Internet Statement 2017-133
Die
alte Einheit steht auf dem Prüfstand – eine neue ist gefragt
Maria Weiß 20.12.2017
Jeder Mensch braucht eine Wohnung, das heißt einen Ort, an den
er sich zurückziehen kann, um seine Kräfte für den Kampf
ums Überleben in der Gesellschaft zu regenerieren. Das ist ein Fakt,
der unbestreitbar ist, aber in der heutigen Gesellschaft keineswegs selbstverständlich
ist, was man allein schon an der stetig wachsenden Zahl von obdachlosen
Menschen bemerken kann. Wohnungen werden immer teurer und immer weniger
Menschen können sich den Preis dafür leisten. Das ist vor allem
in Großstädten der Fall, aber auch auf dem Land wird es schwieriger.
Woran liegt das? Es liegt vor allen Dingen daran, das zum einen der Besitz
an Grund und Boden und damit zum Teil auch an Wohnungen in der Gesellschaft
sehr ungleich verteilt ist und es keineswegs so ist, daß jeder arbeitende
Mensch in dieser Gesellschaft zugleich mit seiner Arbeit einen Anspruch
auf eine Wohnung zu realisieren fähig ist. Das gilt vor allem in
letzter Zeit für immer weniger Menschen, da die Wohnungen immer teurer
werden. Das heißt, auch staatlich betriebene Wohnungen werden knapper
oder auch teurer, und erst recht private Wohnungen. Letztere erzielen
Preise in derartig schwindelnden Höhen, daß sie für Menschen
mit mittleren und schon gar nicht mit geringeren Einkommen überhaupt
noch erschwinglich sind. Die Mieten steigen entsprechend dem steigenden
Bedarf ebenfalls in die Höhe. Mit diesen grundlegenden Gesetzmäßigkeiten, die unsere Gesellschaft durchziehen, sollte man sich befassen, bevor man sich in irgendwelchen kleinbürgerlichen, nebulösen Vorstellungen ergeht, daß es angeblich ein Recht darauf gibt, eine Wohnung zu haben zu einem Preis, den man bezahlen kann als auch, daß es immer so weiter geht, angeblich. Letzteres ist nicht der Fall, das einzige, was hier gegenwärtig immer weiter geht, das sind die Preise für eine Wohnung, die steigen gegenwärtig in schwindelnde Höhen. Es gibt eben Gesetzmäßigkeiten in dieser Gesellschaft, und die sind auch nicht neu und die sind durchaus verständlich und erkennbar, aber diese werden gerne ignoriert. Sie werden ignoriert vor allen Dingen von solchen Menschen, die sich überhaupt einem gesellschaftlichen Denken verweigern. Damit kommt man aber nicht voran, weder in dem Kampf um die eigenen Bedürfnisse und Vorstellungen, geschweige denn in dem Kampf um das Verständnis darüber, wie diese Gesellschaft funktioniert. In letzterer Hinsicht kommt man eben nicht daran vorbei, sich über die Frage der Eigentumsorganisation in dieser Gesellschaft Gedanken zu machen. Und darüber hinaus, da eben diese Frage eine höchst politische Frage ist, sich auch über die politischen Verhältnisse in dieser Gesellschaft Gedanken zu machen. Das muß man allen sagen, die das vielleicht unbequem finden und meinen, sie könnten sich daran vorbei mogeln, indem sie irgendwelche allgemeinen menschlichen Bedürfnisse als allgemeine Regel oder geschweige denn Anspruch in dieser Gesellschaft zu postulieren. Ein solcher Anspruch existiert nicht in einer Gesellschaft, welche auf dem Privateigentum an Grund und Boden als auch an den Produktionsmitteln basiert und daran kann man nicht vorbei. Darüber muß man sich Gedanken machen und damit muß man sich auseinandersetzen. Allgemeine Menschlichkeit mitsamt ihren angeblichen allgemeinen Ansprüchen existiert nicht in einer solchen Gesellschaft. Und man kann sogar sagen, sie existiert gegenwärtig auf der ganzen Welt nicht, oder nicht mehr. Und dann sollte man sich auch fragen, warum das so ist, und das wiederum führt einen auf höchst politische Fragestellungen, an denen man sich nicht vorbeimogeln kann, sofern man ernsthaft eine Änderung in dieser Frage anstrebt. Das führt einen auf die Eigentumsverhältnisse, die gegenwärtig wiederum auf der gesamten Welt, auf dem gesamten Erdball herrschen, nachdem es gelungen ist, die Keime oder die Ansätze der entstehenden sozialistischen Gesellschaften, welche auf anderen grundsätzlichen Regeln bestanden haben, wieder zu liquidieren, sei es durch Unterwanderung oder auch durch Gewalt. Und das ist eben gegenwärtig auf der ganzen Welt der Fall. Weder in China noch in Rußland noch sonst