Internet Statement 2016-50

 

 

Erdogans  faschistischer  Putsch

 

 

Maria Weiß   19.07.2016      

Was gegenwärtig in der Türkei passiert, ist ganz unerhört. Da wird ein Putsch organisiert, um anschließend Faschismus zu praktizieren, und keiner merkt es? Was sind das für Verhältnisse in Europa?

Der türkische Faschismus hat in der Tat lange Wurzeln. Aber noch nie hatte er ein solch religiöses Gesicht wie jetzt.

Ende der letzten Woche hat in der Türkei ein Militärputsch stattgefunden, besser gesagt der Versuch eines solchen, der so dämlich organisiert wurde, daß kein Mensch abnimmt, daß die Verursacher wirklich etwas Ernsthaftes damit im Sinn hatten. Der türkische Präsident allerdings bezeichnet diesen Putsch als „Geschenk Allahs“ und das ist schon etwas interessanter. Das spricht nämlich Bände über das, was wirklich dort abgegangen ist.

Interessant ist auch, daß sich Erdogan vor kurzem erst wieder mit Putin ausgesöhnt hat, er hat sich sogar zu einer Entschuldigung für den Abschuß eines russischen Kampfflugzeuges, welches sich angeblich einige Kilometer im türkischen Luftraum befunden haben sollte und vor einiger Zeit für etlichen Wirbel gesorgt hat, hinreißen lassen. Bermerkenswert!

Was jetzt in der Türkei als sogenannter Putsch gehandelt wird, das spricht allerdings Bände. Wenn man sich den Ablauf und die ganze Verfahrensweise näher anschaut, dann könnte man fast den Eindruck bekommen, es könnte aus Putins Arsenal stammen. Und das funktioniert folgendermaßen: Ein kleiner Teil des militärischen Apparats, Beamten usw. werden in irgendeiner Weise dazu gebracht – nicht zuletzt natürlich auch durch die gegenwärtige alltägliche Realität – eine Art Aufstand zu organisieren, wobei von vornherein klar ist, daß diese Kräfte niemals die Potenzen haben, damit in irgendeiner Weise durchzukommen. Dann schlägt der Staat oder besser gesagt das Staatsoberhaupt zu und läßt sich anschließend von seinem Volk als Retter vor einem faschistischen Putsch feiern, sodaß auch der Letzte im Land dazu geneigt wird, zu glauben: ohne dieses Staatsoberhaupt läuft wirklich gar nichts.

Genau das ist jüngst in der Türkei passiert. Sämtliche Darstellungen, sowohl von Augenzeugen, als auch von beobachtenden Journalisten, deren Berichte jetzt in den bürgerlichen Zeitungen zu lesen sind, stimmen darin überein, daß dieser sogenannte Putsch so abgelaufen ist, daß er von vorneherein eigentlich keinerlei Chance hatte, in irgendeiner Weise zu reüssieren. Aber trotzdem gibt es einen Profiteur aus der ganzen Sache, und daß ist merkwürdigerweise das Staatsoberhaupt selbst, Herr Erdogan ganz persönlich, der sich feiern läßt als angeblicher Verteidiger des türkischen Volkes gegen diesen Militärputsch, gegen einen unterdrückerischen faschistischen Putsch. Bravo, kann man da nur sagen. Besser hätte Putin es auch nicht inszenieren können in Rußland.

Die angearschten bei dieser Sache sind natürlich all diejenigen Menschen in der Türkei, die tatsächlich im Gegensatz zu der aktuellen Regierung stehen oder auch von dieser unterdrückt werden. Auch diejenigen, die mit Islamismus im Staatswesen nichts am Hut haben und vielleicht eher eine andere kulturelle Ausrichtung anstreben, wie die Kurden, vor allem die sozial fortschrittlichen unter diesen, ohne dabei ständig behindert und verfolgt zu werden. Die sind eigentlich die wahre Zielscheibe des Putsches gewesen. Und daß es solche sind, ist durchaus in der Absicht der gegenwärtigen Regierung vorgesehen, welche sich jetzt feiern läßt als angeblicher Retter des türkischen Volkes vor den Faschisten und gar als Verteidiger der – man kann es kaum aussprechen – Demokratie, in Wahrheit des Islamismus und des Türkentums.

