Internet Statement 2012-05

 

Der Umweltschutz – ein strategisches Ziel der proletarischen Revolution?

Ein paar polemische Anmerkungen zu Stefan Engel

Maria Weiß  11.2.2012      

Die MLPD, genau gesagt Stefan Engel, hat soeben den Klassenkampf neu erfunden.[1] Und nicht nur das, der Klassenkampf ist auch Teil des Kampfes für Umweltschutz. Das ist ein strategisches Ziel, brandneu. Oh, da ist man ja wirklich wieder mal ganz baff.

Fast könnte man meinen, von Revisionismus hätten sie noch nie etwas gehört. Statt dessen wird wieder einmal die sog. „kleinbürgerliche Denkweise“ auf das Panier gehoben. Und die existiert bei ihnen im luftleeren Raum, als ob die Denkweise eines Menschen nicht etwas mit seiner materiellen Existenz zu tun hätte, sich daraus ableitet.

Sicherlich wirkt sich die Denkweise auch auf die Handlungen eines Menschen aus, aber die materielle Existenz ist die Grundlage, nicht umgekehrt die Denkweise. Das steht auf dem Kopf bei der MLPD, und stellt reaktionären bürgerlichen Idealismus dar.

Zu bekämpfen innerhalb der Bewegung ist nicht die „kleinbürgerliche Denkweise“ vor allen Dingen, sondern der Arbeiteraristokratismus. Und dieser Arbeiteraristokratismus ist eine ganz materielle Angelegenheit, die sich nährt aus der Ausbeutung, der internationalen Ausbeutung und aus der Bestechung aus diesen Extraprofiten aus dieser Ausbeutung. Im Gefolge davon entsteht u.a. diese reaktionäre „kleinbürgerliche Denkweise“, nicht umgekehrt. Aber das wurde ja schon früher von uns kritisiert.

Die ganze Tatsache, daß der Kapitalismus selbstverständlich auch die Neigung dazu hat, die Natur bis in extenso auszubeuten, wenn es seinem Profitstreben dienlich ist, ist völlig logisch. Dieses Problem löst sich aber mit der Ablösung dieses Gesellschaftssystems. Dazu braucht man keine „Umweltpolitik“ zum strategischen Ziel zu erklären, indem man sich in opportunistischer Form an die bourgeoise Propaganda anlehnt, welche selbst die Umweltpolitik zum vorrangigen Thema macht, um vom System der Ausbeutung und alledem, was es damit auf sich hat und all seinen Konsequenzen, abzulenken. Und genau dieser Tendenz des Kapitals wird Stegfan Engel in diesem Interview gerecht. Dieser Tendenz wird von ihm nachgegeben, was allerdings auch nicht verwundert bei den ganzen opportunistischen Grundlagen dieser Organisation.


Was haben diese Leute überhaupt für ein Geschichtsverständnis? Der Begriff des Revisionismus, Sozialimperialismus kommt überhaupt nicht vor in diesem Interview Es gibt nur das imperialistische Weltsystem und die revolutionäre Weltkrise. Ja, wenn das denn so schön einfach wäre. Was ist denn mit China? Was ist das für eine Macht? Ist das eine imperialistische Macht? Ist es sozialimperialistisch, revisionistisch? Oder was ist das? Wie soll man das einschätzen im internationalen Zusammenhang gegenwärtig? Welche Rolle spielt es im heutigen Weltsystem? Darüber erfährt man von Stefan Engel hier kein einziges Wort. Als wenn das nicht längst auch international Auswirkungen gezeitigt hätte, auf die man stößt. Was ist überhaupt diese ICOR? Was ist das für eine Bewegung? Wo kommt die auf einmal her? Was für Kräfte sind da drin? Wer hat das organisiert? Was sagen überhaupt andere kommunistische und marxistisch-leninistische Organisationen in anderen Ländern dazu? Wie bettet sich das ein? Hat es irgend etwas miteinander zu tun? Oder ist es wieder mal ein Dunstgebäude, das hier hochgezogen wird, unter massiver Beteiligung von Anti-Kernenergie- und sog. Umweltschutzapologeten, ganz offensichtlich vor allem mit dem Ziel, revolutionäre und fortschrittliche Kräfte im Sinne des Imperialismus und der Bourgeoisie an die sog. Umweltbewegung zu binden.

Die Tatsache allein, daß die MLPD vielleicht in einigen bundesdeutschen Betrieben, vor allen Dingen der Automobilindustrie, Leute hat, besagt noch nicht viel. Wo sind sie international verknüpft? Mit wem arbeiten sie zusammen? Mit was für Organisationen? Mit solchen wie der oben genannten? Da ist ja die Niederlage schon vorprogrammiert. Wie nehmen sie ganz konkret zum deutschen Imperialismus Stellung, und seinen gegenwärtigen Tendenzen, vor allem zu der Anti-Wachstums-Politik im eigenen Land bei gleichzeitiger Verschärfung der internationalen Ausbeutung? Wie zur nationalen Frage und den Problemen in dieser Hinsicht? Darüber erfährt man hier nichts. Eine allgemeine Aufforderung, der allgemeine Anspruch, daß es darauf ankommt, faschistische Organisationen zu zerschlagen, die nützt noch nicht viel, wenn man nicht zugleich auch die Wurzeln dafür aufdeckt. Davon aber kann bei Stefan Engel keine Rede sein. Nichts in dieser Hinsicht findet man dort.

