Internet Statement 2012-16

 

Warum Herr Putin dem zaristischen Schlächter Stolypin ein Denkmal setzt

Maria Weiß  25.5.2012      

Herrn Putin beliebt es, sich mit dem Nimbus des Eintretens für den Zusammenhalt Russlands zu umgeben, was ihm zweifellos in der Vergangenheit bei Teilen der russischen Bevölkerung gewisse Sympathien eingetragen hat. Man darf aber nicht vergessen, was Herr Putin, der unter der Breschnew Ära aufgewachsen ist und sich dann, nach dem Zusammenbruch, unter Jelzin „hochgearbeitet“, als Geheimagent, ansonsten für eine Politik gemacht hat, als Präsident und Ministerpräsident. Und dabei stellt sich durchaus die Frage, ob es im Interesse der russischen als auch der internationalen Völkergemeinschaft ist, auf was für einer Grundlage so ein Koloß, so ein „Land“ zusammengehalten wird, dessen Regierung nicht nur im eigenen Land im Verbund mit Korruption und Verbrechen massiv Ausbeutung und Raubbau betreibt und Massenbewegungen nicht hochkommen läßt , sondern in echter zaristischer Tradition in frechster Weise überall Unterwanderung betreibt, namentlich in Mitteleuropa, um sich auszudehnen, sich parasitär auf seine Rohstoffe stützend, und ansonsten im Grunde für die internationale Entwicklung Null beizutragen. Das ist doch sehr die Frage. Das muß man jedenfalls überdenken.

Schon Marx und Engels haben sich diesen Fragen gestellt und nicht nur eine massive Kritik an derartigen Zuständen geübt, sondern sogar das internationale Proletariat und die Völker in Europa dazu aufgerufen, diese im Interesse des Fortschritts gemeinsam mit den russischen Arbeitern und Bauern und allen übrigen fortschrittlichen Menschen niederzuschlagen, denn im 19. Jahrhundert, unter der Herrschaft des Zarismus in Rußland, hat es in gewisser Weise ähnlich ausgesehen wie heute. Daher verdient es besondere Beachtung, wenn Herr Putin, der sich ganz offen auf diese ganze Ära stützt, nunmehr sogar dem Schlächter Stolypin erneut ein Denkmal setzen will und sich auf die zaristischen Schlächtertruppen, die sog. Schwarzhunderter, beruft.

„Der Zarismus schickte sich nunmehr an, die Dorfgemeinde mit aller Brachialgewalt, man muß schon sagen in Vorläuferschaft des Faschismus, zu zerschlagen. Stolypin – das ist überhaupt der Begriff für einen der größten Henker des Jahrhunderts. Bereits im Jahre 1902 war diese Politik nach der Erfahrung mit den Bauernunruhen entwickelt worden. Er übersäte ganz Rußland mit Galgen und forderte dazu auf, die russische Dorfgemeinde mit aller Gewalt, mit aller staatlichen Macht, aller staatlichen Brachialgewalt zu zerschlagen...“

So charakterisiert es Hartmut Dicke in seiner Schrift „Leninismus und Zivilisation“ aus dem Jahr 1989, und weiter heißt es darin:

„Stolypin aber wurde zum Inbegriff der zaristischen Gegenrevolution und des Pogromregimes. Von 1905 an traten die sogenannten Schwarzhunderter auf, Banden, die aus Trinkern, Verkommenen und Kriminellen gebildet wurden, um die revolutionären Arbeiter und Bauern hemmungslos und in der niedersten Weise zu terrorisieren.“
(Leninismus und Zivilisation – Einführung zur Kritik, Seite 30)

Das sollte wirklich allen, die Interesse an Selbständigkeit, Entwicklung und Fortschritt haben, zu Denken geben. Gegenwärtige Absichtserklärungen einer angeblichen Vorantreibung von industrieller Entwicklung und Modernisierung des Landes sind unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen. Auch Fragen einzelner Völker innerhalb dieses Kolosses, auch die Tschetschenienfrage, sind in diesem Zusammenhang zu betrachten.


Es ist eben die Frage, welche Rolle dieses heutige Rußland wieder spielt unter einer solchen Herrschaft wie der jetzigen, und was für die Volksmassen, aber auch für die verschiedenen Nationalitäten innerhalb dieses Kolosses, für ihre Entwicklung günstig und notwendig ist. Daß es Versuche gibt, seitens konkurrierender Imperialisten, selbst in diese Widersprüche hinein zu stoßen und sie zu ihrem Vorteil auszuschlachten, zum Nachteil des Landes als Ganzes, ist nicht verwunderlich. Derartige Versuche gab es immer wieder und wird es geben. Das kann aber nicht davon abhalten, die notwendige Kritik zu leisten und den Widerstand zu organisieren, selbst um den Preis, daß gegenwärtig vor allem der USA-Imperialismus in diesen Widerspruch hinein zu stoßen versucht, in seinem eigenen hegemonialen Interesse. Davon kann man sich nicht abhalten lassen, sondern muß man eben sehr sorgfältig abwägen und das entscheiden, was für den Fortschritt notwendig ist und was nicht.

Auch das, was bei uns in den letzten Jahren an Unterwanderung gelaufen ist, kann man überhaupt nicht stehen lassen. Das ist an Niedertracht kaum zu überbieten und das erfordert ebenfalls eine Antwort.

27 Millionen Menschen aus der Sowjetunion, die im zweiten Weltkrieg im Kampf gegen den Nazifaschismus von diesem umgebracht worden sind, das ist eine unglaublich hohe Zahl, ein unglaublicher Blutzoll, der höchste überhaupt, der in diesem Krieg gezahlt worden ist, um den Nazifaschismus niederzuringen, welcher selbst von anderen Imperialisten zunächst gestützt worden ist. Aber daraus kann man nicht ableiten, daß man jetzt in Rußland, von seiten der jetzigen Regierung etwa ein Recht hat, gegen das eigene Volk als auch gegen andere Völker im Grunde vom Wesen her eine ähnliche skrupellose Machtpolitik vom Stapel zu lassen und sich auch ansonsten alles, was man sich an Arroganz und Skrupellosigkeit nur denken kann, herauszunehmen. Alles ist relativ, auch das. Und wenn Putin jetzt Stolypin ein Denkmal setzt, dann hat er damit zugleich auch sich selbst eins gesetzt.

 

www.neue-einheit.de     www.neue-einheit.com

neue einheit
neue-einheit.com

 

 

 

Russische „Sieger- Gene“? Einen solchen Niveauabfall hat Russland nicht verdient!
Maria Weiß  13.3.32012

 

Hartmut Dicke (Klaus Sender)
Leninismus und Zivilisation
- Einführung zur Kritik
Inhalt:
Vorbemerkung
Wesen und Bedeutung von Marx' und Engels' Lehre über die Zivilisation
Die Markgenossenschaft
Über einige prinzipielle Merkmale der Theorie der ursprünglichen Gemeinwesen
Weitere Einzelheiten zu dieser Frage in der Behandlung durch Karl Marx
Lenins Anschauungen über den Kapitalismus in Rußland
Über die Entwicklung Rußlands nach 1861
Staat und Steuerfrage in Rußland
In der Gesamtheit

 

_____________________

1976 vom Verlag Neue Einheit als Broschüre herausgegeben:


Friedrich Engels
Die auswärtige Politik des russischen Zarentums

Februar 1890


Anhang:    Kaiserlich russische Wirkliche Geheime Dynamiträte
Januar 1885


(Hier als pdf, 5,3 MB)