Internet Statement 2010-18

 

 

Griechische Verhältnisse?

Maria Weiß,  4. Mai 2010     

In Griechenland hat sich eine Schuldenkrise entwickelt, die das Land an den Rand des Staatsbankrotts geführt hat. Dies hat die Bourgeoisie auch der übrigen der EU mächtig aufgewühlt und dazu bewogen mit allen Mitteln nach "Lösungen" zu suchen. Nunmehr ist eine angebliche "Lösung" gefunden worden und die hört sich so an: Griechenland bekommt eine Bürgschaft in Höhe 110 Mrd. Euro (erst mal) von EU-Ländern zur Verfügung gestellt, von denen Deutschland 22 Mrd. Euro innerhalb der nächsten drei Jahre übernommen hat. Der IWF (derzeit unter französischem Vorsitz) hat bereits angekündigt, daß er für mindestens 10 Jahre die Kontrolle des griechischen Haushalts übernehmen werde. Er finanziert 30 Mrd. des Paketes, während die EU-Staaten 80 Mrd. übernehmen sollen.

Eine Bürgschaft bedeutet, daß Gelder, die Griechenland jetzt von Banken, z.B. der KfW, und andere internationale Banken zur Verfügung gestellt werden, um seine Schulden zu bezahlen, bürgen die übrigen EU-Staaten, vor allen Dingen Frankreich und Deutschland. Nun ist aber die Situation z.B. in unserem Land die, daß der Staat selber bis über beide Ohren verschuldet ist und dies über Jahrzehnte hinweg; daß hier sage und schreibe 1,69 Billionen Euro Schulden existieren und insofern es wirklich ein waghalsiges Unterfangen ist nunmehr auch für andere Staaten eine Bürgschaft zu übernehmen. Es wird versucht die Bevölkerung zu beruhigen, es sei, um den Euro stabil zu halten und es würden keine Steuergelder fließen, wie Merkel gestern abend im Fernsehen beteuerte, sondern es sei bloß eine Sicherheit für die Banken, die nur dann eingelöst werden soll, wenn Griechenland es nicht schaffen würde aus seinen Schulden herauszukommen.

Die griechische Regierung wird gezwungen ein extrem hartes Sparprogramm gegen die eigene Bevölkerung durchzusetzen, was bereits auf heftigsten Widerstand gestoßen ist und weiterhin stößt. Heute fand eine Besetzung der Akropolis statt von verschiedenen Arbeitern und Angestellten und Gewerkschaftern, wo gefordert wurde: "Völker Europas - erhebt euch!" Das ist gar nicht so falsch als Aufruf. Denn in unserem Land z.B. auch und in vielen anderen europäischen Staaten ist die Situation gar nicht so unähnlich wie in Griechenland. Nur daß es nicht ganz so brisant zum Ausbruch gekommen ist, bis jetzt, weil diese Länder zum Teil eine andere Stellung einnehmen wirtschaftlich und international im Finanzgefüge und offensichtlich im Falle Griechenland international diese Pleite ein "bißchen" forciert wurde, indem sog. Rating-Agencies, die aus USA oder GB stammen, also dem US- und internationalen Finanzoligarchentum anhängig sind, ihr Voting entsprechend abgegeben haben.
Ja - da ist die Frage - was tun? Was ist tatsächlich hier angesagt? Soll man jetzt dazu auffordern, daß die griechische Bevölkerung den Staat stürmt und soll man das hier unterstützen und das hier auch tun?
Dazu bedürfte es allerdings einer etwas anderen Situation bzw. das scheint noch nicht ganz so weit zu sein. Deswegen ist die Frage, was man sozusagen den griechischen Kollegen empfehlen sollte.
Eins steht fest: Das Volk, weder in Griechenland noch irgendwo anders, in anderen europäischen Staaten, kann etwas für diese Krise. Die ist hausgemacht von den entsprechenden bürgerlichen Staatsapparaten und ist auch nicht von heute auf morgen entstanden. In Griechenland z.B. ist das eine Sache, die dort seit vielen, vielen Jahren existiert, daß nämlich dort auf Pump gewirtschaftet wird und daß die ökonomische Struktur des Landes auch so aussieht, daß z.B. die produktive Basis relativ schmal ist und statt dessen ein riesengroßer Dienstleistungssektor existiert. Dieser Dienstleistungssektor umfaßt über 70 % des Bruttoinlandsproduktes. In diesem Dienstleistungssektor befinden sich natürlicherweise der ganze Tourismusbereich, aber auch andere Bereiche. Außerdem hat Griechenland ganz offenbar, jedenfalls nach allen Darstellungen die man so bekommt, einen sehr behäbiges und ausgebautes Beamten- und Angestelltensystem bislang gehabt, in dem auch nicht immer nach Recht und Ordnung verfahren wird, sondern nach Wohlwollen und Seilschaften. Nun ja, das kennt man auch von anderen Staaten, das ist nicht so etwas besonderes. Dieser Bereich kostet sehr viel Geld und dieses Geld hat man offensichtlich durch immer neue Kreditaufnahmen herbeizuschaffen versucht. Dass das eines Tages kollabiert, ist nur zu natürlich. Das fatale für die übrigen europäischen Bourgeoisien ist nur, daß es sich um ein Euro-Land handelt und da sind sie natürlich alarmiert, da der Euro in Gefahr ist. Der Euro droht abgewertet zu werden und das paßt natürlich niemand.

