Internet Statement 2015-06

 

Terrorismus und Krise in Europa - Hintergründe

Maria Weiß  10.01.2015

Viele Staaten Europas haben sich verschuldet, zum Teil weit über 100 Prozent wie zum Beispiel Griechenland. Aus welchem Grund? Vor allem, um dem inneren Widerspruch, dem inneren Klassengegensatz zu entkommen und den inneren Frieden aufrecht zu erhalten. Und nun wird dieser Friede durchbrochen, von woanders, von den Ländern, auf deren Ausbeutung sich diese Staaten hier in ihrer Wirtschaft stützen – eine Art Ironie der Geschichte, die sich hier zeigt.

Was würden sie, die regierenden Herrschaften der europäischen Staaten, denn wohl sagen, wenn ihnen fremde Mächte hier ein hunderttausendfaches „Nine-Eleven“ bescheren würden, tagtäglich, so wie das in den Bush - und Obama-Kriegen gegenüber Irak und anderen Staaten des Mittleren Ostens erfolgte, und natürlich nicht zu vergessen, erst jüngst mit dem Gaza-Krieg durch Benjamin Netanjahu?

Aber man kennt es ja: die Heuchelei dieser Bourgeoisie kennt nur eine Grenze, und die liegt da, wo die Aufdeckung ihrer eigenen Tätigkeit, ihrer eigenen Verantwortlichkeit beginnt. Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: selbstverständlich halten wir derartige Anschläge, wie sie jetzt in Frankreich stattgefunden haben, für nicht vertretbar. Aber wir halten es für mindestens ebenso wenig vertretbar, daß immer die tatsächlichen Verursacher dieser ganzen Gegensätzlichkeit in der Welt, die nun einmal existiert und sich permanent, tagtäglich in Auseinandersetzungen und Kriegen manifestiert, die Verantwortung dafür von sich weg schieben und sich mit dem Brustton der Überzeugung in Heuchelei ergehen.

Derartige Dinge haben eben noch ihre andere, weniger „heroische“ Seite. Es kommt einem vor, als würde hier wieder eine Art „RAF“- Kampagne hochgezogen, nur diesmal unter dem Aushängeschild „IS“, um den berechtigten Widerstand der Völker des Mittleren Ostens und der afrikanischen Völker zu unterminieren, zu diskreditieren und letztendlich nicht nur diesen Widerstand zu brechen, sondern nebenbei auch noch die Niederschlagung dieser Völker insgesamt zu rechtfertigen, wie man das an etlichen Beispielen der jüngsten Vergangenheit dort beobachten kann. Das wird ihnen auf die Dauer natürlich nicht gelingen. Aber was ihnen durchaus gelingt, ist, ihre Agenten dort einzuschleusen, in die Bewegung, und solche Gebilde zu fördern und hoch zu züchten wie „IS“ oder „Boko Haram“, indem man ihnen unter der Hand bereitwillig Waffen zuschiebt als auch illegale Machinationen gegenüber deren eigenen Staaten übersieht. Es ist bekannt, daß die USA beispielsweise und auch andere imperialistische oder revisionistische Staaten massenhaft Waffen an Boko Haram in Nigeria liefern, um dort unter dem Deckmantel von deren Terror gegen die Masse der Bevölkerung die rasche Entwicklung des Landes zu bremsen, oder besser im eigenen Interesse kontrollieren zu können. Dies alles findet permanent statt, ohne daß die Verantwortlichen auch nur mit der Wimper zucken. Trifft aber das Resultat dieser Untaten mal die eigenen Kreise, sind sie die ersten die sich lauthals mit dem Brustton der Überzeugung darüber empören.

Man sollte sich hingegen mit den Ursachen derartiger Anschläge befassen, damit, was diesen Dingen zugrunde liegt, sonst kann man gar nichts beurteilen.

Auch Rußland und China haben in diesen erwähnten Ländern ihre Finger in punkto Waffenlieferungen als auch „menschlicher“ Logistik, sprich der Förderung sogenannter terroristischer Kräfte mit im Spiel, wenngleich sie sich öffentlich auffällig zurückhalten.

