Internet Statement 2010-24

 

12.Juni: Demonstration gegen das Sparpaket in Stuttgart

- eigener Bericht -

Uwe Müller  12.6.2010      

An die 10.000 Menschen haben heute in Stuttgart gegen das Sparpaket der CDU/CSU-FDP-Regierung und die Abwälzung der Krisenlasten auf die Bevölkerung demonstriert. Organisiert wurde diese Demo von dem Bündnis "Wir zahlen nicht für eure Krise", die schon letztes Jahr eine solche durchgeführt hatten (s. dazu auch das IS 2009-06). Das Motto in Stuttgart lautete: "„Das nennt ihr gerecht? Gerecht geht anders!“. Aufgerufen hatten u.a. Ver.di, der DGB, die "Linke" sowie verschiedene linke und sog. "soziale" Gruppen und Organisationen. Die IG Metall hatte nicht dazu aufgerufen, sonst wäre die Anzahl der Teilnehmer wohl viel höher gewesen. Dennoch waren einige IG Metall-Fahnen und Transparente zu sehen.

Getragen wurde diese Protestdemo von Jung und Alt, in erster Linie Gewerkschafter/innen, maßgeblich vom Widerstand gegen das aktuelle "Sparpaket" der CDU/CSU-FDP-Regierung. Auf vielen Plakaten wurden dessen soziale Schieflage und dessen Berechtigung überhaupt angegriffen, es gab viele Losungen gegen die Umverteilung von unten nach oben, gegen die Banken, gegen die Arroganz und Kaltschnäuzigkeit der Herrschenden - lieber bei den Hartz IV-Empfängern zu „sparen“, als bei den Millionären - gegen den Kapitalismus generell. Sehr viele Plakate richteten sich auch gegen das Milliardenprojekt Stuttgart 21 (der Umbau des Hauptbahnhofs, der 4,1 Mrd. kosten soll).

Die Abschlußkundgebung wurde dominiert von Ver.di und DGB. Entsprechend staatstragend und systemfreundlich war denn auch der Inhalt der Reden.
Es sprach neben Ver.di-Chef Bsirske der DGB-Landeschef Nikolaus Landgraf, die GEW-Chefin, Ver.di-BW-Chef Riexinger von der "Linke" und ein ATTAC-Vertreter. Sie alle kritisierten Einzelheiten der Kürzungspläne der schwarz-gelben Regierung, attackierten dessen soziale Unausgewogenheit und Schieflage, dessen Ausrichtung auf die sozial Schwachen und Arbeitslosen. Sie forderten die Besteuerung der Reichen und Banken, einen Mindestlohn (von 8,50 bis 10€), verlangten die Rücknahme der Rente mit 67, prangerten Mißstände bei Bildung an usw.usf... Grundsätzliche Kritik am Kapitalismus und am Staat war allerdings von den Rednern nicht zu vernehmen. Sie beließen es bei Attacken gegen die Banken, Spekulanten und den sog. Finanzmarktkapitalismus, Forderungen nach mehr Regulierung des Finanzmarktes und nach Vergesellschaftung der Banken. Eine Studentenvertreterin schilderte die konkreten und berechtigten Forderungen der Schüler und Studenten.

Soziale Fragen standen bei den Reden und den Demonstranten klar im Vordergrund, ökologische bzw. energiepolitische Themen wurden außer vom DGB-Landesvorsitzenden nicht explizit angesprochen, pauschal von mehr Geld für Ökologie war hie und dort die Rede. Der DGB-Landesvorsitzende Landgraf sagte bzgl des Atomausstiegs:

„Herr Mappus, wir wollen auch keine Verlängerung der Restlaufzeiten alter, längst abgeschriebener, Atommeiler, die den Energiekonzernen gegen eine kleine Spende für den klammen Haushalt horrende Milliardengewinne in die Kassen spült – schon gar nicht am Bundesrat vorbei und gegen den ausdrücklichen Willen des Umweltministers.
Wir wollen, dass der alte Pannenreaktor Neckarwestheim, wie vorgesehen, abgeschaltet wird – und die anderen dann auch bald!
Am Atomausstieg darf nicht gerüttelt werden!“    (laut Redemanuskript)

