Internet Statement 2016-35

 

 

In den früheren Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts hat Mao Zedong mal festgestellt: „Nur der Sozialismus kann China retten“. Nun, heute kann man diese Aussage, selbst wenn das nicht geradlinig verwirklicht werden kann, getrost auf die ganze Welt beziehen.

 

Die Würde des Menschen ist unantastbar ?

Das Kapital kennt keine Menschenwürde, es kennt allein die Würde des Profits, welcher es alles unterordnet

 

 

Maria Weiß    24.05.2016         

Die Würde des Menschen ist unantastbar. So steht es zum Beispiel an Berliner S-Bahn Gleisen auf einer Mauer geschrieben. Sie wird aber millionenfach tagtäglich, stündlich, sekündlich auf der ganzen Welt angetastet, und bis die Bedingungen, die das hervorrufen, umgewälzt worden sind, das wird noch ein Weilchen dauern. Das ist zweifelsohne ein erstrebenswertes Ziel, aber es ist schwer zu erreichen. Vielleicht wird man es nie vollständig erreichen, trotzdem ist es richtig, es aufzustellen.

 Der Schriftzug auf der Mauer, den ich oben erwähnte, datiert wohl vom Ende des zweiten Weltkriegs. Die damaligen Sieger über den Nazifaschismus, die dieses Prinzip aufgestellt haben, haben sich allesamt heute selber vollkommen diskreditiert, indem sie seit langem, die USA sowieso aus Prinzip und die Sowjetunion, das heutige Rußland ebenfalls, das Gegenteil davon tagtäglich praktizieren. Wer also ist es oder kann es sein, der dieses Banner aufrecht erhält und vor allem in der Praxis imstande sein wird, er dauerhaft zu verwirklichen?

 Ich möchte mal postulieren, daß die heutigen Staaten auf der ganzen Welt (inklusive unseres eigenen natürlich) selber von inneren Klassen- oder antagonistischen Gegensätzen geprägt sind, welche nicht imstande sind, derartige Prinzipien zu verwirklichen. Sie nehmen es zwar gerne für sich in Anspruch, aber treten es in der Praxis mit Füßen, vor allem wenn es sich um den sozialen Gegner handelt, aber auch um den nationalen oder internationalen Konkurrenten ‒ wie man will. Von diesen Widersprüchen ist die heutige internationale Welt geprägt und beherrscht, und die einzigen Kräfte, die das zu verändern imstande sein werden, sind die Volksmassen, die arbeitenden Massen dieser ganzen verschiedenen Staaten auf der Welt. Aber bis diese sich in der notwendigen Form aufgebäumt haben und fähig sind, die Macht zu ergreifen und ihren Staat und die ganze Welt zu verändern, das wird noch ein Weilchen dauern. Was natürlich nicht heißt, daß deswegen dieses o. g. Prinzip falsch ist. Keineswegs. Aber es wird tagtäglich millionenfach mißbraucht. von eben Denjenigen, die es im Munde führen. Und dieser Art von Heuchelei sollte man ebenfalls entgegen treten, weil sie dazu dient, die tatsächlichen Verhältnisse zu vernebeln.

 Was bedeuten denn Menschenwürde oder auch Menschenrecht(e) in der Praxis? Ein Nichts, wenn man sich ansieht, wie das tagtäglich gehandhabt wird. Wie ergeht es denn den Menschen, nicht nur den Flüchtlingen, zum Beispiel in der Türkei, oder auch in Griechenland oder auch in anderen Staaten, die für sich in Anspruch nehmen, dieses Prinzip zu vertreten? In den allermeisten Fällen spricht die Praxis diesem Prinzip Hohn. Gerade eben wird es in Griechenland wieder praktiziert, indem Flüchtlinge wie der letzte Dreck behandelt werden, indem sie einfach von einem menschenunwürdigem Camp in das andere gezwungen werden, hin und her geschoben werden, als wenn es sich dabei um beliebig verschiebbare Gegenstände handelte. Da wo sich Menschen dagegen auflehnen, werden sie einfach nieder geprügelt. Von den entsprechenden sogenannten Sicherheitskräften oder auch Polizei und Militär, egal welcher nationalen Herkunft die jeweils sind, ob sie türkisch sind oder griechisch oder sonst irgendwas.

