Internet Statement 2017-108

 

 

 

100 Jahre Oktoberrevolution – für das heutige Russland kein Thema

 


Maria Weiß  14.10.2017     

Wo wird in Russland eigentlich gegenwärtig der Oktoberrevolution gedacht? Die war doch genau vor 100 Jahren und schließlich war sie das Tor für das moderne Russland. Oder ist dort heute der Neozarismus schon so weit fortgeschritten, daß man das vergessen hat? Oder anders ausgedrückt, daß es der gegenwärtigen herrschenden Clique unter Putin nicht in den Kram paßt, daran zu erinnern.

 

Man kann die Bedeutung der damaligen Umwälzung in Russland gar nicht überschätzen. Nachdem die Februarrevolution einiges an Vorarbeit geleistet hatte, kam es dann im Oktober so weit, daß tatsächlich die russischen Bauern und die russischen Arbeiter es geschafft haben, das Land umzuwälzen und die Beseitigung der jahrhundertelangen Auswirkungen der Stagnation durch den Zarismus in Angriff zu nehmen.

 

Auch wenn nicht alles gleich gelöst werden kann, und wo ist das eigentlich in der Geschichte jemals der Fall, so konnte doch ein ganz wichtiger Teil der russischen Bevölkerung es schaffen, selbst die Initiative zu ergreifen, um das Land zu verändern. Die Sowjets, wie es damals hieß, haben das zu großen Teilen in Angriff genommen und auch der Vielvölkerstaatlichkeit wurde in gewisser Weise Rechnung getragen, unter Lenin, welcher die national-kulturelle Autonomie als ein Prinzip der Lösung dieser Probleme erklärte, um die verschiedenen Völkerschaften, welche in diesem riesigen Reich des Ostens unter dem Zarismus gelitten hatten, zu ihrem Recht kommen zu lassen, aber auch für die neue Gesellschaft zu ermutigen und zu überzeugen. (Man siehe hierzu Lenins Schriften über die National-kulturelle Autonomie, in denen dieser versucht hat, dieses Problem der Widersprüchlichkeit zwischen einerseits der staatlichen Verantwortung, vertreten durch die Sowjets und andererseits die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Kulturen der einzelnen Völkerschaften Russlands zu berücksichtigen und zu ihrem Recht kommen zu lassen. Eine Problematik, die bis zum heutigen Tag dort existiert, obwohl inzwischen die Geschichte dort verschiedene Wendungen erfahren hat und man sicherlich nicht die gegenwärtige Putin-Herrschaft mit Lenin vergleichen kann, wenngleich Putin sich zuweilen darauf beruft, auf Lenin allerdings weniger als auf Stalin.)

 

Bemerkenswert ist aber, daß gegenwärtig dieses historische Datum in Russland keine Rolle zu spielen scheint. Woran liegt das denn? Liegt es vielleicht daran, daß man an diese Dinge nicht so gerne erinnert, weil sie vielleicht in einem zu gegensätzlichen Licht gegenüber der heutigen Entwicklung erscheinen könnten?

 

Die Nationale Frage in Russland, die Lenin zu seiner Zeit aufgegriffen und aktualisiert hat und versucht hat, diese in einer korrekten Weise zu behandeln, existiert bis zum heutigen Tag. Siehe das Beispiel Georgiens oder teilweise auch der Ukraine. Diese ist keineswegs gelöst, und das ist schlecht, daß es so ist, denn es wird von den internationalen Kontrahenten des internationalen vor allem westlichen Kapitals ausgenutzt, um sich selbst ein Recht zu verschaffen, dort zu intervenieren, was ihnen natürlich nicht zusteht. Aber wenn man selber unfähig ist, eine solche Frage zu behandeln, dann braucht man sich nicht zu wundern, daß der Gegner dieses ausnutzt. Und genau das hat sich besonders im Ukraine-Konflikt zugespitzt und schwelt bis zum heutigen Tag weiter. Und natürlich nicht nur im Ukraine-Konflikt, sondern auch in anderen Bereichen, zum Beispiel Georgien oder Aserbaidschan oder anderen Teilen der ehemaligen Sowjetunion und heutigen Russischen Föderation.

