Internet Statement 2016-79
Hundert
Jahre Angst der Bourgeoisie vor der Revolution Maria Weiß 16.11.2016
Der Artikel beginnt bezeichnenderweise mit dem Januar 2017 und wenn man hundert Jahre zurück geht, kommt man auf 1917. Und was geschah im Januar 1917, Februar besser gesagt? Da gab es die erste revolutionäre Erhebung in Rußland, und auf diese folgte nicht allzu lange entfernt die Oktoberrevolution, die den Grundstein zur revolutionären Erhebung sowohl der Massen in Europa als auch in der weiteren Folge in Asien legte. Der Spiegel hätte also, wenn er dem Anspruch der Vollständigkeit gerecht werden wollte, seinen Artikel besser „Hundert Jahre Angst der Bourgeoisie vor der Revolution“ benannt. Der Verfasser des Artikels trauert ganz offensichtlich der Rolle der USA als der eines Wächters oder besser gesagt Verhinderers von Revolution nach, nicht nur was den sogenannten Westen angeht, wobei es wohl offensichtlich seiner Ansicht nach so aussieht, als ob der soeben gewählte neue Präsident diese Rolle des Wächters vor der Revolution oder auch des Verhinderers der Ausbreitung von Revolution nicht gerecht zu werden droht oder es auch gar nicht will. Offensichtlich ist vor allem der europäischen Bourgeoisie, vor allem hierzulande, diese US-Wahl mitsamt ihrem Ergebnis in die Knochen gefahren. Schnell ist ein Obama-Besuch angekündigt, um Angela Merkel den Rücken zu stärken. Für wen dies tatsächlich Vorteile bringt, sei allerdings mal dahin gestellt. Wenn man nur an das letzte Treffen auf dem Gipfel in Elmau unter dem Motto „Ein gutes Leben“ denkt, dann weiß man, was damit gemeint sein kann, denn es war genau die Flüchtlingsinvasion von September 2015, die dieses konsultative Treffen zwischen Merkel und Obama zur Folge hatte. Aber bleiben wir zunächst beim Spiegel und dessen Idealismus. Irgend
jemand hat es einmal so formuliert: „Freiheit ist immer die Freiheit
des Anderen“. Aber wer ist nun dieser Andere, den der Spiegel meint?
Vollständig müßte der oben zitierte Ausspruch eigentlich
lauten: Freiheit ist zugleich die Unfreiheit des Anderen, wobei letzteres
natürlich Wandlungen unterzogen ist. Der Ausspruch „Freiheit ist immer die Freiheit der Anderen“ impliziert eine Gleichheit in der Gesellschaft, die nicht existiert, solange es die Klassenspaltung gibt und ist daher illusionär. Die angebliche Freiheit, die von den USA ausgeht, hat sich längst widerlegt. Nicht nur das, sie hat sich zugespitzt zu einem Widerspruch, der auf der ganzen Welt real und nicht mehr zu verleugnen ist. Was diese europäische Bourgeoisie in erheblich Sorge versetzt, ist aber, daß sie ihren Obergaranten verlieren könnten, weil dieser vielleicht eine andere Orientierung seiner Interessenlage verfolgt. Wo bleiben sie denn dann mit ihrer Verteidigungsqualität? Wie sieht es denn aus in Europa? Frankreich hat Atombomben, Deutschland hat auch welche, aber diese befinden sich unter der Verfügungsgewalt der USA. Was für ein Pech auch. Aber keine Sorge, es sind nicht die Waffen, die in Kriegen entscheidend sind, sondern die Menschen. Und dieses gilt auch im sogenannten „digitalen“ Krieg. Man sollte doch nicht glauben, daß die Menschen es nicht spitz bekommen, sollten sie vom digitalen Terror dominiert werden, sich dieses zu entledigen, bzw. ihn umzudrehen. Aber zurück zum Spiegelartikel. Dort werden erstmal die guten 1990er
Jahre hervorgehoben –fragt sich allerdings, für wen diese gut
waren und für wen nicht - aber das interessiert die europäische
Bourgeoisie wenig, denn diese hat aus den Balkankriegen zum Beispiel massiv
profitiert, ebenso wie aus den sogenannten Osterweiterungen. Vor allem
die deutsche Bourgeoisie hat daraus Gewinn gezogen. Daß sie sich
dafür an sehr unappetitlichen zerstörerischen Kriegen beteiligen
mußte, legt man gerne an die Seite. Siehe Jugoslawienkrieg.
