Internet Statement 2015-29
Der Ukraine-Konflikt aus russischer Sicht Maria Weiß 31.5.2015 Wie hätte man eigentlich anders auf die so genannte Majdan -Erhebung in der Ukraine antworten sollen als mit einer Annexion der Krim von seiten Rußlands? Man stelle sich doch mal vor, man hätte das nicht gemacht. Wer sagt denn, daß nicht längst die Ukraine jetzt Nato-Mitglied wäre und es natürlich dann auf der Krim auch einen entsprechenden Nato-Stützpunkt geben würde? Das ist doch keineswegs aus der Welt, so etwas anzunehmen. Das ist immer eine Abwägungsfrage, und manchmal ist es so, daß ein einziger Fehlschritt der Schritt in den Abgrund ist. Was ist es denn, was gegenwärtig den so genannten Westen daran hindert, die Ukraine in die Nato aufzunehmen, wie es von der neuen Regierung dort gewünscht wird? Im Grunde ist es doch nichts anderes als daß man die Konfrontation mit der russischen Atommacht scheut, daß man diese jetzt jedenfalls nicht will oder vielleicht sogar gar nicht will, weil man eine noch weit größere Konfrontation in einem anderen Teil der Welt vorzubereiten sich veranlaßt sieht. Die neuesten Scharmützel im südchinesischen Meer sprechen in diesem Zusammenhang ihre eigene Sprache. Man kann wohl kaum davon ausgehen, daß die USA das Vorgehen Putins bezüglich der Krim toleriert hätten, wenn nicht die Atommacht ihnen entgegen gestanden hätte. Es ist immer eine Frage, wie fein die Brille ist, durch die man schaut: Wenn man sich die Entwicklung seit dem Ende der 1980er/ Anfang der 1990er Jahre ansieht und es zusammengefaßt auf den Punkt bringen wollte, dann kann man das doch eigentlich folgendermaßen charakterisieren: Gorbatschow war ein Verräter, Jelzin ein Putschist und Putin hat die Scherben dann aufgesammelt und versucht, das Beste daraus zu machen. Das ist natürlich sehr knapp gefaßt und blendet viele Details und Differenzierungen aus. Es ist auch vielleicht nicht in allen Punkten gerecht, aber letztendlich stellt sich die Frage, ob nicht genau das das Fazit ist, welches man ziehen muß. Und in dem Moment, wo sozusagen in Rußland die Scherben aufgesammelt sind und das Land sich wieder erholt, wächst natürlich auch wieder die Konfrontation mit den internationalen Gegnern. Und das ist es, was wir zur Zeit erleben. Man darf natürlich bei einer solch groben Zusammenfassung auch nicht auslassen, daß der Anstoß für diese Entwicklung der Umsturz in China gewesen ist, welcher es den USA ermöglichte, sich wieder zur alleinigen Hegemonialmacht aufzuschwingen und aus der Schwäche der revisionistischen Degeneration und der revisionistischen Umstürze sowohl in der Sowjetunion als auch in China ihren Profit zu ziehen. Das ist es, was sie gemacht haben und was auch die heutige Situation noch beeinflußt. Es ist jedenfalls eine der Quellen für die gegenwärtige Verschärfung. Das entlastet überhaupt nicht die Revisionisten, aber es macht klar, daß eben die andere Seite, der Kapitalismus und Imperialismus, welcher den Revisionismus fördert, als Motor dieser Entwicklung mindestens in gleicher Weise zu attackieren ist. Nun kann man natürlich dem entgegnen, daß der Revisionismus selbst eine Form von Ausbeutungssystem darstellt, dieses zugelassen hat, worüber will er sich nun beschweren? Ja, das stimmt, das hat er, aber es entlastet nicht die andere Seite, den Kontrahenten, welcher den Revisionismus selber gefördert und mit hervorgebracht und begünstigt hat. Was folgt daraus? Daraus folgt, daß insgesamt ein solches System der Ausbeutung überwunden werden muß, gestürzt werden muß und ein anderes, neues gesellschaftliches System, in dem die Menschen die Früchte ihrer Arbeit selbst ernten und sich gesamtgesellschaftlich zugute kommen lassen imstande sind, erkämpft werden muß. Man kann doch nicht die Existenz neuer Ausbeuter rechtfertigen, indem man die alten verleugnet. Da würde man ja geschichtlich gesehen rückwärts laufen, was, für jeden einsichtig, verkehrt ist. Man muß vorwärts gehen und überall dort, wo sich die Schwächen des Ausbeutungssystems zeigen und dessen Widersprüche nicht mehr zu lösen sind, es durchbrechen, um zu einer neuen Form der gesellschaftlichen Organisation und Reproduktion zu gelangen.
