Internet Statement 2017-05

 

 

 

Zur gegenwärtigen Kampagne bezüglich Fake-News


Wassili Gerhard 10.01.2017         

An dem Getöse um Fake-News ist vor allem nicht zu ertragen, daß oft die heutigen Möglichkeiten der Kommunikation dabei ins Visier genommen werden, daß es immer wieder heißt, daß die es zu vielen ermöglichten, ihre Meinung ungefiltert zu publizieren, und daß im Grunde Möglichkeiten der Zensur gefordert werden. Das wird in Verbindung mit Vorgängen in den USA gebracht, wo man sich gegenwärtig lautstark über eine angebliche Beeinflussung der Wahlen durch Rußland beschwert, weil es offensichtlich einen heftigen Richtungskampf dort gibt, und die unterlegene Clinton-Richtung alle Hebel in Bewegung setzt, um wieder an die Schalthebel zu gelangen. Ausgerechnet in einem Land, das sich seit langem schon herausnimmt, in anderen Ländern mit jeglichen gewaltsamen und schmutzigen Mitteln Regierungen zu stürzen, politisch unliebsame Kräfte zu schädigen bis zur Ermordung, solange man glaubt die Folgen für sich selbst im Griff zu behalten, schreit man wehleidig, daß die Wahlen in den USA durch Propaganda unter Benutzung von unrechtmäßig beschafften Informationen beeinflußt worden seien. Als wenn das nicht allzu übliche Methoden von sogenannten „Weltmächten“, nicht zuletzt der USA selbst, heute sind.

Um das Maß voll zu machen, stellt sich auch noch der CIA-Chef dabei an die Spitze des moralisch empörten Chores, ganz als wenn nicht die USA-Geheimdienste Informationen über jedermann sammeln würden, vor allem über jedermann, der irgendwo, sei es in der Regierung oder in oppositionellen oder revolutionären Kräften, eine auch nur potentiell wichtige Stellung hat. Und das natürlich genau zu dem Zweck, um sie für jede Art von schmutzigen Aktionen benutzen zu können, was sonst? Aber keine Heuchelei der USA ist dreist genug, daß sich nicht in der hiesigen Presse jemand findet, der daran anknüpft. Natürlich will man bei dieser Gelegenheit auch bei der Unterdrückung unliebsamer Nachrichten generell vorankommen, einschließlich der Unterdrückung der Aufdeckung und Widerlegung der eigenen Propagandalügen oder Halbwahrheiten.

Natürlich setzt auch Rußland im eigenen Interesse alle Mittel ein, auch schmutzige Mittel, insbesondere da es seine Ambitionen als Weltmacht wieder stärker verfolgt. Auch die Propaganda im Internet nutzen sie natürlich. Sie machen auch keinen Hehl daraus, welchen Präsidenten sie in den USA lieber sehen, und mit ihnen zusammenhängende Kräfte in den USA tun das auch. Da schmeckt anscheinend jemandem die Medizin überhaupt nicht, die er sonst anderen verabreicht. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat man sich in Rußland wegen der geschwächten Stellung einige Zeit etwas mehr zurückgehalten, konnte die Supermachtsambitionen so wie vorher nicht weiter verfolgen. Nun versucht man davon zu profitieren, daß man in dieser Hinsicht einige Zeit lang weniger hervorgetreten war. Man hat auch wieder weniger Hemmungen, selbst zu intervenieren, knüpft auch an die offensichtlichen Schweinereien der USA-Politik dabei an. Natürlich weiß man, wie Propagandakrieg geht und stellt das eigene Handeln auch stets nur als gerechtfertigt dar. Deshalb wäre es natürlich auch abwegig, diese Seite zu beschönigen.

