von juristischen Spitzfindigkeiten geprägtes Papier mit dem gegenteiligen Inhalt vorgelegt hat. Die GDL lehnt es mit Recht ab, daß nachträglich und durch die Hintertür die wesentlichen Ergebnisse ihres bisherigen Kampfes und seiner großen öffentlichen Unterstützung zu Wasser gemacht werden sollen. Sie verlangt weiterhin, daß der längst ausgehandelte Lokführer-Tarifvertrag mit den konkreten Verbesserungen bei Entgelt und Arbeitszeit unterzeichnet wird. Es geht um 11% mehr Lohn und eine Arbeitszeitverkürzung von 41 auf 40 Stunden. Sie lehnt es ab, daß der Bahnvorstand die Unterzeichnung von der gleichzeitigen Unterzeichnung eines inakzeptablen „Grundlagen-Tarifvertrags“ abhängig macht, der es der GDL künftig unmöglich machen soll, noch einmal solche Erfolge für ihre Mitglieder zu erkämpfen.

Der sog. Grundlagen-Tarifvertrag soll die GDL in die Tarifpolitik der beiden anderen Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA einordnen, die sich durch Jahrzehnte hin und insbesondere auch gegenüber den völlig berechtigten Forderungen der GDL-Mitglieder als Haus- und Schoßgewerkschaften des Bahnvorstands blamiert haben.

Der Konflikt mit der Bahn und auch mit Gewerkschaftsführungen vom Typ Norbert Hansen (Transnet) geht die ganze Republik an. Fast alle abhängig Beschäftigten haben in den letzten rund 15 Jahren erhebliche Einbußen bei den Realeinkommen hinnehmen müssen, viele wurden überhaupt arbeitslos, die Arbeitszeiten wurden vielfach verlängert, die unbezahlte Mehrarbeit ist ein allgemeines Kennzeichen der Arbeitswelt geworden, die Mißachtung von Tarifen und die Schaffung tarif- und gewerkschaftsfreier Bereiche haben immer weiter um sich gegriffen. Selbst nach offizieller Statistik sind die Realeinkommen gesunken und auch vom sog. Aufschwung kaum berührt, ja wie zum Hohn wurde gerade im sog. Aufschwungjahr 2007 ein erneuter Reallohnverlust von 1,3 % verzeichnet, und das sogar offiziell. Eine Lohnerhöhung um 11%, wie sie die GDL im Lokführer-Tarifvertrag der Bahn endlich abringen konnte, ist nach all diesen Jahren moderat. Es ist der GDL hoch anzurechnen, daß sie mit ihrem Arbeitskampf dem Verfall des Lebensstandards etwas entgegengesetzt hat. Das Beharren darauf, weiterhin eine eigenständige Tarifpolitik machen zu können, ist in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung. Es geht darum, daß mit den existierenden übrigen Gewerkschaftsführungen so etwas ganz einfach nicht zu machen ist, die in den vergangenen Jahren die Einkommensverluste, die Stillegungen, die Schlechterstellung der Arbeitnehmer im Grunde nur begleitet und etwas abgemildert haben. Sie haben nichts Entscheidendes dagegen unternommen, sondern den ruinösen Kurs von Kapital und Regierung faktisch mit abgesichert. Das Verlangen von Bahn, Transnet und GDBA, die GDL mit einem sog. Grundlagen-Tarifvertrag dieser schändlichen Art von Tarifpolitik ein- und unterzuordnen, läuft auf nichts anderes hinaus als Gegenbewegungen wie die der Lokführer künftig von vonrherein abzublocken. Der alte Rahmen der abgekasperten Tarifabschlüsse, der abgebrochenen Streiks und der faulen Kompromisse soll möglichst unbeschädigt wiederhergestellt werden.

Daher sollte die ganz große Mehrheit der abhängig Beschäftigten in diesem Lande es als ihre eigene Sache unterstützen, wenn die GDL weiter auf dieser Eigenständigkeit beharrt. Der Medienhetze gegen die GDL, den erneuten Versuchen von Regierungsseite und Justiz, der GDL jetzt erst recht mit staatlichem Zwang beizukommen, muß deutlich und aktiv entgegengetreten werden. Das ist im Interesse der ganz großen Mehrheit, nicht zuletzt auch der Mitglieder von Transnet und anderen DGB-Gewerkschaften.

Ver.di steht zur Zeit selbst im Vorfeld eines möglichen ziemlich umfassenden Arbeitskampfes im öffentlichen Dienst und hat zurecht die Losung „Genug gespart!“ aufgestellt. Die Forderungen von Ver.di sind allemal völlig gerechtfertigt. Allerdings muß nach allen Erfahrungen damit gerechnet werden, daß die Ver.di-Führungen sogar an diesen - mehr als moderaten - Forderungen erneut große Abstriche machen werden und dem Verfall in Wirklichkeit nicht entscheidend entgegenwirken. Alle Ver.di-Mitglieder wie auch die Mitglieder der übrigen Gewerkschaften sollten in ihren Organisationen sowohl die Solidarität mit den GDL-Kollegen als auch eine eigene härtere Tarifpolitik, wie sie die GDL bisher vorlebt, fordern und durchsetzen. Sonst werden die Lohnverluste, die Ausgliederungen, die Rechtlosigkeit weiter um sich greifen.

