Internet Statement 2015-52

 

 

                            Zur Cannabis-Debatte

 

 

Wassili Gerhard  05.10.2015    

Seit einiger Zeit ist das Thema Cannabis-Legalisierung immer wieder in den Schlagzeilen. In Berlin Friedrichshain-Kreuzberg will man, vorneweg die Grüne Bezirksbürgermeisterin Herrmann, legalen Verkauf von Cannabis durchsetzen. Auch wenn die Genehmigung seitens des Bundesinstitutes für Arzneimittel nun erstmal verweigert wurde, gehen die Bestrebungen weiter. Die Grünen, aber auch Linke, Piraten, Kräfte der Sozialdemokraten, die FDP machen sich dafür stark. Auch die geplanten 4 „Coffeeshops“ für Kreuzberg sollen nur ein Etappenziel sein auf dem Weg zur vollständigen Legalisierung.

 

Diese Droge ist in der Tat mittlerweile weit verbreitet, in die verschiedensten Gesellschaftsschichten eingedrungen, und der Besitz kleiner Mengen wird nicht mehr bestraft. In Berlin floriert der Drogentourismus. Da sei es doch irgendwie anachronistisch, das Verbot weiter aufrecht zu erhalten, meinen in der Tat viele heute, jeder solle doch möglichst bequem sein „Tütchen“ konsumieren können. Uns schließlich werde ja der kriminelle Sumpf damit trocken gelegt, man würde ja auch selber lieber in einen Laden gehen, als sich beim illegalen Dealer versorgen zu müssen. Das sei doch entspannter.

 

Diese Argumentation steht aber irgendwie auf dem Kopf. Als wenn es unbedingt lebensnotwendig wäre, dieses Rauschgift zu konsumieren. Wenn man das Zeug nicht mehr kauft, braucht man auch nicht zum Dealer zu gehen und setzt sich keinem Risiko mehr aus. Und man setzt sich auch den Risiken dieses Stoffes nicht mehr aus. Das gilt so auch für eine ganze Reihe anderer Rauschdrogen. Da hat der Berliner Bürgermeister Müller z.B. mal erstaunlichen Realismus bewiesen als er kürzlich in einer Diskussion zu diesem Thema meinte, er habe in seinem Umfeld zu viele Fälle gekannt, in denen Cannabis die Einstiegsdroge war, um die Legalisierung zu befürworten. Das kann ich bestätigen. Ich habe die Einführung von Cannabis als Massendroge in diesem Land miterlebt, davor kannte sie überhaupt niemand, und ich kenne selbst Menschen, die anfangs Cannabis konsumiert haben und dann im weiteren Verlauf schwer mit Rauschgift abgestürzt sind, zu Mystikern geworden oder gar gestorben.

 

Spätestens an dieser Stelle kommt dann das Gegenargument, man müsse doch sehen, daß durch Alkohol oder Nikotin viel mehr Menschen umkämen. Alkohol ist allerdings auch seit Jahrtausenden bei uns in der Kultur verwurzelt, und diente seit jeher nicht nur als Mittel, einen Rausch zu bekommen, und die Versuche - z.B. mit der Prohibition in den USA - diesen Stoff daraus wieder wegzubekommen, sind bisher gescheitert. In der Arbeitswelt allerdings, wo der einzelne Beschäftigte heute eine größere Verantwortung für materielle Werte trägt, und auch für die Gesundheit der anderen Beschäftigten, ist heute hierzulande völlige Alkoholabstinenz weitgehend als Standard durchgesetzt, was natürlich nicht bedeutet, daß es überhaupt keine Verstöße mehr dagegen gibt, während noch vor Jahrzehnten Alkoholkonsum bei der Arbeit weitgehend toleriert wurde. Ein vorsichtiger und kultivierter Umgang mit diesem Stoff ist tatsächlich das Mindeste, hemmungsloses Saufen ist auch abzulehnen.

