Internet Statement 2016-09

 

„Und weil der Mensch ein Mensch ist…“

Maria Weiß  09.02.2016     

Das Verfolgen einer Religion als Privatangelegenheit ist vollkommen in Ordnung. Was jedoch nicht sein darf, ist die Vermischung mit dem Staatswesen, sprich die Instrumentalisierung selbiger zur Unterdrückung. Letzteres gilt für alle Religionen, natürlich auch für das Christentum. Dieses hat im Staatsapparat ebenso wenig zu suchen wie der Islam oder irgendeine andere Religion. Auch ein jüdischer Staat ist abzulehnen. Der Staat hat säkular zu sein und allen seinen Angehörigen und Bürgern zu dienen, nicht aber einer Religion.

Obiges Prinzip ist die Errungenschaft der bürgerlichen Revolution, welche mit der französischen Revolution im Jahr 1789 begann und sich in der Folge zunächst auf dem ganzen europäischen Kontinent ausbreitete. Es ist klar, daß demgegenüber auch ein so genanntes „Christliches Abendland“ einen geschichtlichen Rückschritt darstellt und abzulehnen ist. Verteidigenswert ist heute weder ein so genanntes christliches Abendland noch ein muslimisches Morgenland oder was auch immer in dieser Art, sondern zu verteidigen sind die bürgerlichen Rechte der Mitglieder eines Gemeinwesens, bzw. eines Staatswesens. Das ist erst mal elementare Voraussetzung für alles Andere. Wer etwas Gegenteiliges, bzw. irgend etwas mit irgendeiner Religion in dieser Hinsicht propagiert, der guckt nach hinten und ist zu kritisieren und notfalls auch zu bekämpfen.

Das heißt natürlich nicht, daß ein solches bürgerliches Staatswesen keine Gegensätze mehr kennen würde, ganz im Gegenteil. Der Klassengegensatz, das heißt der Gegensatz, welcher darauf beruht, daß ein gewisser kleiner Teil der Gesellschaft sich die Produktivkräfte aneignet und die Mehrheit dieser Gesellschaft sich unterordnet und ausbeutet, dieser ist ebenfalls vorhanden, hat sich längst entwickelt. Aber ein christliches oder muslimisches oder auch orthodoxes Staatswesen fällt weit hinter beidem zurück und muß daher gesellschaftlich abgelehnt werden. Alle Kräfte, die ein solches befürworten oder anstreben sind zu bekämpfen, denn sie fallen noch weit hinter die bürgerliche Gesellschaft, trotz des ihr innewohnenden Widerspruchs zwischen Bourgeoisie und Proletariat zurück, weit in der geschichtlichen Entwicklung der Gesellschaft zurück und sind daher als gesellschaftliches Modell überhaupt gar nicht mehr in Betracht zu ziehen.

Aber die Kräfte, die solches heute vertreten, sind raffiniert. Sie verschanzen sich eben gerade hinter diesem letztgenannten Widerspruch, fallen weit dahinter zurück und schieben etwas Religiöses nach vorne. Das gilt es zu erkennen, darauf darf man nicht hereinfallen.

Es gilt also zu allererst die Zivilgesellschaft zu verteidigen, denn nur sie ermöglicht auch die Lösung aller weiteren ökonomischen als auch daraus resultierenden sozialen Widersprüche, ebenso wie auch Widersprüche von Staaten untereinander, die sich dann stellen, die sich längst gestellt haben. Irgendeine Religion, egal welche es ist, auf das Tapet zu heben und zu ihrer Verteidigung anzusetzen, fällt weit dahinter zurück und muß daher abgelehnt werden.

Es gilt die materiellen gegenwärtigen Widersprüche zur Kenntnis zu nehmen und diese zu lösen versuchen. Das ist eine viel schwierigere und wichtigere Aufgabe als hinter irgendeiner Religion, egal welche es ist, ob es das Christentum ist oder der Islam oder der Buddhismus oder sonst irgendeine, herzulaufen. Das fällt weit dahinter zurück und lenkt im Interesse herrschender parasitärer Klassen vom Kampf gegen diese ab.