 Soeben hat der türkische Präsident Erdogan sich herausgenommen, einfach einen Teil seines Parlamentes in die Wüste zu schicken, oder in die Haft oder was auch immer, zuvor den Ministerpräsidenten abzusetzen, de fakto jedenfalls, und darauf hinzuarbeiten, selber die Alleinherrschaft, die Hegemonie in seinem Land zu erlangen. Selbstherrschaft, wie es zum Beispiel in Rußland geheißen hat (und heißt). Das hindert europäische Staatsoberhäupter nicht, mit eben diesem selbstherrlichen Herrscher zu kooperieren. Und warum? Weil sie gezwungen sind. Die Türkei ist ein strategisch wichtiges Nato-Mitglied, an der Außengrenze, zum Beispiel gegenüber Rußland durchaus interessant, welches man natürlich nicht fallen lassen will, vor allem von Oberherrenseite her nicht. Das dürfte der wesentliche Grund dafür sein, warum über diese krassen „Demokratieverletzungen“, welche in der Türkei seit einiger Zeit wieder an der Tagesordnung sind, gegenwärtig großzügig hinweggesehen wird. Natürlich ist das, was dort jetzt stattfindet, ein Putsch. Aber ein Putsch ist eben nur ein Putsch, wenn es in den Augen des Oberherren ein Putsch zu sein hat. So sieht momentan die Machtlage aus. Und wenn es diesem Oberherren in sein geostrategisches Konzept hinein paßt, dann ist es eben kein Putsch, sondern eine interne Anpassung oder was auch sonst.

 Was lernen wir daraus? Es gibt eben kein allgemeines Maß, ebenso wenig wie es allgemeine Menschenrechte oder auch allgemeine Menschenwürde gibt, sondern diese sind jeweils geprägt durch die herrschenden Gruppierungen, oder meinetwegen nennen wir sie Klassen, oder was auch immer auf der ganzen Welt. Und solange dies der Fall ist, wird sich daran auch nichts ändern, daß eben diese durchaus wichtigen und hochhaltenswerten Werte oder Prinzipien eben in der Praxis geteilt sind. Solange die menschlichen Gesellschaften auf der Welt sich in Klassen spalten, oder auch in Gruppierungen verschiedener wirtschaftlicher und sozialer Natur, wird das eben in der Praxis nichts mit allgemeiner Demokratie oder allgemeiner Menschenwürde. Da muß man eben draus lernen, was man konkret tun muß, um diese wirklich durchzusetzen. Und dafür liefert die Geschichte eigentlich schon ganz überzeugende Beispiele. Es zeigt, daß die revolutionäre Theorie und Praxis sowohl des neunzehnten als auch des zwanzigsten und erst recht des einundzwanzigsten Jahrhunderts nach wie vor Gültigkeit besitzen und niemand so sehr auf den Müllhaufen der Geschichte gehört wie Diejenigen, die dieses leugnen.

