Internet Statement 2015-13

 

 

 

 

 

In kirchlichen Unternehmen muß endlich normales Arbeitsrecht gelten

Das kirchliche Sonderrecht gehört abgeschafft

 

 

Wassili Gerhard 07.02.2015     

In einer Sozialstation im Berliner Grunewald findet gegenwärtig ein heftiger Streit statt, ob kirchliche Mitarbeiter einen Betriebsrat gründen dürfen. Das berichtet z.B. der Berliner Tagesspiegel am 5.2.2015 unter der Überschrift „Betriebsrat? Um Gottes Willen!“. In kirchlichen Einrichtungen, in denen bundesweit ca. 1,3 Millionen Menschen beschäftigt sind, wie es heißt, ist das Recht zur Gründung eines Betriebsrates nicht gegeben, sie fallen unter ein Kirchen-Sonderrecht und nicht unter das normale Arbeitsrecht. Dort können Betriebsräte und Tarifauseinandersetzungen verboten werden. Dieses Sonderrecht wird auch damit begründet, daß die kirchliche „Botschaft von der Versöhnung“ durch solche Streitigkeiten gefährdet sein würden. Wie bitte? Das klingt in meinen Ohren nicht viel akzeptabler als die alte Argumentation der Rechten, daß die Einheit der Nation durch soziale Auseinandersetzungen untergraben werde.

 

Es heißt auch zur Rechtfertigung, die Kirchen würden in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften „Sozialkommissionen“ einrichten, in denen Streitigkeiten einvernehmlich geregelt würden. So etwas Ähnliches gibt es auch in der Textilindustrie in Bangladesh. Was das für Kungelgremien sind, kann man sich lebhaft vorstellen, wenn man unsere Gewerkschaften kennt, wo für die Masse der Mitglieder nur da wirklich was vorankommt, wo die Mitglieder selbst aktiv werden, wo es zumindest einen Druck von unten gibt, bis hin zur Bereitschaft, selbst Streiks zu organisieren.

 

Wer übrigens mal einen Einblick in die Zustände in manchen kirchlichen Unternehmen gehabt hat, der sieht, was wenig verwunderlich ist, daß dort unter dem Vorwand der Fürsorge und der Nächstenliebe oft die nackte boshafte Willkür regiert. Mal abgesehen davon, daß man auch als Mensch ohne Religionszugehörigkeit zum Eintritt in die jeweilige Kirche genötigt wird, um dort arbeiten zu dürfen. Erst können sich die Mitarbeiter, die, sagen wir mal, in der Betreuung von hilflosen Menschen tätig sind, kaputt schuften, denn Personal einsparen ist dort angesagt wie woanders und der Verschleiß der Beschäftigten ist auch bei der Kirche in diesem Bereich hoch, aber sie sollen es mit Hingabe tun, schließlich sollen sie ja die kirchliche Botschaft der „Nächstenliebe“ praktizieren – und die liebende Kirche kann natürlich dann mehr Personal einsparen. Haben sie sich dann kaputt geschuftet, dann werden sie „aus Nächstenliebe“ ausgebootet, ihnen werden nicht etwa Arbeitsplätze angeboten, die ihrem gesundheitlichen Zustand entsprechen, oder Hilfen für zu schwere Tätigkeiten, denn jungen und kräftigeren Nachfolgern soll Platz gemacht werden. Und wenn es sich um langjährige Beschäftigte handelt, die aus früheren Zeiten bessere Vertragskonditionen haben, dann bekommt man obendrein noch viel billigere Kräfte, denn auch dort wurden die Sozialleistungen und die sonstigen Konditionen verschlechtert. So jedenfalls stellt sich das dar, wo der Verfasser dieses Beitrages mal einen Einblick in dieses Milieu gehabt hat. Also wirtschaften wie ein Konzern, überdies weitgehend staatlich finanziert, aber zusätzlich mit dem Privileg, in verschiedener Hinsicht vom normalen Arbeitsrecht befreit zu sein.

 

Wen wundert es da, daß bestimmte islamische Vertreter vehement die Gleichstellung mit den anerkannten Religionsgemeinschaften fordern? Solche Privilegien wie die christlichen Kirchen hätten sie natürlich auch gern, eine Trennung von weltlicher und geistlicher Gewalt ist sowieso nicht ihr Ideal. Da gibt es nicht nur den staatlich finanzierten Religionsunterricht. Mit Anschubfinanzierung aus den arabischen Ölstaaten könnte man dann ein paar feine islamische Krankenhäuser, Altenheime, Begräbnisinstitute etc. aufmachen, die vom Staat subventioniert werden müssen. Will man da arbeiten, dann muß man gläubiger Moslem sein: Frauen ohne Schleier? „Diesen Anblick können wir unseren gläubigen Klienten nicht zumuten.“ Essen am Ramadan? Ein Abmahnungsgrund. Schweinefleisch in der Pause? Das können wir den anständigen Mitarbeitern nicht zumuten; und vielleicht erfahren das auch noch unsere gläubigen Patienten ... also lassen Sie das sein, oder sie fliegen raus! Sorgen Sie für einen sittsamen Lebenswandel ihrer Kinder, oder Sie sind hier nicht tragbar! Wie hört sich das an? Das ist die Logik unseres Kirchenrechts, wie es heute gehandhabt wird auf islamisch, wenn es eng ausgelegt wird. Auf jeden Fall muß man sich fragen, ob der Ausspruch „Der Islam gehört zu Deutschland“ etwa so zu interpretieren ist, daß einem entsprechend organisierten islamischen Glaubensverband vergleichbare Privilegien zustehen sollten. Vielleicht noch einem verlängerten Arm von Erdogans Religionsministerium? Was ging in Frau Merkels Kopf vor, als sie das ausgerechnet im Beisein eines türkischen Landesvertreters sagte? Soll Erdogan auf Kosten des deutschen Steuerzahlers seinen Wahlspruch „Assimilation ist ein Verbrechen“ in der Praxis umsetzen?

