Internet Statement 2008-50
Terror in Mumbai (Bombay), Obama, Indien und China Walter Grobe 6.12.208 Es ist bekannt, wie die USA ihr Streben nach Vorherrschaft, ihre Subversion in allen möglichen Staaten und ihre direkten militärischen und terroristischen Eingriffe mit dem sog. „Kampf gegeg den Terrorismus“ zu begründen pflegen. Das ist das hauptsächliche Kennzeichen der Ära G. W. Bush gewesen. Und was sehen wir, noch bevor der ach so neue Kandidat Obama überhaupt im Amt ist? Nicht nur daß er selbst erklärt, die USA müßten „stärkste Militärmacht des Planeten“ bleiben, daß er bereits ein Kabinett der „Falken“ gebildet hat mit dem Kriegsminister Gates aus der G.W.Bush -Administration und einer Kriegshetzerin wie H. Clinton als Außenministerin, es ereignet sich auch aus dunklen Quellen ein brutaler, Durcheinander stiftender Terrorakt justament in der Region, die von dem Kandidaten bereits als der zukünftige Schwerpunkt der außenpolitische Aktivitäten, als der focus der Terrorismus-„Bekämpfung“ Marke USA genannt, um nicht zu sagen gezeichnet wurde. „Schwerpunkt Afghanistan“ heißt den Fakten nach: Schwerpunkt Pakistan, und Schwerpunkt Pakistan heißt unweigerlich Schwerpunkt Indien. Welch ein Zufall, daß es da kracht. Bei dem Überfall auf Mumbai wurden nicht einmal politische Ziele angegeben. Undeutlich war von einer Forderung zu hören, die indische Regierung müsse alle gefangenen Mudjaheddin freilassen, aber offensichtlich war keine hinhaltende Erpressungsaktion das Ziel, sondern ein möglichst spektakuläres Massaker nach Art der Selbstmordanschläge. Das unmittelbare Ergebnis war eine Propaganda über eine angeblich nun unvermeidliche Verschärfung des Gegensatzes Indien-Pakistan. Allerdings gibt es in beiden Ländern auch eine Menge Leute, die dergleichen nicht mehr hinnehmen wollen und für Vernunft und Zusammenarbeit sprechen - natürlich tun das auch die hochrangigen Vertreter der USA, die sich sofort nach den Anschlägen in Delhi und Islamabad zuhauf einstellen wie die Geier nach dem Massaker, aber es ist dringend geraten zu untersuchen, wohin die Aktionen der USA die Dinge in Wirklichkeit zu treiben suchen. Nur ein paar Beispiele für den Einmischungs- und Verschärfungstrend: Die “Times of India” schrieb am 3.12.
Was für Handlungen werden denn von Pakistan erwartet, und welche Schläge von wem werden ihm angedroht? Der Artikel der “Times of India” bringt hierzu so viele interessante Angaben und Formulierungen, daß er abschnittweise hier übersetzt und auch kommentiert werden soll.
Daran ist bemerkenswert, daß die USA versprechen, Indien international zu stützen, falls es Militärschläge nach Pakistan hinein unternimmt. Nach relativ deutlichen Bekundungen aus der indischen Regierung zu schließen, zeigt diese jedoch, wenigstens bisher, wenig Neigung zu solchen Abenteuern. Die Zeitung „The Hindu“ schrieb am 3.12., die indische Regierung sei sich des Wunsches des pakistanischen Militärs (nicht: der pakistanischen Regierung) wohl bewußt, Spannungen an der indisch-pakistanischen Grenze zu erzeugen, und „kalibriere“ ihre Antwort auf den Nachweis, daß der ISI (der pakistanische Geheimdienst, der der pakistanische Armeeführung untersteht) mit den jüngsten terroristischen Angriffen in Mumbai verbunden sei, in einer Weise, daß die politische und diplomatische Falle, die man ihr gelegt habe, vermieden werde. Zur Erläuterung: Diese traditionelle und zweifellos weiterexistierende tiefe Verbindung der USA mit der pakistanischen Armeeführung, dem ISI und der pakistanischen, zum Teil terroristischen, Islamistenszene sollte man nicht vergessen, wenn jetzt die Dinge andersherum dargestellt werden: als sollten diesen jetzt durch Indien mit Rückendeckung durch die USA Straflektionen für ihre Komplizenschaft mit den Attentätern von Mumbai erteilt werden. Wenn es den USA, die auch mit sonstigen