Internet Statement 2009-23

 

 

 

Die Akte Verena Becker weiterhin gesperrt  -   Warum?

 

Maria Weiß, 10.09.2009      


Ja es ist zuweilen merkwürdig mit der bundesrepublikanischen Geschichte: es gibt einfach Dinge, die dürfen nicht ans Tageslicht kommen.  Man fragt sich, was manche Dinge so brisant macht. Nehmen wir das Beispiel der Akte Verena Becker im Fall des Mordes an dem Generalbundesanwalt  Siegfried Buback im April 1977. Innenminister Schäuble rückt sie nicht heraus. Und das mit der vorgeschobenen Argumentation, daß dann der Verfassungsschutz Schwierigkeiten hätte,  fürderhin noch „Informanten“ zu bekommen!

 

Diese Argumentation sollte man mal etwas näher beleuchten. Das ist doch recht merkwürdig. Worum handelt es sich denn? Handelt es sich hier einfach um eine Informantin? Oder handelt es sich hier vielmehr um einen glasklaren und nicht von der Hand zu weisenden Mordverdacht, bzw. einen der Beteiligung an einem Mord? Wenn letzteres der Fall ist, dann fällt es wirklich schwer, die Begründung des Herrn Schäuble nachzuvollziehen.

In dem Buch von Michael Buback, dem Sohn des ermordeten Siegfried Buback, werden eine ganze Reihe von sehr berechtigten Fragen aufgeworfen bezüglich dieses bis heute unaufgeklärten Mordes. (Anm.)

 

Folgt man der Argumentation des Innenministers, würde es de facto bedeuten, daß hier tatsächlich der Verfassungsschutz bei seiner „Informantentätigkeit“ soweit geht, einen glatten Mord zu decken.  Das hätte dann aber mit der Verfassung dieses Staates – wie immer man auch zu dieser stehen mag- nicht mehr viel zu tun. Das wäre  kriminell.

 

Und weiter stellt sich die Frage: was hätte denn der Verfassungsschutz hier zu fürchten? Vielleicht eine Enthüllung, daß er selber in diesen Mord verwickelt ist, oder gar ihn mit angestiftet hat? Wenn man bedenkt, was alles schon herausgekommen ist über Verwicklungen dieser Einrichtung mit früheren Morden, man nehme den Fall Schmücker beispielsweise, wo das Gericht im Januar/Februar 1991 die Verhandlungen an einem bestimmten Punkt für beendet erklärte und das Gerichtsverfahren eingestellt wurde, als offenbar Dinge zur Sprache kamen, die für gewisse staatliche Einrichtungen unangenehm zu werden drohten? Oder andere Fälle. Oder man nehme den im Frühjahr dieses Jahres durch Medien offerierten Fall Kurras,  welcher u. a.  laut Unterlagen der Gauck-Behörde angeblich  zu dem Zeitpunkt als dieser am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoß, quasi ein Doppelagent war, nämlich einerseits Mitglied einer mit geheimdienstlichen Fragen befaßten Abteilung der damaligen Westberliner Polizei und gleichzeitig Verbindungsmann des Ostberliner Ministeriums für Staatssicherheit.

 

Wenn also jetzt der Innenminister der Bundesrepublik Deutschland so argumentiert, daß eine Veröffentlichung der besagten Akte eine Gefahr für den bundesrepublikanischen Staat bedeutet, dann läßt das ja recht tief blicken. Warum sollte diese Person, trotz offensichtlichem und belegtem Mordverdachtes, durch staatliche Einrichtungen geschützt werden? Wenn diese Deckung notwendig ist, um den Staat der Bundesrepublik Deutschland nicht in Gefahr zu bringen, bzw. Schaden zuzufügen, wie es auch lautete, dann muß ja schon wirklich etwas  sehr Schwerwiegendes dahinter stecken, in diesem Fall. Ganz davon abgesehen daß es für jeden auch nur einigermaßen an der Wahrheit interessierten Menschen dieses Landes als auch überall auf der Welt nicht nachvollziehbar ist, weshalb in dieser Angelegenheit, einem Mordfall,  ein solches Verhalten an den Tag gelegt wird von obersten Funktionsträgern dieses Staates.