Die Ursachen für derartige Anschläge wie jetzt in Paris sind natürlich niemals Waffen und auch nicht eine Religion –diese stellt lediglich eine Art Medium dar, um ein bestimmtes Potential zu erreichen und zu konzentrieren-, sondern die Ursache ist das, was ihnen zugrunde liegt: das System der Ausbeutung und seiner ganzen Auswirkungen und Exzesse, vor allen Dingen gegenwärtig in Bezug auf die Länder der Dritten Welt. Aber auch in diesen sogenannten herkömmlichen kapitalistischen Staaten, zum Beispiel denen Europas, entwickelt sich zunehmend unter den Migranten als auch unter der herkömmlichen Bevölkerung eine verarmte Schicht, vor allem unter der Jugend, die keinerlei Perspektive innerhalb dieser Gesellschaften findet. Auch diese bildet zunehmend einen Nährboden für derartige Aktionen des Terrorismus. Nicht zuletzt dient aber diese Art von Terror, welcher von Geheimdiensten der verschiedensten Mächte international gespeist wird, auch dazu, nicht nur potentiell revolutionäre Kräfte in den Ländern zu unterwandern, sondern auch Staaten und letztlich sogar ganze Kontinente gegen einander auszuspielen, um daraus den Profit zu ziehen. Vor allem aber auch, um eine Verbindung der verschiedenen fortschrittlichen und revolutionären Kräfte aus diesen verschiedenen Gesellschaften, die natürlicherweise zustande kommen würde und auch zustande kommen muß, zu verhindern, wobei man die verschiedenen Kräfte in Nebensächlichkeiten aufreiben und gegeneinander auszuspielen bemüht ist.


Widerstand von Massen, revolutionärer Widerstand, entwickelt sich niemals losgelöst von den objektiven Bedingungen. Das konzentrierte Industrieproletariat in Europa in den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts besaß natürlich ganz andere Möglichkeiten, Widerstand zu leisten und dem gesellschaftlichen Gegner, dem Kapital, Erfolge abzuringen als manch eine vereinzelte Gruppierung heutzutage, unter den heutigen, erheblich anderen Bedingungen des industriellen Abbaus und der weitgehenden Verlagerung der industriellen Massenproduktion von Europa weg in die Länder und Staaten der Dritten Welt. Das spielt heute durchaus eine wesentliche Rolle. Und nicht nur das, es muß auch in die Überlegungen, in die Strategie heutiger fortschrittlicher und revolutionärer Kräfte und Organisationen (sofern davon gegenwärtig die Rede sein kann) hierzulande und in den Nachbarländern Europas einbezogen werden.

Um mit den früheren Aufständen und Massenkämpfen in Europa aufzuräumen, hat die Bourgeoisie unter Mithilfe der USA in Europa den Faschismus hochgezogen, vor allem in Deutschland, aber auch in anderen Ländern, und damit letztlich, neben unsäglichen Morden und Exzessen, den Weltkrieg verursacht und zu verantworten, bei dem der deutschen Bourgeoisie ein besonderes Maß an Verantwortung in dieser Hinsicht zukommt. Aber auch andere europäische Bourgeoisien haben das offen oder verdeckt mit gefördert. Dies deswegen, weil sie letztendlich alle ein Interesse daran hatten, nicht nur die Arbeiterbewegung im eigenen Land, sondern vor allem die siegreiche Arbeiterbewegung in der Gestalt der russischen Revolution, des Bolschewismus, wie es hieß, los zu werden trachteten, wobei sie im deutschen Nazifaschismus ein in dieser Hinsicht brauchbares Mittel zu haben hofften. Dies hat sich absolut nicht bewahrheitet, sondern das Gegenteil ist eingetreten. Am Schluß waren sie alle auf die Rote Armee angewiesen, um dem Nazifaschismus den Rest zu geben.

