Internet Statement 2017-06
Die DİTİB gibt Spionage zu - will man weiter wegsehen?
Wassili Gerhard 13.01.2017 So, nun hat man also
nicht mehr daran vorbeigehen können, daß die DİTİBAnm.1
Subversion im Interesse des türkischen Staates betreibt.
Vielleicht hängt das auch mit den Alleingängen Erdogans zusammen,
die ihn in Widerspruch zu USA/Nato bringen. Eine Überraschung hat
das ja wohl kaum sein können. Im letzten August schrieb ich in einem Vorentwurf
zu einem Artikel: „Eine Meldung aus der letzten Zeit: Erdogan
säubert die Religionsbehörde Dianet von den Gülen-Anhängern.
Und dann sollen diese Gülen-Anhänger nicht auch in der DITIB
in Deutschland ihre Unterwanderung getrieben haben? Diese Frage wird aber
von Erdogan nicht beantwortet. Erdogan hat sich doch vor kurzem in der
Weise geäußert, daß er die wahre Natur Gülens nicht
erkannt habe. Was ist das denn, eine Religionsbehörde? Diese Behörde
regelt die Religion im Lande und bestimmt, was zulässig ist und was
nicht. Das ist eigentlich mit einem modernen Staat unvereinbar, wo die
Religion Privatsache der Bürger sein sollte.“ Die DİTİB, die 1984 in Köln, im damaligen
Westdeutschland, gegründet wurde und offiziell in der Rechtsform
eines eingetragenen Vereins auftritt, ist direkt der türkischen Religionsbehörde
unterstellt und betreibt in Deutschland hunderte Moscheen, gibt Religionsunterricht
und gilt außerdem als Anwärter auf den Status einer öffentlich-rechtlichen
Religionsgemeinschaft, was von den Kräften, die immer den Satz „Der
Islam gehört zu Deutschland“ vor sich her tragen, heftig befürwortet
wird. Moscheeprediger und Religionslehrer werden direkt vom türkischen
Staat bezahlt. Aber mit den staatlichen Privilegien vor Augen streiten
sie bisher alles ab, betonen ihre Unabhängigkeit, in einem unterwürfigen
Ton, wenn es sein muß. Letzten August war es beim Schreiben dieses oben erwähnten
Entwurfes völlig klar: Gülen hat in der Dianet (und damit natürlich
auch in dem deutschen Ableger DİTİB) Subversion getrieben, sagt
Erdogan. Und das ganz sicher lange Zeit im Einklang mit Erdogan, zumindest
solange er „ihre wahre Natur nicht erkannt“ haben will, die
enge Zusammenarbeit noch andauerte. Wie will sich Erdogan da rauswinden,
dachte ich zu jener Zeit, denn er wird natürlich an dieser Institution
festhalten wollen, gerade weil er sie für seine Subversion in Deutschland
braucht. Diese einfache logische Überlegung hat man schon lange anstellen
können. Wenn manche erst jetzt „entdecken“, daß
Erdogan Subversion betreibt, dann ist das eigentlich wenig glaubhaft.
Das rechtfertigt er doch sogar in großen öffentlichen Reden. Und wie zu erwarten wurde die Sache letzten August
nicht weiter an die große Glocke gehängt. Die Säuberung
der DİTİB von den Gülen-Anhängern war kein großes
Thema, obwohl es sie ja dort auch massenhaft geben müßte, wenn
sie angeblich so zahlreich sind, wie der Umfang der Maßnahmen in
der Türkei nahelegt. Nur keine schlafenden Hunde in der deutschen
Öffentlichkeit wecken. Jetzt aber hat man sich endlich einmal getraut,
das Thema öffentlich auf die Tagesordnung zu setzen und die DİTİB
hat selbst zugegeben, daß Imame für die türkische Regierung
„Gülenisten“ ausspioniert haben. Natürlich waren
das angeblich nur „wenige Einzelfälle“. Wer's glaubt
... Im Deutschlandfunk forderte daraufhin der Autor Kemal Hür Konsequenzen.
