Internet Statement 2013-12
Versuchsballon Zypern – oder wie Enteignungsmaßnahmen der Bevölkerung ausgetestet und vorbereitet werden Uwe Müller 20.4.2013 Am Donnerstag, den 18.4.2013, hat der Bundestag das sogenannte Rettungspaket für Zypern verabschiedet. Im Vordergrund der Berichterstattung über die Debatte im Bundestag stand aber nicht die Zypernregelung in ihrer Brisanz vor allem für künftige „Rettungspakete“, sondern das Gerangel um die Frauenquote in Aufsichtsräten, die noch dazu als die Kernfrage der Gleichberechtigung hochstilisiert wurde. Man glaubt im falschen Film zu sein. Es ist ein abgekartetes Spiel. Kapital, Politik und Medien arbeiten Hand in Hand beim Werfen von Nebelkerzen, um die eigentlichen Vorgänge und mehr noch die künftigen Pläne zur Rettung des kapitalistischen Systems, die anläßlich der Zypern“rettung“ verstärkt zu Tage getreten sind, zu verdecken. Ein Grund mehr, den Vorgang der Zypern“rettung“ noch einmal zu beleuchten. Man fragte sich schon zu Beginn der neuerlichen Verschärfung der Eurokrise durch die drohende Pleite von Zypern, wie kann ein so kleines Land, eine so kleine Volkswirtschaft die Eurozone in eine derartige Schieflage bringen, daß das Menetekel vom Scheitern des Euro an die Wand gemalt wurde? Ökonomisch ist Zypern selbst im Vergleich zu Griechenland, Irland und Portugal ein Leichtgewicht, die jetzt dringend benötigte Finanzspritze von ca. 23 Mrd. verschwindet geradezu hinter den Aberhunderten von Milliarden, die bislang schon zur Rettung der Banken, des Euro und der kurz vor dem Bankrott stehenden Staaten aufgewandt worden sind. Und dennoch wurde mit aller Macht von der Eurogruppe und dem IWF der Untergang des Euro beschworen, sollte Zypern Geld geliehen werden - aber nur um den Preis strikter Auflagen für ein „Sparprogramm“ das es in sich hat. In der Schärfe ging das noch über das Diktat über Griechenland hinaus. Es gab durchaus Stimmen, die Zypern – weil nicht bedeutend genug und weil ein Bankrott Zyperns eigentlich kein Risiko für den Euro wäre – keine Kredite geben wollten. Zudem wolle man ja nicht die Vermögen der russischen Milliardäre retten. Wo käme man da denn hin. Und dennoch, die Mehrheit der Euro-Staaten und Banker wollten Zypern um jeden Preis „helfen“. Es könnten ja Zweifel des Finanzmarktes an der gemeinsamen Haftung der Eurostaaten aufkommen, sollte Zypern bankrott anmelden und den Euro verlassen müssen. Man könne ja Zypern nicht im Regen stehen lassen. Als wenn jemals eines der unzähligen „Rettungspakete“ die betroffene Bevölkerung vor der Armut und dem Elend hätte retten sollen. Das ist reine Märchenerzählung. Nicht Griechenland wurde „gerettet“, sondern die Milliarden, die deutsche, französische und andere Banken an Griechenland geliehen hatten und die diese, koste es was es wolle, zurückhaben wollten. Und nicht nur die Banken und Reichen hier sondern auch die griechische Finanz- und Oberschicht kamen so bislang weitgehend ungeschoren davon, während die Bürden dem Volk und den Völkern aufgelastet werden.