Es ist sicherlich so gewesen, daß im Hintergrund international die Konkurrenz eine erhebliche Rolle spielt und da auch gezündelt wurde. Man merkt es auch daran, daß gleichzeitig auch andere Länder, andere ökonomisch oder wirtschaftlich schwächere Staaten, z.B. Portugal, Irland und Spanien im Gespräch sind als nächste Kandidaten, aber die Struktur ist dort nicht unbedingt identisch mit der in Griechenland. Auch Deutschland ist z.B. recht empfindlich, was den Euro angeht, denn Deutschland ist ein Exportland, lebt weit über 50 % vom Export, nur der Export geht wiederum zu 80 % in EU/Euro-Länder. Wenn da etwas einbricht, dann macht sich das auch bei uns bemerkbar, was natürlich die Regierung in Alarm versetzt.

Nachdem die ersten Reaktionen zum Teil lauteten: "Raus mit Griechenland aus der EU", und z.B. etwas höflicher ausgedrückt: " Ein EU-Land muß auch das Recht haben auszutreten." - das Recht hat es sowieso, aber es kann nicht ausgeschlossen werden, das widerspricht dem EU-Vertrag - da ging man dann binnen einiger Wochen im März und April dazu über, sich zu überlegen, ob man dann nicht doch lieber auf die Staatsschulden, die hier schon existieren, auch noch eine weitere Bürgschaft draufsetzt, um die Lage wieder zu beruhigen. Wobei natürlich kein Mensch weiß, ob das wirklich der Fall ist. Das wünscht sich die Bourgeoisie.

