Internet Statement
2016-29
Einige
Bemerkungen zur demokratischen Frage
Maria
Weiß 15.05.2016
Demokratie ist nicht teilbar. Das gilt in der Tat
generell. Das gilt sogar auch für die Kapitalisten selbst. Nur ihr
Prinzip des Privateigentums an den Produktionsmitteln und des angeblichen
Rechts auf Ausbeutung, das ist eben mit Demokratie nicht vereinbar. Das
ist der Punkt. Demokratie als allgemeines gesellschaftliches Prinzip impliziert
auch dementsprechende Besitzverhältnisse. Demokratie als allgemeines
gesellschaftliches Prinzip geht eben nicht zusammen mit kapitalistischen
Besitzverhältnissen. Was muß man aber machen? Soll man etwa
die Demokratie abschaffen oder sollte man nicht lieber die Besitzverhältnisse
an das demokratische Prinzip anpassen? Ich denke mal, letzteres ist das,
was Fortschritt repräsentiert.
Ähnliches gilt für die Menschenrechte. Das Prinzip der Menschenrechte
ist richtig. Nur ist es eben in der Praxis nicht verwirklicht. Welche
Schlußfolgerung soll man daraus ziehen? Soll man etwa das Prinzip
ändern, oder die Praxis an das Prinzip anpassen? Ich denke letzteres
ist richtig. Und wenn diese Anpassung eben zeitweilig eine Art diktatorische
Maßnahme erfordert, dann muß sie eben sein. Das widerspricht
dann aber noch lange nicht dem allgemeinen Prinzip. Ganz im Gegenteil.
Eben aus diesem Grund hat zum Beispiel Mao Zedong von einer demokratischen Diktatur des Volkes gesprochen. Damit
ist genau dieser Vorgang gemeint. Selbstverständlich müssen
die Besitzverhältnisse geändert werden, sonst kann man die Demokratie
nicht verwirklichen.
Ich komme immer mehr zu der Ansicht, daß die Frage der Demokratie
auch in den sozialistischen Staaten ganz massiv unterschätzt worden
ist und auch in der ganzen Bewegung unterschätzt wird. Das muß
man sich mal überlegen. Das ist nicht so einfach. Man kann das auf
keinen Fall schematisch behandeln. Was ist denn, wenn wir die Macht haben
über die Produktivkräfte, wenn das Proletariat diese erkämpft
hat? Was ist denn dann? Dann fängt es doch eigentlich erst richtig
an. Gerade wenn man erkennt und davon ausgeht, daß der Mensch selber
überhaupt die wichtigste Produktivkraft darstellt, dann sieht man
doch daran sofort, wie wichtig die Frage der Demokratie ist. Ich möchte
mal folgende These aufstellen: Letztendlich haben alle
Versuche, die es bislang gegeben hat, eine sozialistische Gesellschaft
aufzubauen, an der Frage der Demokratie versagt. Der Mensch selbst ist
die erste und größte Produktivkraft, und wer diese Erkenntnis
nicht berücksichtigt, der wird es nicht schaffen. Das ist es was
die Geschichte bislang gezeigt hat, weshalb immer wieder kapitalistische
Anstrengungen des Umsturzes sich als überlegen erwiesen haben, weil
sie zum Teil jedenfalls diesen Faktor besser zu berücksichtigen verstehen.
Das sollte uns zu denken geben.(Anm.) Die sozialistische
Revolution ist vor allen Dingen zunächst die Befreiung der Produktivkraft
Mensch. Wenn aber diese Befreiung sich nicht vollziehen kann, weil auf
Grund der Notwendigkeit gewisse rückständige Elemente in der
Gesellschaft zu unterdrücken diese Produktivkraft selbst auch mit
unterdrückt wird, dann kann das auf Dauer nicht funktionieren. Und
das ist es auch, was die Geschichte bislang gezeigt hat.
Demokratie ist etwas ungemein Wichtiges, was richtig gehandhabt werden
muß. Ähnlich ist es mit den Menschenrechten. Das ist auch wichtig.
