Internet Statement 2012-26

 

ESM – ein Faß ohne Boden

Uwe Müller  12.09.2012        

Mit großer Spannung wurde allgemein das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zur Einführung des sogenannten ständigen Euro-Rettungsschirmes ESM erwartet. Nicht allzu überraschend hat das Gericht der Einführung des ESM zusgestimmt, lediglich mit der Vorgabe, daß der Haftungsrahmen Deutschlands 190 Mrd. Euro nicht übersteigen darf.

Quer durch alle Parteien hinweg wurde das Urteil begrüßt, und sie sehen sich dadurch in ihrer Einschätzung und Politik bestätigt. Kanzlerin Merkel sprach davon, daß heute ein guter Tag für Deutschland und für Europa sei. Wers glaubt. Von den 37.000 Klägern übrigens kamen heute in den Medien nur diejenigen zu Wort, die dem Urteil Gutes abgewinnen konnten nach dem Motto: „Wir haben jetzt immerhin eine festgeschriebene Haftungsgrenze.“ Man wird sehen, wie weit her es mit einer solchen Grenze ist, wenn die 700 Milliarden des ESM nicht ausreichen, was bei Lage der Dinge nicht eben unwahrscheinlich ist.

Was hat es mit dem ESM auf sich? Wie der bisherige „Rettungsschirm“ dient er in der Hauptsache dazu, sogenannte schwer in Schieflage geratene Euro-Staaten - neben Griechenland, Irland und Portugal zählen mittlerweile auch Spanien und Italien dazu - mit Milliarden zur Hilfe zu kommen, damit diese nicht ihre Zahlungsunfähigkeit erklären müssen und weiterhin ihren Schulden- und Zinsverpflichtungen gegenüber den Banken und Finanzinvestoren und Spekulanten nachkommen können. So gut wie kein Euro aus den bisherigen Eurorettungsaktionen kam den Menschen oder auch nur dem Wiederankurbeln der Wirtschaft der Länder zugute. Im Gegenteil, Hilfsgelder wurden und werden nur gezahlt, wenn die Regierungen strikte Sparpakete und sozialen Kahlschlag verordnen und durchdrücken. Das ist – in aller Kürze ausgedrückt - die Krux dieser ganzen Eurorettungsmaßnahmen. Es ist überhaupt nicht abzusehen, daß das durch den 700 Milliarden schweren ESM nun anders werden sollte. Der ESM löst nicht die Krise, er verschiebt sie lediglich - und verschärft sie damit zugleich.

Man schaue sich nur mal die Situation in Griechenland an. Immer weiter werden die Löhne und Renten gekürzt, das eh schon korrupte Gesundheitssystem ist für die arbeitende Bevölkerung kaum noch existent – es sei denn, sie können bar bezahlen - die Arbeitslosigkeit steigt an usw., um nur einige Punkte zu nennen. Auch die neue Regierung sieht sich genauso wie alte unter dem Druck der Gläubiger, der EU und des IWF genötigt, den sozialen Kahlschlag immer noch weiterzutreiben – um die nächste „Hilfstranche“ zu bekommen. Das besonders Perfide dabei ist, daß die nach Griechenland fließenden Hilfsgelder zum allergrößten Teil wieder aus dem Land heraus in die Taschen der Gläubiger fließen.
Diejenigen, die die Euro-Rettungspakte als Bankenrettungspakete bezeichnen, haben also nicht ganz unrecht. Was sie dabei aber gerne vergessen, ist, daß die meisten Euro-Länder auch vor der Weltwirtschaftskrise schon gigantisch hoch verschuldet waren, daß sie auch vorher schon mehr oder weniger korrupt waren, daß sie auch vorher schon kaum etwas zur Entwicklung der Produktion und der Produktivkräfte getan haben, sondern lieber auf Produktionsverlagerungen und auf Teilnahme an der internationalen Ausbeutung mittels Finanzgeschäften aller Art gesetzt hatten. Man braucht da gar nicht mit dem Finger bloß auf Griechenland, Spanien oder Italien zu zeigen. Auch Deutschland ist dafür ein Beispiel. Man beachte nur die gigantische Verschuldung von nun schon über 2 Billionen Euro. Und ein besonders krasses Beispiel ist Deutschland gar in punkto Plattmachung, Verlagerung und Reduzierung der Produktion, Entrechtung großer Teile der Arbeiterschaft (Hartz-Gesetze, Leiharbeit, Minilöhne etc.) - bei gleichzeitiger verstärkter Teilnahme an der internationalen Ausbeutung.