 

Mit welcher Argumentation will man denen das verweigern auf die Dauer, wenn man christlichen Kirchen Privilegien gewährt und sie vom normalen Arbeitsrecht ausnimmt? Etwa im Sinne mancher Rechter nach dem Motto: Wir privilegieren nur die Kirchen des christlichen Abendlandes. Das wäre ein Schritt zurück in der Entwicklung. Das „christliche Abendland“ gehört der Vergangenheit an, das ist nur noch Geschichte, ohne die allerdings unsere Gegenwart anders aussehen würde. Im christlichen Glauben steckt letztlich auch die Möglichkeit der Tolerierung Anders-(oder auch Nicht-) Gläubiger und die Definition des Glaubens und wie er zu praktizieren ist in der Verantwortung des Einzelnen, zumindest seit der Reformation. Indem jedem Einzelnen die Schlußfolgerung überlassen blieben, die er aus den christlichen Texten zieht, konnte diese Schlußfolgerung im Zeitalter der Wissenschaften auch lauten, sie als historische Dokumente zu interpretieren, die das Geistesleben einer bestimmten Zeit wiedergeben, und die auch kritisiert werden. Und auch die letztere Freiheit wurde schließlich durchgesetzt.

 

Und so sind wir heute eben, wie gesagt, schon einen Schritt weiter als „christliches Abendland“, indem wir in Europa im Prinzip säkularisierte Staaten haben, in denen der Glaube Privatsache ist, wenn auch nicht überall konsequent und vollständig umgesetzt. Und da sollte man auch von Menschen verlangen, die an ihrem Gottesglauben festhalten, daß sie es tolerieren, daß das jeder andere so halten kann wie er will, an diesen oder jenen Gott glauben oder an gar keinen, oder das auch für gänzlich falsch halten und kritisieren. Und Gläubige müssen selbstverständlich auch ihre Anschauungen ändern können, so wie das auch umgekehrt möglich ist. Und dieses Recht muß wirksam geschützt werden gegen Kräfte, die ihre Stellung dadurch bedroht sehen und zu rückständigeren Prinzipien zurück wollen. Das ist ein europäischer Wert, der die Verteidigung wert ist, das ist eine grundlegende demokratische Forderung. Und wer das nicht akzeptiert, der verläßt einen notwendigen Grundkonsens, ohne den grundsätzlich Demokratie nicht möglich ist. Deshalb muß die Säkularisierung endlich vollständig durchgesetzt werden, alte Privilegien aus Zeiten, als die Kirchen mehr Einfluß hatten als heute, als man noch Freitags in Kantinen kein Fleisch essen durfte, müssen beseitigt werden. Das ist auch ein wichtiges europäisches Thema. Die Säkularisierung ist keineswegs überall völlig durchgesetzt: Im einen Land mehr, im anderen Land weniger.

 

Warum sollen hierzulande die Kirchen ihre Mitgliedsbeiträge nicht selbst einsammeln und warum müssen sie in Unternehmen, die sie mit öffentlichen Steuermitteln betreiben, das Arbeitsrecht einschränken dürfen und ein spezielles Kirchenrecht praktizieren? Das schafft falsche Präzedenzfälle. So werden andere ebenfalls ein Sonderrecht fordern und tun das auch immer unverfrorener, soweit sie es nicht jetzt schon einfach so praktizieren, wo immer sie können. (Auch Scientology ist hier zu nennen.) Kürzlich forderte sogar ein islamischer Vertreter in Deutschland, Kritik am Islam wie Antisemitismus zu behandeln. Und schließlich: „Christliches Abendland“ gegen „Islamisierung“ ist ein falscher Gegensatz, der anhand falscher Kriterien spaltet. (Anmerkung)

 

 

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Anmerkung

Da scheint bei manchen Kräften dahinter eher ein „völkischer“ Pferdefuß dahinter zu stecken, wie daß das eine angeblich dem europäischen ‚Volkscharakter’ entspräche, das andere nicht, das sei ‚fremdvölkisches’ Gedankengut. Also eine Spaltung anhand eher „völkischer“ Kriterien. Tatsächlich haben im europäischen Raum, wie auch jüngste Erkenntnisse wieder bestätigen, seit jeher schon verschiedene Völkerverschiebungen stattgefunden, teils mit von weit her eingewanderten Völkern, und diese sind eine Verbindung eingegangen. Das zusammen mit der Offenheit für Einflüsse von außerhalb war ein wichtiger Entwicklungsfaktor. Auch das Christentum läßt sich z.B. in seinen Ursprüngen bis in den Raum rund um das östliche Mittelmeer zurückverfolgen und wurzelt keineswegs in einem „bodenständigen“ Volkscharakter. Wir müssen uns gegen Kräfte zur Wehr setzen, die in der Verschmelzung von Einwanderern mit der ansässigen Bevölkerung eine Gefahr für die eigene Stellung sehen. Das betrifft beispielsweise irgendwelche Mullahs, die in den Herkunftsländern bei fast jeder Lebenslage Vorschriften machen, wie die Dinge im Einklang mit dem Glauben zu regeln sind, aber auch z.B. Anhänger völkischer Ideologien. Denen ist die hiesige Freizügigkeit in vielen Dingen und der Bedeutungsverlust der Religion ein Dorn im Auge. Man hat aber auch den Eindruck, daß auch manche hiesigen Politiker diese Sorgen nachvollziehen können, gern mehr Untertänigkeit in der Bevölkerung hätten, und in diesen Kräften einen Ordnungsfaktor sehen.