Internet Statement 2013-21
Wer versucht welche Suppe auf den Protesten in der Türkei zu kochen? Klas Ber 9./10. 6. 2013 Diesen massenhaften Protest, den die Türkei jetzt erlebt, „erntet“ das Regime von Erdogan und seiner AKP allemal zu recht. Wie oft ist von diesem Regime schon mit brutaler Gewalt gegen die Massen in der Türkei vorgegangen worden. Und mit welch einer arroganten Haltung ist dieses Regime schon gegen das Volk aufgetreten und darüber hinweggegangen. Das reicht allemal. Auch die Verteuerung der Lebensmittel, der Lebenshaltung sind alles andere als gut für die Massen. Für sie ist es nicht so weit her mit dem sog. Wirtschaftsaufschwung in der Türkei, wie das oft in den Medien hier rüberkommt, in deren Berichterstattung. Nach offiziellen Angaben (TurkStat für Febr.) liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 20,4 Prozent. Auch gegen die Politik Erdogans gegen Syrien gab es in letzter Zeit
bereits offenen Protest. Vieles hat schon immer wieder auch zu großen Protesten und großen Kundgebungen gegen dieses Regime geführt. Und entlädt sich jetzt neu in den aktuellen Massenprotesten, zentral in Istanbul und dann auch in vielen Städten der Türkei. Da kann sich ein sozialer Protest sicher auch an solch einem Punkt wieder entzünden, '‚daß der Park, Park bleiben soll', wie beim Gezi-Park in Istanbul, wo nach Erdogans Wunsch ein Kaufhaus mit der Fassade einer alten osmanischen Kaserne entstehen soll. Aber was soll es, diesen Punkt dermaßen ins Zentrum hochzuspielen, wie das gewisse Kräfte tun? Längst ist der Protest wieder darüber hinaus gegangen und die ganze Unzufriedenheit, die in der Türkei mit dem Regime der AKP, mit dem Regime von Takip Erdogan herrscht, ist wieder hochgekommen und spitzt sich in der Rücktrittsforderung an die Regierung zu. Beim Gezi-Park spielt sicherlich mit hinein, daß diese Sache verquickt
ist mit dem angrenzenden Taksim-Platz, der schon eine gewisse historische
Bedeutung erlangt hat. Steht auf ihm doch das „Denkmal der Republik“,
das an Atatürk, den Gründer der Republik Türkei, erinnern
soll, sowie das Atatürk-Kulturzentrum. Und da wird nun hier von verschiedenen Kräften ausgerechnet die Frage der Bäume ins Zentrum gestellt. In welche Richtung kann das denn nur gehen, wenn hier so oft in der Presse die Sache mit den Bäumen ins Zentrum gerückt wird. Und wenn man dann noch sieht, daß diese Forderung nach dem Erhalt des Parks auch bei einem Aufruf zu einer Solikundgebung in Berlin an die erste Stelle gestellt wird, kann man nur sarkastisch fragen: Wie „ökologisch“ und „umweltschonend“ (heißt, wie schonend für die herrschenden Kreise) darf denn eine Solidarität mit den Protesten in der Türkei in diesem Land noch sein? „Der Gezi-Park muss ein Park bleiben. Die Behörden müssen dies offiziell anerkennen und ankündigen.” heißt die erste Forderung in diesem Aufruf. Und weiter „Die als Umweltbewegung begonnenen Proteste entwickelten sich durch einen brutalen polizeilichen Einsatz zu einem landesweiten Demokratiekampf.“ So wird also die sog. „Umweltbewegung“, was eigentlich höchstens ein Punkt bei den Protesten sein kann, als das zentrale Element herausgestellt, aus der sich der Kampf angeblich entwickelt haben soll. Was einfach Quatsch ist. Soll das etwa die (zentrale) Forderung der ganzen jetzigen Erhebung in der Türkei sein? Haben nicht die Massen ganz andere wesentlichere Widersprüche mit diesem herrschenden Regime? Immerhin wird im Aufruf dann noch einmal, allerdings untergeordnet, von der faschistoiden AKP-Regierung gesprochen. Das trifft es viel eher. Und als ob es Proteste, harte Auseinandersetzungen und brutales Vorgehen der Polizei nicht gerade erst vorher gegeben hätte. Gerade am 1. Mai hat es die gegeben (Bilder vom 1.Mai 2013, Taksim und Umgebung). Wo gegen die Massen von Gewerkschaftern mit brutaler Polizeigewalt vorgegangen wurde, nur weil sie auf diesem für sie bedeutungsvollen Platz ihre Kundgebung abhalten wollten. Und das war gerade erst einmal einige Wochen her. Hat man das etwa schon vergessen? Warum wird darüber einfach hinweggegangen? Auch weitere Proteste gegen die Syrienpolitik von Erdogan hat es erst
kürzlich gegeben. Was also soll jetzt die Herausstellung und das
Hochspielen der Umweltfrage, muß man sich fragen. Heute läuft im rbb-Inforadio ein Interview mit Cem Özdemir, der ebenfalls die Bäume, das Umweltthema als den zentralen Ausgangspunkt der Proteste hochspielt. Das aber überdeckt die ganzen politischen Widersprüche, in denen das Regime in der Türkei, und überhaupt nicht zu vergessen auch international, steckt. Und wenn Erdogan wirklich fallen sollte, dann spielen diese eine Rolle. Wobei noch die Frage ist, welches Konzept hat denn der Protest? Wenn es nach Özdemir und anderen geht, sollte es jedenfalls eines mit ökologistischer Ausrichtung, sein. Was sich dann auch mit entsprechenden Kräften aus der AKP deckt. Nein, danke!
Und da gibt es noch einiges mehr zu hinterfragen, bei dem, was sich international und hierzulande zu diesen Vorgängen äußert, in welche Richtung bestimmte Kräfte ihr Süppchen auf und mit den Protesten zu kochen versuchen. Z. B. die, die vorgeblich für die Proteste und gegen Erdogan Stellung beziehen, dafür aber andere, angeblich gemäßigte Kräfte aus der AKP, ins Spiel zu bringen versuchen. Da sind einige, die ihre Hände da mit drin haben und rumrühren. Wie die, die vorgestern noch die Militärs unterstützten, gestern Erdogan, heute auch noch teils, teils und morgen…… Aber nicht nur die. Andere rivalisieren auch um den Einfluß auf die Türkei. Der Komplex ist ein weiteres Kapitel.
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