Internet Statement 2010-33

 

Einer schiebt es auf den anderen - und was nun?

Weiteres zu dem tödlichen Duisburger Organisationsdesaster

Maria Weiß , 5.8.2010

Was sich daran alles offenbart, grenzt schon fast an das Eingeständnis einer Art staatlichen Bankrotts. Allerdings nur beinahe, denn die Manöver, die Verantwortlichkeiten in dieser Angelegenheit zu vertuschen, sind zahlreich und nehmen auch kein Ende, bislang. Es fing schon an mit der allerersten Pressekonferenz, bei der ein paar zu Stein erstarrte Gestalten versuchten, wenn sie denn überhaupt ein Wort über die Lippen brachten, die Verantwortung jeweils von sich (bzw. dem von ihnen repräsentierten Bereich) abzuwälzen. Keine der dort schnell aus der Tasche gezogenen Schutzbehauptungen hat sich im weiteren bestätigt. Im Gegenteil! Das was sich gleich am Samstagabend bereits dem Augenschein nach als vollkommen absurdes Spektakel darstellte, nämlich daß einer Menschenmasse von über einer Million ein nach allen Seiten eingezäuntes und obendrein viel zu kleines Gelände mit nur einem einzigen Ausgang und Eingang zugleich durch einen, wie inzwischen verlautete, 300 oder gar 400 Meter langen engen Tunnel zugemutet wurde, und allein schon auf Grund dieses Umstandes die Katastrophe quasi unvermeidbar eingeleitet wurde, das hat sich im weiteren Verlauf der Erkenntnisse und Fakten, die nach und nach ans Tageslicht kamen, trotz einer würdelosen, die Verantwortung jeweils auf die Anderen schiebenden Verfahrensweise sowohl der Behörden als auch des Veranstalters, welche bis heute nicht aufgehört hat, vollends bestätigt. Und was die vielen Hunderte von Augenzeugen und Betroffenen berichteten ebenfalls. Nur scheint das alles nicht zu zählen, wenn es darum geht, Konsequenzen aus diesen vollkommen offensichtlichen Ungeheuerlichkeiten zu ziehen.

Es hieß, der Bürgermeister habe einiges für die Wiederaufrichtung der Stadt Duisburg getan und sich damit Sympathien in der Bevölkerung erworben. Mag sein, aber mit dieser Sache hat er sich in der Hinsicht selbst ein Bein gestellt (oder es wurde ihm eins gestellt, auch das ist natürlich nicht auszuschließen). Die Tatsache, daß der sich standhaft weigert, die Verantwortung zu übernehmen, die er ganz zweifellos hat, spricht Bände. Wie kann ein Mensch sich dadurch herauszureden versuchen, daß er angeblich nichts unterschrieben habe? Um so schlimmer, denn es obliegt seiner Verpflichtung als Chef der Verwaltung, derartige Großveranstaltungen zu kontrollieren. Daß er zumindest dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, reicht ja allein schon, um ihn dafür in Haftung zu nehmen. Daß Derartiges nicht geschieht, spricht ebenfalls Bände! Ein einfacher Rücktritt reicht dafür übrigens keineswegs aus.

Angeblich lag die Genehmigung für das Organisationskonzept erst am Tag vorher vor. Die ist aber doch von jemandem abgesegnet worden. Wenn es nicht der Bürgermeister war, wer war es dann? Wer hat das unterschrieben?

Wer war bei der Polizei dafür verantwortlich, dass die Seiteneingänge für den tödlichen Tunnel ebenfalls verrammelt wurden? Das ist doch herausfindbar, oder besser gesagt, längst bekannt.

Die Tatsache, dass es ständig Einer auf den Anderen schiebt, ist kein Grund für einen Aufschub. Im Gegenteil, dann sind sie eben alle dingfest zu machen. Das geschieht aber nicht!
Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat bislang lediglich eine Anzeige "gegen Unbekannt" aufgegeben!

Die überwiegende Mehrheit der Menschen stellt sich die Frage: Warum? Wofür ist das alles geschehen? Für die Geldgier und das Geltungsbedürfnis und vor allem die unsägliche Charakterlosigkeit der dafür Verantwortlichen? Das ist aber mit Sicherheit auch noch nicht das Ende der Wahrheit. Diese muß in Gänze an das Tageslicht gezogen werden. Die Verantwortlichen für dieses vorhersehbare und vorhergesehene Massendesaster müssen bestraft werden.


