Internet
Statement 2009-28
Wassili Gerhard 19.12.2009 Es ist noch nicht so lange her, da rauschte es im Blätterwald und schallte es aus Radio und Fernsehen, daß die Studentenbewegung vielleicht nicht radikalisiert worden wäre, wenn man damals schon gewußt hätte, daß der Ohnesorg-Mörder Kurras ein IM der Stasi war. Manche verstiegen sich gar zu der Vermutung, ob nicht alles Stasi-Manipulation gewesen sei. Über einen längeren Zeitraum wurde das Thema hin- und hergewälzt. Im Zusammenhang damit wurde auch das Thema RAF breit ausgewalzt, aber zumeist ohne in die Tiefe zu gehen. Einen ähnlich großen Aufruhr und einen ähnlichen Eifer beim Aufstochern der Hintergründe vermißt man nun im Zusammenhang mit den Fakten aus neu ausgewerteten Stasi-Akten zum Attentäter Josef Bachmann, der im April 1968 einen Mordanschlag auf den bekannten Repräsentanten der frühen Jugend- und Studentenbewegung Rudi Dutschke ausführte. Bachmann wurde damals als verwirrter rechter Einzeltäter bezeichnet. Dabei ist es interessant, zu was es einen führt, wenn man genauer auf den Hintergrund des Attentäters eingeht. In manchen Publikationen ist mehr oder minder lapidar von einem NPD-Hintergrund die Rede und von einer rechtsradikalen Gruppe, die auch Anschläge auf die DDR-Grenzanlagen verübt hatte. So in etwa wird das Thema vielfach abgehandelt. Dabei sind die Hintergründe sehr viel aufschlußreicher und werfen viele Fragen auf. In einer Sendung des Bayrischen Rundfunks „Neue Erkenntnisse Wer zielte auf Rudi Dutschke?“ Transkript eines Features vom 10.12.09 heißt es dazu: „Die
Ermittlungsakten zum Fall Dutschke geben einige Rätsel auf: Warum
wurde der Hinweis von Josef Bachmann auf die Herkunft der Tatwaffe
bei der Verhandlung nicht näher untersucht? Schließlich waren seine
Aussagen, er habe sie von einer "unbekannten Person" in
einer "unbekannten Münchner Kneipe" erstanden, mehr als
schwammig. Mindestens eine Pistole, die der Bauweise der Tatwaffe
stark ähnelte, kaufte Bachmann erwiesenermaßen von seinem Bekannten
Wolfgang Sachse. Doch der wurde nie vernommen. Eine Ermittlungspanne?
Die Recherchen belegen, dass Wolfgang Sachse zur "Braunschweiger
Gruppe" gehörte, Anfang bis Mitte der siebziger Jahre eine extrem
militante terroristische Vereinigung von Rechtsextremisten.“ Etwas später heißt es: „Wolfgang
Sachse könnte ein im Umfeld des damaligen NPD-Funktionärs Paul Otte
platzierter V-Mann eines Geheimdienstes gewesen sein. Nicht auszudenken,
was 1968 in der Bundesrepublik geschehen wäre, hätten die Ermittlungen
um das Attentat damals schon erbracht, dass Josef Bachmann die Waffe,
mit der er auf Rudi Dutschke schoss, aus der Hand des Rechtsextremisten
Wolfgang Sachse erhalten hat. Womöglich eines Rechtsextremisten, der
deshalb nicht auffliegen durfte, weil er V-Mann eines Geheimdienstes
war.“ In Meldungen ist außerdem noch die Rede davon, daß diese rechtsradikalen Kräfte, die später Karriere als terroristische Bombenleger machten, damals einträchtig mit Polizeibeamten auf einem Schießplatz trainierten. Unter der Überschrift „Braunes Biotop in Peine“ heißt es im SPIEGEL in einem Artikel vom 6.12.09 dazu : „Und
auch die Polizei in Peine machte gerne mit: "Unter den Polizisten
gab es viele, die einfach Spaß am Ballern hatten", erinnert sich
Sachse, der "Schießwart" der braunen Szene, heute noch.