Die Spitze dieses negativen und zerstörerischen Trends befindet
sich gegenwärtig in Deutschland, in dem die Angst der Bourgeoisie
vor der Revolution ebenso wie die Neigung, zur Verhinderung selbiger zu
den perversesten Mitteln zu greifen, bekanntlich eine geschichtliche Tradition
besitzt. Dies hat seine Konsequenzen gezeitigt und sich bis zum heutigen
Tag auf die staatliche Souveränität dieses Landes ausgewirkt.
Zunächst in der Weimarer Republik, aber dann vor allem durch den
Nazifaschismus und dessen verbrecherisches Regime, welcher sich diese
mit geschichtswidrigen, verbrecherischen Mitteln zurück zu erobern
versuchte, indem er sich alle Völker einschließlich großer
Teile des eigenen zum Gegner machte, was seine unvermeidliche Niederlage
als auch den Preis der völligen Aufgabe staatlicher Souveränität
zur Folge hatte. In den 1990iger Jahren glaubte die Bourgeoisie, sie hätte die Sache im Griff. Da lag Rußland am Boden und China war noch nicht so weit, unter anderem als Folge des bürgerlichen Umsturzes und der Schwächung der revolutionären Kräfte im Land. Diese Situation hat sich gewandelt. Heute haben sie gar nichts mehr im Griff, jedenfalls was die Bourgeoisie in Europa angeht. Daher neigt man hier dazu, Merkel als europäische Katharina die Sache richten zu lassen. Diese wird allerdings an den grundlegenden sozialen Widersprüchen nichts ändern können, es sei denn abermals um den Preis der Selbstzerstörung, nicht nur des eigenen Landes, sondern großer Teile Europas. China hat sich trotz des Umsturzes von 1977 stark entwickelt, weshalb die internationale Bourgeoisie sehr besorgt ist. Auch in den südlichen Kontinenten, Lateinamerika, Afrika als auch im Mittleren Osten, teilweise jedenfalls, stehen die Zeichen auf Sturm. Man muß sich daher fragen: Wer hat hier Angst vor wem? So herum stellt sich die Frage. 100 Jahre Angst der Bourgeoisie vor der Revolution. Erst kam die Februarrevolution in Rußland und danach die Oktoberrevolution, welche heute noch sämtlichen Bourgeoisien in Europa, und nicht nur dort, in den Knochen sitzt. Genau seit diesem Zeitpunkt hat die Bourgeoisie Angst. Was aber gibt es noch, was ihnen in den Knochen sitzt. Die 1968er Bewegung in Deutschland. Das war überhaupt nicht eingeplant, daß eine ganze Generation sich wichtige Fragen gestellt hat, sehr unangenehme Frage für die Herrschenden. Das haben sie bis heute nicht wirklich überwunden und darüber kann ihnen auch die grüne Perversion von größeren Teilen dieser Bewegung nicht hinweg helfen. Solange auch nur ein Zipfelchen davon überlebt, sind sie nicht sicher und daher bestrebt, auch dieses zu vernichten. Aber auch das würde ihnen nichts helfen, denn längst hat sich der emanzipatorische Gedanke, der Ruf nach Befreiung, nach Selbstverwirklichung, eigenständiger Entwicklung auf der ganzen Welt ausgebreitet, bis in den hintersten Zipfel Südostasiens. Darüber brauchen sie sich keinerlei Illusionen zu machen, und machen sie sich auch nicht.. Deswegen entwickeln sie ihre kriegerischen Pläne, um dieser Quellen Herr zu werden und sie zu zerstören. Die Frage ist allerdings, was dann von ihnen selbst zum Überleben fähig ist. Über dieses Dilemma sind sie am Brüten und überlegen, was für Teilzerstörungen ihnen am meisten Nutzen bringen könnten. Und