Internet Statement 2017-63

 

Das wichtigste Ergebnis der französischen Wahlen: die Hälfte der Franzosen sieht sich durch keine der kandidierenden Parteien vertreten – auch nicht durch die Siegerpartei des Herrn Macron

 

Maria Weiß  15.06.2017  

Gegenwärtig wird die neue Regierung, der neue Regierungschef in Frankreich als eine Art neuer Aufbruch gefeiert. Was ist es aber wirklich? Kann es das überhaupt sein? Diese Frage muß man sich in aller Sachlichkeit stellen.

Es ist außer Frage, dass die bisherigen Parteien, sowohl die konservativen als auch vor allen Dingen die bislang regiert habende Sozialdemokratie in Frankreich ausgedient haben und durch die letzte Wahl verworfen wurden. Das ist ein Ergebnis, das niemand leugnen kann. Und es steht auch außer Frage, daß eine gewisse neue Kraft, angeblich neue muß man sagen, die des Herrn Macron, dort die Wahl gewonnen hat, auf welcher Basis auch immer. Darüber muß man sich allerdings noch einige Gedanken machen. Das aber wichtigste Ergebnis dieser Wahl in Frankreich ist, daß die Hälfte der französischen Wähler überhaupt nicht gewählt hat. Und das muß seinen Grund haben. Und diesem Grund muß man mal nach gehen.

Dieser Grund besteht ganz offensichtlich erstmal darin, dass die Hälfte der Wähler in Frankreich sich durch keine der Parteien, die sich dort zur Wahl gestellt haben, genügend vertreten gefühlt haben, als das sie ihr Kreúzchen an ihrer Stelle gemacht hätten. Das ist ein sehr bemerkenswertes Ergebnis dieser Wahl, was sich in dieser krassen Form noch in keinem anderen europäischen Land manifestiert hat,.

Zur Wahl gestellt hatten sich auch Parteien, von denen offensichtlich eine große Mehrheit in Frankreich nicht der Ansicht war, daß man sie überhaupt wählen kann. Le Pen wurde offensichtlich nicht in irgendeiner Form als wirkliche Alternative für Frankreich angesehen – ein sehr gutes Ergebnis.

Die bislang herrschende Clique der Sozialdemokratie ist in den Keller gesackt. Die konservative Alternative hat sich selbst durch verschiedene Korruptionsfälle diskreditiert und das, was sich als angeblich neue Kraft dort stellt, nämlich der Herr Macron, der plötzlich wie Phönix aus der Asche aus der alten Sozialdemokratie kommend sich dort positioniert hat: das wird man erstmal sehen, ob das eine wirkliche Alternative ist – für wen – und was diese zu bewerkstelligen imstande sein wird. Das, was bislang über Herrn Macron bekannt geworden ist, ist, daß er sehr eng mit dem internationalen Finanzkapital verbunden ist, was schon einmal als Ausgangsbasis für ein solch gewichtiges europäisches Land wie Frankreich keine besonders guten Karten setzt und nicht unbedingt darauf hindeutet, daß damit wirklich die Potenzen des Landes ins Spiel kommen können. Nun denn, man sollte ihm eine Bewährungschance einräumen.

Das wirklich markanteste Ergebnis an dieser Parlamentswahl jetzt ist jedoch die Tatsache, dass die Hälfte aller Franzosen sich der Wahl enthalten haben. Und diesem Fakt muß man einfach nachgehen, denn das muß seinen Grund haben.

Frankreich ist das Land in Europa, eins der gewichtigsten, welches in der Geschichte die Fähigkeit gezeigt hat, sehr viele Potenzen hervorzubringen. Die erste bürgerliche Revolution auf dem europäischen Kontinent fand in Frankreich statt. Und diese hat maßgebliche Auswirkungen auf dem ganzen europäischen Kontinent gezeitigt. In der Folge dieser Revolution hat es in anderen Staaten, unter anderem in unserem Land, ebenfalls Revolutionen gegeben, die dann in eine andere Richtung wiesen, nämlich nicht in eine bürgerliche, sondern in einer der bürgerlichen Kraft entgegen gesetzte, sich zunehmend in dem 19. Jahrhundert entwickelnde Kraft des Proletariats. Diese Revolution kann Deutschland für sich in Anspruch nehmen, wenngleich sie in engster Verbindung mit Frankreich - man nehme nur die Erfahrung der Pariser Commune, welche allerdings schon eine sozialistische Erhebung gewesen ist, im Unterschied zur deutschen 48er-Revolution, die noch einen überwiegend bürgerlichen Charakter aufwies - sich entwickelt hat. Diese revolutionären Entwicklungen in Deutschland und Frankreich vor allem haben in der Folge nicht nur auf dem europäischen, sondern auch auf dem asiatischen Kontinent zu gravierendsten Auswirkungen und Manifestationen geführt. Die russische Revolution als auch die chinesische sind, neben eigenen inneren Beweggründen eine Folge davon gewesen.