 Es gibt keine allgemeinen Werte, und auch keine allgemeinen Rechte. Es gibt aber Rechte, die durchgesetzt werden und durchgesetzt werden müssen von denjenigen Klassen und Gruppierungen der Gesellschaft, die den Fortschritt repräsentieren, von der Mehrheit, die dieses in Wirklichkeit macht. Was überwunden werden muß, ist die internationale Ausbeutung, und dazu müssen eben die internationalen Ausbeuter, eine relativ überschaubare Gruppierung nebenbei, ihrer Macht beraubt werden, was allerdings ein schwieriger Prozeß ist und keineswegs einfach und schnell zu bewerkstelligen sein wird. Trotzdem ist es richtig, an diesem Ziel fest zu halten und nicht etwa es zu diffamieren, nur weil es den Damen und Herren Ausbeutern gerade so in ihr Konzept paßt. Der Sozialismus als überlegenes Gesellschaftsmodell ist überhaupt nicht passé, im Gegenteil, er ist aktueller und lebensnotwendiger als je zuvor. Wer das Gegenteil behauptet, zeigt nur seine Unfähigkeit, auch nur irgendwelche Schlußfolgerungen ziehen zu können, nicht nur aus konkreten geschichtlichen Vorgängen, sondern vor allem aus der aktuellen Entwicklung der Widersprüche auf der Welt.

 Man muß eine Vorstellung darüber entwickeln, was Demokratie eigentlich wirklich bedeutet und auf welcher Grundlage sie stehen muß. Was bedeutet eigentlich das Mehrheitsprinzip? Um das einschätzen zu können, muß man sich darüber im Klaren werden, auf welchen Rahmen sich das bezieht, wo welche Mehrheit entscheiden soll, und über was. Und das ist eben im internationalen Maßstab sehr unterschiedlich. Was bedeutet es konkret, das Mehrheitsprinzip zu verwirklichen? Dazu muß man erstmal sehen, wie es überhaupt praktisch möglich ist, zu einer Mehrheit zu kommen. Nehmen wir als Beispiel mal die Bundesrepublik Deutschland. Um in den Bundestag überhaupt rein zu kommen, muß man erstmal in eine Partei eintreten, und diese Partei muß dann in diesem Bundestag eine entsprechende Stimmenanzahl auf sich vereinigen, um überhaupt mehrheitsfähig zu sein. Das ist aber ein komplizierter Prozeß, denn diese Parteien sind ja nicht losgelöst von dem gesellschaftlichen Eigentumssystem. Ähnlich ist es auch in sämtlichen anderen Staaten auf der Welt. Wie soll zum Beispiel in Nigeria eine Mehrheit der Volksmassen dort in die entsprechenden Gremien gelangen? Das ist ein ebenso komplizierter Prozeß, und in fast allen anderen Staaten ist es ebenfalls so. Es gibt natürlich Ausnahmen. Die ehemaligen sozialistischen Staaten, Rußland, China, da ist das mit dem Mehrheitsprinzip wieder eine ganz spezielle Sache, was die Dinge aber eigentlich auch nicht unbedingt leichter macht. Oder andere Staaten, zum Beispiel im Mittleren Osten, wo es so was wie eine parlamentarische Entscheidungsgewalt überhaupt nicht gibt, bis jetzt, wo noch traditionelle Machtklüngel mehr oder weniger allein entscheiden.

 Wie soll man auf der ganzen Welt das Mehrheitsprinzip durchsetzen? Man sieht allein schon an diesen Strukturen, wie kompliziert das ist und was für eine Entwicklung hier noch erforderlich sein wird. Abgesehen von den konkreten Schwierigkeiten, das öffentliche Bewußtsein zu wecken, daß es notwendig ist, sich um diese Angelegenheiten zu kümmern und zugleich zu verhindern, in korrupten Parteien oder auch Cliquen, die in fast allen Staaten heute existieren und an der Tagesordnung sind, zu versinken oder zu ertrinken. Neue Entwicklungen, neue revolutionäre Parteien, die versuchen sozial aktiv zu werden, haben es fast überall mit dieser „Mehrheit“, dieser eingestielten, korrupten und ausgehaltenen Schicht zu tun. Daß das nicht von heute auf morgen durchbrochen werden kann, liegt auf der Hand. Es gibt daher noch einen langwierigen Prozeß durchzustehen, um wirklich Demokratie, nicht nur im eigenen Land, sondern auch auf dem eigenen Kontinent und geschweige denn erst recht auf der Welt zu verwirklichen.