Was die offizielle Trauerfeier angeht, so ist bemerkenswert gewesen, daß unsere beiden quasi Staatsoberhäupter (oder auch: unsere staatliche Doppelspitze) nicht ein einziges öffentliches Wort zu dieser unsäglichen Katastrophe gefunden haben, weder der Bundespräsident Wulff noch die Bundeskanzlerin Merkel. Woran das wohl liegt? Angesichts der Tatsache, daß auch eine ganze Reihe junger Menschen aus anderen Ländern dort umgekommen sind, ist es wirklich mehr als peinlich. Die saßen dort, sichtbar frisch aus dem Urlaub angereist, mit erstarrten Gesichtern, in einer teilweise äußerlich unwürdigen Repräsentanz, vor allen Dingen aber stumm. In ausnahmsweise erfreulichem Kontrast dazu konnte das Auftreten und die Rede von Hannelore Kraft registriert werden, die wenigstens einige einigermaßen würdevolle und einfühlsame Worte fand, um dem unsäglichen Ereignis und dem daraus resultierenden Leid der Betroffenen gerecht zu werden. Die kirchlichen Vertreter lohnt es nicht zu erwähnen, mal abgesehen davon, daß der Vertreter der evangelischen Synode sich offenbar in den Reigen der Geschmacklosigkeiten einzureihen bemüht war und zu Anfang seiner Trauerrede zu verkünden wusste: "Die Loveparade wurde zum Totentanz, liebe Gemeinde…"


Es stellt sich die Frage, ob es nicht möglich ist, daß von seiten der Duisburger Bürger, aus ihrer Mitte, ein Untersuchungsausschuß gebildet wird. Nicht bloß einer zur Abwahl des Bürgermeisters, sondern einer, der sowohl der Justiz als auch den Verantwortlichen aus der Verwaltung, Polizei, Veranstaltern usw. auf die Finger sieht und ganz genau nachhakt, was dort getrieben wird. Man kann nicht drauf setzen, daß das von alleine geschieht, wenn derartige Kräfte am Werke sind. Allein die Tatsache, daß dieser Bürgermeister trotz offensichtlicher Verantwortlichkeit sich weigert, dieser gerecht zu werden, spricht Bände über das, was dort los ist. Von den permanenten gegenseitigen Beschuldigungen und Ausreden der übrigen Beteiligten mal ganz zu schweigen. So dumm darf eben niemand sein, und so korrupt erst recht nicht.

Wenn sonst irgendwelchen Fraktionen oder Parteien etwas nicht paßt, wird ein Untersuchungsausschuß gebildet. Was ist aber hier jetzt? Wer schaut hier zum Beispiel der Staatsanwaltschaft auf die Finger? Wenn schon zu hören ist, daß die Ermittlungen lange Zeit brauchen werden, dann weiß man, was die Stunde geschlagen hat. Daß nämlich alles wieder abgebügelt werden soll - bis zum nächsten Mal. Das kommt überhaupt nicht in Frage, das darf überhaupt nicht in Frage kommen.

Und wenn dem Herrn Bundespräsidenten jetzt eingefallen ist, nach einer ganzen Woche, daß die Warnungen, zum Beispiel was den Tunnel angeht, bereits längere Zeit vorher da waren, dann ist diese Arbeitsweise einfach zu langsam - aber na ja, Mensch braucht eben auch mal Urlaub…

In dieser Sache muß aber ganz anders herangegangen werden. Die Verantwortlichkeiten müssen herausgefunden und die Betreffenden zur Rechenschaft gezogen werden! Das ist doch vollkommen klar. Und es ist ebenso klar, daß jemand, der ein solches Verbrechen zu verantworten hat - und sei es aus Dummheit oder Geldgier oder aus beidem - bestraft zu werden hat. Es reicht, was hier passiert ist. 21 zerquetschte Menschen sind 21 zerquetschte Menschen zu viel, mal ganz abgesehen von den Hunderten von Verletzten und Traumatisierten. Es muß etwas passieren. Und da reicht auch kein Trostpflaster von einem Geldfond für Betroffene, um eine solche Angelegenheit zu stopfen. Wie wär's denn hier mal mit einer Bürgerinitiative, mit einem Ermittlungsausschuß von Bürgern, der sich massiv dahinter klemmt und den für die Untersuchung Verantwortlichen nicht von der Pelle rückt? Und es ist wirklich Kontrolle angesagt. Das muß man bei den ganzen Absurditäten, die bis jetzt geboten wurden, feststellen. Und wenn Hannelore Kraft ihre Trauerrede mit den Worten beendete, daß "der Mensch wieder mehr in den Mittelpunkt gestellt" werden müsse, dann kann man dazu nur sagen: was hier jetzt vor allem in den Mittelpunkt gestellt werden muß, das ist die Aufdeckung der Wahrheit und daß die Täter ihre gerechte Bestrafung erfahren.


 

 

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