Die Frage, die sich zu recht einige Vertreter stellen, ist die, wie saniert man einen solchen Staat. Was ist der richtige Weg? Setzt man Bürgschaften obendrauf, d.h. sichert man weitere Schuldenmacherei ab damit und füttert damit die Banken oder geht man einen völlig anderen Weg? Gestern in einer Sondersendung der ARD, meinte einer der dort aufgetretenen Finanzexperten, er würde etwas gänzlich anderes vorschlagen. Was jetzt gemacht würde, sei seiner Ansicht nach nur eine Art Durchlauf, von dem ausschließlich die Banken profitieren würden, d.h. es wird für neue Kredite gebürgt, für weitere Kredite, für weitere Schuldenaufnahmen gibt es eine Bürgschaft, damit diese Schulden auch aufgenommen werden können von Griechenland. Das heißt aber nichts anderes als, daß es sozusagen einen Durchfluß an Geld gibt, es wird einerseits weitere Kredite geben und auf der anderen Seite werden Schulden damit bezahlt werden. Davon hat das Land aber eigentlich rein gar nichts und das hat einen sehr wahren Aspekt. Er meinte, was eigentlich notwendig sei, das sei "frisches Geld", das heißt Geld, was nicht in die Schuldenabzahlung fließt, sondern vorwiegend für Investitionen da ist, damit überhaupt wieder etwas an Wert in dem Land geschaffen werden kann, was dann zu neuen Steuern oder Abgaben führen wird, die dann auch für die Staatskasse bereitstehen, um auch wieder Schulden begleichen zu können. Das ist etwas anderes als ein solcher Durchfluß, der jetzt geschieht. Das würde aber bedeuten, daß man bezüglich der Währung in Griechenland etwas ändern müßte. Das will natürlich die ganze übrige EU-Gesellschaft, allen voran die Bundesrepublik, überhaupt nicht. Denn das würde an dem ganzen Euro-Gefüge etwas Wesentliches ändern, das würde ihn erschüttern und das paßt ihnen absolut nicht. Es ist aber doch die Frage, was ist für das Land am besten und für die Massen und nicht, was für die Bourgeoisie und die Banken am besten ist.

An der ganzen Sache zeigt sich auch die Brisanz einer solchen Währungsunion. Das ist ganz klar, daß in dem Moment, wo in einem Land, sozusagen die Sache einbricht, im Grunde eine beträchtliche Abwertung der Währung ansteht, sich dies auf alle übrigen auswirken muß. Das ist eigentlich von Anfang an klar gewesen, bevor man den Euro eingeführt hat. Man hat ihn trotzdem eingeführt und diese Art von Bedenken wurde übergangen. Jetzt hat man in gewisser Weise den Salat. Und daß man ihn eines Tages haben würde, war eigentlich schon ziemlich klar, denn es gibt nun mal eine ungleichmäßige Entwicklung der verschiedenen Staaten und man kann solche Ereignisse wie jetzt nicht absolut ausschließen. Vor allen Dingen gibt es natürlich auch internationale Konkurrenz und gewisse Oligarchen und Magnaten, die natürlich gern an solchen Schrauben drehen, um ihre eigenen Gewinne noch weiter zu maximieren. Diese sind ganz offensichtlich in der Wall Street angesiedelt, aber auch nicht unbedingt nur dort. Man kann nicht nur auf die USA blicken in diesem Zusammenhang, da gibt es international noch andere Kandidaten für so etwas.

Es zeigt sich also ganz klar an dieser Krise eine gewisse Schwäche in der ganzen Konstruktion dieser Währungsunion in Europa. Es ist natürlich auch sehr bezeichnend, daß hierzulande jetzt der Widerstand und das, was sich in Griechenland an Widerstand von seiten der Massen entwickelt gegen dieses rigorose "Sparprogramm", d.h. Schröpfungsprogramm hier doch ziemlich unterdrückt wird in den Nachrichten. Z.B. gibt es diese Aktion zur Akropolis, wo nichts darüber berichtet wird.
Proteste der griechischen Bevölkerung gegen dieses Schröpfungsprogramm sind absolut berechtigt. Es ist sicher keine Lösung die Staatsfinanzen durch weiteres Schröpfen und sog. Sparen bei den Massen der Werktätigen zu vollziehen. Es gibt auch Vorschläge aus der Bevölkerung, daß man sich das Geld von denjenigen holt, die es verpraßt haben bzw. die dort wegen Korruption und Vetternwirtschaft am Pranger stehen. Das ist zwar eine Sache, die sicherlich gut ist und die man auch machen kann, aber das ist noch kein Konzept für eine Volkswirtschaft. Was stattfinden müßte, wäre ein systematischer Aufbau von unten.