eben eine solche Aufgabe hat man Angela Merkel zugedacht, als eine Anführerin der europäischen Selbstzerstörung. Die Linke, sofern es eine solche überhaupt noch gibt, sollte nicht abwarten wie das Karnickel vor der Schlange, bis es soweit ist oder schlimmer noch zu spät ist. Man kann dem Autor des Spiegelartikels eigentlich nur dankbar sein für das Alarmzeichen, was er damit gesetzt hat. Ein grüner Bundespräsident, wie von Merkel vorgeschlagen, wird noch vor dem Atombunker schreien, daß er das doch alles gar nicht gewollt hat. „Not in our name“! Fortschrittliche Menschen in Europa, die solche Entwicklungen nicht wollen, sollten sich zusammentun. Wie das konkret aussehen kann, mit wem man sich zusammenschließen kann und mit wem nicht, das wird man sehen. Irgendwann gab es mal die Absichtserklärung, daß von Europa nie wieder ein Krieg für die Reaktion ausgehen sollte. Daran sollte man sich erinnern und entsprechend handeln. Über das Gesellschaftssystem und seine konkrete Ausprägung kann man sich streiten, über den Kampf gegen die Kriegstreiber und Ausbeuter nicht. Von wegen „100 Jahre Angst“. Wir haben keine Angst, weder in den letzten 100 Jahren noch jetzt.
Warum ist denn zur Zeit die Linke in vielen europäischen Staaten, aber auch in den USA so schwach? Das liegt daran, daß nach wie vor die revolutionären Potenzen woandershin verlagert wurden. Diese befinden sich heute zunehmend in Asien, in den Fabriken in Bangladesh, in Indien, in Pakistan und einigen anderen Staaten. Dorthin ist die Hauptmasse der Massenproduktion des Kapitalismus verlagert worden. Daran hat sich in den Jahrzehnten, in denen das geschehen ist, nichts geändert, im Gegenteil, es entwickelt sich auch dort der Widerstand. Das ist der Grund, warum die hiesigen Gesellschaften daran kranken, daß sich hier keine wirkliche Massenopposition entwickelt, die sowohl die sozialen Fragen als auch gewisse berechtigte nationale Belange in einer richtigen Kombination und Gewichtung aufgreift, weil dafür einfach die materielle Basis zu schwach ist oder zum Teil sogar gänzlich fehlt [1]. Das kapitalistische System in diesen Ländern hat sogar eher die Neigung, diese materielle Basis überhaupt zu ersetzen. Zum Beispiel durch Digitalisierung. Selbst fahrende Autos, mittels digitaler Steuerung, wo der Mensch eigentlich mehr oder minder überflüssig ist, nicht gebraucht wird. Ähnliches wird auch für die Produktion anvisiert. Das heißt, der Mensch wird überhaupt überflüssig gemacht in der Tendenz, zugunsten weniger, die daraus den Profit ziehen. Das heißt auf der anderen Seite werden wir in der Zukunft mit einer viel größeren Masse ökonomisch und sozial verworfener Menschen zu tun haben. Daß dies auf der anderen Seite Pläne bei den Ausbeutern und Profiteuren beflügelt, sich dieser Menschen zu entledigen, zum Beispiel durch Krieg, liegt auf der Hand. Seht ihr - sagt jetzt der Spiegel-Autor - es besteht doch aller Grund
zur Angst, oder nicht? Nein, sagen wir, denn wir werden ihnen das Heft
aus der Hand nehmen. Und mit Sicherheit bringt die internationale Entwicklung
auch in dieser Hinsicht noch einiges an Überraschungen hervor.
---------------- [1] Der zweite Halbsatz wurde von mir noch ergänzt. Maria Weiß 19.11.2016
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