Internet Statement 2017-11

 

 

 

Warum erinnert sich die hiesige Bourgeoisie auf einmal an Marx?

 

 

Maria Weiß   27.01.2017    

Wie kommt die hiesige Bourgeoisie eigentlich dazu, sich auf einmal an Marx zu erinnern?

Marx, in ihren Augen doch total „out“, von Vorvorgestern bestenfalls? Nein, die „Zeit“ in ihrer neuesten Ausgabe hat Marx nicht nur auf dem Titelblatt, sondern sie hat ihn auch im Inhalt, und das ist wirklich erstaunlich. Das ist eigentlich aber gar nicht so erstaunlich, denn den europäischen herrschenden Kreisen ist die Krise in die Glieder gefahren, und zwar in Form dessen was sich zur Zeit in den USA entwickelt. Das finden sie gar nicht mehr so gemütlich, und das finden sie zu Recht nicht gemütlich. In den USA ist nämlich eine Führung an die Macht gelangt, die mit der Gemütlichkeit aufräumt. Und zwar deswegen, weil die Widersprüche sich so entwickeln, daß dafür kein Platz mehr da ist.

In den USA selbst, im eigenen Land, zeigen sich diese Widersprüche ebenfalls, Verwerfungen, massive ökonomische Verwerfungen derart, wie sie in unserem Land in den 1980er Jahren stattgefunden haben. Man denke nur an Rheinhausen. Und das stört die Gemütlichkeit gewisser herrschender Kreise ganz massiv, und sie überlegen, was daraus für sie die Konsequenz sein muß.

Der neue Präsident der USA, Donald Trump, ist vor allen Dingen mit dem massiven Votum verworfener proletarischer Schichten im Nordosten der USA an die Macht gelangt. Das ist aber etwas, was nicht alle Tage geschieht und es ist etwas, das der Bourgeoisie zu denken Anlaß gibt. Und es gibt gewisse Kreise in Westeuropa, zum Beispiel intellektuelle Kreise, wie sie zum Beispiel hinter der „Zeit“ stehen, die sich darüber ihre Gedanken machen. Und das geht sogar so weit, daß sie Marx wieder ausgraben, Karl Marx, den sie doch als völlig von vorgestern verschrien hatten, als völlig „out“. Auf einmal ist er wieder da, wie es so schön heißt: „Er ist wieder da“, schreibt die „Zeit“, in mieser Anspielung auf ein anderes „Er ist wieder da“, was man vor kurzem auch lesen konnte und was sich auf die faschistische Bestie bezog. Aber vielleicht gibt es ja hier einen Zusammenhang, aber in ganz anderer Weise als es hier mit dieser Allegorie vorgegaukelt werden soll. Dem sollte man mal nachgehen.

Diese aktuelle Ausgabe der „Zeit“ ist durchaus interessant, denn es gibt darin eine ganze Fülle von Artikeln, die lesenswert sind. Zum Beispiel über das Elend der nordost-amerikanischen Kohle- und Stahlkollegen, welche ebenfalls verworfen sind, wie das bei uns vor zwanzig Jahren bereits geschehen ist, im Ruhrgebiet. Und diese Menschen hatten offenbar keine Lust mehr, aalglatte Exponenten des internationalen Finanzkapitals zu wählen, wie es zum Beispiel Hillary Clinton gewesen ist, was sie dazu bewogen hat, eine demagogische, sehr wenig glaubwürdige und zweifelhafte Figur wie Donald Trump zu wählen, der sich angeblich für ihre Belange einzusetzen versprach. Was daraus wir, das wird man sehen. Bis jetzt ist davon nicht viel zu spüren, bis jetzt sind es erstmal ganz Andere, nämlich das Nachbarland Mexiko, das mit damit zu tun bekommt.

Interessant ist aber, daß diese Welle der ökonomischen Verwerfung, die gegenwärtig Kreise in den USA ergriffen hat, bei uns bereits vor 30 und mehr Jahren stattfand. Im Ruhrgebiet, in der Stahlindustrie und später dann auch in der Automobilindustrie, Opel usw. Dieselben ökonomischen Verwerfungen, die in den USA zur Zeit an der Tagesordnung sind, fanden in Deutschland bereits vor zwanzig und mehr Jahren statt. Und es gab auch eine Bewegung dagegen, aber diese Bewegung hatte keine Chance, sie wurde sozusagen aufgesogen von der Bewegung zur staatlichen Einheit, zur sogenannten Wiedervereinigung Deutschlands. Das ganze Konzept der Wiedervereinigung von Helmut Kohl Mitte der 1980er Jahre ist nichts weiter als eine Antwort auf diese Bewegung, die damals unter dem Proletariat in Westdeutschland sich anbahnte. Das kam prompt hinterher und nur eineinhalb Jahre später 1989/90 war es dann soweit, daß man angeblich die DDR geknackt hatte, die Regierung Honecker zur Aufgabe gezwungen hatte und die Wiedervereinigung einläuten konnte. Wo kam denn das auf einmal her? Das fragt man sich immer noch: War das wirklich nur das Unvermögen der damaligen DDR-Führung, die Realität wahrzunehmen, wie das von Herrn Gorbatschow in Rußland, dem damaligen Oberhaupt der Noch-Sowjetunion, der damaligen DDR-Führung vorgeworfen wurde, oder war es vielleicht doch eher so, wie manch einer damals vermutete, daß dieser auch eine Schöpfung der CIA gewesen ist? Da ist noch längst nicht alles aufgeklärt. Aber nichts desto trotz hat es eben seine Konsequenzen gezeitigt und hat der sich damals anbahnenden Arbeiterbewegung im damaligen Westdeutschland buchstäblich das Wasser abgegraben, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt. Davon können wir als eine Organisation, die sich damals für diese Bewegung massiv eingesetzt hat, ein Liedchen singen. Und wir sind sicherlich nicht die einzigen.