Menschenrechte müssen für alle gelten, sonst sind es keine.
Was aber machen beispielsweise die USA, welche als allererste diese Rechte
deklariert haben, in dem Jahr 1776? Ja, sie selber treten es mit Füßen,
und zwar da, wo es ihren egoistischen Ausbeuterinteressen widerspricht.
Und nicht nur das, sie kehren sie um und pervertieren sie. Nicht nur „Guantanamo“,
sondern unzählige andere Vorgänge sind dafür ein Beispiel.
Das ist alltägliche Praxis und es wird auf dem Wege des Fortschritts
und der Überwindung des Ausbeutersytems auf der Welt auch noch lange
der Fall sein, und zwar keineswegs bloß in den USA. Das ist das,
was in allen Ausbeutergesellschaften tagtäglich millionenfach stattfindet,
auch hier bei uns selbstverständlich. Und ganz ähnlich ist es
auch mit der Demokratie, welche ebenfalls pervertiert wird. Das heißt
aber nicht, daß man diese prinzipellen Errungenschaften deswegen
anzweifelt oder gar leugnet. Ganz im Gegenteil, man muß sie Stück
für Stück zu verwirklichen suchen.
Natürlich ist es eine Form von Diktat, wenn man den Ausbeutern ihre
Pfründe entzieht, um sie der gesamten Gesellschaft zur Verfügung
zu stellen. Aber das muß man eben eingehen, zeitweilig. Aber nur
zeitweilig und nicht absolut. Ich glaube sogar, daß der weitaus
größere Anspruch darin besteht, die Demokratie und die damit
eng verbundene Emanzipation der Volksmassen zu verwirklichen, als Diktatur
auszuüben über die Bourgeoisie, über die überkommenen
Elemente der Gesellschaft. Und von daher ist es auch keineswegs verwunderlich,
daß an diesem Problem, an der Lösung dieser Frage bislang sämtliche
Staaten, die für sich in Anspruch genommen haben oder nehmen, einen
Sozialismus aufgebaut zu haben oder aufbauen zu wollen, mehr oder weniger
gescheitert sind. Das heißt natürlich überhaupt nicht,
daß man etwa diesen Anspruch aufgibt. Das braucht man auch gar nicht
zu postulieren, denn der stellt sich materiell tagtäglich millionenfach
überall als Aufgabe, als Anforderung und als Notwendigkeit, die zu
lösen ist, aufs Neue.
Nehmen wir nur mal die aktuelle Flüchtlingsfrage in Deutschland.
Hat denn schon irgend jemand mal gefragt, was die Flüchtlinge selbst
eigentlich wollen? Manchmal ist schon eine solche Frage zu stellen eine
erhebliche Anforderung, weil der Gefragte es vielleicht nicht einmal selbst
weiß. Aber es spricht etwas an und dieses ist so wichtig, weil nur
das eine wirkliche echte Veränderung hervorrufen kann, einen wirklichen
Fortschritt bewirken kann. Das ist das, was man Emanzipation nennt. Das
ist doch eigentlich unser Anspruch, eine solche zu bewirken, und zwar
für alle Menschen auf der Welt. Und natürlich fragt man nicht
einfach: was willst du? Sondern auch: was geht? Schon setzt man sich auseinander
und hat einen wichtigen Schritt getan. Und natürlich nicht nur was
geht, sondern auch wie können wir das erreichen, was jetzt nicht
geht oder noch nicht geht. Das ist ein ganz wichtiger Antrieb: die Demokratie
in der Praxis zu verwirklichen. Das war doch auch ein ganz wesentlicher
Impetus der Jugend- und Studentenbewegung der 1968er Jahre. Da hat der
Rudi Dutschke damals vielleicht den Sozialismus „ ausgelagert“,
aber es hat Früchte getragen. Dazu muß man ihm gewissermaßen
immer noch dankbar sein.