 

Nikotin könnte noch am ehesten abgeschafft oder zumindest sehr reduziert werden, das wurde ja erst vor Jahrhunderten von den Indianern abgeguckt, und der Nikotinkonsum hat sich auch seit einiger Zeit deutlich reduziert. Vor allem kommt es dabei darauf an, es bei der jungen Generation weniger populär zu machen, und da können auch falsche Gegenmnaßnahmen schaden. Aber Cannabis war hier bis vor ein paar Jahrzehnten weitgehend unbekannt (ja ja, in fernerer Vergangenheit gab es da wohl mal was, aber das zählt nicht mehr) Warum also unbedingt dieses Zeug wieder neu in unserer Kultur fest verankern, wie das manche wollen?

 

Und das scheint vor allem bei den Grünen, aber nicht nur dort, ein Herzensanliegen zu sein. Bei ihrer Argumentation zu diesem Zweck kann man übrigens gut verfolgen, wie „Double Standards“, um es mal modern auszudrücken, zum festen Bestandteil dieser Politik geworden sind.
Beispiele für die grüne Argumentation: Wenn sie z.B. sagen: Wenn man Straßen baut, dann fördert man den Verkehr. Und wenn man Fixerstuben baut, dann fördert man das Fixen? Natürlich fördert man nach der Logik der Grünen nicht das Fixen, nein.
Zweites Beispiel: Wenn man überall das Rauchen verbietet, dann tut man etwas gegen das Rauchen. (Da sind die Grünen plötzlich für Gängelung. Und wenn die Tabakindustrie allen Produkten Cannabis beimischen würde, was würden die Grünen dann sagen?) Wenn man aber den Konsum von Cannabis verbietet, dann tut man etwas gegen ... ? Nach der Logik der Grünen fördert man die Kriminalität.

Was sich dabei zeigt, ist die hemmungslose Ausrichtung der Argumentation im Sinne der eigenen Parteilichkeit. Es zählt überhaupt nicht, wie die Dinge von einem übergeordneten Standpunkt aus zu sehen sind. Bei den Grünen funktionalisiert man übrigens auch die Interessen von entsprechend ausgewählten Minderheiten, um vorher feststehende Resultate zu erhalten. Deren Interessen sind gut, die Interessen der Mehrheit sind schlecht. So kann man die Interessen der Mehrheit bekämpfen und das „Emanzipation“ nennen.

 

Damit sind die Grünen allerdings auch Vertreter einer Denkrichtung, die heute zum „Mainstream“ gehört, wenn man eine Argumentation oft genug wiederholt, dann werde sie sich mit der Zeit einprägen. Das gibt es so ähnlich auch auf der individuellen Ebene: „Ich finde Cannabis gut, also zählen für mich nur noch Argumente, die diesen Standpunkt bestätigen. Wenn andere daran kaputtgehen, ist das deren Problem, ich traue mir zu, damit klarzukommen und will auf meinen Genuß nicht verzichten.“ So extrem subjektiv denken leider heute viele, die mittlerweile oft vom Kindergarten an in diesem Sinne erzogen sind. Übertriebener Individualismus und völlige Mißachtung übergeordneter Interessen in gesellschaftlichen Fragen sind heute gesellschaftsfähig [Anm.1]. „Frech kommt weiter“, war 1980 ein Werbeslogan, der auf diesem Gebiet das Kippen in der öffentlichen Propaganda anzeigte und den Trend genau erfaßte, die Werbebranche ist ja sensibel für Trends. Das ist mittlerweile ein geflügeltes Wort geworden. Bis einige Zeit davor wurde gesellschaftsschädigendes und rücksichtsloses egoistisches Verhalten allgemein verurteilt (wie es der Protagonist in dem Werbespot an den Tag legte), daß soetwas nun als pfiffiges Verhalten positiv dargestellt wurde, war Teil einer allgemeinen Kampagne, die sich vor allem gegen den Einfluß des Sozialismus auf die Jugend richtete (die nun aus dem Jugendalter herauswuchs). In der Kultur wurde nun in auffallender Weise rücksichtsloses, kurzsichtiges und egoistisches Verhalten in der Gesellschaft als „jugendlich“ und „smart“ propagiert. Das war eine regelrechte Welle und ließ aufhorchen.

