Intenet Statement 2019-26

   

 

Right or wrong – my master

Die grüne Richtung und die USA

 

Wassili Gerhard  19.05.2019

Der Berliner Tagesspiegel hat sich mal wieder damit hervorgetan, in den Chor einzustimmen, wenn es Kriegspropaganda gibt. Der Ex-Chefredakteur und heutige Herausgeber Casdorff bringt den Laden am 16. Mai auf Kurs in der Hatz gegen den Iran. Auf der ersten Seite unter „Empörung ist nur ein Wort“ heißt es da:

„In Nahost gibt es nicht mehr Sicherheit und Stabilität. Wegen des Iran. Und im Iran selbst gibt es nicht mehr Demokratie, nicht mehr Menschenrechte und andererseits nicht mehr Unterstützung von Terrorgruppen im Ausland. Oder weniger Antisemitismus.
Zurückhaltung gegenüber totalitären, antisemitischen Regimen ist eine Zumutung.“ (Tagesspiegel vom 16.05.19, Seite 1)

Mehr kann man einem Kriegskurs gegen den Iran nicht nach dem Munde reden. Inhaltlich paßt das übrigens so ähnlich auch für den USA-Verbündeten Saudi-Arabien oder Katar, wo die USA ihren wichtigsten Stützpunkt in der Region haben. Und wenn man statt Antisemitismus anti-arabischen Rassismus setzt, trifft das auch für Israel zu, das seine Nachbarländer wiederholt mit militärischen Überfällen überzogen hat. Ein Land, wo jemand, der eine Mutter der „falschen“ Ethnie hat, diskriminiert wird. Wo schwarze Immigranten gewaltsam nach Uganda oder Ruanda deportiert werden sollten, weil sie nicht in das ethnische Design passen. Wo die ursprünglichen Einwohner des Landes jeglicher Art von Diskriminierung unterworfen sind, wo Menschenrechte also nicht in gleicher Weise für alle Einwohner gelten, sondern völkische Prinzipien herrschen.

 

Und haben die bisherigen verbrecherischen Militärinterventionen, insbesondere die der USA gegen Irak oder Libyen, die dennoch weiter gerechtfertigt werden, in der Region die fortschrittlichen Bewegungen gestärkt, oder nicht tatsächlich die Verhältnisse in katastrophalem Maße verschlimmert, riesige Flüchtlingsströme verursacht, erst richtig den Boden für Al Quaida und ISIS bereitet? Na und? Right or wrong - my master. Wenn nötig auch mit der „falschen“ Regierung Trump.

 

Ein Blatt, das auch immer ganz besonders die grünen Vorhaben unterstützt, tut sich in dieser Weise hervor - Zufall? Ganz und garnicht. Schon in den letzten Jahren ist aufgefallen, daß es beim Tagesspiegel nach dem Motto ging: Clinton oder Trump - Hauptsache Hegemoniemacht USA. Auch der schon mehrfach aufgefallene Tagesspiegel-Autor Malte Lehming schrieb vor Tagen „Populärer US-Präsident - Donald Trump wird immer beliebter“.

 

Die grüne Richtung ist eben zutiefst mit der Clinton-Obama-Richtung in den USA verbandelt, ihre ganze Klimakampagne verbindet sie mit dieser Richtung, von der bzw. auch von deren Vorgängern diese Klimakampagne nicht wenig angekurbelt wurde, und die auch überhaupt für die grüne Politik wichtige Impulse gegeben haben. Die EU alleine wäre zu schwach, diese Politik international durchzusetzen, und so setzt man darauf, daß diese Richtung, die mit den großen Finanzinvestoren wie z.B. Blackrock verbandelt ist – beim Wahlsieg Hillary Clintons hätte sich deren Chef schon als neuer Finanzminister gesehen – sich früher oder später wieder durchsetzen wird und auch unter der Trump-Regierung ihren Einfluß geltend macht. Auch hier sitzen diese Finanzinvestoren in allen großen Unternehmen, von Deutsche Wohnen bis Daimler.

 

Ein Vorreiter in den USA ist zum Beispiel der New Yorck Times-Autor und Publizist Thomas L. Friedman, früherer Berater der Joschka-Fischer-Freundin und US-Außenministerin Madeleine Albright, der exemplarisch Weltmachtpolitik der USA mit der grünen Klimakampagne verbindet, sei es das Lob von Mannschaftszelten der USA-Armee mit Solartechnik, die Unterstützung des Aggressionskrieges gegen den Irak oder überhaupt das Preisen der sogenannten „grünen Energien“ als Mittel, die Ölstaaten klein zu kriegen, die seiner Meinung nach unverdient Einfluß und Macht haben, weil sie auf Naturreichtümern sitzen. Denen will man - na was wohl? - wie üblich Demokratie bringen, allerdings ausdrücklich indem man sie erst einmal klein kriegt. Und das mit der Demokratie ist offensichtlich einfach traditionelle Rhetorik und kann getrost vergessen werden.