(„Spionage durch DITIB-Imame - Es müssen endlich Konsequenzen
folgen“). Das bringt den deutschen Staat und einige politische
Kräfte in Schwierigkeiten. Der deutsche Staat bzw. früher der
westdeutsche Staat hat natürlich von Anfang an gewußt, daß
die DİTİB nicht nur eine religiöse Vereinigung ist. Wenn
wir mal in die siebziger Jahre der westdeutschen Bundesrepublik zurückgehen,
als das Hereinholen von türkischen Arbeitern auf vollenTouren lief,
rein als Arbeitskräfte, im Zusammenhang mit den enormen sozialen
Umwandlungen in der Bundesrepublik, da gab es eine Zeit, als die türkischen
Arbeiter als besonders kämpferischer Teil der Arbeiterschaft in der
ersten Reihe bei sog. „wilden“ Streiks zu finden waren, oder
sie sogar trugen, so beim legendären Streik bei Ford in Köln
1973. Da haben wir einen Grund, warum man die islamischen Prediger und
die DİTİB ins Land holte, nämlich als Kraft gegen die kämpferischen
Arbeiter aus der Türkei. (Und auch die „Grauen Wölfe“
holte man z.B., die damals hier türkische Linke terrorisierten) Nicht
lange danach kamen auch die Anwerbestops, das massenhafte Herausdrängen
auch türkischer Arbeiter aus der westdeutschen Produktion, die Produktionsverlagerungen
und die starke Umwandlung des türkischen Bevölkerungsanteils
hier. In dem Artikel von Hartmut
Dicke aus dem Jahr 2005 “Die Verhandlungen der europäischen
Union mit der Türkei - Symptomatisches über Machtverhältnisse
und ihre Ursprünge“ Anm.2
ist dazu ausgeführt: „Mehrere Hunderttausend Arbeiter ausländischer Nationalität
wurden in der Zeit 1975-76, als die deutsche Ökonomie in eine Krise
geriet, abgeschoben oder mit Abfindungen herausgekauft. Von da ab begann
sich die ausländische Arbeiterklasse in Deutschland erneut stark
zu verändern. Zusammen mit der ökonomischen Entwicklung nahmen
nun ganze Nationalitätengruppen unter den Arbeitern wieder ab, so
etwa die jugoslawische und spanische. Viele von ihnen gingen in ihre Heimatländer
zurück, bauten sich dort eine selbständige Existenz auf oder
aber gingen hier in der gesamten Bevölkerung auf, verschwanden somit
als „ausländische“ Arbeiter. [5] Die Zahl der türkischen Arbeiter, die
auch sehr stark in der Großproduktion beschäftigt sind, hält
sich bis 2003 auf einem Niveau von ungefähr 500.000. Darüber aber entwickelte sich im Laufe der
Jahrzehnte ein Überbau, nicht nur ein Kleinhandel, sondern auch eine
ausgedehnte religiöse Szene, ein beträchtlicher Teil von unbeschäftigten
Jugendlichen, die ein Rekrutierungsfeld religiöser und rechter
Kräfte bilden, somit die Herausbildung einer türkischen Gesellschaft
innerhalb der deutschen Gesellschaft mit bestimmten spezifischen Merkmalen.
Die Zahl der Wohnbevölkerung steigt im weiteren bis in die 2000er
Jahre an. Die Polarität zwischen einem durchaus bestehenden bedeutenden
Sockel aus dem Proletariat und der Angestelltenschaft, der ein wichtiges
Element der Werktätigen in diesem Lande bildet, und andererseits
einer heterogenen, letztlich auch von religiösen Elementen beeinflußten
weiteren Szene bildet ein Charakteristikum der türkischen Gesellschaft
in der Bundesrepublik. Man kann übrigens an diesen Fakten sehen,
welches Gewicht es hat, wenn die türkischen angeblich linken Organisationen
hier eine separierte türkische Organisierung betreiben,
statt gemeinschaftlich an einer Partei aller Nationalitäten in diesem
Land zu arbeiten.“ Wie in dem obigen Zitat ausgeführt, gab
es die (Zitat) „ausgedehnte religiöse Szene, ein beträchtlicher
Teil von unbeschäftigten Jugendlichen, die ein Rekrutierungsfeld religiöser
und rechter Kräfte bilden, somit die Herausbildung einer türkischen
Gesellschaft innerhalb der deutschen Gesellschaft mit bestimmten spezifischen
Merkmalen“, eine Klassendifferenzierung innerhalb dieses Bevölkerungsteils
im Gefolge der sozialen Umwandlungen in der Gesellschaft der Bundesrepublik,
die der drohenden sozialen Frage entkommen wollte, die sich in einem entwickelten
Industrieland wie Deutschland es lange war, immer neu stellt. Das ist
ein Teil der sozialen Umwandlungen, mit denen eine weniger von sozialen
Kämpfen gezeichnete Bundesrepublik geschaffen werden sollte. Und als politischer Ordnungsfaktor für den
türkischen Bevölkerungsteil, innerhalb von dem eben auch mittlerweile
eine Klassenspaltung existiert, zur Unterdrückung des proletarischen
Elements, wurde auch die DİTİB gebraucht. Das war eben von Anfang
an nicht nur eine rein religiöse Vereinigung (sofern es das überhaupt
