Internet Statement 2015-30

 

Kein schmutziger Deal -
Die Volksabstimmung in Griechenland ist mehr als berechtigt !

Uwe Müller 28.06.2015  (12 Uhr)     

Für viele war das gestern Nacht ein Paukenschlag. Keine Unterschrift, keine Unterwerfung von griechischer Seite. Statt dessen ruft Tsipras zu einem Volksreferendum auf mit der Empfehlung, dem Deal nicht zuzustimmen. Recht hat er! Für solch eine zentrale Entscheidung, die Millionen von Griechen essentiell betrifft, ist eine Volksabstimmung allemal angebracht. Da könnten sich viele EU-Länder eine Scheibe abschneiden, grade auch Deutschland. [1]

Die harschen Reaktionen verschiedener Troikavertreter sind bezeichnend. Von Überrumpelung, von Taktik, von Harakiri, von Vertrauensbruch war die Rede. Besonders der Punkt, daß Syriza dafür plädiert, dem Verhandlungsergebnis nicht zuzustimmen, bringt einige in regelrechte Rage. Man sieht hier sehr deutlich, wie weit es mit dem Demokratieverständnis in Brüssel und in den einzelnen Regierungen bestellt ist. Vom IWF gar nicht zu reden, der hatte noch nie auch nur einen Hauch mit Demokratie zu tun.

Die griechische Regierung unter Tsipras weigert sich aus guten Gründen, den Deal zu unterschreiben. Syriza wurde doch gerade deswegen gewählt, endlich Schluß zu machen mit der Sozialkürzungsorgie, die die Troika seit 2010 dem Land aufoktroyiert. Sie kann das gar nicht unterschreiben, das wäre ihr politischer Absturz.

Auf der anderen Seite können auch die Vertreter der Troika, die Vertreter des internationalen kapitalistischen Finanzsystems, nicht nachgeben. Denn wo sollte das denn hinführen, gäbe man nun Griechenland Luft zum Atmen (durch einen radikalen Schuldenschnitt etwa)? Da kämen ja sofort andere Länder wie Spanien, Portugal, Zypern, Irland, Italien usw..

Die Troika aus IWF, Eurogruppe und EZB sind (ihrer Natur gemäß) die ganze Zeit ihrer Linie treu geblieben: gebetsmühlenartig fordern sie sogenannte „Strukturreformen“, hinter denen sich nichts anderes als immer weitere Sozialkürzungen (Rentenkürzungen, Mehrwertsteuererhöhungen etc.) für die breite Masse der Bevölkerung in Griechenland verbergen. Sie gehen kein Jota von ihrem Erpressungs- und Unterwerfungsprogramm ab. Wenn Merkel davon spricht, es wurde nun doch ein „großartiges Angebot“ an Griechenland gemacht, dann ist das schlichtweg nicht wahr. Sie weiß das selber natürlich auch, will aber den Schwarzen Peter an Tsipras und Syriza schieben.

Überhaupt wurden die Verhandlungen bzw. die Inszenierung im Laufe der Woche immer grotesker. Während in Brüssel um knapp 7,2 Mrd. Euro gestritten wurde, stützte die EZB hintenherum die griechischen Banken mit viel mehr Milliarden, um einen Bankencrash zu verhindern. Man fragte sich unwillkürlich, was geht denn hier eigentlich ab? Vorne herum knauserig ohne Ende – und hinten herum spendabel? Es sind halt zwei total verschiedne Dinge: Die Hilfe für Griechenland und die griechische Bevölkerung einerseits, und die Rettung bzw. Stabilisierung der Banken und des internationalen Finanzsystems andererseits. Zweimal darf man raten, welcher Aufgabe sich die Vertreter der Eurogruppe (die Euro-Regierungen), der EZB und des IWF verschrieben haben.

Die Lage spitzt sich weiter zu, und nicht nur in Griechenland. Wie wird es nun weitergehen?

Ökonomische und soziale Verwerfungen sind längst in Gange, der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit verschärft sich zunehmend und äußert sich in verschiedenen Formen. Das Bißchen, was an Demokratie im Kapitalismus noch übrig ist, wird ständig weiter untergraben und abgeschafft. Nur durch den Zusammenschluß der Massen im Kampf um Demokratie und gegen das kapitalistische System, im Kampf gegen die Ausbeutung und für eine wirkliche soziale Umwälzung kann letztlich dem Druck und der Erpressung des Kapitals begegnet werden.

Am heutigen Tag heißt es, das griechische Volk zu unterstützen und solidarisch zu sein. Das Referendum ist berechtigt und eine demokratische Sache. Es wird aber, unabhängig vom Ausgang, die Probleme weder in Griechenland noch in Europa lösen. Illusionen sind hier fehl am Platz.

Wenn „die Linke“ dazu aufruft, Merkel müsse nun das Heft in die Hand nehmen, dann muß man sie fragen, was es denn bringen soll, den Bock zum Gärtner zu machen. Hat denn nicht die Regierung Merkel/Schäuble den IWF mit ins Boot geholt, der bekanntermaßen seine ganz eigenen brutalen Ziele verfolgt? Ironischerweise schiebt Lagarde nun ihrerseits den schwarzen Peter der Eurogruppe zu, gibt sich plötzlich flexibel und handlungsbereit.

---------------

[1] Über Lappalien wie z.B. Stuttgart21 wird abgestimmt, eine Abstimmung über solch gewichtige Dinge wie die Einführung des Euro aber wurde ganz bewußt nicht durchgeführt.

 

www.neue-einheit.de     www.neue-einheit.com