 

In Wirklichkeit ist diese Frage der Nationalitäten oder der Autonomisierung, wie Lenin es damals bezeichnet hat, bis heute nicht gelöst, sonst würde es derartige Konflikte nicht geben, weder in Aserbaidschan, noch in Georgien noch sonst irgendwo. Was denkt man sich eigentlich dort, von der russischen Führungsspitze her, wie man diese Fragen behandeln will? Aber man rührt dieses ganze Thema offensichtlich nicht an, die Oktoberrevolution ist für das heutige Russland kein Thema mehr. Das ist aber merkwürdig und lässt einiges an Fragen offen. Und es wirft ein entsprechendes bezeichnendes Licht auf die angebliche Macht der gegenwärtigen Regierung. Aber zum Glück – könnte man fast sagen – gibt es ja den Westen und dessen aggressive Absichten, so daß man damit seine vermeintliche Macht stabilisieren zu können vermeint. Aber auch das ist eine endliche Angelegenheit. Die Befreiung vom Zarismus durch die Oktoberrevolution scheint jedenfalls im gegenwärtigen Russland kein beliebtes Thema zu sein. Stellt sich die Frage: Warum ist das so? Vielleicht glaubt man, der Sozialismus sei Geschichte, den habe man überwunden. Der sei nicht nur in Russland Geschichte, der ist auch in China Geschichte, und was man heute treiben kann, ist das, was auch frühere Mächte bereits getrieben haben, nämlich die Ausbeutung der eigenen Bevölkerung, das Herumtrampeln auf dieser ganz ohne Widerstände und natürlich ohne Hemmungen – bis zu dem Punkt, wo es eben sich umkehrt. Und dieser Punkt wird auch heute wieder kommen, sowohl in Russland als auch in China.

 

Das heutige China, welches früher selbst den russischen Chauvinismus kritisiert hat, betreibt ihn heute selbst, indem es sich überall auf der Welt auszudehnen trachtet, überall seine Pfründe zu ziehen trachtet, vor allen Dingen in Afrika, aber auch natürlich in dem asiatischen Bereich vorrückt (Thema Seidenstraße) das hat daran kein Interesse mehr, die gegenwärtigen Führer in China haben überhaupt kein Interesse daran, an diese Zeiten zu erinnern, an die revolutionären Zeiten Chinas, als es ein Vorbild für die revolutionären Kräfte in der ganzen Welt dargestellt hat. Das möchten sie gar nicht so gerne, davon ist auch in China überhaupt nicht mehr die Rede, ganz ähnlich wie in dem Putinschen Russland. Da redet man eben auch nicht mehr davon, daß unter Lenins Führung die russische Revolution ein Leuchtfeuer für die Befreiung in vielen Teilen der Welt, sowohl in Europa als auch auf anderen Kontinenten, nicht zuletzt Südamerika, gewesen ist. Daran möchten sie gar nicht erinnern oder gar erinnert werden. Warum sollten sie auch jetzt die Oktoberrevolution feiern? Da gehen sie lieber nach dem Prinzip „Noli me tangere“ und hoffen, daß es auch sonst niemand tut. Und das hat eben seinen Grund in ihrer eigenen Ausbeuterseele und nichts sonst. Man kann allerdings sicher sein, daß dies nicht von Dauer sein wird und sich auch dort wieder Kräfte regen, die sich durchzusetzen befähigt sein werden. Aber das schert auch westliche, zuweilen sehr „feinfühlige“ Zungen nicht, auf diesem Punkt gegenwärtig herumzureiten. Davon konnte man noch gar nichts lesen. Das möchten sie gern unter den Teppich kehren, weil ihnen selbst eine solche Erinnerung nicht besonders zu Paß kommt.

 

China, Russland und der Westen – das ist heute das Ausbeutertrio auf der ganzen Welt. Sie sind sich zwar untereinander spinnefeind, was die Konkurrenz angeht, was aber ihr Verhältnis zu den Volksmassen betrifft, da sind sie voller Verständnis zueinander, da halten sie ganz fest zusammen und hüten sich davor, sich gegenseitig ein Auge auszuhacken, es sei denn, es könnte ihrer jeweilige Position gegenüber dem Konkurrenten nützlich sein.

 

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