Natürlich war und ist es richtig zu kritisieren, daß Putin mit seinen wiederholten Versuchen der Gas-Erpressung versucht hat, europäische Staaten, auch Staaten der ehemaligen Sowjetunion in Abhängigkeit zu halten oder erneut zu bringen, auch zum Beispiel unser Land, unter Mithilfe innerer Kräfte wie zum Beispiel der Schröder-Clique, die dies begünstigt hat und dafür auch belohnt worden ist mit einem fetten Posten. Das ist die eine Sache. Aber die andere Sache ist, daß man eben sehen muß, daß seit Anfang der 1990er Jahre, seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, es ein unübersehbares Vorrücken von seiten des Westens, unter maßgeblicher Einfußnahme der USA, in Richtung Osteuropa gegeben hat und daß diese ganzen neuen Mitgliedschaften innerhalb der Nato de facto neue Stützpunkte darstellen, was überhaupt kein Zufall ist. Daß man auf der anderen Seite, namentlich auf russischer, durch solch ein Vorrücken sich in gewisser Weise bedrängt sieht, ist nachvollziehbar. Es zu leugnen bedeutet auf einem Auge blind zu sein. Was sollte man daher tun, um einer solchen Entwicklung, einer solchen quasi Einkreisungsbewegung - zuminderst in der Tendenz - von russischer Seite aus zu begegnen? Man muß erstens die eigene Unabhängigkeit verteidigen und zweitens eine solche Politik betreiben, die es unterlässt, andere Staaten nunmehr seinerseits in Abhängigkeit zu bringen oder auch zu halten und sich damit selbst ins Unrecht zu setzen und letztlich auch die eigene Position zu unterminieren, indem man dem Gegner Vorwände liefert. Will sagen: die Ukraine in ihrer heutigen Form hat ein Recht auf nationale Unabhängigkeit und eigene Selbstverteidigung und Integrität. Das ist gar keine Frage, das muß respektiert werden. Auf der anderen Seite können natürlich weitere Destabilisierungs- und Unterwanderungsversuche von seiten des Westens in Richtung Osten auch nicht akzeptiert werden, will sagen: es besteht eine gewisse Berechtigung, denen einen Riegel vorzuschieben. Wen beispielsweise Polen oder auch baltische Staaten heutzutage erklären, sie fühlten sich von Rußland bedroht, und dabei vor allem geschichtliche Erfahrungen anführen, dann muß man diese fragen: Wodurch denn eigentlich aktuell? Durch was für Aktionen? Die Aktion bezüglich der Krim läßt sich schwerlich anführen, denn im Unterschied zur Krim haben diese Staaten nie einen essentiellen Bestandteil Rußlands dargestellt, in einer mit der Krim vergleichbaren Weise. Das ist ein Sonderfall und muß entsprechend behandelt werden. Was ist es also sonst, was sie aktuell beunruhigt? Was dahinter hervorlugt, ist im Grunde nichts anderes als eben jene o. g. US-Nato-Strategie eines kontinuierlichen Vorrückens in Richtung Osten, indem man sich entweder selber Vorwände verschafft oder aber Schwächen des Gegners ausnutzt. Das kann als Argument aber nicht anerkannt werden. Notwendig ist, die Dinge im Einzelfall sehr genau zu prüfen und in ihrer Besonderheit zu analysieren. Es kann jedenfalls nicht angehen, den Sonderfall Ukraine als Generalvorwand für ein Nato-Vorrücken Richtung Osten herhalten zu lassen. Die Ukraine hat sich in gewisser Weise ihre jetzigen nicht gerade geringen Probleme, vor denen sie im Inneren steht, selber aufgehalst. Nun sollen sie doch sehen, wie sie das lösen. Ob ihnen dabei allerdings Leute wie Saakaschwili (früherer Präsident Georgiens), der selber im eigenen Land die Segel hat streichen müssen, bei ihren Problemen eine Hilfe sein kann, wird man sehen.