Die wirklich blamable Hetzpropaganda gegen die GDL und sogar auch gegen Ver.di, wie sie jetzt von Blättern wie dem „Handelsblatt“, aber auch Massenzeitungen wie der „WAZ“ und vielen anderen, von Arbeitgebervertretern und Politikern losgelassen wird, braucht dringend eine Abfuhr. Da schreibt ein Herr Creutzburg im „Handelsblatt“ etwas von „Totalstreiks“, die das öffentliche Leben auf einen Schlag lahmlegen würden, von „Krawallkurs“ der GDL und Ver.di. Es gibt tatsächlich Leute, die auf Krawallkurs sind, die sitzen im Bahnvorstand, der einen moderaten Abschluß auf keinen Fall unterzeichnen will, in den Kapitalistenverbänden und der Regierung, die schon Millionen von Arbeitnehmern und ihre Familien in der Tat dauerhaft lahmgelegt haben und ihre Profitwut mit dem Interesse der Mehrheit verwechseln, weil sie nur so denken können.

Dann droht der „Handelsblatt“-Schreiber nur leicht verklausuliert damit, das Arbeitskampfrecht weiter gegen die Arbeitnehmer zu verschlechtern:

„Deutschland steht tarifpolitisch an einem Scheideweg. Im Tarifsystem galt einmal das Ultima-Ratio-Prinzip. Danach durfte nur dann gestreikt werden, wenn alle Optionen friedlicher Konfliktlösung ausgeschöpft waren. Es ist durch die Rechtsprechung schrittweise ausgehöhlt worden. Die Politik hätte es in der Hand, dem Streikrecht einen kalkulierbaren gesetzlichen Rahmen zu geben.“ (5.3.08)

Der Rahmen ist längst da, und er schränkt bekanntlich das Streikrecht erheblich ein; hier wird also gefordert, es weiter einzuschränken. Die Kapital- und Regierungsseite will den Frieden von vornherein verordnen und sicherstellen, daß ihre Kalkulation in jedem Fall aufgeht. Das bedeutet, die geringste selbständige gewerkschaftliche Regung unter Verbotsdrohung zu stellen.
Auch Wirtschaftsminister Glos soll mit Änderungen des Arbeitskampfrechts gedroht haben.

Parallel dazu strent der Bahnvorstand erneut Prozesse vor Arbeitsgerichten an, die der GDL die Wiederaufnahme des Arbeitskampfes verbieten sollen.

Der BDI-Präsident Thumann erklärte:

„Warum die GDL jetzt noch streiken will, versteht niemand. Es ist unfair, diesen Konflikt auf dem Rücken der Wirtschaft und Millionen von Arbeitnehmern auszutragen.“ (FAZ 6.3.08)

Verkehrsminister Tiefensee äußerte sich ähnlich:

„Niemand hätte Verständnis für einen Streik. Der immense volkswirtschaftliche Schaden eines Bahnstreiks kann nicht riskiert werden, weil es Differenzen zu Fragen der Eigenständigkeit und des gewerkschaftlichen Miteinanders gibt.“ (FAZ 6.3.08)

Was für ein Unsinn. Sehr viele Menschen, und auch nicht nur Arbeitnehmer, verstehen sehr wohl, daß die GDL jetzt vielleicht erneut zum Streik gezwungen wird, und vielleicht verstehen es auch zunehmend mehr Menschen, daß die GDL aktiv unterstützt werden muß, sollten Justiz und Politik jetzt mit staatlichem Zwang versuchen, sie zu unterdrücken. Wenn die Justiz es jetzt in einer ganz entscheidenden Phase erneut wagen sollte, sich auf der Arbeitgeberseite gegen die GDL zu betätigen, wird sie unweigerlich noch viel stärker als bisher zum Negativthema für sehr viele Menschen werden.

Tiefensee versucht die Solidarität auch mit seiner Behauptung zu untergraben, es gehe um „Differenzen zu Fragen der Eigenständigkeit und des gewerkschaftlichen Miteinanders“, als wären das hier nebensächliche Kleinigkeiten. In der Frage der gewerkschaftlichen Eigenständigkeit der GDL steckt ja gerade die alle interessierende Frage, ob es in diesem Land durchsetzungsfähige gewerkschaftliche Bewegungen geben wird, die sich nicht mehr der Verarmungspolitik der Regierung und des Kapitals und der damit versippten Politik der Gewerkschaftsführungen völlig anpassen lassen. Es handelt sich mitnichten um Funktionärs- oder Machtinteressen des Vorstands einer kleinen Gewerkschaft wie der GDL, sondern um eine Frage von prinzipieller Bedeutung für die künftige Entwicklung der Löhne und der elementaren gewerkschaftlichen und demokratischen Rechte.

 

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Das Lehrstück bei der Bahn
– Die Rolle der GDL

Hartmut Dicke, 20.10.07

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