Internet Statement 2014-34
Bundesarbeitsministerin Nahles - "im Sinne einer Befriedung" Nein zur Erzwingung einer Tarifeinheit per Gesetz!
Klas Ber 29.10.2014 Es werden ja gerade und insbesondere beim aktuellen Kampf der GdL so manche Gemüter in Wallung gebracht. Wenn dann mal aktuell gestreikt wird, schlagen die Wellen hoch, kennen die Angriffe gerade gegen die GdL manchmal keine Grenzen. Was in gar keinem Verhältnis zu den wenigen Tagen an Streik der KollegInnen steht. Medien wie manches Presseorgan spielen da eine unschöne Rolle beim Hochkochen.
Auch die Bundesarbeitsministerin sah sich berufen "im Sinne einer Befriedung", nicht der Gemüter sondern der Streiksituation, ihr baldiges Eingreifen anzukündigen, um solch einem Ansinnen, wie es die GdL verficht, die nicht nur für Verbesserungen der Lokführer kämpft sondern ebenfalls für’s Zugpersonal, was ihr angeblich nicht zustünde, einen gesetzlichen Riegel vorzuschieben. "Im Konfliktfall wie zum Beispiel aktuell bei der Bahn machen wir als Staat einen Lösungsvorschlag und werden dabei das Mehrheitsprinzip stärken."
Nun hat sie am Dienstag ihrer Gesetzesentwurf zur sog. Tarifeinheit eingebracht. Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU/CSU und SPD bereits auf dieses Vorhaben verständigt, jetzt soll es umgesetzt werden. Bis zum 3. Dezember soll er im Kabinett verabschiedet sein. Und auch wenn es dann noch gut bis Mitte nächsten Jahres dauern kann, bis dies als Gesetz verabschiedet werden soll, ist es kein Zufall, daß es gerade jetzt eingebracht wird. Genauso so wenig wie man vom Zufall ausgehen darf, daß gerade die Große Koalition diese Aufgabe übernommen hat und die SPD, die die Bundesarbeitsministerin stellt, diejenige ist, die es einbringt. Das scheint der Bourgeoisie sowieso die erfolgversprechendste Konstellation, um so einiges gegen die Massen hier durch zu bringen. Man stelle sich nur mal vor, wie die SPD darauf reagieren würde, würde die CDU/CSU dieses Gesetz einbringen und die SPD wäre nicht in der Regierung sondern in der Opposition. Jetzt aber ist die Opposition dermaßen klein, daß von dort kein verhindernder Widerspruch kommen kann.
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Dieser Gesetzentwurf wurde schon gleich nach Bekanntwerden zu Recht von Seiten einiger Gewerkschaften kritisiert, daß er das Streikrecht tangiert, dieses insbesondere für die kleinen, die Spartengewerkschaften einschränkt, es ihnen unmöglich macht ihre Forderungen durchzusetzen, und damit sich selbst. Das ist durchaus richtig, da ist was dran. Frau Nahles mag da noch so oft betonen, daß in diesem Gesetzentwurf das Streikrecht nicht einschränkt wird, die Existenz kleiner Gewerkschaften nicht beschränkt oder in Frage gestellt wird. Das mag nicht expliziert drinstehen, aber in der Praxis läuft es dann genau darauf hinaus. Denn der Gesetzentwurf legt fest, daß in einem Betrieb in einer Berufsgruppe keine voneinander abweichenden Tarifverträge gelten sollen. Worin besteht denn die Berechtigung für eine kleine, eine neue Gewerkschaft - und jede neue Gewerkschaft wird erstmal kleiner sein als die bestehende Gewerkschaft - wenn nicht darin, für ihre Mitglieder, für die ArbeiterInnen etwas Besseres als den bestehenden Tarifvertrag durchzusetzen, gegebenenfalls mit Streik. Und wenn man sie darin beschneidet und sie zur Unterordnung zwingen will, dann stellt man damit ihre Existenz in Frage - selbstverständlich. Oder welche Auffassung von Gewerkschaft muß man haben um das nicht zu verstehen? Aber so naiv wie Frau Nahles sich bei der Vorstellung ihres Gesetzes am Dienstag dann gab, als ob sie das nicht selbst wüßte, ist sie nicht.
