Internet Statement 2013-27

 

„Veggie Day“

Die Grünen als Oberlehrer der Nation? Das ist noch viel zu harmlos ausgedrückt!

 

 

Wassili Gerhard   11.08.2013   

Die Grünen als Oberlehrer der Nation titelt die „Welt“ angesichts der Ankündigung der Grünen, einen vegetarischen Tag ("Veggie Day") in Kantinen einzuführen, wenn sie in die Regierung kommen. Ein FDP-Politiker veröffentlichte daraufhin im Internet ein Plakat aus den späten dreißiger Jahren „Esst mehr Vollkornbrot“ und versah es mit einem Logo der Grünen, um Parallelen aufzuzeigen, was ihm natürlich viel Ärger einbrachte, so daß er sich entschuldigen mußte und das Plakat zurückziehen. Eine etablierte Partei in dieser Weise angreifen darf man hierzulande schließlich nicht, und schon garnicht die Grünen, obwohl Grüne und grün beeinflußte Kräfte das natürlich jeden Tag vielfach nicht anders mit ihren Gegnern machen. Doch so völlig dahergeholt ist dieser Vergleich nicht. In Wahrheit ist es noch viel schlimmer.

Die Grünen repräsentieren eine fundamentalistische Richtung, der überhaupt die bisherige Entwicklung der Zivilisation nicht paßt, die behauptet, daß diese Entwicklung in den Untergang führen würde und daß es deshalb sozusagen „Fünf vor Zwölf“ sei, eine radikale Wende zu vollführen. Das trägt in sich allerdings den Keim einer totalen Bevormundung und Kontrolle der Bevölkerung, denn wenn man das konsequent zuende denkt, wäre ja bei der Gefahr des Unterganges der Menschheit fast jedes Mittel gerechtfertigt. (Andere haben ähnlich mit dem sogenannten „Untergang der Rasse“ - natürlich eine Absurdität - argumentiert.)

In Wahrheit allerdings ist diese fundamentalistische Argumentation absurd, denn die Menschheit hätte sich gerade dann schon selbst zerstört, wenn sie in früherer Zeit bereits wie die Grünen vorgegangen wäre und Wachstumsfeindlichkeit gepredigt hätte, denn die Technologien aller Zeiten hätten irgendwann zu einer Erschöpfung der Ressourcen geführt, sei es das Jagen und Sammeln, das Heizen mit Holz (wird gerade wieder „modern“), das Bauen von Schiffen aus Holz, das auch tatsächlich zur Verkarstung großer Waldgebiete führte, - man kann sicher vieles mehr anführen. Wenn es nicht immer wieder Entwicklungssprünge gegeben hätte, wäre die Menschheit irgendwann an Grenzen gestoßen. Gerade die Entwicklung einer solchen Zivilisation, solcher Möglichkeiten, wie wir sie heute haben, ermöglicht das Leben so vieler Menschen wie heute auf diesem Planeten. Wenn es noch soviel Hunger auf der Welt gibt, hat das politische Gründe, die Möglichkeiten zur völligen Beseitigung des Hungers sind vorhanden. Und natürlich muß die Entwicklung weitergehen.

Natürlich wird es auch in Zukunft Entwicklungssprünge geben müssen, und besonders auch in sozialer Hinsicht: Das gegenwärtige Gesellschaftssystem paßt zunehmend nicht mehr zusammen mit dem Stand der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung, mit der Erfordernis, daraus alle Möglichkeiten für die Entwicklung der Menschheit herauszuholen. Das läßt sich immer weniger unter den Prämissen von Privateigentum und Gewinnmaximierung organisieren. Eigentlich erfordern die gewaltigen neuen Möglichkeiten, die in einer weiteren Entwicklung stecken, eine ganz andere Herangehensweise und ein höheres Niveau von allen damit Beschäftigten, auf allen Ebenen, sowohl was das Bildungsniveau betrifft als auch vor allem was das gesellschaftliche Verantwortungsbewußtsein betrifft. Wenn man mit offenen Augen durch diese Gesellschaft geht, stößt man allenthalben darauf, daß das denjenigen, die in dieser Gesellschaft oben auf schwimmen oder sich gemütlich eingerichtet haben, gewiß nicht paßt. Und genau deshalb wird diese Gesellschaft immer grüner und übernehmen die Kräfte, die die bestehende kapitalistische Gesellschaftsordnung für das Ende der Geschichte halten, immer mehr grünes Gedankengut.