Heute hat man sich in Europa einer revolutionären Arbeiterbewegung auf verschiedenste Weise zu entledigen versucht. Man hat nicht unwesentliche Teile korrumpiert, man hat einen Arbeiteraristokratismus herangezüchtet, welcher aus den Extraprofiten, die man aus den Staaten der Dritten Welt - aus den Staaten Asiens, Afrikas, Südamerikas und auch nicht zuletzt des Mittleren Osten – zieht, gespeist wird, um die eigene Arbeiterklasse, bzw. was davon übriggeblieben ist, ruhig zu halten, indem man den Schein einer „Wohlstandsgesellschaft“ auch für diese hier hochgezogen hat (Modell Ludwig Erhard). Das gilt für sämtliche europäischen Staaten in unterschiedlicher Weise, aber vor allem natürlich auch für die USA, die im Hintergrund immer noch gegenüber Europa den Taktstock schwingen, mehr oder minder erfolgreich dabei sind.

Man hat versucht, wie oben bereit erwähnt, in Deutschland die revolutionäre Arbeiterklasse mittels des Nazifaschismus auszurotten. Das war das ursprüngliche und vorrangige Ziel des letzteren, das sollte auch einmal hervorgehoben werden, weil zumeist immer nur von dem Ausrottungsfeldzug gegen die jüdischen Mitbürger in Deutschland und Europa heute gesprochen wird. Man hat es aber nicht geschafft, diese revolutionäre Arbeiterklasse in Deutschland völlig auszurotten, sie lebte in Teilen auch im Nachkriegsdeutschland weiter – in dem östlichen Teil sowieso - und auch im Westen. Die Bourgeoisie hielt es Mitte der 1950er Jahre für nötig, sich der noch bestehenden Kommunistischen Partei durch ein Verbot zu entledigen. In den 1960er Jahren entwickelten sich im westlichen Teil Deutschlands als auch in vielen anderen europäischen Staaten, in Frankreich zum Beispiel, revolutionäre Jugendbewegungen, und auch dieser hat man versucht, sich zu entledigen, zum Teil durch das Locken mit staatlichen Posten, aber auch durch Aufreibung mittels Terrorismus in Form der sogenannten RAF (Rote Armee Fraktion). Etliches bei den heutigen sogenannten islamistischen Terroristen, ihren hiesigen Aktionen und den Kampagnen drumherum ähnelt in verschiedener Hinsicht dieser Erscheinung der 1960er und siebziger Jahre. Es sollte einen nicht wundern, wenn diese, ebenso wie damals die sogenannte RAF, ihre „Inspiration“ für ihre Morde und Anschläge von Agenten eben dieser immer noch kapitalistischen Ausbeuterregierungen bzw. deren Agenten und Spionen erhalten, um darauf hinzuwirken, einer echten Revolution, bzw. einer Verbindung der revolutionären Kräfte hierzulande mit denjenigen aus anderen Staaten (beispielsweise des Mittleren Osten) zuvorzukommen, und zwar möglichst bevor in Europa beispielsweise die Krise des Kapitalismus wieder in vollem Umfang ausbricht und dann vielleicht eine wirkliche revolutionäre Massenbewegung hier wieder zustande zu kommen droht.