Man darf nicht vergessen: die Enteignung der reaktionäre Klasse von
ihren produktiven Mitteln ist immer nur der erste Schritt. Der ist sogar
manchmal relativ einfach zu erreichen. Der nächste Schritt ist weitaus
schwieriger, denn der bedeutet die Vergesellschaftung in der Praxis durchzusetzen.
Und da stößt man automatisch auf die Frage der Demokratie und
da fängt die eigentliche Schwierigkeit in Wirklichkeit erst richtig
an. Wir sollten aus den bisherigen Erfahrungen mal ein Fazit ziehen, denn
der nächste Schritt in diese Richtung stellt uns wieder vor diese
Aufgabe. Und vielleicht kann man ja dann aus den bisherigen Erfahrungen
endlich mal die richtigen Schlußfolgerungen ziehen. Die Vergesellschaftung
der Produktionsmittel in Form der Enteignung der bisherigen Besitzer ist
relativ leicht gegenüber der Aufgabe, die tatsächliche Vergesellschaftung
durchzusetzen. Und gerade bei letzterem spielt die Lösung der demokratischen
Frage eine Kettengliedrolle. Auf die Frage der Demokratie muß ein
viel größerer Wert gelegt werden, denn das ist ja das, was
die allermeisten Menschen wollen. Man kann die Frage der Demokratie gar
nicht hoch genug einschätzen. Ich möchte mal die These aufstellen,
daß alle bisherigen Versuche sozialistische Staaten aufzubauen an
dieser Frage mehr oder minder gescheitert sind.
Anderer Punkt. Ein interessantes Phänomen ist auch die Staatenbildung
auf den verschiedenen Kontinenten auf der Welt. Afrika hat die allermeisten
Staaten auf seinem Kontinent. Nordamerika hat die wenigsten, nur drei
im wesentlichen, die USA, Kanada und Mexiko. Europa dagegen hat auch viele,
ebenso wie Asien, wobei letztere im Vergleich zum Teil sehr große
sind. Afrika hat die meisten. Das ist bemerkenswert. Man muß es
mal durchzählen. Wenn man jetzt Europa und Asien, also Eurasien zusammen
nimmt, dann sind es wahrscheinlich noch mehr.
Der ganze afrikanische Kontinent spielt bislang international
eher eine Aschenputtelrolle, obwohl das überhaupt gar nicht gerechtfertigt
ist. Alle früheren und gegenwärtigen Kolonialmächte, die
diesen Kontinent kolonisiert haben oder es weiterhin tun, reißen
sich gern seine Schätze unter den Nagel, die Entwicklung seiner Völker
und Staaten interessiert sie aber recht wenig, Vor allem seitdem die afrikanischen
Menschen zunehmend ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen bestrebt
sind, gibt es dort Terror und Kriege noch und nöcher. Der Kolonialismus
ist eben nicht so schnell kaputt zu kriegen, aber keine Bange, das wird
schon, und erst recht dann mit den Völkern der anderen Kontinente
gemeinsam!.
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Anmerkung:
Man muß natürlich auch die
historischen Wurzeln der Demokratie beachten. In Westeuropa sind diese
uralt, und keineswegs etwa ist die Demokratie eine Erfindung der bürgerlichen
Revolution, des Kapitalismus, wie das auch von einigen Revisionisten gern
behauptet wird. Der Kapitalismus wurde durch sie zwar begünstigt,
aber auch in Rußland und China, wie überall, gab es urgeschichtliche
Demokratie, doch der Verlauf der Geschichte ist dort ein ganz anderer
als in Westeuropa. Es gab dort immer die starke Zentralgewalt und den
sog. orientalischen Despotismus. Auch die Revolution in Rußland
und China hatten es nicht nur ökonomisch und kulturell schwierig,
sondern auch auf dem Feld der Demokratie – wegen historischer Ursachen.
Die russische Dorfgemeinde z.B. war sehr stark patriarchalisch ausgeprägt,
d.h. für die Frauen gab es kaum Mitsprache. -
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