Internet Statement 2019-14
Was passiert in Venezuela?
Wassili Gerhard 17.03.2019 Das Konzept der bolivarischen Revolution in Venezuela, die von Hugo Chavez als Führungsfigur verkörpert wurde, war dadurch gekennzeichnet, daß die Öleinnahmen eines der ölreichsten Länder der Welt umverteilt werden sollten, hin zu den Ärmeren im Lande. Dazu wurden auch ausländische Ölkonzerne enteignet. Diese Revolution stützte sich auf die Armee, in der sehr viele Kinder der armen Leute des Landes dienten. Bei denen war der „Ölsegen“ bis dahin nicht angekommen. Auf deren Rückhalt konnte er zählen. Die Symbolfigur dieser Bewegung Hugo Chavez war selbst aus diesen armen Bevölkerungsteilen hervorgegangen und hatte Karriere in der Armee gemacht.
Wer sind die erbitterten Hauptgegner im Lande, neben den USA, die von Anfang an Druck auf das Land entfalteten und Venezuela als „Schurkenstaat“ verhetzten? In Venezuela hatte sich seit Langem ein privilegierter Bevölkerungsteil entwickelt, der eng mit dem reibungslosen Ölexort verknüpft war und dessen Loyalität den USA gegenüber diesen wichtig war. Die haben besonders von den Öleinnahmen mitprofitiert und konnten sich einen quasi US-amerikanischen Lebensstil leisten (mal abgesehen von den ganz Armen in den USA). Das waren natürlich einmal Firmenbesitzer, aber auch Menschen, die eher ein Lebensniveau nach „Mittelklasse-Standard“ haben. Gerade mit denen wird hier versucht Sympathie zu erzeugen.
Es ist nicht untypisch für ein ehemaliges Land der kolonialen Sphäre, daß nur das wirklich entwickelt wurde, was der Ausbeutung der Bodenschätze dient, bzw. nur die Teile des Landes und der Gesellschaft entwickelt werden, die dafür unverzichtbar sind. (Aber vielleicht wird ja demnächst auch da ein „Narrativ“ aus der Taufe gehoben, daß das alles am Klimawandel liegt?) Diejenigen, die dabei besser gestellt wurden, können sehr wohl der Meinung sein, daß sie mit der alten Abhängigkeit besser gefahren sind. So gab es von Anfang an große Proteste aus diesem Segment. Bei uns wurden Kämpfe der Ölarbeitergewerkschaft zum Beispiel besonders hervorgehoben, weil das hierzulande den Eindruck erweckt, daß das einfach Arbeiter sind, die gegen die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen kämpfen. Wenn sie gleichzeitig um die Erhaltung ihrer Privilegierung gegenüber der ärmeren Bevölkerung kämpfen, verbündet mit der privilegierten Oberschicht, die im Bunde mit den USA auf einen Putsch aus ist, hat das aber einen ganz anderen Charakter als ein normaler Arbeitskampf. Daß hierzulande auch Gewerkschaften solche Fragen meist außer Acht lassen, sagt auch etwas über sie selbst als Gewerkschaften in einem international besser gestellten Land aus. Wer in dieser Hinsicht mit wachem Blick hinsieht, ist davon nicht überrascht.
Mit dem Sinken der Ölpreise, was nicht zuletzt von den USA bewußt vorangetrieben wird und wurde, und einer finanziellen Boykottpolitik der USA und Vasallen zeigt dieses Konzept seine Schwäche. Milliarden an Vermögen werden der Verfügung der Staatskasse entzogen. Nun geht ein ganzer Teil der Verbesserung wieder verloren, wenn nicht alles davon. Eine Revolution, die nur auf Umverteilung aus ist, auf staatliche Zuschüsse an die Armen aus den Öleinnahmen, das ist leider nicht „nachhaltig“, um einen gängigen Ausdruck zu benutzen, nicht genug an Konzeption, um langfristig gegen den Druck der imperialistischen Länder anzukommen. Auch wenn das mit ehrenwerten Absichten geschieht. Das hätten auch den linken und vermeintlich linken Kräften, die mit der Bolivarischen Revolution engen Kontakt hatten, klar sein müssen, statt daß sie diese Revolution in den Himmel hoben und lobhudelnd vom Sozialismus des 21. Jahrhunderts sprachen. Aber da die Lobhudler oft selbst einer wirklichen sozialen Revolution abgeschworen haben, ist das nicht wirklich verwunderlich, daß sie Illusionen unterstützen, die sie selbst haben. Und daß die USA in ihrem „Hinterhof“ keine Ölexportnation tolerieren, die sich unabhängig von ihnen machen will, das ist auch klar. Da haben sie ganz andere Maßstäbe als beispielsweise für andere in der Krimfrage.