"Wir wurden von der Polizei in jeder Hinsicht gedeckt." Das abenteuerliche Treiben geschah
aber nicht nur unter den Augen der offensichtlich sympathisierenden
Sicherheitsbehörden, sondern zugleich unter Beobachtung von
ostdeutscher Stasi und westdeutschem Verfassungsschutz: Denn ein
weiterer Aktivist, Wolfgang L. alias IM Otto Folkmann, mischte nicht
bloß kräftig mit in der braunen Szene, sondern war auch ein ost-westdeutscher
Doppelagent.“ . . . „Mehr als 40 Jahre später ist dies
ein doppelter Skandal. Erstens hatte sich in Peine Mitte der sechziger
Jahre offenbar ein nationalistisch-rechtsradikales Biotop entwickelt,
zu dem auch Teile der Staatsmacht gehörten. Und zweitens, schlimmer
noch: Nach der Festnahme Bachmanns kurz nach dem Attentat gingen
Polizei und Staatsanwaltschaft in Berlin bei ihren Ermittlungen den
auch ihnen bekannten Hinweisen und Spuren, die in die braune Giftküche
von Peine führten, nicht nach. Das Motiv liegt auf der Hand: Man
wollte die eigenen Leute und die rechte Schießplatz-Allianz decken.
So wurde Bachmann 1969 als fehlgeleiteter unpolitischer
Krimineller zu sieben Jahren "Zuchthaus" verurteilt. Nach
mehreren gescheiterten Versuchen nahm er sich am 24. Februar 1970
in seiner Zelle das Leben.“ Jene „Braunschweiger Gruppe“ ist aber nicht nur einfach ein „braunes Biotop“, von denen es damals viele auf allen Ebenen gab, denn viele Altnazis saßen auf allen Ebenen in einflußreichen Positionen, sie war von einem gar nicht so kleinen Kaliber, wenn man die weitere Entwicklung der Gruppe verfolgt: „Klar
ist, dass ein wichtiges Mitglied der Neonazi-Gruppe, Dieter Lepzien,
ein V-Mann des niedersächsischen Verfassungsschutzes war - und
er hat seine Kenntnisse auch später noch der Stasi angeboten!
1981 wurde Lepzien wegen Bildung einer rechtsextremistischen terroristischen
Vereinigung zu fünfeinhalb Jahren verurteilt. Was er machte, ist weit
über nachrichtendienstliche Tätigkeiten hinausgegangen. Man hat ihn
sehr weit gewähren lassen.“ So der Dutschke Biograph Ulrich Chaussy in einem Interview mit der TAZ vom 10.12.09, zu seinen Vermutungen, warum die Justiz den Verbindungen Bachmanns nicht nachgegangen ist. Über jenen Lepzien heißt es bereits am 28.01.2002 in einem Artikel auf Telepolis(„Ein System, das das Problem, über das es informieren will, selbst erschafft, ist absurd - Fördert der Verfassungsschutz die von ihm durch V-Leute überwachte rechte Szene?“ von Burkhard Schröder), der in die gleiche Richtung zielt: „Hans-Dieter Lepzin aus Peine, Mitglied der verbotenen
NSDAP/AO, sorgte 1977 für den nächsten Skandal. Lepzien, der "Sicherheitsexperte"
der Gruppe, hatte persönlich die Bomben gebaut, die am 2. September
und 3. Oktober 1977 vor Justizgebäuden in Flensburg und Hannover explodierten
- ein Anschlag, der in der Presse zunächst der linken Szene angelastet
wurde.“ Und in einem anderen Zitat aus „Die Zeit“ vom 14.11.1980, finden wir auch neben oben erwähntem Lepzien gleich Wolfgang Sachse wieder, oben lapidar als „Schießwart“ bezeichnet: „Folgte
man der 79 Seiten dicken Anklageschrift,
dann scheint Lepzien eine geradezu klassische Agent-provocateur-Rolle
gespielt zu haben. Er „... verkaufte in zwei Fällen Schußwaffen
an Personen aus der rechtsradikalen Szene, ohne Waffenschein, begeisterte
sich über Ottes Pläne, Sprengstoffanschlage zu verüben,.... besorgte
zusammen mit Otte in Zürich das Schwarzpulver für den Bombenbau