Ein solches Herangehen gilt natürlich zunächst für Europa, für die fortgeschrittene Gesellschaft inklusive ihrer sich verschärfenden Widersprüche hier, als auch selbstverständlich für die USA und andere fortgeschrittene Zivilgesellschaften, als auch für alle anderen Staaten auf der Welt, erst recht natürlich für die ehemals sozialistischen und derweil kapitalistisch umgewälzten Gesellschaften wie das heutige Rußland als auch für das heutige China. Überall gehört es zum Krieg der Reaktion gegen revolutionäre, den Fortschritt fordernde Massen, Nebenwidersprüche, wie sie auch Religionen darstellen, zum Hauptwiderspruch zu machen, um von den tatsächlichen Hauptwidersprüchen abzulenken und aufmüpfige Massen in die Irre zu führen. Darauf sollte man, sofern man nur ein wenig gesellschaftlich denken kann, nicht hereinfallen. Was für einen Gott ein bestimmter Staat anbetet ist nicht so wichtig. Aber was er für die breite Bevölkerung zu bieten hat und für deren Entwicklung und Emanzipation, das ist entscheidend.

Wesentlich ist, daß diejenigen, die die gesellschaftlichen Reichtümer und Werte hervorbringen, auch über die gesellschaftlichen Geschicke entscheiden, oder ob sich letzteres eine kleine Schicht von gesellschaftlichen Parasiten und Nutznießern ausschließlich zueignen darf. Diese Frage ist es, die zuerst gelöst werden muß, und nicht diese oder jene Religionsfrage. Alle Religionen, egal welchen Inhalt sie haben, transportieren die Lösung der sozialen Probleme in das Jenseits. Wir sollten sie aber im Diesseits lösen. Das heißt „die lebendige Blume brechen“, wie das einmal Marx in einer Kritik an einem idealistischen bürgerlichen Philosophen in Deutschland ausgedrückt hat. Diese soziale Kritik zu leisten und praktisch umzusetzen ist auch heute nach wie vor die vorrangige Aufgabe aller wirklich am Fortschritt der Gesellschaft interessierten Menschen.

Meiner Ansicht nach kann man durchaus davon ausgehen, daß die überwiegende Mehrheit der jetzt zu uns geströmten Menschen uns auf die Dauer dabei unterstützen werden und selbst eine solche Kritik und Herangehensweise voranzutreiben fähig sein werden. Die europäische herrschende Klasse aber spielt gewissermaßen gegenwärtig mit dem Feuer. Soll sie doch weiter versuchen, sich dabei die Finger zu verbrennen und am besten ihr ganzes rückwärtiges und überholtes Ausbeutersystem noch gleich mit.

Was unterscheidet denn eigentlich einen sogenannten Wirtschaftsflüchtling von einem Kriegsflüchtling? Doch nur das, daß er jeweils von einer anderen Seite dieser herrschenden Klasse getroffen wird. Unser Bestreben geht hingegen dahin, möglichst alle im Kampf gegen diese verschiedenen Ausprägungen reaktionärer Klassen zu vereinigen. Ob die Ursache nun Krieg aus Profitgier oder Profitgier pur ist, das interessiert doch allenfalls am Rande. Wenn schon nationale Grenzen keine Bedeutung mehr haben sollen, dann auch für die Richtigen: Für den Fortschritt und nicht dagegen. Sollen sich doch ihre „Pegida“ oder „AFD“ oder andere nach hinten gerichtete bürgerliche Kreationen selbst in den geschichtlichen Mülleimer des reaktionären Nationalismus stopfen. Wenn schon nach hinten schauen, dann bitte auch richtig und möglichst effektiv, damit dieser geschichtliche Unsinn möglichst bald wieder verschwindet und an seiner Stelle sich wirklicher Internationalismus entfalten kann. Sollen sie doch kommen, die Vertreter der unterdrückten und ausgebeuteten Völker aus aller Welt, um ihre Forderungen zu stellen, damit die Vertreter der fortschrittlichen sozialen Klasse, sofern davon noch etwas übrig geblieben ist hierzulande, sich mit ihnen verbinden, um den gemeinsamen Feind zu schlagen. Und nebenbei, benötigen wir dazu auch keine religiösen Oberhäupter, weder einen Papst, noch Mufti und auch keinen orthodoxen Patriarchen, um festzustellen, was für uns gut ist und was nicht. Und es versteht sich von selbst, daß dabei eigensüchtige kleinbürgerliche Interessen ebenfalls auf dem Müllhaufen der Geschichte zu landen haben. Das Proletariat aller Länder und Staaten auf der Welt hat nicht zu verlieren außer seinen Ketten. Das wird an dieser millionenfachen gegenwärtigen Fluchtbewegung ganz konkret und millionenfach deutlich. Arbeiten wir daher daran, diese von dem europäischen und internationalen Kapital und dessen Lakaien und Profiteuren selbst angefeuerte Bewegung für diese selbst zu einer Ironie der Geschichte werden zu lassen.

 

 

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