Internet Statement 2017-116
Eine
etwas andere Stellungnahme zum hundertsten Jahrestag der Oktoberrevolution
Woran liegt es eigentlich, daß es in Rußland zum ersten Mal möglich war, die gesellschaftlichen Erkenntnisse von Marx und Engels praktisch umzusetzen? Diese Beantwortung dieser Frage dürfte doch eigentlich für beide Nationen von Interesse sein. Eine Frage, die man sich dazu stellen muß, ist natürlich die, wie es dazu gekommen ist, daß diese Theorie überhaupt bis Rußland gedrungen ist. Die Frage lautet also: wie ist die Marxsche Theorie der Befreiung der Arbeiterklasse nach Rußland gekommen? Und die sich daran anschließende Frage ist selbstverständlich: Woran liegt es, daß diese Theorie, diese revolutionäre Theorie nur dort in der Praxis umgesetzt werden konnte? Nicht aber in ihrem Ursprungsland, in Deutschland. Sicherlich gab es in dem Neunzehnten Jahrhundert einen Austausch unter den europäischen Staaten, aber ganz offensichtlich auch mit Rußland. Was aber hat dazu geführt, daß nicht etwa in den europäischen Staaten diese Theorie in die Praxis umzusetzen gelang, sondern ausgerechnet in Rußland, welches eigentlich von seiner Entstehung, von seiner Geschichte her eine ganz erheblich von Europa unterschiedene Entwicklung durchgemacht hat? Dazu müßte man untersuchen: was hat sich in dem neunzehnten Jahrhundert in Europa getan und was hat sich in Rußland entwickelt. Und warum gab es gerade am Ende des neunzehnten Jahrhunderts Kräfte in Rußland, welche diese revolutionäre Theorie aufgegriffen haben und in der Praxis versucht haben umzusetzen. Woran liegt das? Was für gesellschaftliche soziale aber auch ökonomische Entwicklungen liegen dem zugrunde? Und welche Rolle spielt zum Beispiel der Zarismus in diesem ganzen System? Sicherlich gab es auch im neunzehnten Jahrhundert einen Austausch zwischen der europäischen Kultur und Wissenschaft und der russischen. Das hat sicherlich Gründe, die dabei eine Rolle spielen, Und die muß man untersuchen. Infolgedessen ist das jetzt zunächst mal eine Arbeitshypothese, welche genauere Studien erforderlich macht. Aber es dürfte lohnenswert sein, sich damit zu befassen, denn bis zum heutigen Tag spielt ja das Verhältnis von Rußland zu Europa eine ganz wesentliche Rolle. Von Rußland, welches einen geografisch kleinen Teil in sich birgt zu Europa. Was ist mit dem asiatischen Teil Rußlands? Was ist überhaupt mit dem Ganzen? Warum hat es sich so entwickelt und nicht anders? Und warum gibt es momentan dort eine Herrschaft, die diese revolutionäre Tradition und Grundlage wegzuleugnen trachtet? Das kann jetzt hier nicht auf der Stelle beantwortet werden. Aber es lohnt sich sicherlich, einige Studien dort hinein zu stecken und vielleicht Fragen zu klären, die auch von aktueller Bedeutung sein könnten. Vielleicht gibt es ja in Rußland auch Kräfte, die diese Fragen interessant finden und mit denen man sich in dieser Hinsicht austauschen sollte? Denn daß ein schicksalsmäßiger Zusammenhang zwischen Deutschland und Rußland, zwischen Mitteleuropa und Rußland existiert, das dürfte sowohl das letzte Jahrhundert als auch das aktuelle gezeigt haben. Wir möchten damit zum Ausdruck bringen, daß wir sehr interessiert daran sind, uns über diese Fragen vor allen Dingen auch mit russischen fortschrittlichen und revolutionären Menschen austauschen zu können. Rußland ist nicht Gazprom, wie es ein Teil der Bourgeoisie gerne hinzustellen bestrebt ist. Das anzunehmen ist an Plattheit nicht zu überbieten. Aber uns liegt das