.....übergab bei einem ‚konspirativen Treffen' in seiner Peiner Wohnung
mit den anderen Mitgliedern der Gruppe eine Bombe an den im Bückeburger
Neonazis-Prozeß verurteilten Michael Kühnen und drängte den
Mitangeklagten und Bombenbauer Wolfgang Sachse zum Bau einer noch
größeren Bombe" Zu diesem Bild paßt noch, daß jenem Lepzien später eine auffallende Fürsorge seitens staatlicher Organe zuteil wurde, was kein Einzelfall ist (SPIEGEL vom 29.04.84): „Merkwürdig
war dem Abgeordneten schon vorgekommen, auf welch fürsorgliche
Weise sich das Innenministerium um den Agenten nach der Verurteilung
gekümmert hatte. Erst betrieb es die Revision des Lepzien-Urteils
beim Bundesgerichtshof, bestellte dazu einen Anwalt aus der Kanzlei
Bossi in München und übernahm die Verfahrenskosten. Dann stellte es
sogar ein Gnadengesuch beim Bundespräsidenten. "Im Rahmen der Fürsorge", so Peter Frisch, Chef des niedersächsischen Verfassungsschutzes, besorgte das Innenministerium dem bestraften Neonazi als "Starthilfe" auch noch einen Arbeitsplatz. Schließlich, sagte Frisch, sei der V-Mann nur "leider aus dem Ruder gelaufen". Dagegen Holtfort: "Das ganze Amt ist aus dem Ruder gelaufen." Dabei ist „aus dem Ruder gelaufen“ noch eine Verharmlosung. Es ist also gar nicht weit hergeholt, daß dort in dem rechten Sumpf in Peine unter Beteiligung von staatlichen Institutionen und Geheimdiensten rechte Terroristen herangezüchtet wurden, die im weiteren auch entsprechend ihr Unwesen getrieben haben. Solche rechten Terrorgruppen gab es dann eine ganze Reihe in der folgenden Zeit, ihnen fielen mehr Menschen zum Opfer als Anschlägen der RAF, aber sie werden heute kaum noch thematisiert. Wer daran alles beteiligt war, kann nur vermutet werden. Deren Ursprungsmilieu sollte damals durch den Prozeß gegen Josef Bachmann offenbar nicht aufgerührt werden und das soll auch heute nicht aufgerührt werden, weshalb die neuen Erkenntnisse über Josef Bachmann auch nicht so ein Thema sind wie jene über Kurras. Natürlich wäre das damals mit erhöhter Aufmerksamkeit aufgenommen worden, man sehe nur einmal auf einige Fakten des damaligen Umfeldes, die in der heutigen offiziellen Darstellung meist verschwunden oder unterbelichtet sind: Zu den Hintergründen der damaligen Zeit Die Pogromhetze in den Medien gegen die Jugend- und Studentenbewegung hatte sich zunehmend gesteigert. Als bei einer offiziellen Hetzkundgebung in Berlin mit mehreren zehntausend Teilnehmern im Februar 1967, - Bedienstete des Öffentlichen Dienstes bekamen frei für die Teilnahme - auf der der damalige Bürgermeister Klaus Schütz sprach, jemand entdeckt wurde, der Dutschke ähnlich sah, mußte ihn die Polizei vor einer lynchwütigen Meute schützen. Junge Leute, die längere Haare oder einen Bart hatten, wurden gejagt und verprügelt. Es gab eine Reihe von Verletzten. Als beim Schah-Besuch am 2. Juni 1967 die Polizei die „Jubelperser“ unterstützte, die mit langen Stangen auf die Demonstranten einprügelten, und ihrerseits die Demonstranten auf das brutalste verprügelte und durch die Straßen hetzte und dabei Benno Ohnesorg erschossen wurde, da meldeten die Zeitungen anderentags, es habe schlimme Krawalle der Studenten gegeben, bei denen sogar jemand zu Tode gekommen sei! Die Wahrheit mußte erst durchgesetzt werden. Die Haßtiraden in den Zeitungen wurden besonders auf Dutschke als Repräsentanten der Bewegung fokussiert, die Bild-Zeitung nannte ihn „Staatsfeind No. 1“, und forderte “Jetzt müssen Taten folgen!