Internet Statement 2015-14

 

 

 

 

      Das Billionenprogramm der EZB

 

Uwe Müller 09.02.2015         

Die Entscheidung der EZB vom 22. Januar, Staatsanleihen (und teils auch private Schuldtitel) im Umfang von 1,14 Billionen Euro - das sind sage und schreibe 1.140.000.000.000 Euro - aufzukaufen, ist nicht bloß ein Paukenschlag, sondern auch eine Bankrotterklärung. Das Drücken der Zinsen auf Null bringt keinerlei Wirkung in Bezug auf die Steigerung des Wachstums und schon gar nicht der Beschäftigung, Investitionen in Produktion und Arbeitsplätze bleiben aus. Nach wie vor sind die Arbeitslosenzahlen innerhalb der Eurozone enorm, die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland, Spanien und Italien ist größer als 50%, und auch in Frankreich sieht es damit nicht viel besser aus. Und nun kommt die Billionenkanone, als angeblich letzter Versuch der EZB mittels Geldpolitik die Wirtschaft anzukurbeln. So zumindest wird es dargestellt.

 

Die allgemeine Krise des Kapitalismus, wie auch die globale Finanzkrise und die Eurokrise im speziellen, ist eben noch längst nicht vorbei, ganz im Gegenteil. Sie verschärft sich allen Milliardenspritzen für Banken, allen „Rettungspaketen“ zum Trotz weiter und vertieft sich. Der momentane „Aufschwung“ der USA mittels Fracking und billigem Öl kann nicht darüber hinwegtäuschen, wie faul und marode die ökonomische Basis in Wirklichkeit ist. Die Verschuldung wurde und wird allerorten in nie gekannte, astronomische Höhen getrieben, in der Hoffnung, die Krise wegschieben zu können. Das funktioniert aber nicht. Auch der jetzige Versuch der EZB, mit 1,14 Billionen Euro die „Märkte“ zu fluten, wird allerhöchstens einen kleinen zeitlichen Aufschub bringen, wenn überhaupt.

 

Was die EZB 2012 schon begonnen hatte - allerdings als Notmaßnahme und noch sehr verhalten und verschämt, weil es ja bekanntlich und aus gutem Grund der EZB verboten ist, Staatsanleihen zu kaufen - wird nun von Draghi in einem gigantischen Ausmaß betrieben und als ganz normales Mittel der EZB verkauft und installiert. Demokratisch, wie es nun mal innerhalb der EZB zugeht, wurde in der entscheidenden EZB-Ratssitzung nicht darüber abgestimmt (Anmerkung 1). Gegner dieser Entscheidung, wie der Bundesbankchef Weidmann, sein niederländischer Kollege und noch einige andere, hatten nicht wirklich etwas zu melden.

 

Und wie wird das finanziert? Draghi und Co. lachen: Nix finanzieren, wir drucken das Geld! Wir sind doch die europäische Zentralbank, wir können das. Und Punkt. Die EZB tut es der FED gleich, und übertrifft diese gar, was die Höhe angeht.

 

Damit ist der Euro-Stabilitätspakt, auf den die Mit-Euro-Wegbereiter Kohl und Waigel einst so stolz waren, faktisch Geschichte. Die EZB hat sich endgültig von ihrer vorgeschriebenen Rolle als Währungshüter, als Stabilisator des Euro verabschiedet. Sie wird immer mehr zur Bad Bank und zur politischen Größe. Der Euro wird nicht stabilisiert, sondern enorm geschwächt. Und die EZB greift nun unverhohlen aktiv in die Finanzierung einzelner Euro-Staaten und gar Banken ein, indem sie entgegen den Euro-Verträgen in einem gigantischen Ausmaß Staatsanleihen und private Schuldtitel aufkauft.

 

Draghi ist hierbei die treibende Kraft, zugleich ist er aber auch selbst Getriebener. Getrieben durch die sich weiter vertiefende kapitalistische Krise, aus der nicht nur Europa nicht herauskommt.

 

 

Draghi und Co. ist es völlig egal, daß es illegal ist, was er bzw. die EZB nun tut. Anleihen aufkaufen ist nämlich nicht die Aufgabe der EZB, das ist ausdrücklich und aus gutem Grund verboten. Die EZB darf und soll sich nicht in die Staatsfinanzierung einmischen. Dieser Aspekt wird indes von breiten Teilen der Politiker wie auch der Medien verschwiegen und nicht thematisiert. So weit ist es schon gekommen in der Eurozone – grundlegende Verträge werden ignoriert und gebrochen – und es rührt sich kaum eine Stimme der Kritik.

 

 

Monatelang hatte Draghi diesen Schritt vorbereitet, monatelang schon ging er mit dem Schreckgespenst der Deflation hausieren, plädiert er für das aktive Anheizen der Inflation auf mindestens 2%, um seinem gigantischen Gelddruckprogramm den Deckmantel einer Legitimation zu verleihen.

Ist die Gefahr einer Deflation wirklich so akut und schlimm, daß man in Frankfurt und Brüssel meint, derartige Rechtsbrüche und ökonomische Irrsinnsmaßnahmen ungestraft vornehmen zu können? Keineswegs! Von der akuten Gefahr einer Deflation ist nichts zu sehen. Daß die Inflation (nimmt man die offiziellen Zahlen) derzeit so niedrig ist, hat in erster Linie mit dem niedrigen Ölpreis zu tun, was sich recht schnell auch wieder ändern kann. Das ist vorgeschoben.