irgendein anderes Land auf der Welt kann gegenwärtig für sich in Anspruch nehmen, eine andere Gesellschaftsordnung zu betreiben als die des Privateigentums an den Produktionsmitteln als auch an Grund und Boden. Das ist fast überall heute wieder der Fall, von einigen ganz wenige Ausnahmen abgesehen. Das ist fast überall in eine solche Richtung auch in früheren sozialistischen Staaten wieder rückgängig gemacht worden oder wird es weiter in der Tendenz. Das muß man erst einmal zur Kenntnis nehmen, um die Realität, die gegenwärtig fast überall herrscht, richtig zu beurteilen und daraus richtige Schlußfolgerungen ziehen zu können. Allgemeiner moralisierender Widerstand, moralisierende Anklage kann dagegen nur sehr wenig, oft sogar gar nichts ausrichten. Die Moral ist für Besitzende fast nie und schon gar nicht gegenwärtig irgendein Anlaß für Veränderungen. Es ist daher wenig aussichtsreich, nur einen moralischen Anspruch auf eine Wohnung oder auf irgendein anderes Recht in dieser Gesellschaft zu erheben. Das hat nur sehr wenig Aussichten auf Erfolg, denn es ignoriert die existierenden Besitzverhältnisse. Es ignoriert das angebliche „Recht des Stärkeren“ und der Stärkere, das sind eben die gegenwärtig existierenden und in der Verfassung verankerten Besitzverhältnisse, welche sich immer noch aus verschiedenen Gründen, auch aus den Schwächen einer Gegenbewegung resultierenden, überall sich wieder durchgesetzt haben. Man kann das nicht ignorieren, man sollte aber daraus Schlußfolgerungen ziehen, und diese können nur darin bestehen, daß man eben diese Eigentumsverhältnisse auf der ganzen Welt, egal in welchem Land oder auf welchem Kontinent sie sich wieder durchgesetzt haben, zur Kenntnis nimmt und kritisiert.. Weshalb sollte man diese ignorieren und statt dessen nur moralische Ansprüche stellen? Das führt zu nichts, das hat keinerlei Aussicht auf irgendeinen dauerhaften Erfolg, selbst wenn manchmal gewisse Mächte als Garanten dieser Ausbeutergesellschaft diesen Punkt gegenüber der Konkurrenz ausspielen, aber auf so etwas zu spekulieren und vor allem sich darauf zu beschränken ist ein sehr vages und wenig aussichtsreiches Unterfangen. Eine dauerhafte Grundlage für die eigenen berechtigten Ansprüche kann das nicht sein. Es führt daher nichts darum herum, sich um die gesellschaftlichen Verhältnisse in dem jeweiligen Land, in dem man sich befindet, Klarheit zu verschaffen und diese zu hinterfragen und auf diese Weise auch die Ursache für die eigene Misere herauszufinden und die Schlußfolgerungen, die sich daraus ergeben, zu ziehen. Ohne dieses Werkzeug an kategoriellem gesellschaftlichen Überblick kommt man heute in keiner einzigen Detailfrage der Gesellschaft voran. Das heißt, man sollte das an Werkzeug, was die gesellschaftliche Theorie inzwischen in der Geschichte hervorgebracht hat, nicht ignorieren sondern es nutzen, um die eigenen Ansprüche als auch die Anderer in gleicher oder ähnlicher Lage zu verwirklichen, nicht aber deren Pervertierung dazu benutzen, sich die angebliche Aussichtslosigkeit dieser Art des Vorgehens zu eigen zu machen. Letzteres dient ausschließlich der Konservierung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse, nicht aber deren Überwindung. Fortschritt besteht darin, daß man bisherige gesellschaftliche Entwicklungen, welche fehlgeschlagen sind, kritisiert und daraus Schlußfolgerungen zieht, nicht aber darin, daß man diese ignoriert und sozusagen „wieder ganz von vorne“ anfängt. Das kann man sich sparen. Der Fortschritt der gesellschaftlichen Entwicklung der Menschheit vollzieht sich eben in Windungen und Wendungen und man sollte nicht einen zeitweiligen Rückschritt zum Vorwand nehmen und überhaupt nicht mehr auf die gesellschaftliche Entwicklung Wert legen, geschweige denn daraus Schlußfolgerungen zu ziehen. Eine solche bequeme Haltung bestärkt nur die bestehenden ungerechten Verhältnisse und schwächt den Widerstand dagegen. Fehler sind unvermeidlich, aber die Konsequenz aus Fehlern zu ziehen ist es nicht. Die liegt im eigenen Ermessen, und das sollte man als Antrieb für die zukünftige Bewegung verstehen. Fortschritt besteht darin, aus Fehlern zu lernen, nicht aber sich in einen Zustand vor diesen zu begeben.
|