“ Der Berliner „Tagesspiegel“ schrieb „Rettet Berlin!“. Der „rote Mob“ müsse mit allen Mitteln gestoppt werden, hieß es. In Deutschland drohte die NPD über die 5%-Hürde und somit in den Bundestag zu kommen, die Übergänge zum rechten Rand der regierenden Parteien waren fließend. Alte Nazis saßen noch überall auf allen Ebenen in wichtigen Positionen. Notstandsgesetze wurden vorbereitet, die offen diktatorisches Regieren vorsahen. Im April 1967 hatte es in Griechenland einen faschistischen Militärputsch gegeben, bei dem Nato und CIA involviert waren. Linke kamen in Konzentrationslager und Folterkerker. Im Juni 1964 gab es einen Putschversuch in Italien unter Führung des Carabinieri-Generals De Lorenzo, vorbereitet mit Bombenanschlägen von rechten paramilitärischen Kräften, die den Linken in die Schuhe geschoben werden sollten. Pläne für umfangreiche Deportationen existierten. Dort gab es eine starke subversive Tätigkeit, in die ebenfalls Nato, CIA, Paramilitärs und Neonazis verstrickt waren. Solche Bedrohungen gehörten dort auch im weiteren zum politischen Alltag. In Indonesien fand 1965 ein Militärputsch unter Anleitung der USA statt, bei dem hunderttausende Anhänger der Kommunistischen Partei von einem religiös aufgehetzten Mob abgeschlachtet wurden. Die KP Indonesiens unterstützte Indonesiens Engagement in der Bewegung der blockfreien Staaten und hatte bis dahineinen völlig legalen Statusgehabt. Im Angesicht dieser Fakten soll doch bitte noch einmal wiederholt werden, wie spinnert und weit hergeholt es angeblich gewesen sei, in der damaligen Bundesrepublik eine faschistische Gefahr zu sehen, wie das einige Organe erst vor Kurzem anläßlich der Kurrras-Enthüllungen getan haben. Nicht ohne Grund ist von manchen dieser Vorgänge heute so gut wie keine Rede mehr in den Medien. Allerdings mußte man zu dieser Zeit eine faschistische Gefahr sehen! Die
herrschende Klasse hatte allen Grund, durch die Entwicklung aufgescheucht
zu sein und nach Mitteln zur Eindämmung zu suchen. Als Beispiel, wie
unter den Studenten die Einsicht Fuß faßte, daß die Repression ihnen gegenüber ihre Ursache
in den gesellschaftlichen Verhältnissen hatte und wie sie nach dem
Hebel zur Veränderung dieser Verhältnisse suchten, führe ich hier
ein Zitat von Rudi Dutschke an, in dem er diese Erkenntnis wenige
Monate vor dem Anschlag, am 1. November 1967,
in seltener Klarheit formulierte: „Wir
Studenten, die bewußtesten Teile der Studentenschaft, haben in der
letzten Zeit viele Fehler gemacht -haben den Lohn- und Arbeitskämpfen
innerhalb der produktiven Sphäre, die sich schon seit langer
Zeit ankündigten, zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt (Beifall) - haben nur unsere
eigenen Probleme gesehen, hatten nicht begriffen, daß es eine Lösung
unserer Probleme im isolierten Rahmen der Universität nicht geben
kann, daß nur die Einheit von bewußten, lohnabhängigen Massen und
bewußten Teilen der Studentenschaft eine Lösung der sozialen und politischen
Probleme dieser Gesellschaft bringen kann. (Zwischenschnitt auf zwei Studenten mit Lenin-Portrait). Die Revolution ist nach einem Wort von Friedrich Engels
der höchste Akt der Politik und wer sie will, muß auch die Mittel wollen, die
die Revolution vorbereiten.“ (Anmerkung) (Hervorhebung