 

Vorgeschoben ist auch sein Argument, er wolle damit die Investitionen im Euroraum fördern, die Wirtschaft ankurbeln. Investitionen wird es zwar geben, aber nicht in die Produktion. Wenn jetzt schon, bei Nullzinsen, im Euroraum kaum in die Produktion investiert wird, wieso soll es dann mit noch mehr billigem Geld hier anders werden? Es ist völlig abwegig, hier von Investitionen in die Wirtschaft zu reden.

 

 

Was Draghi und die EZB hier wirklich machen, ist - in aller Kürze ausgedrückt - folgendes:

 

Sie erleichtern den hochverschuldeten Euroländern und teils auch Banken die weitere Verschuldung, Deutschland inbegriffen

Sie vergemeinschaften z.T. die Schulden der einzelnen Euroländer

Sie drucken Geld, viel Geld

Sie geben den Spekulanten und Banken neues, massenhaftes Geld in die Hand

Sie heizen die Inflation an

Sie schwächen den Wert des Euro

 

Was die ersten beiden Punkte betrifft, so hat Draghi hier insbesondere Italien, Spanien und Frankreich vor Augen. Daß dies den Handlungsdruck dieser Länder, ihre Ökonomie und Produktion zu entwickeln, erheblich mindern wird, liegt auf der Hand. Sie können sich erstmal weiter auf Verschuldung stützen, während die Haftung für die Schulden nun zum Teil zumindest vergemeinschaftet werden.

 

Daß Geld drucken keine Probleme löst, sondern auf mittlere und lange Sicht neue und noch größere Probleme schafft, liegt ebenso auf der Hand. Dazu muß man keine Ökonomie studieren. Und wenn, wie hier, das Geld in die Hände der Banken und Spekulanten geleitet wird, dann ist es um so schlimmer für die Masse der Bevölkerung, denn die, wie es im Kapitalismus nun mal ist, wird die Zeche dreifach bezahlen müssen, früher oder später.

 

Frisches, und dazu noch zinsfrei zu erhaltendes, Geld erfreut hingegen die Börse und die Spekulanten, kein Wunder gingen die Kurse sogleich nach oben. Wurde vorher ein Volumen von 500 Mrd. Euro erwartet, waren’s nun gar doppelt so viel, und evt. auch noch viel mehr. Hurra, noch mehr Milliarden zum Spekulieren. Zum Verschieben, zum Bedienen der Alt-Schulden mit Neu-Schulden, zum weiter spekulieren. Vielen Dank EZB, rufen die Spekulanten nun im Chor!

 

Die Inflation wird angeheizt, das ist auch erklärtes Ziel von Draghi. Und wieder zahlt die Zeche die Masse der Bevölkerung. Während die Sparzinsen (für diejenigen, die noch Rücklagen haben, etliche Millionen Menschen in der Eurozone haben schon längst keine mehr!) bei Null verharren, gehen die Preise wieder hoch. Kaum gibt es für viele Menschen, die wenig haben, etwas Entlastung durch die sinkenden Ölpreise, wird dem aktiv entgegengewirkt.

 

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Schwächung des Euro gegenüber dem Dollar, dem Pfund und dem Franken. War der Euro vorher schon im Wert gefallen, so wird dies nun noch beschleunigt. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis der Euro und der Dollar 1:1 stehen. Es scheint fast so, als sei dies ein Bonbon für die deutsche Exportindustrie, die dadurch natürlich profitieren wird. Als ob es hier einen Deal zwischen Draghi und Merkel/Schäuble gegeben hat in dem Sinne, Deutschland fährt seinen Widerstand bzgl. des massenhaften Ankaufs von Staatsanleihen, bei der Teilvergemeinschaftung der Schulden zurück, und bekommt dafür Extraprofite durch den schwachen Euro.

Ob Deal oder nicht Deal, das sei mal dahin gestellt. Diese Politik der künstlichen Schwächung des Euro ist extrem gefährlich, heizt den internationalen Währungskrieg an und birgt enormen politischen Zündstoff.

Aber nicht nur das. Während Frankreich, Italien und Spanien etc. sich weiter verschulden können, kann Deutschland weiter voll auf Export setzen. Beides verfestigt die jetzigen Strukturen - keine gute Entwicklung.

 

Und natürlich bedeutet der schwache Euro auch teuere Importe, was in erster Linie die Konsumenten, also die Bevölkerung, insbesondere die arme, arbeitslose oder unterbezahlte Bevölkerung der Euroländer trifft. Und das sind dutzende Millionen von Menschen.

 

 

Draghi und die EZB tun offensichtlich alles dafür, den Euro und das Vertrauen in den Euro zu untergraben. Das ist das Gegenteil von dem, was sie nach dem Währungs- und Stabilitätspakt eigentlich tun müßte. Das liegt durchaus im Interesse der Konkurrenten des Euroraums, den USA und China, aber nicht im Interesse Europas, der europäischen Bevölkerung.

 

 

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(Anmerkung1) Draghi sprach davon, eine große Mehrheit des 25-köpfigen Rats wäre dafür gewesen, und so hätte sich eine Abstimmung erübrigt. Diese und weitere recht interessante Einzelheiten zum EZB-Rat siehe FAZ „Was hinter den Türen des EZB-Rates vor sich geht“ vom 25.1.2015     [Zurück]