Aber die Heuchelei der USA ist gegenwärtig auf penetrante Weise ignorant. Eine Macht, die in der Vergangenheit Flugzeuge über japanischen Städten kreisen ließ, bis sie nicht mehr beachtet wurden und niemand mehr in Deckung ging, und dann dicht über der Oberfläche, über zwei großen Städten ohne jede militärische Bedeutung, Atombomben detonieren ließ, um so viele Zivilisten wie möglich zu treffen, eine solche, die dieses Verbrechen bis heute rechtfertigt und seitdem schon weitere Millionen auf dem Gewissen hat, erdreistet sich, in der Rolle des moralisch Entrüsteten aufzutreten, wenn andere mit Bombardierungen auch Zivilisten treffen, was hier nicht schöngeredet werden soll. Das klingt aus den Mündern der Vertreter dieser Macht nur noch verlogen, denn Morgen übergehen sie gleiche Verbrechen, wenn sie in ihrem Sinne waren. Oder unterstützen sie etwa nicht Saudi-Arabien und seine Koalition im Jemen? Gleichzeitig haben sie aktuell Zehntausende von Bomben selbst abgeworfen, im Irak, in Syrien. Sie haben im Irak Gegenden mit Uranmunition verstrahlt – was für manche hier anscheinend nicht so schlimm ist wie ein Castortransport – und haben mittlerweile auch schon zehntausende Bomben auf Syrien und Irak geworfen. Sie haben in der Region hunderttausende Tote auf dem Gewissen, arbeiteten und arbeiten dort am Sturz der Regierungen, mit Krieg und Gewalt, mit Subversion, mit Unterstützung von Fanatikern bis hin zu Kräften, die mit Al Qaida zusammenhängen – kurz gesagt, jedes Mittel ist recht. Und sie geben die verfolgte Unschuld wie immer.

Und unsere Medien hierzulande folgen ihnen bei ihrer Dreistigkeit, mit der bei Bedarf aus Schwarz Weiß gemacht wird und umgekehrt, wie das für alle reaktionären Kräfte charaketristisch ist. Und auch Propaganda, die völlig widerlegt ist, wird immer wieder neu aufgelegt. Da haben sie ein kleines Volk von wenigen Millionen in Vietnam, das für seine Befreiung von kolonialer und neokolonialer Unterdrückung kämpfte, mit Krieg überzogen, chemische Kampfstoffe eingesetzt, Napalm, Flächenbombardements, Massaker. Aber wir bekommen dazu heute Hollywoodfilme zu sehen, in denen arme Amerikaner als Guerillakämpfer mit Pfeil und Bogen gegen eine überlegene vietnamesische Armee einen verzweifelten Überlebenskampf führen, siehe Rambo und Co. Und natürlich retten sie dabei sympathische Vietnamesen vor offensichtlichen Fieslingen auf der anderen Seite (Anmerkung). Und als die islamischen Kämpfer in Afghanistan noch in ihrem Sinne tätig waren, wußte man auch, wie sie positiv und sympathisch darzustellen waren. Auf der einen Seite sind die kleinen Kinder, die weisen alten Männer, die mutigen und aufopferungsvollen Väter, die liebevollen Mütter, die anderen sind gefühllose Kampfmaschinen. (Wäre man für die andere Seite gewesen, hätte man wiederum die Familien der Soldaten mit zum Thema gemacht.) So kann man sehen, für welche Seite Partei ergriffen wird. Trotz allen Genderismus weiß man ganz genau, was die Gefühle der Menschen anrührt und wie man das zur Beeinflussung nutzt.

Als Vertreter unserer Organisation sich in den siebziger Jahren einmal an einer Demonstration gegen den Krieg der Sowjetunion in Afghanistan beteiligen wollten, wurden sie von den Veranstaltern, offiziell Kräfte ohne eine Beziehung zu den USA, aufgefordert aus dem Demonstrationszug zu gehen, weil sich das mitgeführte Transparent gegen beide damaligen Supermächte richtete. Die Supermacht USA durfte nicht angegriffen werden. Solche Kräfte waren in ihrem Sinne. Ein Anführer wie Bin Laden wurde gerade wegen seiner reaktionären Ansichten von den USA mit protegiert. Da kam zum Ausdruck, daß sie selbst Kräfte mit hochgezogen haben, die sie jetzt offiziell bekämpfen, aber mit denen sie bei Bedarf auch inoffiziell an einem Strang ziehen. Was sie am meisten fürchten, ist eine fortschrittliche oder gar revolutionäre Bewegung, da sind fanatische kriegerische Salafisten eben das kleinere Übel und als Gegenkraft willkommen. Und was heute noch Schwarz ist, ist dann morgen Weiß und umgekehrt. Das ist eben Pragmatismus pur nach dem Motto „Wahrheit ist, was mir nutzt“.

Die ständige Berieselung mit derartiger Propaganda muß man durchschauen und sich dagegen wehren. Das schwerer zu machen ist der eigentliche Beweggrund hinter der Kampagne gegen „Fake News“ hierzulande. Daß die dreistesten Lügen und Verdrehungen nicht unterdrückt werden, wenn sie von den „richtigen“ Kräften in die Welt gesetzt wurden, ist doch offensichtlich, also was wollen sie denn in Wahrheit unterdrücken? Die Möglichkeiten für jedermann, unzensiert Meinungen und Informationen zu verbreiten. Und die materiellen Möglichkeiten, im Netz Zensur auszuüben, sind sowieso schon vielfach gegeben, man schaue sich nur die willkürliche Praxis in Facebook an. Die Reaktionäre nützen sowieso schon ihre Macht auf vielfältigsten Wegen, auch hintenrum. Zum Glück läßt sich nicht jeder dadurch einschüchtern.