geben kann), sondern Ausspionieren und politische Unterdrückung waren
von Anfang an mit dabei und auch erwünscht. Gegenüber deren
Subversion, die ja nicht nur im türkischen Eigeninteresse erfolgte,
sondern auch im Zusammenhang mit der Subversion und der Unterdrückung
durch den USA-Imperialismus und der von ihm dominierten Nato stand, blieb
man absichtlich relativ blind. Das ist ein charakteristischer Zug bis
heute. Die Erhaltung der Klassenherrschaft war wichtiger. Überhaupt
muß man das auch im Zusammenhang mit dem grundlegenden Kurs der
Politik hier sehen, wie er im ersten Kapitel des oben genannten Artikels
ausgeführt wirdAnm.3:
Es ist frappierend, wie aktuell diese Ausführungen von vor 10 Jahren
heute sind: „Auch die Politik Europas, sich in den
Windschatten der USA zu stellen, Friedensheuchelei zu betreiben und gleichzeitig
in opportunistischer Weise an der internationalen Ausbeutung teilzunehmen
und die USA dabei als Militärmacht vorzuschieben, muß in ihrer
ganzen Heuchelei und Niedertracht entlarvt werden. Dies ist gerade das
Typische des bürgerlichen und kleinbürgerlichen Spießers,
auch des arbeiteraristokratischen Arbeiters in Europa, daß er sich
hinstellt und sagt: wir sind nicht so aggressiv wie die USA; wir profitieren
nur ein bißchen überall mit und sind eine „Macht des
Friedens“, und man muß dann stillschweigend hinzufügen,
eine Macht, die sich auf Kosten anderer bereichert. Diese Mentalität
allerdings ist etwas, was als grundsätzliches stinkendes Übel
in Europa in allen Ländern kritisiert werden muß.“ Da haben wir den Zusammenhang, warum man gegenüber dem Treiben der DİTİB blind war und ihr sogar noch den Status einer öffentlich-rechtlichen Religionsinstitution zuschanzen wollte. Schlimmer als der Blinde ist einer, der nicht sehen will. Und trotz der wachsenden Widersprüche zwischen der Türkei und den USA ist man nicht gewillt, zu genau hinzusehen, weil man sich auch in eine Abhängigkeit gegenüber der Türkei mit dem sogenannten Flüchtlingsdeal begeben hat. Mit einer Politik des Lavierens, „sich in den Windschatten der USA zu stellen, Friedensheuchelei zu betreiben und gleichzeitig in opportunistischer Weise an der internationalen Ausbeutung teilzunehmen“, muß man irgendwann in einem riesen Fiasko ankommen. Das betrifft auch den Anhang, der einst gesagt hat, im Kapitalismus sei es ja heute nicht so schlimm, da könne man sich das Ziel der sozialen Revolution ja streichen. Die sollten mal überlegen, wo sie damit hinkommen. Bei einem großen Teil fruchten solche Apelle natürlich nichts, das ist schon klar.
Anm.1 Zitat aus Wikipedia: „Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (türkisch Diyanet İşleri Türk İslam Birliği, abgekürzt DİTİB) ist ein bundesweiter Dachverband für die Koordinierung der religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der angeschlossenen türkisch-islamischen Moscheegemeinden. Der Verband mit Sitz in Köln-Ehrenfeld ist ein seit dem 5. Juli 1984 beim Amtsgericht Köln eingetragener Verein. Er untersteht der dauerhaften Leitung, Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten der Türkei, welches dem türkischen Ministerpräsidentenamt angegliedert ist. Er ist Gründungsmitglied des Koordinierungsrats der Muslime. Der Vorsitzende der DİTİB ist in Personalunion auch türkischer Botschaftsrat für religiöse und soziale Angelegenheiten. Zudem werden die an staatlichen theologischen Hochschulen in der Türkei ausgebildeten Imame der DİTİB für fünf Jahre nach Deutschland geschickt und sind de facto Beamte des türkischen Staates, von dem sie auch bezahlt werden.“ Zurück
Anm.2 Dieser Artikel ist in der Neuen Einheit abgedruckt und befindet sich auf unserer Homepage in mehreren Fortsetzungen. Das hier abgedruckte Zitat stammt aus dem Abschnitt „Zu den Hintergründen: Die türkische soziale Frage in Deutschland“ ( http://www.neue-einheit.com/deutsch/is/is2006/is2006-104.htm ). Dieser Artikel von Hartmut Dicke, der 2008 unter unbedingt vollständig zu klärenden Umständen plötzlich aus dem Leben gerissen wurde, (siehe auch das IS von 2009 „Zu Umständen und Hintergründen des Todes von Hartmut Dicke -- Vor einem Jahr - „Schicksal“ oder abgekartetes Spiel?“ http://www.neue-einheit.com/deutsch/is/is2009/is2009-20.htm ) erweist sich gerade auch im Lichte der heutigen Entwicklung als eine sehr scharfsichtige und vorausschauende Analyse. Zurück
Anm.3 http://www.neue-einheit.com/deutsch/is/is2005/is2005-81.htm Zurück
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