Das positive an der Griechenland-Krise ist ganz offensichtlich, daß die Zuschüsse für gewisse zweifelhafte und unglaublich teure Programme in der Energiepolitik reduziert werden. Eigentlich ist das auch die Stunde der Gewerkschaften mit den griechischen Kollegen Solidarität zu üben ihre berechtigten Forderungen, ihren Protest zu unterstützen. Nicht "die" Griechen haben über ihre Verhältnisse gelebt, der Staat hat über seine Verhältnisse gelebt, wie überall, wie auch bei uns und die herrschende Klasse und das Finanzkapital hat davon profitiert und profitiert nach wie vor davon. Was hier vorgeht ist folgendes: Die Investmentbanker kaufen Anleihen, die Banken kaufen ebenfalls Anleihen und erwarten, daß die Steuerzahler das in den ganzen Ländern bezahlen sollen. Das ist nichts anderes als eine weitere Auspressung, ein weiteres Auspressungsprogramm eben dieses Bank- und Finanzkapitals, von denen der Staat abhängig ist und mit dem der Staat verstrickt und verwoben ist.
Das hat wirklich noch gefehlt, daß Merkel und unsere eigene Regierung die Griechen zum "Sparen" auffordert. Dafür gibt es, nachdem diese jahrelang davon profitiert hat und das immer noch tut, wirklich nicht die geringste Berechtigung. Es ist sogar so, die Griechen haben jedes Recht dagegen zu protestieren, da natürlich genau wieder auf sie die ganze Chose abgewälzt werden soll, die sie nicht zu verantworten haben. Zu verantworten haben es die herrschenden Kreise sowohl in unserem Land als auch in den übrigen EU-Ländern und auch natürlich in Griechenland und deswegen muß mit aller Härte dagegen vorgegangen werden. Es muß auch unbedingt den Versuchen der herrschenden Kreise entgegengetreten werden die Bevölkerung der jeweiligen Länder gegeneinander aufzuhetzen. Das kommt ja gar nicht in Frage! Die Widersprüche sind überall dieselben und es wird genauso wie hier, wie in Griechenland, wie in jedem anderen europäischen Land so operiert, daß die Massen immer die ganzen Lasten tragen sollen. Und das muß ein Ende haben! Von daher ist der Aufruf, den in Griechenland bestimmte Kräfte gemacht haben, bei ihrem Marsch zur Akropolis bzw. bei ihrer Besetzung der Akropolis, nämlich "Europa - steht auf!" oder "Europa - erhebt euch!" völlig richtig, vom Prinzip her völlig richtig.
Zu der Parole, wie sie jetzt öfter in Griechenland zu hören ist, "den Reichen an die Pfründe": Sicherlich ist das verständlich, es gibt auch in Griechenland Milliardäre, Leute, die in Saus und Braus leben, die völlig abgehoben sind von der Realität. Bloß diese Leute, die hängen ja gerade mit dem ganzen Banken- und Spekulationswesen zusammen, deswegen wird man allein mit diesem Weg mit Sicherheit nicht sehr weit kommen. Es ist viel effektiver zu überlegen, was für eine Art Struktur, was für eine Art Gesellschaft und Staat wir hier wie in Griechenland und wir überhaupt in ganz Europa brauchen. Alle fortschrittlichen, an der Umwälzung interessierten Menschen sowohl in Griechenland als auch im übrigen Europa und letztlich international sind aufgerufen sich über diese Dinge in aller Entschlossenheit und Energie Gedanken zu machen. Zugleich muß den Spaltungsmanövern der Herrschenden reaktionären Klassen und der Versuche die Massen gegeneinander aufzuhetzen entschieden entgegengetreten werden.

Wenn "unsere eigenen" politischen Vertreter sich hinstellen und so tun als würden sie die Interessen nicht nur unseres Landes, sondern ganz Europas vertreten, dann steht das völlig auf dem Kopf. Es kann nicht im Interesse der Massen und auch nicht von Europa sein, daß die Widersprüche sich in dieser Weise zuspitzen, daß das Finanzkapital und der Staat, der damit zusammenhängt, immer weitere Berge einerseits von Schulden, andererseits von Forderungen auftürmen, die sie dann meinen die Massen irgendwann mal bezahlen zu lassen. Dass das nicht funktioniert, sieht man jetzt an Griechenland, und das ist sehr gut.


 

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