Man muß das Ganze vor der allgemeinen internationalen Lage aus betrachten. Die Weltwirtschaftskrise schwelt weiter, nimmt mal mehr diese, mal mehr jene Form an, die Staatsverschuldung nimmt weltweit ungebremst zu. Die ökonomischen Schwierigkeiten, in der bis auf wenige Ausnahmen alle Staaten stecken, sind nicht kleiner, sondern größer geworden. Die Weltwirtschaft kommt nicht wieder in Schwung, auch wenn es Unterschiede und temporäre regionale Gegentendenzen dazu gibt. Die ganzen bisherigen „Rettungsmaßnahmen“ konnten zwar bislang den Bankrott des kapitalistischen Systems verhindern bzw. hinausschieben, sie verlängern und vertiefen aber gleichzeitig die Krise immer weiter. Alles ist auf Sand bzw. auf Pump gebaut. Ganze Völker werden ins Elend gestürzt, hunderte Millionen Menschen werden zu Arbeits- und Perspektivlosigkeit oder gar zum Verhungern verdammt. Wo sich Widerstand regt - und der regt sich unweigerlich und rund um den Globus, auch wenn hier bei uns in Deutschland noch kaum etwas davon zu sehen ist - wird mit Zuckerbrot und Peitsche dagegen vorgegangen. Naturgemäß verschärft sich die imperialistische Konkurrenz in Krisenzeiten, sowohl zwischen den einzelnen Staaten als auch zwischen dem Norden und Süden, und auch zwischen den USA, Europa, Asien und Rußland. Auf diesem (zugegebenermaßen nur sehr grob skizzierten) Hintergrund stellen sich die Vertreter des Kapitals, auch die der Eurostaaten, auf weitere Krisenverschärfung ein. Die kalte Enteignung durch die schleichende Inflation alleine reicht nicht mehr aus, sie müssen viel stärker an die Ersparnisse der Massen heran, die diese in den „guten“ Jahren mehr oder weniger mühsam angespart haben. Man darf allerdings nicht vergessen, daß nicht wenige Arbeiter gerade hier in Deutschland nicht nur über ein Haus, sondern manch einer über mehrere Häuser bzw. Wohnungen und über große Guthaben verfügen. Arbeiter die bessergestellt sind und die für ihr Stillhalten und ihre Treue zum System von den Extraprofiten aus der internationalen Ausbeutung mit profitieren dürfen.
Und dennoch ging das ungute Gefühl durch ganz Europa, daß bei weiterer Zuspitzung – man denke nur mal an einen Bankrott von Spanien, Italien oder gar Frankreich oder Deutschland – auch die Spareinlagen unter 100.000 Euro nicht mehr vor dem Zugriff und dem Verlust sicher sind. In der Tat, dieses Gefühl trügt nicht. Zypern ist der Versuchsballon gewesen. Aber schon gibt es Stimmen innerhalb der Eurokratie und des Kapitals, die ganz offen verlangen, daß die Zypern“rettung“ mit dem vereinbarten Raubzug an den Sparguthaben als Modellfall dienen soll. Natürlich heißt es dabei: „Reiche Sparer sollen bei Bankenpleiten haften“. So formulierte es kürzlich auch wieder der EU-Kommissar Barnier:
Wenn man gesehen hat, wie die reichen Sparer in Zypern gewarnt wurden, und diese wegen ihrer „guten Kontakte“ während der Bankenschließung Milliardensummen aus Zypern abziehen konnten, dann kann man erahnen, wer hiermit wohl getroffen werden soll künftig. Und daß die Grenze von 100.000 Euro im Ernstfall beibehalten wird – davon kann heute niemand mehr, beim besten Willen nicht, ausgehen. Wie oft schon sind seit dem Ausbruch der Krise die Regeln und Gesetze innerhalb der EU in Nacht- und Nebelaktionen kurzerhand über den Haufen geworfen worden – weil die Lage es nun mal so erfordert habe?! Wieviel Geld hat die EZB schon gedruckt bzw. den Banken zu Nullzins in den Rachen geworfen? Wie viele Staatsanleihen und faule Kredite hat sie denn schon aufgekauft?!
Die rot-grüne Regierung unter Schröder und Fischer hat mit den Hartz-Gesetzen bei den Arbeitslosen ja schon angefangen, das Ersparte und Erschaffene nach und nach zu rauben. Wie hieß es damals so schön: „Fördern und fordern!“ Gefördert wurden und werden das Kapital und die Reichen (Steuererleichterungen en masse, massenhafte Einführung prekärer Arbeitsverhältnisse etc.), gefordert wurde und wird aber nur von den Arbeitslosen. Und zwar massiv.
Warum aber sollte die breite Masse, warum sollten die Lohnarbeiter, die Arbeitslosen und die Bauern ein Interesse daran haben, den Kapitalismus zu retten? Und das mit immer größeren Opfern? Den Kapitalismus retten, der ihnen immer mehr jede Sicherheit und jede Perspektive klaut? Warum sollten sie den Kapitalismus retten, der sie nur leben läßt, wenn er sie für seine Ausbeutung gebrauchen kann. Darüber lohnt es sich nachzudenken. Der Kapitalismus gehört nicht gerettet, er gehört auch nicht
gezähmt (das funktioniert nämlich nicht) – er gehört
abgeschafft und auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen. Das können
aber nur die Arbeiter und Ausgebeuteten selber tun, sie müssen sich
zusammenschließen und gemeinsam den Klassenkampf aufnehmen. Gemeinsam
für eine moderne, von Privateigentum an den Produktionsmitteln, von
Ausbeutung und Profitgier freie Gesellschaftsform kämpfen.
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