Die Sowjetunion in ihrer ersten staatlichen Form, nach dem Sturz des Zarismus und dem Sieg der von Lenin geführten proletarischen Revolution, ist ja nicht zufällig so entstanden. Das ist ein enger Verbund gewesen von einer ganzen Reihe von kleineren und größeren Nationen, bzw. nationalen Einheiten, die sich dort zusammengeschlossen haben, auf Grund einer geschichtlichen und territorialen Verbundenheit als auch natürlich vorrangig des klassenmäßigen Siegs über den Zarismus, ein Verbund von Staaten allerdings mit sehr unterschiedlichen kulturellen Besonderheiten, die sich dort aus dem Vorherigen entwickelt hat. (Wobei hier festzuhalten ist, daß gerade Lenin das Prinzip des Rechtes auf Lostrennung immer sehr stark hervorgehoben und auch gegen Kräfte innerhalb der Bolschewiki, innerhalb der eigenen Reihen, die hierin anderer Ansicht waren, verteidigt hat.) Das aufzubrechen, wie es von dem internationalen Exponenten der kapitalistischen Gegenmacht USA vorangetrieben und unterstützt worden ist, nachdem der revisionistische Verrat diese Sowjetunion innerlich zerstört hatte, hat natürlich neue Probleme erzeugt. Diese müssen aber von den verschiedenen Völkern selbst gelöst werden, und nicht von internationalen selbsterkorenen Mächten, die glauben, sie könnten über die ganze Welt entscheiden. Das ist unbedingt zu verteidigen gerade auch in Hinblick auf das Prinzip der internationalen Demokratie unter den Staaten, welches diese selbsternannte Globalmacht USA gern im Munde führt, aber noch viel lieber selber ständig in der Praxis mit Füßen tritt. Dieser Bund der ehemaligen sozialistischen Sowjetrepubliken ist ja nicht zufällig so entstanden, sondern das ist in gewisser Weise geschichtlich gewachsen und auf freiwilliger Basis der verschiedenen Völker zustande gekommen. Das zu zerstören und eigenen hegemonialen Absichten dienstbar zu machen hat keine äußere Macht das Recht. Das ist eine Anmaßung, die zurückgewiesen werden muß. Gerade europäische Staaten haben auf Grund ihrer ganzen spezifischen Erfahrungen allen Grund, dies ebenfalls zu tun. Kommen wir noch einmal auf Lenin zurück und das von ihm verteidigte Recht auf Lostrennung dieser einzelnen Staaten dieses Verbundes. Etwas Ähnliches gilt natürlich auch heute noch. Das heißt, wenn die Ukraine sich lostrennen will, dann darf sie das machen. Da kann niemand rein reden. Aber wenn es zum Beispiel von internationalen Mächten, welche selbst expansive Bestrebungen aufweisen, ausgenutzt wird, dann verschiebt sich in gewisser Weise die Entscheidungsfreiheit, weil das ebenfalls ein Punkt ist, der zu beachten ist. Es sollte daher nach Möglichkeit und mit allen Bemühungen, die erforderlich sind, eine solche komplizierte Frage durch Konsultation und gegenseitige Beratung gelöst werden. Nicht aber durch Erpressung, sei sie ökonomischer oder politischer Natur und schon gar nicht mit Hilfe von außen betriebener militärische Gewalt.
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