islamistischen und Terrorgruppen in aller Welt geheimdienstliche Beziehungen unterhalten, im Falle der Anschläge von Mumbai tatsächlich darum ginge, Spannungen zu besänftigen und destabilisierende militärische Akte zu verhindern, wie es unsere Medien, bspw. der ARD-Kommentator Hanefeld, in bewährter Blauäugigkeit darstellen, dann wäre dies eine überraschende Wende gegenüber ihrer ganzen bisherigen Strategie im afghanisch-pakistanischen Raum. Was man aus indischen und pakistanischen Zeitungen über die konkreten Auftritte der Außenministerin Rice und anderer hoher Emissäre der USA in Indien und Pakistan erfährt, macht in der Tat auch einen ganz anderen Eindruck. Anscheinend verfolgen die USA in etwa folgende Ziele:
Charakteristisch für Obamas Politik auch, daß er bereits im Oktober 2008, vor den Anschlägen, mit der Ankündigung hervorgetreten ist, er wolle in der Kaschmirfrage, dem traditionellen Hauptstreitpunkt zwischen Indien und Pakistan, der bereits zu mehreren Kriegen den Anlaß geliefert hat, initiativ werden und „Lösungsansätze“ finden helfen. Wie nett. Eine Vermittlerrolle der USA in diesem Konflikt zielt nur auf eines: alle in Südasien beteiligten Kräfte noch besser in die Hand zu bekommen und gegeneinander auszuspielen. Daß dabei eine Lösung herauskommt, ist mitnichten die Absicht, im Gegenteil: eine Lösung soll so weit wie möglich hinausgeschoben werden, damit die USA den Einfluß auf alle Seiten behalten. Was die Forderungen an die Zardari-Regierung betrifft, Strafaktionen gegen die Islamisten auf dem Territorium Pakistans zu unternehmen: diese Forderungen sind scheinheilig und provokativ. Zardari kann in der aktuellen Situation mE garnicht ohne weiteres das tun, was die USA hier, oberflächlich betrachtet zurecht und im Sinne Indiens, verlangt: frontal gegen den Geheimdienst und bestimmte damit verbundene Islamisten loszuschlagen. Solche Aktionen müßten angesichts der wackligen Stellung dieser neuen Regierung, die gerade erst damit anfangen konnte, ihre Kontrolle in das Militär hinein nach und nach auszuweiten und dabei notwendigerweise Kompromisse machen muß, zu ihrem sofortigen Sturz führen. Interessanterweise sind hierzu in den indischen Medien Hinweise zu finden, daß die indische Regierung selbst es nicht für zweckmäßig befindet, massive Forderungen dieser Art an die Regierung Zardari zu stellen, sondern ihre Stellung zu berücksichtigen versucht. Das ist vom Standpunkt einer indischen Regierung, die nicht in die Falle gehen will, die mit dem Anschlägen und den verwirrenden hektischen Aktivitäten der USA gelegt wurde, logisch. Nicht alles, was die hiesigen Medien über Stellungnahmen der indischen Regierung berichten, stimmt mit den genaueren Zitaten und Hintergrundinformationen indischer Zeitungen überein. Weiter in der “Times of India”:
Ganz klar, daß Rice versucht, in die Richtung “Zieht Pakistan zur Verantwortung, denn die pakistanische Regierung schützt die Terroristen!“ zu drängen.
Rice hat für Islamabad “Zeit gekauft”? Die zivile Regierung Zardari soll alle möglichen Beweise ihrer Kooperationswillens erbringen, obwohl sie tatsächlich wenig Kontrolle über das Land und insbesondere nicht über die Armee hat? Es ist doch diese Armee, die, wenn die Anschläge tatsächlich von Pakistan aus vorbereitet und koordiniert wurden, viel eher als Mitverantwortlicher in Frage kommt - aber diese ist offenbar nicht die Zielscheibe der USA! Für eine derartigen zeitweiligen „Schutz“ vor indischen Angriffen durch die USA dürfte die Zardari-Regierung wenig Dankbarkeit empfinden, zumal er mit dem Druck auf die indische Regierung verbunden ist, militärisch gegen Pakistan vorzugehen – wenn sie sich denn zur Allianz mit den USA bereitfinden sollte.
Das ist allerdings eine recht deutliche Sprache, die die US-„Experten“ führen, und hierzulande wird derlei kaum wiedergegeben.