Des weiteren ist davon die Rede, daß eine sogenannte antikommunistische Tendenz von der Bourgeoisie hier hochgezogen wird. Sicherlich fördert die Bourgeoisie grundsätzlich, aus ihrem ureigensten Interesse heraus, wo immer es ihr möglich ist den Antikommunismus. Bloß die Frage ist, woran kann dieser anknüpfen? Gibt es irgendwelche Wurzeln, die diesen unter den Massen als Anknüpfungspunkt reif machen? Davon ist auch keine Rede bei Stefan Engel, um was es sich dabei vielleicht handeln könnte.


Sicherlich ist der Schutz der natürlichen Grundlagen des Menschen und seiner Reproduktion eine wichtige Frage, und sicherlich ist es so, daß das kapitalistische Ausbeutersystem diese Frage in seinem Sinne löst und Mißbrauch und Raubbau auch an der Natur betreibt. Eine andere Frage ist aber die, in welcher Weise der Kapitalismus den sogenannten Umweltschutz politisch für seine Zwecke einsetzt. Und es ist ganz offensichtlich seit Jahrzehnten so, daß die Umweltfrage zur Hauptfrage erklärt wird, um von allen anderen Fragen der Gesellschaft abzulenken und die Bewegung in die Irre zu führen. Und genau an diese Bestrebung hängt sich Stefan Engel und erklärt es jetzt auch noch zum strategischen Ziel der revolutionären Bewegung. Etwas Absurderes kann man sich gar nicht vorstellen.

Aber das ist nicht nur absurd, das ist auch verräterisch, und alle Anhänger dieser Bewegung - sei es innerhalb der MLPD oder auch in anderen Organisationen - tun gut daran, sich über diese Dinge Klarheit zu verschaffen und darüber mal ganz gründlich nachzudenken, was sie damit eigentlich unterstützen.

Es tut auch gut, sich selbst über die Ansichten von Marx und Engels in diesen Fragen Klarheit zu verschaffen und die Argumentationen dieser Vertreter zu studieren, nachzuvollziehen und selbstverständlich auch einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Unsere Organisation hat seit vielen Jahren diese Irreführung der Bourgeoisie, die in der Hochstilisierung der sogenannten Umweltschutzfragen liegt, sich bemüht zu entlarven. Und es ist eigentlich kaum anders zu bewerten als eine Flucht nach vorne, diese Frage nun auch noch zum strategischen Ziel des Klassenkampfes der Arbeiterklasse zu erklären. Etwas Besseres kann sich die Bourgeoisie gar nicht wünschen.

Selbst wenn man so herangehen würde zu sagen: okay, der Umweltschutz ist eine Frage, nehmen wir sie und bauen wir sie in unsere Strategie mit ein, dann muß man sehen, wozu das führt. Und das führt eben bei der MLPD dazu, in der Praxis, Kernkraftwerke, die Nutzung der Energiegewinnung aus dem Atom, zu bekämpfen und zu unterbinden. Und genau das ist das Ziel der Bourgeoisie, bzw. deren äußerst reaktionärer Teile, weil nämlich in dieser modernen Art der Energieerzeugung eine Entwicklung liegt, die sozusagen ihre eigenen Produktionsverhältnisse, ihre eigenen reaktionären Produktionsverhältnisse zu sprengen droht. Und einen solchen Trend, ein solches Bestreben sollen wir uns zu eigen machen? Wir würden uns doch unser eigenes Grab schaufeln. Die fortschrittliche Klasse in der Gesellschaft würde sich ihr eigenes Grab schaufeln und genau das ist es, was seit einigen Jahrzehnten in den hochentwickelten Ländern, vor allen Dingen in unserem Land, stattfindet, nämlich der Abbau der Produktion, die Hemmung der Weiterentwicklung und die Stagnation. Genau das ist es, was den Klassenkampf hier unterbunden hat, bzw. aufgehalten hat und zu einer quälerischen, niedrigen und zukunftslosen Restexistenz der Arbeiter hier geführt hat.