Daß der Atomausstieg wegen dann verschärfter Abhängigkeit von Öl und Gas (Gasprom mitsamt dem „Macher“ des Ausstiegsbeschlusses Schröder freuen sich schon drauf) und dem verstärkten Ausbau der hochsubventionierten sog. erneuerbaren Energien ein Milliarden mehr an Stromkosten und Ökosteuern für die Bevölkerung nach sich ziehen würde, das scheint ihm keine Betrachtung wert zu sein. Das steht im krassen Widerspruch zu seinen sonstigen sozialen Forderungen. Welch ökonomischer Irrsinn!! Dagegen ist selbst das milliardenteure Stuttgart 21-Projekt – gegen das unter den heutigen Umständen zurecht mobil gemacht wird – ökonomisch betrachtet ein Klacks. Abgeschriebene AKWs, die billigsten Strom noch über Jahre, ja Jahrzehnte produzieren können, platt zu machen! Mit sozialer Politik hat das rein gar nichts zu tun – im Gegenteil.


So richtig Leben kam in die Abschlußkundgebung nach Ankündigung des SPD-Landesfraktionschefs Claus Schmiedel. Er wurde von einer großen Minderheit gnadenlos ausgebuht und ausgepfiffen und war nicht zu verstehen. Alle Versuche der Demoleitung, ihn zu Wort kommen zu lassen, schlugen fehl. Eier, Plastikflaschen und eine Holzleiste wurden nach ihm geworfen. Die Polizei nahm das zum Anlaß auf die Bühne zu steigen, sie filmten die Demo-Teilnehmer und nahmen den armen SPD-Mann in Schutz. Standhaft zog er seine Rede durch, die niemand verstehen konnte, und das Wort erhielt die Grünen-Landesvorsitzende Silke Krebs. Auch sie wurde anfangs massiv ausgebuht, es ließ dann aber nach und so konnte sie noch einige ihrer verlogenen Phrasen von den ach so sozialen Grünen unter die Leute bringen. Am Schluß bekam sie sogar noch einigen Beifall. Manche haben wohl doch schon vergessen, daß die Hartz-Gesetze und die Erleichterungen für die Spekulanten durch die SPD und Grünen-Regierung durchgedrückt wurden.

Bezeichnend für den Charakter der Demo-Leitung von Ver.di war das Auftreten der Kundgebungsleiterin, die sich ob der Eierwürfe und Buhrufe mehrfach gegen Gewalt aussprach (sie meinte dabei nicht die Polizei, die in voller Kampfmontur mit Kameras gespickt vertreten war) und die unliebsamen "Störer" aus der Demo verweisen wollte. Von Gewalt oder einer nennenswerten Eskalation kann aber keine Rede sein (außer vielleicht dem Wurf mit der Holzleiste und dem provokanten Auftreten der Polizei). Es paßte ihr wohl gar nicht, daß der SPD-Vertreter und teils auch die Grünen-Vertreterin so ausgebuht wurden.

Und es wurde noch interessanter. Der Sänger der am Schluß auftretenden HipHop-Band (Name habe ich nicht mitbekommen) redete in kurzen Worten vielen Teilnehmern aus dem Herzen: Man müsse an die Wurzel der Krise gehen, man muß den Kapitalismus mit seiner Ausbeutung, Unterdrückung und Repression angreifen und bekämpfen. Das hob sich erfrischend von den vorigen Staats- und Systemtreuen Rednern ab. Und als er dann nach dem ersten Lied kritisch bemerkte, daß hier von Gewalt geredet werde, die Gewalt und das Gewaltmonopol der Polizei dabei aber nicht zur Sprache komme - da wurde ihm das Mikrofon entzogen und die Demo für beendet erklärt. Das war den Veranstaltern von Ver.di und DGB endgültig zu viel.

 

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