Internet Statement 2010-40
Uwe Müller / Wassili Gerhard 28.09.2010 Wie sich diese Figuren, wie eine Frau von der Leyen oder ein Herr Rogowski, am Sonntag in der Sendung „Anne Will“ jetzt da großspurig hinstellen, mehr sei nicht drin, es müsse ja auch noch ein Anreiz zur Arbeitsaufnahme bleiben, das ist doch die Höhe. Wie viele suchen denn händeringend nach einer gesellschaftlich sinnvollen Beschäftigung mit einer Bezahlung, die ein halbwegs auskömmliches Leben sichert? Aber wie viele finden denn eine Beschäftigung, einen Job, von dem man auch wirklich leben kann? Alles Geschrei von wegen Facharbeitermangel kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß Millionen hier im Lande keine Chance mehr auf einen Job bekommen, der wenigstens ein Leben entsprechend heute angemessenen Mindeststandards ermöglicht. Normale Jobs werden zunehmend die Ausnahme. Bei Neueinstellungen dominieren heute Leiharbeit, befristete Verträge, Praktika usw.. Solche prekären Arbeitsverhältnisse nehmen immer mehr überhand. Das Kapital und der Staat, ja selbst manche Hartz IV-Gegner und Rufer nach einem bedingungslosen Grundeinkommen, haben Millionen Menschen hierzulande regelrecht abgeschrieben. Sie werden vom Kapital nicht mehr gebraucht - sie sind allerhöchstens noch zur brutalsten und rechtlosesten Ausbeutung freigegeben. Sie werden nicht bloß in die Armut getrieben, sondern auch in die volle Abhängigkeit vom Staat, von den Behörden und von den modernen Sklavenhändlern und Sklaventreibern der Leiharbeitsfirmen. Und obendrein werden sie dann noch pauschal beschimpft als faule, arbeitsscheue Trunkenbolde. Das ist der eigentliche Skandal bei Hartz IV. Dies ist von Kapital
und vom Staat gewollt. Dies alles - Hartz IV einerseits und massive Erleichterung
und Förderung der sog. prekären Beschäftigungsverhältnisse
andererseits - das muß man immer wieder dazu sagen - wurde unter
der rot-grünen Regierung mit Duldung der Gewerkschaften in Gang gesetzt.
Und diese für Millionen so verhängnisvolle und brutale Entwicklung
wird durch die Krise jetzt noch verschärft und vorangetrieben. Die
Gewerkschaften machen inzwischen die prekären Arbeitsverhältnisse
zunehmend zum Thema. Aber da muß viel mehr kommen. Eine Frau von der Leyen, gebürtig aus einer Familie, die gewohnheitsgemäß als Fettauge oben auf der Gesellschaft schwimmt, scheint keine wichtigeren Sorgen zu haben, als daß sich keine ihrer wie in Stein gemeißelten Haarsträhnen ein Stückchen verschiebt oder diese Gesellschaftsschicht, der sie angehört, ihren ererbten Platz in der Gesellschaft verliert. Sie scheint zu meinen, jeder müsse sich sie zum Beispiel nehmen, sie habe es doch auch zu etwas gebracht, mit etwas Anstrengung und Organisationstalent könne das doch fast jeder schaffen. Und wer sich der Mühe unterzieht, soll doch auch die Belohnung dafür ernten. Da wäre allerdings noch die Kleinigkeit, daß da ein gewisser Background auch noch ganz hilfreich ist, solche Kleinigkeiten wie Eigentum, Macht, Beziehungen und dergleichen. Aber das verdient man doch auch, wenn man Nachfahre hervorragender Vorfahren ist, dieses Vorrecht gehört doch quasi zum Erbgut. Es heißt auch immer wieder, der Abstand zu den niedrigen Einkommen müsse gewahrt bleiben. Na das ist ja fein eingefädelt, da wird – schließlich gerade auch mit Hilfe von Hartz IV – ein Billiglohnsektor hochgepäppelt in diesem Land, wo ein zunehmender Teil der arbeitenden Menschen noch Hartz IV bekommen muß, um auf den sog. „Mindestbedarf“ zu kommen. Als Rentner haben sie dann nur noch Grundsicherung, also Hartz IV-Niveau. Und dann wird,. nachdem es Hartz IV schon eine Reihe von Jahren gibt, das Einkommen der ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung, wo auf einem solchen Niveau lebende Menschen einen zunehmenden Anteil stellen, als Maßstab genommen, um die Hartz IV-Sätze festzulegen, die einen „angemessenen Abstand“ zu den niedrigen Arbeitseinkommen haben müssen, was wiederum noch niedrigere Arbeitseinkommen begünstigt. Und Hartz IV soll dann jeweils von einem „Mindestbedarf“ genannten Niveau abgeleitet werden, der das zunehmende Herunterdrücken des Lebensniveaus widerspiegelt, und soll dazu noch einen Abstand haben. Das läuft auf eine Abwärtsspirale hinaus, in der dieser „Mindestbedarf“ immer weiter nach unten geht, aber natürlich alles sauber berechnet. “Die Berechnungen zeigen exakt, wo das Existenzminimum liegt. Danach richten wir uns ganz genau“ (v.d.Leyen gegenüber der Bild-Zeitung) Die herrschende Klasse sträubt sich seit einiger Zeit dagegen, daß mit der modernen Entwicklung in Wissenschaft und Industrie das Lebensniveau der Menschen hier steigt, denn die unteren Gesellschaftsschichten haben sich hier in der Vergangenheit eine gewisse Teilhabe an den Errungenschaften erstritten. Dagegen wurde vieles unternommen seitens der herrschenden Klassen, aber immer wieder kommt diese Forderung aufs neue. Es war vor allem die Infragestellung der kapitalistischen Ordnung durch eine entschlossene organisierte Bewegung, getragen von einer wachsenden Arbeiterschaft, die in der jüngeren Vergangenheit einen Druck in dieser Richtung erzeugt hat. Nun ist aber seit einiger Zeit der Versuch im Gange, diese Entwicklung hier abzuklemmen, indem Wachstum und Weiterentwicklung heute vor allem in anderen Weltgegenden stattfinden, in denen sich die Menschen eine solche Teilhabe bisher nicht in diesem Maße erstritten haben bzw. bisher auf einem viel weiter zurückgebliebenen Niveau gelebt haben. Hierzulande wird dafür ein zunehmender Teil der Menschen auf ein „Aussterbegleis“ gesetzt. Frau von der Leyen war auch schon als Familienministerin darum bemüht, die Förderung für Familien mit Kindern so zu gestalten, daß der zunehmend abgehängte Teil der Gesellschaft möglichst nicht in den Genuß dieser Förderung kommt. In diesem Punkt ist Frau von der Leyen übrigens auffallend in Übereinstimmung mit Herrn Sarrazin, der als offensichtlicher Sozialdarwinist vertritt, daß die, die unten sind, aufgrund ihrer vererbten schlechteren Intelligenz und Leistungsfähigkeit verdientermaßen dort seien und daß sie sich besser nicht fortpflanzen sollten, sondern lieber die „Erfolgreichen“ (wie z.B. Sarrazin und von der Leyen). Immer wieder kommt
das gleiche Argument, es müsse doch Anreize für eine Arbeitaufnahme
geben, es dürfe nicht zu leicht sein, von Hartz IV zu existieren.
Für die Menschen, die sich den Drang, selbst etwas zum gesellschaftlichen
Vorankommen beizutragen, bewahrt haben, und das dürfte der Regelfall
sein, ist eine Existenz mit Hartz IV überhaupt unerträglich.
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