Internet Statement 2012-04

 

Jeder Europäer ist ein Grieche und umgekehrt !

Maria Weiß   6.2.2012      

Die ökonomische Unabhängigkeit [1] ist eine ganz wichtige Säule für die Unabhängigkeit überhaupt. Sei es von einer Person, von einer Gruppe oder sei es auch eines Staates. Wird diese aufgegeben, fällt damit sozusagen auch eben genau diese Substanz der Unabhängigkeit. Dabei ist es sekundär, wodurch diese ökonomische Unabhängigkeit erreicht wird. Selbstverständlich wird sie bei der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung in sämtlichen europäischen Staaten, und höchstwahrscheinlich auch in sämtlichen Staaten auf der gesamten Welt, gegenwärtig durch Einkünfte aus einer sogenannten abhängigen Beschäftigung (meint eigentlich abhängig vom Kapital und seiner Willkür) erreicht.

Gleichwohl ist es ein wichtiger Punkt, ob die betreffende Person oder Gruppe oder auch Staat über die eigenen Finanzen selbst entscheiden kann. Hört diese Entscheidungsfreiheit auf, wird die Selbständigkeit verletzt und es beginnt eine Form von Entmündigung, welche niemand freiwillig hinnimmt.

Hiervon unterschieden werden muß jedoch ein freiwilliger Zusammenschluß und eine freiwillige Teilhabe an den eigenen ökonomischen Bedingungen (Ressourcen) gemeinschaftlich mit anderen (ein gemeinschaftlicher Haushalt, wenn man so will), sei es mit einer anderen Person, mit einer anderen Gruppe oder sei es mit einem (oder mehreren) anderen Staaten.

Freiwillig bedeutet aber selbstverständlich, daß es nicht einseitig sein kann. Sondern, wenn Kontrolle existiert, dann muß sie gegenseitig sein. Sonst hat es nichts mehr mit Freiwilligkeit zu tun, sondern eben etwas mit Entmündigung.

Dies macht die Dinge natürlich in punkto Euro und europäischem Zusammenschluß in dieser Hinsicht nicht gerade leichter. Nicht ohne Grund, und auch nicht ohne Recht muß man sagen, wehren sich verschiedene europäische Staaten gegen eine derartige Entmündigung oder auch nur Teilentmündigung (wie es gerade wieder mit dem sog. Sperrkonto [2] in Verbindung mit Griechenland in die Debatte geworfen wurde). Erst recht natürlich dann, wenn diese überwiegend oder sogar fast ausschließlich dazu dient, den Hunger des Finanzkapitals, des internationalen Finanzkapitals vor allen Dingen, zu befriedigen. Wobei zumeist auf Grund der klassenmäßigen Zusammensetzung die (jeweils) eigene Bevölkerung, die Masse der Bevölkerung des betroffenen Staates die Leidtragenden sind.

Steuerzahler ist keineswegs gleich Steuerzahler, das muß man hier an dieser Stelle auch mal festhalten. Weil es immer so hingestellt wird, daß angeblich „der Steuerzahler“ dafür aufkommen müsse. Da gibt’s aber sehr große Unterschiede. Auch ein Spekulant, auch ein Hedgefond- Einkäufer und auch ein Finanzmagnat mit Milliarden von Euro im Hintergrund ist ein Steuerzahler, (natürlich nur dann, wenn er diese auch zahlt). Und daß man das nicht gleichsetzen kann mit einem Arbeiter oder einem einfachen Angestellten, der abhängig beschäftigt und gerade mal noch nicht einmal das verdient, was er zum Leben braucht, das dürfte ja wohl klar sein. Das liegt offen auf der Hand und es ist lächerlich, in dieser Weise hier demagogisch Politik zu machen.

Für wen stellt es also eine „Lösung“ dar, nunmehr Griechenland dazu zu zwingen, durch die Einrichtung eines Sperrkontos die Befriedigung der Banken zu erzwingen, wobei die griechische Bevölkerung schon jetzt bis zum Geht-nicht-mehr geschröpft wird? Dreimal darf man raten, dazu braucht es nicht viel Phantasie. Und daß das nicht hinnehmbar ist, weder im ökonomischen noch im politischen noch im moralischen Sinn, liegt auf der Hand.

Im Gegenteil. Es ist mehr als berechtigt, wenn die griechische Bevölkerung wie auch alle anderen Bevölkerungen sich das nicht gefallen lassen und dagegen aufstehen. In Griechenland ist es bereits im Gang, und dieses Beispiel sollte Schule machen! Es ist abzusehen, daß auch die anderen Bevölkerungen der verschiedenen Staaten, auch unseres eigenen selbstverständlich, an die Reihe kommen werden. Man sollte die Zeit nicht verstreichen lassen.

Es ist nicht nur eine Frage der persönlichen Würde als auch vor allem der Würde der den Fortschritt und die Zukunft vertretenden sozialen Klasse, sondern auch der eines Staates und einer Nation, ob dieses Prinzip der freien Entscheidung über die eigenen ökonomischen Mittel, unter was für Vorwänden auch immer, mit Füßen getreten werden darf oder nicht.

Was aber darüber hinaus vor allem deutlich wird, ist die zunehmend nicht mehr wegzuleugnende Tatsache, daß das ganze bürgerliche Staatswesen, die ganze kapitalistische Ökonomie und Gesellschaft zutiefst marode ist, und zwar nicht bloß in Griechenland, sondern auch überall sonst, und objektiv nach ihrer Ablösung drängt, da sie in keiner Weise mehr in der Lage ist, die ökonomischen und sozialen Probleme im Sinne der gesellschaftlichen Mehrheit zu lösen..

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[1] Mit „Unabhängigkeit“ ist hier die souveräne Entscheidung über die eigenen ökonomischen Mittel gemeint.

[2] „Ziel des Sonderkontos ist es, dem Finanzmarkt Sicherheit zu geben, daß Griechenland nach dem Schuldenschnitt alles tun wird, um die verbliebenen Schulden zu tilgen. Steuereinnahmen würden zuerst genutzt, um die Gläubiger zu bedienen, heißt es. Nur darüber hinaus gehende Einnahmen können für andere Zwecke verwandt werden.“ (FAZ 8.1.12)

 

 

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