 

Was  recht wenig in diesem Zusammenhang in der Öffentlichkeit behandelt wird, ist auch, daß  die Beziehungen der Verena Becker zum Verfassungsschutz, die angeblich Gegenstand der besagten Akte sein sollen,  in den achtziger Jahren stattgefunden haben, die fragliche  Tat aber bereits 1977 stattgefunden hat, wobei Verena Becker selbst, obwohl sie kurze Zeit danach  mit der Tatwaffe festgenommen wurde, nicht wegen einer Tatbeteiligung angeklagt wurde.

 

 In dieser Hinsicht wird im o.g. Buch von Michael Buback, einiges es aufgedeckt, nämlich daß trotz verschiedener schwerwiegender Verdachtsmomente  kurze Zeit später das Ermittlungsverfahren gegen Verena Becker eingestellt wurde, wobei vorhandenen schwerwiegenden Indizien nicht nachgegangen wurde und z.B. existierende Haarproben von ihr mit Haarproben aus dem Motorradhelm, welchen die zweite Peron auf dem Motorrad trug, von welcher die tödlichen Schüsse abgegeben wurden, nicht abgeglichen wurden. Statt dessen wurde sehr schnell ein anderer als angeblicher Täter präsentiert, bei dem sich später herausstellte, daß er es gar nicht gewesen sein konnte, da er sich zur Tatzeit nicht an diesem Ort befand.

 

Man fragt sich daher: was hat Verena Becker mit dem Verfassungsschutz zu bereden gehabt, als sie in den achtziger Jahren wegen einer anderen Sache im Gefängnis saß? Wurde hier vielleicht etwas „eingefordert“ von ihr?

 

Dieses Vorgehen von staatlicher Seite steht auch in einem auffälligen Gegensatz zu  Verfahrensweisen gegenüber anderen Mitgliedern der sog. RAF, bzw. Bewegung 2. Juni, welche großenteils jahrzehntelang eingesperrt wurden, länger als jeder „gewöhnliche“ Mörder in diesem Land. Nur was ist das in diesem Fall? Mord verjährt nicht. Ist das hier nicht aufzudecken und zu verfolgen? Liegt es vielleicht daran daß in diesem Fall staatliche Einrichtungen selbst dabei mitgemischt haben? Und daß dies auf gar keinen Fall herauskommen darf ?.

 

Es wurde aus dem Innenministerium verkündet, daß lediglich die Bundesanwaltschaft  die auch weiterhin unter Verschluß gehaltene Akte nunmehr „ganz“ lesen dürfe. Welch Zugeständnis! Dazu muß man allerdings berücksichtigen, wer die Bundesanwaltschaft ist. Es kann keineswegs jeder Anwalt Bundesanwalt werden. Das ist an ganz bestimmte ausgewählte Kriterien gebunden, an ein sehr exklusives Verfahren durch ausgewählte Leute, die es überhaupt zulassen, daß jemand überhaupt eine solche Position einnehmen darf. (s. entspr. Unterlagen dazu). Bei einem eventuellen Gerichtsverfahren jedoch darf der Inhalt der Akte nicht verwendet werden – so lautete es gleichzeitig.

 

Die Öffentlichkeit dieses Landes als auch die internationale Öffentlichkeit, soweit sie daran interessiert ist, daß ein Mord auch als solcher verfolgt und geahndet wird, kann ein solches Szenario nur mit Verwunderung betrachten. Es ist ein vernichtendes Urteil, was derartige Repräsentanten dieses Staates mit einer solchen Verfahrensweise –von wem auch immer sie stimuliert wird - über sich selbst abgeben.

 

Verena Becker erzählte bei ihrer kürzlich  vorgenommenen erneuten  Festnahme am 27. August 2009 in Berlin gegenüber Fragen von Journalisten, ob sie die Schüsse  abgegeben habe: „ Nein, das wissen Sie doch. Für mich ist der Fall erledigt.“ Warten wir es ab. Die jetzige Entscheidung des Innenministers Schäuble scheint allerdings zunächst einmal dieser ihrer Einschätzung zu entsprechen.

 

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Anm:  Michael Buback, Der zweite Tod meines Vaters, Droemer 2008 (zurück)

 

 

 

 

 

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