Natürlich kann es auch Mißbrauch und Irrtümer geben, wenn viele diese Möglichkeiten wahrnehmen. Dafür müssen sich die Menschen eben auf ein Niveau entwickeln, das den heutigen Mitteln der Kommunikation entspricht, müssen selbst zwischen Unwichtigem und Wichtigem unterscheiden können, Behauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen, sich aus verschiedenen, auch gegensätzlichen Quellen informieren. Wenn man sich aber ansieht, auf was für einem traurigen Niveau sich zum Beispiel die Bildungseinrichtungen vielfach befinden, dann fragt man sich eher, ob die offizielle Politik absichtlich daran arbeitet, für die breite Masse die Diskrepanz zwischen dem Bildungsniveau, das heute angemessen wäre, und dem Niveau dessen, was in den Bildungseinrichtungen vermittelt wird, eher größer werden zu lassen. Bei der Mittelvergabe jedenfalls hat dieser Bereich anscheinend keine so hohe Priorität. Jedenfalls weniger als in den Zeiten, da man sich noch durch eine sozialistische Alternative herausgefordert fühlte. In der Arbeitswelt wird den Menschen auch nicht unbedingt noch soviel Luft gelassen, daß sie dafür noch viel Zeit haben - so wie man auch in der öffentlichen Beeinflussung in den Medien eher auf tausend andere Dinge gelenkt wird, aber Zeit für so etwas als Sonderlichkeit bewertet wird. Mutti Merkel und Papa de Maizière kümmern sich doch schon.

Trauert die offizielle Politik etwa den Zeiten hinterher, als die Menschen viel unwissender waren als heute und man ihnen in einem ganz anderen Maße einen Bären aufbinden konnte? Eine Zeit, in der das Informationsmonopol der eigenen großen Medien noch viel ungebrochener war als heute und eben ein normaler Bürger, der Lügen oder Halbwahrheiten oder Verdrehungen dort nicht auf den Leim gehen wollte, solche Mittel wie das Internet noch nicht hatte? Man muß sie aber auch in der richtigen Weise nutzen können und vor allem nutzen wollen. Natürlich kann heute jeder irgendwas im Internet veröffentlichen, können auch reaktionäre Kräfte anderer Couleur ihre Propaganda darüber verbreiten, aber gegen Verbreitung von Falschmeldungen hilft eben nur, daß es eine offene Auseinandersetzung gibt und sich jeder aus möglichst vielen verschiedenen Quellen informieren kann. Es ist sicherlich so, daß es pro-russische Kräfte oder direkt staatlich gelenkte Propaganda reichlich im Internet gibt. Aber wer sagt denn, daß nur die russische Seite mit einer Horde von „Trollen“ im Internet zugange ist? Das doch wohl ganz sicher nicht. So gut wie jede Kraft, die das Potential dazu hat, wird heute solche Mittel nutzen. Die Welt ist eben eine andere geworden, man kann heute die „eigene“ Bevölkerung nicht mehr so wie früher abschotten, und das ist grundsätzlich auch gut so! Grundsätzlich entwickeln sich die Menschen durch diese Herausforderung weiter, durch diese erweiterten Möglichkeiten. Und damit werden sie auch schwerer beherrschbar und manipulierbar als in der Vergangenheit.

 

Anmerkung ________________________________________

Und dabei wissen sie ganz genau, wie die Dinge wirklich stehen. Als sie in Afghanistan die fanatisch islamischen Kräfte aufrüsteten gegen die Sowjetunion, die sich in einen Interventionskrieg in diesem Land verstrickt hatte, dieses Nachbarland wie ihren Hinterhof behandelte, da sagten Kräfte wie Brzezinski, man habe der Sowjetunion jetzt ihr Vietnam beschert. Was heißt das anderes, als daß man sie jetzt auch in einen ungerechten Krieg gegen ein kleines unbeugsames Volk verstrickt hat, den sie auf Dauer nicht gewinnen können, solange sie dieses Volk nicht zum Nachgeben veranlassen können. Aber im Unterschied zu Vietnam gab es einen sehr gewichtigen Unterschied: Sie konnten sich auf rückwärtsgewandte Kräfte stützen, die auch gleichzeitig eine potentielle fortschrittliche Widerstandsbewegung unterdrückten - die sie nicht brauchen konnten. Zurück zum Text

 

 

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