Plötzlich war Kommunismus „out“ und es war nur noch angeblicher bürgerlicher Fortschritt „in“, mit dieser sogenannten Wiedervereinigung. Unter dem Deckmantel einer Kritik an dem DDR-Regime wurde zugleich auch alles, was Kommunismus war, verhetzt. Ob Kritik daran existierte oder nicht, völlig egal, man konnte damit einfach keinen Boden mehr gewinnen, damals. Und eben dieses entsprach den Absichten der damaligen herrschenden Klassen auf sämtlichen Seiten, sowohl auf der westlichen als auch auf der russischen Seite.

Rußland hat dies in den weiteren Jahren erstmal teuer bezahlt, mit einer zunehmenden Verelendung ganzer Bevölkerungsteile, aus der es sich dann unter anderem auch aufgrund eines gewissen, nicht zu verleugnenden Einsatzes von Kräften wie Putin wieder einigermaßen erholen konnte. Im Westen aber war ein Resultat die ganz erhebliche Aufwertung und die Institutionalisierung von Kräften wie den Grünen, d.h. derjenigen Kräfte, die den Fortschritt der Produktivkräfte sozusagen elementar verleugnen und überhaupt den Fortschritt der Menschheit, ja den Menschen überhaupt eigentlich in Frage stellen und verleugnen. Diese Kräfte haben im Westen den Sieg davon getragen und das Ergebnis ist das, was wir heute haben. Sowohl Angela Merkel als auch das sogenannte Bündnis 90/Die Grünen sind Resultate davon, allerdings keineswegs in einer den sozialen als auch erst recht nicht den wissenschaftlichen Fortschritt begünstigenden Weise.

Es ist aber interessant, wie eine bürgerliche Zeitung wie die „Zeit“ nun auf einmal dazu kommt, Karl Marx wieder auszugraben, und zwar nicht im Zusammenhang mit Deutschland, sondern im Zusammenhang mit den USA und dem, was sich dort tut. Das ist wirklich sehr aufschlußreich und sollte zu Überlegungen Anlaß geben. Diese Kräfte erdreisten sich doch nichts anderes als das, was wir seit über vierzig Jahren vertreten, nun auf einmal in puncto USA als realistisch anzusehen. Woher kommt denn das? Es handelt sich eben um die USA und nicht um Deutschland, das ist der entscheidende Unterschied. In Wirklichkeit ist es aber so, daß diese Bewegung global vonstatten gegangen ist und die Produktionsverlagerungen nicht nur aus den USA sondern auch aus Deutschland, aus Mitteleuropa massiv in Richtung Osten, Richtung Asien gegangen sind und dort jetzt ihre Früchte tragen, indem dort verstärkt Widerstand aufkommt, und zwar von den vielen Millionen von Arbeitskräften, die dort die Maloche machen wie fürher hier die Kollegen im Ruhrgebiet und sich wehren und Aufstände machen und so weiter. Das ist die sogenannte Globalisierung, unter diesem Stichwort läuft das. Die Globalisierung der Ausbeutung besser gesagt, die Globalisierung des Systems der kapitalistischen Ausbeutung, welche von Marx bereits analysiert und in ihrer Konsequenz aufgezeigt worden ist. Das läuft eben heute international und davon kann man auch nicht mehr zurück.

Die Konsequenz daraus fällt allerdings einigen Kräften, vor allen Dingen bürgerlichen Kräften sehr schwer. Statt daraus die Konsequenz zu ziehen, ziehen diese im Gegenteil ganz andere Konsequenzen, indem sie mit uralten rechten, längst widerlegten Theorien hier aufwarten, um die sozialen Widersprüche, die sich entwickelnde soziale Brisanz wieder aufzufangen und in ihrem Sinne zu lenken und zu mißbrauchen, um damit das gleiche Unheil, was bereits mit dem zweiten Weltkrieg Europa verwüstet hat, noch einmal in weit stärkerem Ausmaß und diesmal nicht nur in Europa sondern auch im Mittleren Osten als auch in Afrika und zuletz in Asien anzuzetteln und zu befeuern. Das ist es, was sie weiter vorhaben als angeblichen Ausweg aus ihrer Misere, und das sollte uns zu denken geben, um endlich Konsequenzen zu ziehen und ganz massiven Widerstand zu entwickeln, und zwar bevor es zu spät ist und Donald Trump und seine Konsorten Europa in ein Chaos verwandelt haben. Gewisse Kräfte hier sollten sich mal erinnern, daß sie ein Gedächtnis haben, oder haben sie dieses inzwischen verloren und an die Denkmäler abgegeben? Die Denkmäler sind tot, die Menschen aber sind – noch – lebendig.

 

 

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