Der europäische Kontinent hat in den letzten Jahrzehnten einen relativ großen Rückgang, jedenfalls fast die politische und gesellschaftliche Bewusstheit betrifft, erlebt. International konnte er mit anderen Mächten nicht mithalten und ist daher zurück gefallen, wenn gleich gegenwärtig mit der Lobhudelei von Angela Merkel angeblich das Gegenteil bekundet werden soll. Wann diese Seifenblase platzen wird, sei dahin gestellt. Fakt ist aber, dass die materiellen Faktoren, egal in welchem Land auf der Welt, sich durch setzen. Das hat sich in der Geschichte gezeigt und das wird sich auch im weiteren zeigen. Und die materiellen Faktoren sind eben die, dass Frankreich in dem letzten Jahrzehnt einen gewissen Rückgang erlitten hat, welcher nicht nur auf eigenes Verschulden zurück zu führen ist. Die französische Bourgeoisie hat sich, entgegen aller Vernunft, weiterhin in kolonialen Träumereien ergangen, hat sich militärisch in Afrika engagiert, in den ehemaligen Kolonien, was ihr nicht gerade zum Vorteil gereicht hat und was auch nicht dadurch beschönigt werden kann, dass sich seit einiger Zeit auch Deutschland an derartigen abenteuerlichen Aktivitäten mit beteiligt. Im Innern hat die französische Bourgeoisie mit Hilfe vor allen Dingen sozialdemokratischer Kräfte versucht, den Widersprüchen durch das Hineinbuttern von Geld, welches man sich geliehen hat, zuvor zu kommen, bzw. diese zu glätten. Daß das irgendwann auf sein Ende stößt, liegt auf der Hand. Die Regierung Hollande und deren Niedergang ist dafür ein beredtes Beispiel. Und das Ergebnis der jetzigen Wahl in Frankreich ist nichts weiter als eine Konsequenz daraus. Was soll man aber mit einem so genannten Deus ex Machina, kommend eben aus dieser bankrotten Sozialdemokratie, welcher sich aufspielt als Retter der Nation halten? Man darf gespannt sein, wie dieses Abenteuer ausgehen wird.

Welches Programm verfolgt Emmanuel Macron? Das sollte man mal unter die Lupe nehmen.

Dieser kommt als so genannter Erneuerer daher. Aber was will er eigentlich erneuern?
Wie will er denn die sozialen Widersprüche im Land lösen? Sein Vorgänger Hollande hat versucht, diese vor allen Dingen zu übertünchen, mit weiteren Schuldenaufnahmen und Geldgebereien, damit es ja nicht eklatiert. Was aber hat Macron selber vor zu machen? Was hat er denn vor zu entwickeln in Frankreich? Welche Potenzen sollen dort zur Geltung kommen, die das Land aus der Misere heraus führen? Davon ist bis jetzt noch wenig Konkretes zu sehen. Möchte er vielleicht der internationalen Einflussnahme des chinesischen Kapitals Einhalt gebieten, welche Stück für Stück sich in Frankreichs Regionen Pfründe angeeignet hat? Das möchte ich mal sehen, wie er das bewerkstelligen will.

Wie will er den sozialen Widerspruch eindämmen? Da möchte ich auch mal sehen, wie er das bewerkstelligen will. Von all dem ist bisher noch kein einziges Wort gefallen, was verdächtig ist.

Es ist auch nichts Konkretes darüber bekannt geworden, was seine Zusammenkunft mit Angela Merkel in dieser Hinsicht zustande gebracht hat, außer daß sich die ausgebuffte internationale Finanzoligarchie vielleicht in Frankreich ein neues europäisches Standbein erhofft,.

Man darf sich von dem Getöse nicht täuschen lassen. Erneuerung bedarf auch einer konkreten Ausformung, und von der ist bis jetzt eigentlich gar nichts zu sehen. Babyfaces gibt es viele, aber was sich dahinter verbirgt, das ist immer eine Wahrheit, die sich in sehr konkreten Ausformungen irgendwann offenbart. Man kann nur hoffen, daß die zurückhaltenden 50 Prozent der Wähler des französischen Volkes mit ihrer Zurückhaltung recht behalten werden, weil sonst der nächste Betrug sich in Europa entsprechend negativ auswirken wird. Diese Zurückhaltung dieser 50 Prozent beinhaltet aber auch eine Chance, wenn es gelingt, diese Kritik zu konkretisieren und in eine soziale Programmatik umzusetzen. Show ist eine Sache - Realität eine andere.

   

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