„Wo in einem Betrieb innerhalb einer Arbeitnehmergruppe unterschiedliche Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften aufeinanderstoßen und die Beteiligten nicht von sich aus eine einvernehmliche Regelung finden, soll künftig in letzter Konsequenz das Mehrheitsprinzip gelten. Dann soll der Arbeitgeber im Zweifel die Tarifverträge anwenden, die die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in dem Betrieb abgeschlossen hat.“ (Nahles im FAZ-Interview, 28.10.2014)
„Wenn aber künftig Arbeitsgerichte im Einzelfall einen Streik beurteilen, dann werden sie in diese Beurteilung mit einbeziehen, ob der strittige Tarifvertrag überhaupt angewendet werden könnte. Die Gerichte werden also auch schauen, ob dieser spezielle Streik vor diesem Hintergrund verhältnismäßig ist.“ (ebenda)
Diese Gewerkschaften werden, da wo sie nicht die Mehrheit haben, erstmal unter die „Mehrheitsgewerkschaft“ und deren Tarifvertrag untergeordnet. Unter Tarifverträge und Abkommen, die allzumeist mehr in Absprachen mit den „Arbeitgebern“, als durch die Mobilisierung der eigenen Kraft der Belegschaften zustande gekommen sind. Etwas Besseres zu erreichen, auch gegebenenfalls durch Streik, werden die kleineren Gewerkschaften dort nicht mehr können. Das Gesetz sieht vor: „Dann soll der Arbeitgeber im Zweifel die Tarifverträge anwenden, die die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in dem Betrieb abgeschlossen hat“. Und als Konsequenz daraus hat der „Arbeitgeber“ mit diesem Gesetz den Rückhalt, sich bei Gericht durchzusetzen und eventuell doch aufkommende Streiks verbieten zu lassen. Das ist die Wahrheit hinter solchen Aussagen, wie: das Streikrecht bleibt unangetastet. Das entlarvt sich schnell als Heuchelei. So werden diese Gewerkschaften an dieser Stelle, in diesen Betrieben, bedeutungslos. Wer seine Kampfkraft nicht einsetzten kann (oder will) für die Verbesserung der Arbeitsverhältnisse wird uninteressant für die ArbeiterInnen. In das „Gebiet“ einer anderen Gewerkschaft „eindringen“ und dort die Mehrheit erobern, indem sie sich als bessere Gewerkschaften bewähren, dieser Weg wird ihnen damit auch abgeschnitten. Aber warum soll es eigentlich keine konkurrierenden Tarifverträge geben? Oder besser gesagt, warum soll eine Gewerkschaft nicht auch da versuchen können, wo bereits eine Gewerkschaft besteht, einen besseren Tarifvertrag durchzusetzen, gegebenenfalls auch mit Streik? Und dann wollen wir erstmal sehen, Frau Nahles, welcher Tarifvertrag die größte Akzeptanz in der Belegschaft hat. Die Möglichkeit etwas besseres durchzusetzen wird doch hier mit so einem Gesetzt gleich im Keim erstickt.