Zum Glück läßt sich die Eigendynamik, die in der Wirtschaft steckt, genauso wie der Drang der Menschen nach besserem Leben und nach einer besseren Zukunft, und daß es auch genügend Menschen gibt, die diese Zukunft gestalten und die Veränderungen durchsetzen, bisher global nicht völlig eindämmen. Im kleineren Rahmen geht das leider bisweilen besser, da kann man auch besser mit dem Mittel der Korrumpierung arbeiten.


Da werden manche kommen und mit der Finanzkrise dagegen argumentieren wollen. Das geht aber fehl. Die gegenwärtige Finanzkrise hat im Kern viel mit den Versuchen zur Eindämmung der Entwicklung zu tun. Da in den ursprünglichen entwickelten kapitalistischen Ländern bis vor einigen Jahrzehnten ein großes und stetig wachsendes Industrieproletariat existierte, das organisiert und kampfstark war, denn aufgrund seiner wachsenden Zahl und Bedeutung für die Gesellschaft hatte es potentiell ein zunehmendes Gewicht in der Gesellschaft, kamen die politischen Strategen der herrschenden Klasse zu dem Schluß, daß die Entwicklung so nicht weitergehen kann und zukünftig das Wachstum vor allem in den weniger entwickelten Gebieten der Erde erfolgen sollte, wo die arbeitenden Menschen über weniger Erfahrung verfügen, weniger organisiert sind, und wo auch ein weniger günstiger kultureller Hintergrund für die Entwicklung einer organisierten Arbeiterbewegung besteht. Und der Entwicklungsstand der Verkehrs- und Kommunikationsmittel machte das auch besser möglich. Aber das bisher in den entwickelten kapitalistischen Ländern angehäufte riesenhafte Kapital sucht nach Möglichkeiten, weiter maximalen Profit zu tragen, und so blähte sich das Finanzwesen zum Teil in absurder Weise auf, weltweit, was eine wesentliche Ursache der gegenwärtigen Krise darstellt. Daß dieses Finanzwesen in irgendeiner Weise am Mehrwert in der heutigen Produktion Anteil hat, die zunehmend in den neuen industrialisierten Regionen der Welt stattfindet, über welche Umwege auch immer, ist eine Voraussetzung, daß dieses Finanzwesen irgendwie aus dem Trouble rauskommt, und das ist auch eine Voraussetzung, daß die grünen Träume nicht so schnell und offensichtlich zerplatzen. Und man wird die Grünen als Ideologen dabei nutzen wollen, denn das wird natürlich damit verbrämt, daß man ja eigentlich die Welt retten will. Vielleicht könnten ja alle eine Steuer zahlen, daß sie überhaupt ein- und ausatmen dürfen, und die Banken bekommen das dann zu treuen Händen. Aber das ist nicht sehr realistisch. Warum sollen die neuen Industrieländer den antiindustriellen Trend hier auf Dauer subventionieren?

Nun ja, auch dort gibt es natürlich Kräfte, denen die Entwicklung des Klassenkampfes dort gegen den Strich geht, die vielleicht an grüner Argumentation Gefallen finden. Wer hier für eine Weiterentwicklung ist, wer sozial wie auch in den technischen und produktiven Potenzen weiterkommen will, der darf eben nicht die Verbindung mit solchen Kräften suchen, auch wenn sie sich einen antikapitalistischen Anstrich geben, denn es gibt eben auch einen Antikapitalismus von Rechts, und der ist oft schlimmer als der Kapitalismus selbst. Man muß die Verbindung mit den Kräften suchen, die die Weiterentwicklung der Gesellschaft repräsentieren, muß die Verbindung mit der Arbeiterbewegung suchen und ihnen auch die reichen Erfahrungen vermitteln, die hier bereits gemacht wurden.

 

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