 Aber es lohnt sich, diesen schwierigen Weg zu gehen, wenn man zurückblickt, wenn man zum Beispiel auf die Schwierigkeiten schaut im Feudalismus und selbst im aufkommenden Kapitalismus des 19. und erst recht des 20. Jahrhunderts, mit was man da alles konfrontiert war, dann war das auch nicht ohne. Und daß die Schwierigkeiten wachsen, je größer der Horizont wird, liegt auf der Hand. Man sollte daher sehr genau hinsehen, was sich Neues herausbildet und konstituiert und was so tut, oder auch vielleicht nicht, allgemeine Interessen zu repräsentieren.

 

Die Würde Europas wird auch in Idomeni verteidigt.

 Verteidigung der Menschenwürde ohne Gewalt ist ein bürgerlich-reaktionäres Märchen, oder anders ausgedrückt: die ganz normale heuchlerische Widerwärtigkeit der Bourgeoisie.

Lenin hat dieses Prinzip verteidigt, Stalin zu anerkannten 70 Prozent eben auch. Bei dem heutigen russischen Präsidenten Putin kann man sich überhaupt nicht sicher sein, was der eigentlich verteidigt und bei den heutigen chinesischen Führern weiß man es ebenso wenig. Aber man kann sicher sein, daß das chinesische Milliardenvolk ihnen in dieser Hinsicht die entsprechende Lehre erteilen wird. Der afrikanische brodelnde Kontinent steht erst am Anfang der Entwicklung. Auch Südamerika hat nach Rückschlägen durchaus Chancen seine Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Auch Europa, welches seit dem Jahr 1917 – 23 seine revolutionäre Chance, abgesehen von Rußland, verpaßt hat, sollte man nicht aufgeben. In den USA brodelt es ebenfalls, was sich nicht zuletzt in der zunehmenden Idiotisierung seiner offiziellen Exponenten, vor allem der Präsidentschaftskandidaten, widerspiegelt. Man sieht daran, daß die globale revolutionäre Umwälzung durchaus noch einige Überraschungen zu bieten hat. Und man braucht die Hoffnung nicht aufzugeben, daß die Menschheit in absehbarer Zeit noch einiges mit der Durchsetzung der Menschenwürde im massenhaften revolutionären Sinn zu tun haben wird, aber auch zu bieten haben wird.

 Rebellion ist berechtigt. Wenn Europa aus seiner Friedhofsruhe erwachen würde, dann wäre es in diesem Sinne eine durchaus berechtigte Ironie der Geschichte. Es gibt so viele Gründe dafür. Sollen wir sie etwa rechten, geschichtswidrigen Kräften und ewigen Nach-Hinten-Guckern überlassen? Was diese in unserem Land, aber auch anderswo, bewirken, sieht man schon daran, daß sie auch geschichtlich den gesamten Fortschritt der zweiten Hälfte des 19. als auch des beginnenden 20. Jahrhunderts leugnen und allein die sogenannte Wiedervereinigung Deutschlands Anfang der 1990er Jahre gelten lassen wollen, welche von Imperialisten abgekaspert wurde, maßgeblich von den USA in einer gewissen Kumpanei mit Rußland zugelassen wurde. Da würden wir uns ja zu Sklaven eben dieser, geschichtlich gesehen, überholten Kräfte machen. Das wäre eine Verhohnepipelung der ganzen bisherigen Geschichte, eine Art Roll-Back in die Vergangenheit, ohne jede Bereitschaft, aus der modernen Geschichte die Konsequenzen zu ziehen, und würde Europa ausliefern an das willkürliche Feilschen anderer Mächte und letztlich deren kriegerischen Rivalitäten als Opfer anheim fallen. Das Erwachen ganzer Kontinente mit einem Zurück in frühere Jahrhunderte zu quittieren – eine Selbstverhohnepipelung, die nur in der Katastrophe enden kann.

 

 

 

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