An einigen Stellen werden die Spartengewerkschaften sicherlich bleiben können. Die GdL wird wahrscheinlich für die Lokführer weiter kämpfen können und die Pilotenvereinigung Cockpit für die Piloten und der Marburger Bund für Ärzte. Aber es wird jeder Wettbewerb von vorneherein abgewürgt, der darum geht, wer holt das Beste für die Belegschaften, für die ArbeiterInnen raus, wer gewinnt dabei die Mehrheit. Das wäre doch was. Aber nicht, welche Gewerkschaft die Mehrheit hat, da sei das Gesetz vor, und sei der Tarifvertrag noch so schlecht. Dann hätte man die alten faulenden Verhältnisse geschützt und die Kräfte, die das mal durchbrochen und damit gewisse Dinge etwas vorangetrieben haben, wurden wieder erstickt. Die Große Koalition ist eine nicht zu ertragende Last, und das in vielfacher Hinsicht – und nicht nur für die ArbeiterInnen – die muß weg.
Schon in Koalitionsvertrag hatten sich CDU/CSU und SPD darauf verständigt die Sache im Interesse der sog. „Arbeitgeber“ zu regeln.
„Tarifeinheit gesetzlich regeln
Um den Koalitions- und Tarifpluralismus in geordnete Bahnen zu lenken, wollen wir den Grundsatz der Tarifeinheit nach dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip unter Einbindung der Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gesetzlich festschreiben. Durch flankierende Verfahrensregelungen wird verfassungsrechtlich gebotenen Belangen Rechnung getragen.“ (Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD)Man kann nur hoffen, daß in den Gewerkschaften selbst genug Verstand und Kraft da ist und Widerstand aufkommt, um ein derartiges Gesetz zu Fall zu bringen. Denn es sind die „Arbeitgeber“ von deren Verbänden dieses Gesetzesvorhaben gefordert wird, die es auch sofort begrüßt haben, aber von denen gleichzeitig immer mehr aus den Tarifverträgen aussteigen. Letztlich braucht man also echte Streikkraft um Forderungen und Tarifverträge durchzusetzen. Und daß die GdL das hat, das hat sie gezeigt, haben auch andere kleine bzw. Spartengewerkschaften gezeigt. Sie haben ihre Berechtigung und verdienen darin auch Unterstützung.
In „ Das Lehrstück bei der Bahn – Die Rolle der GDL“ (2007) analysierte Hartmut Dicke u.a.: „Er zeigt, wie eine kleine Gewerkschaft mit vielleicht ca. 38.000 Mitgliedern ungemein mehr bewirken kann als eine große Gewerkschaft, die zugleich mit dem sog. Establishment, mit den Parteien, mit dem herrschenden Unternehmertum eng verbunden ist.
Nach Jahren hofft nun die Vereinigung der Lokführer, hier einen Durchbruch zu erreichen. Sie springt damit aus dem herrschenden Gefüge der Absprachen zwischen dem Staat, der „Arbeitgeberseite“, in diesem Fall der Bahn, und den Gewerkschaften heraus und geht „querdurch“. Das versetzt die bundesrepublikanische kooperative Gesellschaft in tiefe Unruhe, obwohl es doch im internationalen Maßstab gar nicht ein so bedeutsamer Vorgang ist.“
Und das setzt sich gewisser Weise bis zur aktuellen Auseinandersetzung, zum heutigen Streik fort, und genau das will man nun mit so einem Gesetzt wieder rückgängig machen um Kräfte wie die GdL sozusagen wieder einzufangen - neue möglichst gar nicht erst aufkommen lassen - botmäßig zu bekommen, sie in die alten Strukturen der sog. Sozialpartnerschaft zwingen. Wie sagte Nahles am Dienstag bei der Vorstellung:
„Wir stärken mit diesem Gesetz das gute und bewährte Prinzip der Sozialpartnerschaft in Deutschland“ „…Streikrecht bleibt unangetastet, wir werden aber versuchen auch darauf hinzuwirken, daß in den nächsten Monaten gelingt wieder ein Stück weit eine Konsenskultur, eine Verabredungskultur zu befördern, die durch eine Gerichtsentscheidung im Jahre 2010 in Deutschland in Frage gestellt wurde.“
Keine Knebelung der kleinen Gewerkschaften durch den Staat – kein Gesetz zur Tarifeinheit!
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