Westliche Politiker und Staatsoberhäupter in Europa, darunter vor allem Angela Merkel, sitzen in der Klemme, da sie nicht wissen, wie sie sich damit auseinandersetzen sollen. Einerseits brauchen sie Erdogan wegen der ( hausgemachten) Flüchtlingskrise, andererseits müssen rein formell schon sich als angebliche Verteidiger der Demokratie profilieren. Das ist ein Spagat, der leicht dazu führt, daß man im Abgrund landet.

Regierungsoffizielle hierzulande beschwichtigen natürlich, zum Beispiel Aydan Özoguz, man solle sich jetzt nicht zu sehr aufregen, es wäre alles gar nicht so schlimm. Von wegen. Natürlich ist das schlimm, und zwar vor allem für diejenigen Menschen in der Türkei, die mit der gegenwärtigen Regierung nicht einverstanden sind und von dieser drangsaliert und unterdrückt werden. Und vor allen Dingen paßt es auch überhaupt nicht zu dem angeblichen demokratischen Gehabe der Europäischen Union. Wie soll diese sich dazu stellen? Ein Putsch, organisiert von einem Mitgliedsanwärter? Das ist ein Problem. Es gibt kaum ein Staatsoberhaupt, welches in einer derartig dreisten Weise innerhalb einer so kurzen Zeit den Augenschein hat in seinem Sinne umdrehen können wie Recep Tayip Erdogan. Das ist schon peinlich anzusehen. Das sehen sogar die USA, welche sich daher zurückhalten, natürlich um sich nicht die Finger zu verbrennen, bevor es dort richtig losgeht. Und weil sie natürlich Natomäßig auf diesen angewiesen sind. Die Frage ist allerdings, ob sie sich dessen wirklich sicher sein können. Erdogan ist ein Staatsvertreter mit ausgeprägt nationalistischen Eigentinteressen, zusätzlich zu der religiösen Komponente, und dieses immer an die erste Stelle setzen wird. Vielleicht sollten sich Nato– Obere und westliche Regierungsoberhäupter das mal durch den Kopf gehen lassen, mit was für einem sicheren Kandidaten dort am Bosporus sie es eigentlich zu tun haben. Und auch wie sie eigentlich in Zukunft mit dessen Islamischer Republik Türkei umzugehen gedenken, nachdem sie gerade die Islamische Republik Iran in ihrem Interesse versucht haben ein wenig zusammenzustutzen.

Allerdings braucht man sich hier nicht zu wundern. Manche Dinge wiederholen sich eben. Auch damals Ende der 1970iger Jahre hatten die USA im Iran bei dem islamistischen Umsturz ihre Finger mit drin. Frankreich übrigens auch, nebenbei. Ebenso wie deren Tolerierung der islamischen Diktatur jahrzehntelange Folge gewesen ist, läßt man die Seite imperialistischer Konkurrenz mit Rußland dabei einmal beiseite, die ihnen jahrzehntelang zu schaffen gemacht hat und macht. So ist das eben. Sollen sie doch endlich ihre Finger aus diesen Staaten und Ländern lassen. Man wird schon sehen, was Herr Erdogan als islamischer Diktator dort treiben wird. Und nebenbei, die Wiedereinführung der Todesstrafe, wie jetzt bereits angekündigt, ist dabei nebensächlich. Brüssel sollte sich lieber überlegen, was die EU eigentlich mit einer „Islamischen Republik Türkei“ anfangen soll, wenn gleichzeitig alle Welt hier sich über die Islamische Republik Iran ereifert. Was ist denn besser an einer Islamischen Republik Türkei? Vielleicht sollte man ja den Iran auch in die Europäische Union aufnehmen. Allerdings bekommt dann Putin kalte Füße. Und von wegen Demokratie. Erdogan hat sich mit allen möglichen Kräften in der Türkei geeinigt, nur nicht mit der HDP, welche aber eine große Mehrheit der Kurden in der Türkei verttitt. Was für Aussichten läßt denn das für die Zukunft erahnen? Mal ganz abgesehen davon, daß eine islamische Republik eigentlich selbst jegliche Art von bürgerlicher Demokratie – von proletarischer mal ganz zu schweigen – auf den Kopf stellt und pervertiert. Der tatsächlich existierenden Druck – egal in welchem Land oder Kontinent – von seiten der Masse der Bevölkerung für ein besseres Leben, für die Möglichkeit, dieses Ziel selbst in die Hand zu nehmen, ist ohnehin überall die Grundlage auch solcher Ereignisse. Vielleicht sollten wir uns endlich mal durch den Kopf gehen lassen, wie man diesem Faktor endlich auch praktisch besser Rechnung tragen kann.

 

 

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