Mit dem jetzt freien Weg für den ESM darf die EU und die deutsche Regierung, mit breiter Unterstützung des Bundestags, also weiter die Eurorettung nach bisherigem Muster betreiben. Milliarden und Aber Milliarden zur Rettung nicht in erster Linie der Länder und schon gar nicht der Mehrheit der Bevölkerung, und auch nicht mal bloß zur Rettung des Euros und der Banken, sondern in erster Linie zur Rettung des Systems, zur Rettung des Kapitalismus. In wessen Interesse das wohl liegt?

Der Beschluß der EZB vor 2 Wochen, zur Stützung angeschlagener Statten und Banken deren Staatsanleihen aufzukaufen erfolgt im wesentlichen aus demselben Grund. Die EZB wird immer mehr zur Bad Bank, ja ist es längst schon geworden. Im Grunde heißt das nichts anderes, als Geld zu drucken um Löcher zu stopfen, was unweigerlich früher oder später auf Inflation herauslaufen wird. Auf lange Sicht ist damit weder Europa (Europa hier im Sinne der europäischen Bevölkerung) als Ganzem geholfen noch den einzelnen betroffenen Ländern. Und wenn es heißt, was erstmal vernünftig klingt, daß diese Aufkäufe nur unter Auflagen erfolgen sollen – was ist damit denn gewonnen? Die Auflagen wie sie bisher diktiert werden führen diese Länder nur weiter in den ökonomischen Abgrund, mehr noch die betroffene Bevölkerung.

Natürlich ist es angebracht, den Euro gegen Spekulanten und gegen mächtige Konkurrenzinteressen seitens der USA z.B. zu verteidigen und stabil zu halten. Wohin würde denn eine Rückkehr zur D-Mark führen? Oder ein Rausschmiß Griechenlands und anderer Länder aus dem Euro? Es ist aber doch die Frage, wie das geschieht und zu wessen Nutzen und Lasten! So wie das bislang geschieht, und wie es jetzt auch mit dem ESM weiter geführt wird, so wird das generell nur kurzfristig etwas bewirken. Das war bei jeder bisherigen Rettungsaktion so. Warum sollte das beim ESM nun anders sein? Wer sich jedenfalls heute freuen kann, insbesondere über das mögliche unbegrenzte Staatsanleiheaufkaufen der EZB, sind die Banken und Spekulanten aus Europa und aus der ganzen Welt. Außer jenen, die auf den schnellen Zusammenbruch des Euro gewettet haben.


Eines ist klar, und es wird auch immer offensichtlicher. Es handelt sich nicht bloß um eine Krise des Euro oder des Dollar. Auch nicht bloß um eine Finanz- oder Bankenkrise, wie das immer so gerne hingestellt wird. Und auch nicht bloß um eine Staatsschuldenkrise, obwohl die gigantische Verschuldung der meisten Staaten eine wesentliche Ursache dieser Krise mit darstellt. Es handelt sich um eine grundlegende Krise des Kapitalismus, um eine kapitalistische Weltwirtschaftskrise. Diese ist keineswegs beendet, sie schreitet fort, sie nimmt mal mehr diese, mal mehr jene Form an. Seit Ausbruch im Jahr 2007 aber verschärft sie sich weiter und mit ihr auch der Druck auf die Arbeiter und die Massen hier und weltweit. Mit ihr wachsen auch die Widersprüche zwischen den einzelnen kapitalistischen Staaten und Staatenbünden. (USA – Europa – China – Rußland). Es wächst die Kriegsgefahr. Niemand wird umhin kommen, sich früher oder später diesem Druck und dieser Gefahr zu stellen. Je früher, desto besser.

 

 

 

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