Es gibt in Indien zweifellos politische Kräfte, die militärische Aktionen auf pakistanisches Territorium befürworten oder sogar propagieren. Die innere Entwicklung Indiens mit ihren extremen sozialen Spannungen, die durch das Wachsen der Wirtschaftskrise noch verstärkt werden, veranlassen zweifellos die reaktionärsten Richtungen Indiens, Ablenkung in Kriegsabenteuern zu suchen. Interessant auch die derzeitige Agitation der BJP, einer sog. hindu-nationalistischen indischen Partei, die sich selbst allerdings trotz extrem pauschalisierender herabsetzender Wortwahl gegen Pakistan sich anscheinend, wenigsten bisher, nicht dazu aufraffen kann, Militärschläge gegen Pakistan direkt zu fordern, aber aus dem Anlaß der Anschläge im Mumbai einen ganzen Katalog von geforderten Verschärfungen der inneren Repression in Indien präsentiert, die angeblich natürlich nur dem Kampf gegen die Terroristen dienen sollen. Um die bisherigen Ausführungen noch etwas weiter durch die Angaben in dem Zeitungsartikel der “Times of India” verdeutlichen, sei das Weiterlesen empfohlen:
Die derzeitige Situation mangelnder Kontrolle einer mehr oder weniger zivilen und nicht völlig islamistischen Regierung wie der der PPP über diesen Staat geht auf niemand anders zurück als die USA mit ihrer ganzen jahrzehntelangen Politik. Schon seit Jahr und Tag sind es im übrigen auch diese USA, die Pakistan bereits wie einen “failed state“ behandeln und nach Belieben in seinen nordwestlichen Provinzen herumbomben, seine Disintegration und die Aufputschung reaktionärster talibanistischer Stimmungen geradezu erzwingen, und es ist niemand anderes als Obama, der bereits erklärt hat, auch an anderen Stellen Pakistan in dieser Weise Militäraktionen zu erwägen.
Wir werden sehen, ob sich die USA mit diesem Drängen durchsetzen. Die Verantwortung für neue Militärprovokationen fiele zum größten Teil auf sie zurück.
Zusammenfassend: unter dem Vorwand, den unmittelbaren Ausbruch eines Krieges verhindern zu wollen, treiben die USA nicht gerade wenig zu kriegerischen Verwicklungen, solange diese ihre Einmischungs- und Kontrollziele zu fördern scheinen.
Was hat China mit den Vorgängen um Pakistan und Indien zu tun? In den Überlegungen über das Verhältnis Indien – USA sollte man keinesfalls einen übergeordneten Gesichtspunkt vergessen, der die USA und offenbar namentlich Herrn Obama umtreibt: die Frage China. Die Haupttendenz der US-Politik gegenüber Indien war (s. das Nuklearabkommen) und ist die Herbeiführung von so etwas wie einer strategischen Allianz, und diese bezieht sich vor allem auf China. China ist seit langem die kommende große Herausforderung für die Weltmachtansprüche der USA, nicht nur wegen des wirtschaftlichen Potentials und der ganzen internationalen Bedeutung Chinas, wegen der fundamentalen Konkurrenz, die es den USA machen könnte und bereits in mancher Hinsicht im Begriff ist zu machen, sondern vor allem weil China mit seiner ungestümen industriellen Entwicklung ein zahlenmäßig enormes neues Proletariat hervorgebracht hat und damit das Potential zu einer erneuten historischen Herausforderung nicht nur des chinesischen Kapitalismus und derjenigen Kräfte des internationalen Kapitalismus, die in China an der Ausbeutung der Lohnarbeit direkt beteiligt sind, sondern des Weltkapitalismus überhaupt. Wenn Obama verkündet hat, er wolle den Irakkrieg hinter sich bringen und sich auf Afghanistan konzentrieren, dann meint er, vom Standpunkt des aggressiven US-Imperialismus unvermeidlich, letztlich den Zugriff auf China, den es jetzt konzentrierter vorzubereiten gelte. Indien an die Seite zu bekommen oder es wenigstens so zu verzetteln, daß es als Widersacher der USA keine große Rolle spielen kann, darauf zielt letztlich das neue terroristisch-politische Manöver unter dem Namen Mumbai. Denn es ist offensichtlich, daß mit den Aktivitäten der USA in Afghanistan inzwischen die Zukunft Pakistans auf dem Spiel steht, und wenn diese, dann eben auch die Indiens, und diese wiederum steht für die USA unter dem Fragezeichen: wie wird Indien sich im Verhältnis zu China entwickeln? Wird es die bestehenden Ansätze zur Zusammenarbeit mit China entwickeln und vertiefen, oder kommt es als Helfer, Stützpunkt oder sogar Verbündeter der USA in dessen Auseinandersetzung mit China, in dem Eingreifen der USA und vielleicht auch anderer kapitalistischer Mächte in das kommende Aufbrechen seiner sozialen Widersprüche, in den Klassenkampf in China in Frage? Das steht letztlich hinter Obamas „Afghanistan“.
Nachbemerkung:
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