von mir – W.Gerhard Die weitblickendsten Vertreter der Jugend- und Studentenbewegung wandten sich damals im Bestreben, eine neue revolutionäre Bewegung zu schaffen, dem Marxismus zu, wollten wieder an das Erbe der alten kommunistischen Bewegung anknüpfen, an den Kampf der KPD der Weimarer Zeit, Bestrebungen des selbstständigen Kampfes in der Arbeiterbewegung kamen wieder auf, wie das in den Septemberstreiks 1968 manifest wurde, als zunehmend sogar betriebliche Streikkomitees gegen den Willen der Gewerkschaftsführung selbständig Streiks organisierten. Natürlich war die deutsche wie die internationale Bourgeoisie auf das Höchste alarmiert. Auch das Beispiel des sozialistischen China unter der Führung Mao Zedongs weckte neues Interesse am Sozialismus. China kritisierte offen die revisionistische Fehlentwicklung in der Sowjetunion und mobilisierte im eigenen Land die zum großen Teil sehr junge Bevölkerung, um eine gleiche Entwicklung zu verhindern, kritisierte die Sowjetunion, die wenige Monate später mit Panzern in Prag einfallen sollte, für ihre Großmachtpolitik und ihr Bestreben, die Welt mit den USA in Einlußsphären aufzuteilen, weckte so neues Interesse am Sozialismus. In der Bundesrepublik gingen 1968 neu zum Marxismus gestoßene Repräsentanten der Jugend- und Studentenbewegung zusammen mit Kadern der 1956 verbotenen KPD daran, die revolutionäre Partei unter dem Namen KPD/ML neu zu gründen. Die Vorbereitungen dazu liefen ebenfalls bereits in dieser Zeit. (Und die SPD und FDP verhandelten mit sowjetischen Unterhändlern über die Gründung der DKP als Gegengewicht dazu.) Wenn sich die neue revolutionäre Bewegung, die vor allem aus der Jugend- und Studentenbewegung hervorgegangen war, mit der Arbeiterbewegung verbunden hätte, wäre erneut eine Kraft entstanden, die den Bestand einer der entwickeltsten kapitalistischen Ordnungen ernsthaft gefährdet hätte. Gegen diese Entwicklung mußte aus der Sicht der herrschenden Klasse unbedingt etwas unternommen werden. Eine „Strategie der Spannung, wie sie in Italien unter dem Stichwort „Gladio“ heute allgemein bekannt ist, “ in der die Bombenattentate und anderen Terroranschläge ihren Platz haben, gab es nicht nur in Italien. Der „Deutsche Herbst“ ist eben nicht einfach die logische Fortsetzung der Studentenbewegung, sondern hat vielmehr etwas mit dem Bestreben der Herrschenden zu tun, der Entwicklung Herr zu werden. Gleichzeitig war das hierzulande gepaart mit umfangreichen gesellschaftlichen und ökonomischen Verschiebungen und Veränderungen, mit Korrumpierung und dem Locken auf Abwege, auf denen man angeblich dem Druck und der Konfrontation ausweichen kann, mit der Freisetzung großer Teile der Jugend und der arbeitenden Bevölkerung. Wenn der Sohn des Attentatsopfers Siegfried Buback, der sich mit den immer unglaubwürdiger werdenden offiziellen Untersuchungsergebnissen nicht zufrieden gibt, - ganz gewiß kein Umstürzler - heute sagt, die Rolle der Geheimdienste im Hintergrund scheint ihm zu sehr ausgeblendet in der heutigen Betrachtung, dann hat er damit unbedingt recht. Und ebenfalls muß die Frage gestellt werden, ob Josef Bachmann nicht allein von der Pogromhetze der Springerpresse und der Nationalzeitung angetrieben wurde, ob er eventuell auch als Werkzeug benutzt und manipuliert wurde, das ist alles andere als abwegig und gehört zumindest ernsthaft untersucht.