Ganz typisch ist daher dieses Ablenkmanöver, was zur Zeit von bürgerlicher Seite läuft. Es geht eigentlich gar nicht um den Islam hier. Es geht um etwas ganz anderes. Es geht um ganz elementare Widersprüche sozialer Natur. Darum, daß es verschiedenen Schichten, sowohl von deutschstämmigen, als auch Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund, nicht besonders gut geht hier, daß eine ganze Reihe vor allem junger Menschen wenig Perspektive haben, in dieser ach so satten Wohlstandsgesellschaft (dem Mittelstand –Merkels Basis - geht’s auch nicht schlecht zur Zeit) und ziemlich hart kämpfen müssen, um ein bißchen davon zu erreichen, vor allem dann, wenn sie Kinder haben. Ähnliches gilt auch für Frankreich, Italien und Großbritannien zum Beispiel, von Spanien und Griechenland mal ganz zu schweigen, Es ist so, daß diese Menschen es ziemlich schwer haben, ein sogenanntes normales Leben aufzubauen, eine Ausbildung zu bekommen, entsprechend dann in die Berufe zu gehen und normale Entwicklungsmöglichkeiten zu gestalten. Auch das ist eine Quelle für Empfänglichkeit gegenüber Religionsverführern wie den sog. Salafisten beispielsweise, die in Deutschland massenhaft aus dem Kraut gesprossen sind, was jahrelang offiziell geduldet wurde von seiten staatlicher Organe, resp. auch für den sog. Terrorismus. Solche Bedingungen machen Menschen empfänglich für Verführungen, nicht jedoch verhindern sie die Dummheit des Verfassungsschutzes, welcher (wieder einmal) davon gar nichts mitbekommen haben will. (Siehe entsprechendes Interview im RBB mit dem derzeitigen Präsidenten, dem Nachfolger desjenigen, der für das NSU-Desaster verantwortlich zeichnet, nebenbei!) Die Lernfähigkeit staatlicher Organe hierzulande ist offenbar ziemlich unterentwickelt.
Massiv gefördert wird der Terrorismus auch durch das unsäglich brutale Vorgehen Israels gegenüber den Palästinensern, wie es sich im letzten Sommer wieder in seinem ganzen brutalen Zynismus gezeigt hat (Gaza). Da kommt so manch einem Jugendlichen, der zum Beispiel dort Verwandte hat, nichts anderes in den Sinn, als auf ebensolche Weise zu versuchen, sich daran zu rächen, wenngleich das gesellschaftlich nichts bringt und von daher auch zu verwerfen ist.

In vielen Ländern des Mittleren Osten existiert aber noch kein konzentriertes Industrieproletariat, denn dese Länder leben nicht vorwiegend von industrieller Produktion, sondern von der Ölförderung und dem Ölverkauf, was in dieser Form eben kein solches konzentriertes Industrieproletariat hervorbringen kann. Das spielt auch eine Rolle für die Formen des Widerstands, die sich aus der gegebenen Situation entwickeln, vor allem wenn dazu kommt, daß die Bestechung in greifbarer Nähe ist, die enormen Gelder, die aus dem Handel mit Öl bezogen werden.

Die ganze Frage der Religion, ihre ganze Hochstilisierung durch die Bourgeoisie lenkt ab von den materiellen Widersprüchen und führt Menschen in die Irre, wiegelt sie ein, um sie für ihre eigen Zwecke zu mißbrauchen. Das jedenfalls ist durchaus ein nicht unwesentlicher Faktor der gegenwärtigen Terrorismuskampagne.

Weder der Islam übrigens, noch das Judentum und erst recht nicht das Christentum sind jemals in der Geschichte ausschließlich friedlich gewesen. Beim Islam ist bekannt, daß er das Schwert als Symbol bei sich trägt, und die Geschichte liefert genügend Bespiele für seine praktische Anwendung. Das Judentum liefert diese ebenfalls, nicht zuletzt sehr anschaulich in der aktuellen Praxis. Das Christentum hat ebenfalls äußerst unfriedliche Zeiten in der Geschichte zu verantworten. Was wir überhaupt nicht brauchen, sind irgendwelche Formen aktueller neuer Religionskriege in Europa, was sich gewisse amerikanische Politiker vielleicht ausmalen wie zum Beispiel Henry Kissinger, der ehemalige Außenminister, der in seinem neuen Buch von der Idee schwärmt, daß Europa doch eine Art Westfälischer Friede gut tun würde.

Das hat wirklich noch gefehlt! Was wir brauchen in Europa, und nicht nur hier, sind soziale Kämpfe, die das Recht der Menschen auf soziale und kulturelle Entwicklung und vor allem darauf, die Früchte ihrer Arbeit selbst abzuernten, zur gesellschaftlichen Wirklichkeit machen. Das ist es, was sich entwickeln muß. Und wenn die Bourgeoisie das mit gewaltsamen Mitteln zu verhindern trachtet, dann muß eben das eine entsprechende Antwort erfahren.

 

 

 

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