Natürlich ist das Geld, der Propagandaapparat, der Subversionsapparat, der Militärapparat der USA hinter den Vorgängen unverkennbar. das kann im Grunde jeder erkennen, der dort wirklich etwas erkennen will. Was gegenwärtig vor sich geht, ähnelt doch sehr den Methoden der „Farbenrevolutionen“. Daß sich die Maduro-Regierung immer noch dagegen hält, spricht eher für einen Rückhalt bei großen Teilen der Bevölkerung. Einer Minderheit im Lande eine bessere Stellung zu versprechen, um dann von ihnen günstig das Öl zu bekommen, das ist doch ein Grundkonzept des modernen Neokolonialismus, wie ihn die USA verkörpern. Dieses Konzept steckt auch hinter der Schaffung Saudi-Arabiens, das als Staat eine solche Minderheit im arabischen Raum verkörpert, wie hinter Kuwait und ähnlichen Staatsgebilden. Allerdings ist dieses Konzept auch schon älter und schon vom britischen Kolonialismus in der Region des Mittleren Ostens eingeführt worden, dessen Erbe die USA dort übernommen hat. Und perfiderweise verschlechtert man erst erheblich das Leben der Einwohner mit den Boykottmaßnahmen und dem Ölpreisdumping und verspricht ihnen gleichzeitig eine Verbesserung, wenn sie sich den USA an den Hals werfen. Das haben die USA und ihre Vasallen schon oft so gemacht.
Daß manche in der hiesigen Linken solche Faktoren zumeist nicht klar beim Namen nennen, sogar manche in die imperialistische Propaganda mit einstimmen, sagt auch etwas über sie selbst aus, denn im eigenen Lande setzt man sich meistens mit solchen Fragen der internationalen Ausbeuterordnung auch nicht gern auseinander. Dabei kann man heute gesellschaftliche Fragen nicht mehr im richtigen Zusammenhang erkennen, wenn man die internationalen Zusammenhänge ausblendet. Wer im eigenen Land Lohnabhängiger ist, kann international trotzdem heute zu einer Minderheit gehören, der es vergleichsweise besser geht, als Milliarden anderen auf der Welt. Wenn er Angst um diese Stellung hat, hat er doch scheinbar mehr zu verlieren als seine Ketten und denkt auch entsprechend.
Ich sage scheinbar, weil das auch Einbildung sein kann. Vielleicht ist er ja vom Kapital schon längst abgeschrieben und macht sich in Wirklichkeit Illusionen über seine Perspektive in dieser Gesellschaft. Das internationale Kapital hat tatsächlich einen großen Teil der hiesigen Arbeiterschaft längst abgeschrieben, hat hierzulande viele in Hartz IV gebracht und will sie demografisch beseitigen. So will man das kämpferische soziale Potential in diesem Lande beseitigen. Allerdings ist das Proletariat international enorm gewachsen. Wenn es sich international politisch vereinigt, kann es die Kraft entwickeln, dem Kapital auf neuer Stufe Paroli zu bieten. Der heutige Stand der fortgeschrittenen kulturellen und technischen Entwicklung macht nicht nur die internationale Vernetzung des Kapitals und ihrer Agenten möglich, sondern grundsätzlich auch die internationale politische Zusammenarbeit der proletarischen Kräfte. Und das in einem Maße, wie das nie vorher möglich war. So kann langfristig eine Gegenkraft zum Imperialismus geschaffen werden.
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