 

Nicht zufällig ist es, daß 1980 auch die Grünen gegründet wurden, parallel mit dem Umsturz des Sozialismus in China, die mit zunächst „antikapitalistisch“ klingenden Parolen diese Jugend sozusagen „abholten“, um sie auf ein völlig anderes Gleis zu bringen, das in der Konsequenz die Klassengesellschaft verewigen soll, was aber schöngeredet wird. Dabei haben neben Pseudolinken auch alte Ultrarechte eine Rolle gespielt, so z.B. alte Faschisten, die vom Ursprung her mehr der Strasser-Richtung in der NSDAP anhingen und schon in den siebziger Jahren und früher das Thema „Umweltschutz“, ein altes Thema eines „völkisch“ verstandenen Naturschutzes, als einen Aufhänger sahen, rechte Inhalte wieder gesellschaftsfähig zu machen. Es kam zu einem Konglomerat unterschiedlicher Kräfte, die natürlich auch untereinander ihre Auseinandersetzungen hatten. Um vom Kampf für den sozialen Fortschritt auf der Welt wegzuführen, mußte ein übergeordnetes Prinzip gefunden werden, mit dem die völlig andere Ausrichtung scheinbar legitimiert werden sollte. Das war vordergründig die sogenannte „Rettung der Welt“, einer lebenswerten Umwelt für die Menschen, aber im Einzelfall sah der erzrechte Charakter schon früh durch, indem bisweilen von den extremen rechten Elementen in dieser Bewegung schon „der Mensch“ überhaupt als das Grundübel dargestellt wurde, ein „Krebsgeschwür“ am Planeten, der eine Bedrohung für ihn darstelle. Was für eine menschenfeindliche, nihilistische Argumentation, wie sie nur von erzrechten verbohrten Gehirnen einer verzweifelten Reaktion ausgebrütet werden kann. Wer würde sich sorgen um die Existenz eines einzelnen von den unzähligen Planeten im Universum, wenn er nicht der Lebensraum der Menschheit wäre?

 

Solche Prinzipien dienten als Brücke, um auf dem sozialen Gebiet eine andere Herangehensweise durchzusetzen, sich nicht mehr an den Interessen der Mehrheit zu orientieren und den sozialen Fortschritt als Richtschnur des Handelns zu nehmen: Marx und Engels hatten einst richtig festgestellt und zur Maxime ihres Handelns gemacht:

„Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“        (Karl Marx. Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie-Einleitung)

Sie kamen zu der Erkenntnis, daß es in der Gesellschaft die Klasse des Proletariats ist, die sich nicht befreien kann, ohne eben „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“. Und dieser Klasse gehört die Zukunft, das gilt auch heute noch auf internationaler Ebene, auch wenn die maßgebliche Kräfte der Bourgeoisie dagegen Amok laufen, weil die Potenzen dieser Klasse bereits erlebt werden konnten. Wie nun davon wegkommen, in einer Zeit, wo die Sache des Proletariats große Rückschläge erlitt, ohne den Rückschritt zu deutlich zu machen? Dafür mußte eben das Szenario des Weltuntergangs her, daß die Menschheit mit ihrem Bestreben nach Entwicklung angeblich den Planeten zerstört. Da sei doch jedes Mittel gerechtfertigt.

 

Übrigens, in der gleichen Schrift, in der Marx dieses Prinzip auf den Punkt bringt, bezeichnet er auch die Religion als „das Opium des Volkes“, mit dem es sich über die elenden Zustände hinwegtröstet, wie eben mit einer Droge. Dabei muß man berücksichtigen, daß solche Rauschmittel wie Opium damals in Europa nur den oberen Klassen zugänglich waren. Der britische Imperialismus war es, der Opium als Mittel zur Zerrüttung als Massendroge in China einführte, um das Land sturmreif für die Kolonisation zu machen. Als China sich gegen die weitere Einfuhr sperrte, führte England den sogenannten „Opiumkrieg“ dagegen. Das sollte eigentlich heute hellhörig machen, ob es da nicht Parallelen gibt, welchen Zielen die „Demokratisierung“ der Rauschdrogen dient. Die Parallelität der massenweisen Verbreitung von Rauschgift und einer Entwicklung in der Ökonomie hier, die einen ganzen Teil der Gesellschaft per „struktureller Arbeitslosigkeit“ in die Überflüssigkeit beförderte ist ebenfalls nicht als zufällig zu sehen.