Es gibt außerdem auffallende Parallelen zu einem viel späteren Fall: Gundolf Köhler, der über ein Jahrzehnt später, 1980 kurz vor der Bundestagswahl, eine Bombe auf dem Oktoberfest gelegt haben soll. Auch dieser hatte enge Verbindungen zu einer rechten terroristischen Gruppierung, der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ (die letztlich zu dem gleichen Netz rechtsradikaler Terrorgruppen gehört wie die „Braunschweiger Gruppe“ oder „Gruppe Otte“, auch er wurde in den Verlautbarungen der behördlichen Ermittler als „verwirrter Einzeltäter“ dargestellt. (Der damalige Anführer der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ lebt heute übrigens unbehelligt in großem Wohlstand.) Als Mitglieder besagter neonazistischer „Wehrsportgruppe“ bei Vernehmungen aussagten, daß sie von einem gewissen Lembke Waffen, Sprengstoff, Zünder etc. bekommen könnten, wurde dem auch nicht nachgegangen (Anm.). Dann flog 1981, ein Jahr später, (angeblich durch einen Zufallsfund von Forstarbeitern, der mit irgendwelchen Ermittlungen nichts zu tun hatte) ein Forstmeister Heinz Lembke in der Gegend von Uelzen auf, auch Neonazi, der in einem Waldstück umfangreiche Waffen- und Materialdepots verwaltete. Bevor dieser, wie kurz zuvor von ihm angekündigt, über seine Hintermänner aussagen konnte, wurde er erhängt in seiner Zelle gefunden. Auch er wurde dann als Einzeltäter bezeichnet. Nebenbei heißt es, daß er eine neonazistische Jugendgruppe militärisch ausgebildet hatte. Näheres darüber ist nicht zu erfahren. Die Ermittlungen wurden recht bald eingestellt. In diesem genannten Fall weist alles auf Zusammenhänge mit den sogenannten „Stay Behind“-Armeen hin, paramilitärischen Kräften, die im geheimen in allen NATO-Ländern und darüber hinaus eingerichtet wurden und in denen vorzugsweise Nazis und Neonazis in Dienste genommen wurden. Auch in den Behörden und Regierungen waren nur einzelne Personen eingeweiht. Für diese wurden geheime Waffendepots angelegt, die in der Bundesrepublik zwar angeblich in den siebziger Jahren aufgelöst wurden, was aber nicht unbedingt glaubwürdig ist. Diese wurden bewiesenermaßen auch zu innenpolitischen Zwecken eingesetzt, zu subversiven und terroristischen Aktivitäten. Geht man diesen Dingen weiter nach, ergibt sich der Eindruck eines Dickichts, in dem Neonazis und in- und ausländische Geheimdienste vielfach verquickt sind. Im Gegensatz zu Italien z.B. ist hierzulande wenig darüber aufgedeckt. Wer forscht z. B. nach, welche Bedeutung es hatte, daß der langjährige Vorsitzende der NPD, Adolf von Thadden, Mitglied des britischen Geheimdienstes war. Und muß Kurras unbedingt nur Informant der Stasi gewesen sein, kann er nicht sehr gut auch gleichzeitig für andere Dienste gearbeitet haben? Unsere Medien und auch die Ermittlungsbehörden zeigen überwiegend eine große Abneigung, in dieses Dickicht einzudringen, es sei denn, es geht um die Stasi, selbst wenn andere Zusammenhänge naheliegend sind. Schnell wird die Keule „Verschwörungstheorie“ geschwungen, wenn jemand aus der Reihe tanzt. (Welcher Druck hinter den Kulissen ausgeübt wird, darüber berichten z. B. Angehörige von Anschlagsopfern, die sich mit den offiziellen Untersuchungsberichten nicht zufrieden geben wollen, wie beispielsweise auch Attentatsopfer des Münchener Oktoberfestanschlags) Erst vor kurzem gab die Bundesrepublik, vertreten durch den damaligen Innenminister Schäuble, ihre Selbstbeschränkung öffentlich zu, als sie anläßlich der Entführungen und Verschleppungen in Geheimgefängnisse der CIA öffentlich erklärte, daß solche „befreundeten Dienste“ in der Bundesrepublik natürlich nicht überwacht werden. Besagtes Dickicht ist mit der öffentlich behaupteten Auflösung der Stay-Behind-Organisationen Anfang der neunziger Jahre nicht einfach verschwunden, diese waren auch nur ein Teil eines Netzes. Das zeigt sich immer wieder.
Anmerkungen
Aus einer Rede auf der Eröffnungsveranstaltung
der Kritischen Universität im Audi Max der Technischen Universität,
wiedergegeben in einer Fernsehsendung des SFB, 3. Programm, vom 24.11.1967.
Quelle: „Wandel öffentlich-rechtlicher Institutionen
im Kontext historisch-politischer Ereignisse am Beispiel des Senders
Freies Berlin“ Dissertation zur Erlangung
der Würde eines Doktors der Philosophie am Otto-Suhr-Institut für
Politikwissenschaft im Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften
der Freien Universität Berlin, vorgelegt von Petra Fischer, Berlin
2007. Daniele Ganser, „NATO Geheimarmeen in Europa“ S. 322 Zurück
www.neue-einheit.com www.neue-einheit.de
|