Das wird allerdings durch die internationale Entwicklung durchbrochen, zunehmend, und Herr Engel kann ja mal internationalen wirklich fortschrittlichen und revolutionären Kräften klar machen, daß sie gefälligst bitte schön die Kernenergie zu bekämpfen haben. Die werden ihm den Vogel zeigen. Zu Recht. Und genau das ist es, was man überall beobachten kann. Südamerika, südamerikanische Staaten, beispielsweise Venezuela, entwickeln selbstverständlich Kernenergie. Osteuropäische Staaten, die lange Zeit unter dem Stiefel des russischen Imperialismus gestanden haben, entwickeln die Kernenergie. Und was passiert in Deutschland? In Deutschland, ja von Deutschland aus wird diese Entwicklung bekämpft, und der Herr Engel setzt sich auch noch an die Spitze dieser Bewegung. Weg mit so einem reaktionären Unrat! Das ist genau das, was die revolutionäre Bewegung nicht gebrauchen kann. Und Mitglieder dieser Organisation tun gut daran, sich über diese Dinge mal ehrlich Klarheit zu verschaffen.

Wir sind gerne bereit, über strategische Fragen, über taktische Fragen, über alle möglichen Fragen zu diskutieren, nicht aber über die Frage, ob die Produktivkräfte, ob solch eine essentielle Produktivkraft wie die Kernenergie, weiterentwickelt werden darf oder nicht. Einer derartigen bourgeoisen Verhöhnung des revolutionären Marxismus und Materialismus werden wir uns niemals beugen. Denn das würde bedeuten, das bourgeoise Diktat, den bourgeoisen Verrat schon von Anfang an in dieser Bewegung zu installieren. Das würde bedeuten, vor der militärischen Erpressung des Imperialismus, die namentlich und in allererster Linie über die Frage der atomaren Erpressung läuft, zu kapitulieren. Und wer das macht, der braucht gar nicht erst anzufangen dagegen aufzustehen.

Was nützt eine Bewegung, sollte sie noch so groß und breit sein, wenn sie nicht auf den richtigen Füßen steht? Das sollte eigentlich aus den ganzen historischen Erfahrungen mit der früheren KPD klar sein. Und nicht nur daraus, sondern vor allem auch aus den Erfahrungen der ganzen sogenannten Umweltbewegung der letzten 30 bis 40 Jahre in diesem Land.

Die konkrete Analyse der konkreten Situation. Das ist es, was den Marxismus essentiell ausmacht. Und auch für alle übrigen revisionistischen Apologeten in der Frage der Entwicklung der Produktivkräfte sei hier einmal Stalin zitiert:

„Allen bekannt sind die Tatsachen aus der Geschichte und der Praxis des Kapitalismus, die von der stürmischen Entwicklung der Technik im Kapitalismus zeugen, wo die Kapitalisten als Bannerträger der fortschrittlichen Technik, als Revolutionäre auf dem Gebiet der Entwicklung der Produktionstechnik auftreten. Aber bekannt sind auch Tatsachen anderer Art, die davon zeugen, daß die Entwicklung der Technik im Kapitalismus aufgehalten wird, wo die Kapitalisten als Reaktionäre auf dem Gebiet der Entwicklung der neuen Technik auftreten und nicht selten zur Handarbeit übergehen.
Wodurch ist dieser schreiende Widerspruch zu erklären? Er ist nur durch das ökonomische Grundgesetz des modernen Kapitalismus zu erklären, das heißt durch die Notwendigkeit der Erzielung von Maximalprofiten. Der Kapitalismus ist für neue Technik, wenn sie ihm Höchstprofite verheißt. Der Kapitalismus ist gegen die neue Technik und für den Übergang zur Handarbeit, wenn ihm die neue Technik nicht mehr Höchstprofite verheißt.
So ist es um das ökonomische Grundgesetz des Kapitalismus bestellt.
Besteht ein ökonomisches Grundgesetz des Sozialismus? Ja, es besteht. Welches sind die wesentlichen Züge und Erfordernisse dieses Gesetzes? Die wesentlichen Züge und Erfordernisse des ökonomischen Grundgesetzes des Sozialismus könnten etwa folgendermaßen formuliert werden: Sicherung der maximalen Befriedigung der ständig wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft durch ununterbrochenes Wachstum und stetige Vervollkommnung der sozialistischen Produktion auf der Basis der höchstentwickelten Technik.
Folglich: Statt Sicherung von Maximalprofiten - Sicherung der maximalen Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft; statt Entwicklung der Produktion mit Unterbrechungen von Aufschwung zu Krise zu Aufschwung – ununterbrochenes Wachstum der Produktion; statt periodischer, von der Zerstörung der Produktivkräfte der Gesellschaft begleiteter Unterbrechungen in der Entwicklung der Technik – stetige Vervollkommnung der Produktion auf der Basis der höchstentwickelten Technik.“

(J.W. Stalin, Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR, 1952, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1972, Seite 46/47)


Der Leser entscheide selbst, wer hier Fortschritt vertritt und wer Reaktion.

Die Stefan Engel und Co. jedenfalls befinden sich mit ihrer Stellung voll im Trend des Monopolkapitals selbst.

 

 

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[1] siehe das Interview von Stefan Engel in der Roten Fahne vom 4.1.2012


 

 

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