fern. Wir sehen in der Geschichte, und auch in der aktuellen Entwicklung die Möglichkeit, ganz andere Verbindungen zustande zu bekommen. Es lohnt sich mit Sicherheit, daran zu arbeiten, dies umzusetzen. Putin ist nicht gleich Rußland. Das anzunehmen wäre weder historisch noch aktuell noch in irgendeiner realen Hinsicht vertretbar. Es ist nicht immer sinnvoll, sich dem Augenschein auszuliefern. Es ist sogar fast nie sinnvoll, das zu tun. Schauen wir hinter die Abdeckungen, um zu sehen, was sich dort verbirgt. Es ist auch kein Wunder, daß die gegenwärtige russische Regierung bestrebt ist, sich mit den Rechten in Europa zu verbinden. Welche Chance hat sie denn sonst? Die Linke? Die wird normalerweise erstmal eine Kritik vom Stapel lassen, an der diese gar nicht interessiert sind, und zwar eine Kritik keineswegs nur an russischen Verhältnissen sondern vor allen Dingen auch an den eigenen Verhältnissen in Europa. Und an beidem ist die gegenwärtige russische Regierung nicht interessiert. Das ist das Interessante daran und das sehr Bezeichnende, was deren beider Klassencharakter betrifft. Nicht allgemeine Menschenrechte sondern die Rechte der ausgebeuteten Klasse sowohl in Rußland als auch in Europa - das ist es, was uns interessiert. Und nur dieser Kanal ist es auch wert und auch dazu fähig, für die Zukunft eine Perspektive für beide Seiten zu eröffnen. Und es war auch keineswegs ein Zufall, daß damals, im Jahr 1917 Deutschland Lenin nach Rußland durchgelassen hat, denn auch damals zeichnete sich bereits ab, daß ein gewisser Gegensatz der internationalen Kräfte des Hegemonismus dort wirksam geworden ist. Das kann man nicht ableugnen, und das ist in gewisser Weise auch heute noch gültig. Nur daß wir heute natürlich die ganzen konkreten Erfahrungen der Geschichte mit zu verarbeiten haben. Aber nur zu: packen wir es an. Wir sind jederzeit bereit zu einem Dialog in dieser Hinsicht. Hoffentlich finden es andere auch. Es besteht in Rußland nicht erst seit gestern die Gefahr, daß die Opposition versucht, die ganzen Verirrungen der kapitalistischen Entwicklung des Westens nachzuvollziehen. Dabei wird nichts herauskommen. Dafür sind die Bedingungen in den verschiedenen Regionen viel zu unterschiedlich. Es würde besser zum Fortschritt beitragen, wenn russische oppositionelle Kräfte sich mit revolutionären oppositionellen Kräften in Europa verbinden würden und versuchen würden, einen gemeinsamen Weg zu finden, um der Konterrevolution, welche auf beiden Seiten sich gegenseitig die Bälle zuzuspielen versucht, wirksam entgegentreten zu können. Die Chancen dafür sind da, man muß sie nur beim Schopf packen. Und man dürfte sich wirklich nicht wundern, wenn ausgerechnet die Rechte in Europa sich vor Putin verneigt. Das haben sie immer schon gemacht, der Zarismus hat bereits versucht, das auszunutzen. Fegen wir doch diesen geschichtlichen Unsinn beiseite. Fortschrittliche Kräfte in Rußland als auch in Europa sollten sich zusammentun und gemeinsam ihre Anliegen austauschen und daraus Schlußfolgerungen ziehen. Das ist ein Angebot. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Soll man sich denn immer zu Schwanzlämmern des überkommenen bürgerlichen Systems degradieren lassen? Nein. Man muß selbst die Initiative ergreifen. Going East – aber richtig. Und das heißt eben nicht als Eroberer, sondern als Revolutionär. Und es gibt sicher eine ganze Reihe von Menschen in Rußland, die das auch so sehen.
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