 

So schwamm und schwimmt die massenhafte Verbreitung von Rauschmitteln auf der Gegenwelle zum Kampf für den sozialen Fortschritt in der Welt. In den USA z.B., wo es anfing, schleuste die Bourgeoisie das Rauschgift in die Jugendbewegung gegen den Vietnamkrieg ein. Der „Drogenpabst“ Timothy Leary“ war ursprünglich Teilnehmer an umfangreichen Untersuchungen der CIA, wie man den Sozialismus wirksam bekämpfen könne, und hat in diesem Zusammenhang seine Kenntnisse und Erfahrungen mit Drogen (und seinen Dachschaden) erworben. Die USA haben damals umfangreiche Studien über verschiedene Rauschmittel und ihren Einsatz als Kampfmittel, z.B. zur sogenannten „Gehirnwäsche“, betrieben.[Anm.2] Es ist kein Wunder, wenn heute diese Bewegung nur noch als ein Art „Hippiebewegung“ dargestellt wird. Das ist der Zustand, als sie ihren Charakter bereits sehr stark verändert hatte, auch auf Grund der Beeinflussung und Unterwanderung dieser Bewegung, nachdem man ihr staatlicherseits mit offener Gegengewalt nicht ausreichend hatte beikommen können. Die herrschende Klasse in den USA ist in solchen Dingen immer erstaunlich „flexibel“ gewesen. Das hatte sie auch vorher schon bei der Niederschlagung der eigenen Arbeiterbewegung bewiesen, wo sie auch vor keinem noch so kriminellen und abgefeimten Mittel zurückschreckte.

 

Wenn unsere Organisation alsoAnfang der siebziger Jahre gegen den Widerstand der pseudolinken Agenturen, deren Führer sich später vielfach bei den Grünen wiederfanden, eine Kampagne mit dem Slogan „Weg mit dem Rauschgift!“ betrieb, zu einer Zeit, als das Eindringen davon in die Jugend hier noch am Anfang stand, dann hat sich die Richtigkeit davon unbedingt bestätigt. Heute hat sich das Ganze bereits sehr ausgebreitet und verfestigt. Viele sind mittlerweile davon in eine Sumpfkultur hineingezogen worden und wie viele sind davon zerstört worden. Die übergeordneten Interessen des sozialen Fortschritts und der Weiterentwicklung sind bei der Beurteilung dieser Frage maßgeblich, und nicht das individuelle Behagen des Einzelnen oder dergleichen. Individuelle Freiheit muß immer in einem vernünftigen Verhältnis zum „Allgemeininteresse“ stehen. Ob man ein solches „Allgemeininteresse“ überhaupt anerkennt und nicht das Motto „Nach mir die Sintflut“, oder wie man ein Allgemeininteresse definiert, das ist allerdings davon abhängig, welchen gesellschaftlichen Standpunkt man einnimmt.

 

 

 

 


Anmerkung 1  Und eigentlich ist das auf einer Linie mit Rauschgiftkonsum: Da macht man sich individuell maßgeschneidert eine eigene „Wohlfühlumwelt“, indem die eigene Wahrnehmung mittels Rauschgift verändert wird, es wird ausgeblendet, was beeinträchtigt. Das ist allerdings objektiv betrachtet eine Illusion, denn an den tatsächlichen Verhältnissen ändert das nichts, außer vielleicht zum Schlechteren, weil ich ernüchtert wieder daraus hervorgehe und gegen die Urachen nichts getan ist, oder ich habe sogar das Notwenigste versäumt - oder ich muß den Rauschzustand zum Dauerzustand machen, um die Misere völlig auszublenden, was auf die Dauer auf Selbstzerstörung hinausläuft. Das gilt ähnlich auch für exzessiven Alkoholkonsum.    -zurück-

Anmerkung 2   Zu diesem Thema ist z.B. das Buch „Deckname Artischocke“ zu empfehlen.    -zurück-

 

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