 

Auch läßt er die Kleinigkeit aus, daß bei der Einrichtung undemokratischer Regime dort der Einfluß des Kolonialismus und Imperialismus, ab einer bestimmten Zeit unter der Führung der USA, eine wichtige Rolle spielte. Auch im Iran haben sie gegen die Regierung Mossadegh geputscht, als diese dort eine demokratische eigenständige Entwicklung in Gang setzen wollte, aber eben auch das Öl nicht weiter billig ins Ausland verschleudern wollte. Sie haben das blutrünstige Regime des Schah, wo schon der private Besitz einer Schreibmaschine verfolgt wurde, mit an die Macht gebracht und bei dessen Sturz durch das Volk lieber das Mullahregime haben wollen, als eine fortschrittliche gesellschaftliche Entwicklung.

 

Jetzt haben sie mit Sicherheit auch die allergrößte Furcht davor, daß die Iraner selbst das Mullahregime abwerfen. Das werden sie auch sicher irgendwann tun, wenn man sie läßt. Da muß man den Iran nach ihrer Logik vorher kaputt bomben, denn moderne entwickelte Länder in Kombination mit Ölreichtum wollen sie in der Praxis dort partout nicht hochkommen lassen. Währenddessen verschafft der Druck von außen den Mullahs die Möglichkeit, sich als Verteidiger der Unabhängigkeit zu profilieren, was ihre Stellung nach innen stärkt.

 

Allenfalls wollen sie solche Staaten wie Saudi-Arabien oder Israel – jedenfalls vorerst –, die so beschaffen sind, daß sie ihren Schutzschirm brauchen. Auch bei der Etablierung Saudi-Arabiens, wo man einer fundamentalistischen Sekte einen ölreichen Staat verschaffte, war der Einfluß erst des britischen und dann des USA-Imperialismus wirksam. Man schuf einen Staat, der den Tendenzen des arabischen Nationalismus feindlich gesonnen war, weil schon ein Nationalstaat ihren reaktionären islamistischen Prinzipien widerspricht, und er ist heute neben Israel der wichtigste Verbündete in der Region. Aber diese Länder sollten sich auch nicht zu sehr darauf verlassen, denn die USA sind pragmatisch genug, bei Bedarf frühere Alliierte fallen zu lassen wenn es in das Konzept paßt. Denen werden zur Not als Begründung die Verbrechen angelastet, wegen denen sie vorher unterstützt wurden. Da ist man völlig pragmatisch.

 

In seinem Buch „Was zu tun ist. Eine Agenda für das 21. Jahrhundert“Anm. 1 schreibt Friedman:

„Bisher haben die staatlichen Fonds der Golfstaaten bei der Bewältigung der amerikanischen Hypothekenkrise eine sehr positive, stabilisierende Rolle gespielt. Doch man kann sich kaum vorstellen, daß sie ihre ökonomische Stärke nicht auf Dauer in politische Stärke umsetzen. Schließlich haben Amerika und Großbritannien genau das auch getan, als sie finanziell stark waren. Sie benutzten das Geld, um ihre nationalen Interessen im Ausland durchzusetzen.“ (Seite 144)

Das ist eben USA-Logik. Wir haben sie so groß werden lassen, weil wir das Öl brauchten, aber nun wollen sie sich herausnehmen, so ihre ökonomische Macht auszunutzen, wie wir das getan haben. Das geht natürlich nicht, wo kommen wir da hin? Wenn die Saudis und Iran sich gegenseitig an die Gurgel gehen, was werden die USA wohl mit demjenigen tun, der dann, durch die Auseinandersetzung geschwächt, die Oberhand behält? Da sollte man sich zum Beispiel den Krieg zwischen Iran und Irak als Beispiel nehmen.

 

Die strategische Auseinandersetzung mit China ist bei der grünen Richtung auch prinzipiell angelegt. Beim Vordenker der Klimakampagne Thomas L. Friedman, an den aktuell wieder eine große Kampagne aus den Reihen der Demokraten anknüpft, die hier in den Medien positiv herausgestellt wird, ist die grüne Globalpolitik untrennbar mit dem US-amerikanischen Hegemonieanspruch verbunden. Die grüne Technik, wegen der die bisherige Technik überall verschrottet werden soll, und die dann solche Länder kaufen sollen, die sich entwickeln wollen, statt etwa eigene Ressourcen auf konventionelle Art zu nutzen und sich so zu entwickeln, wie die USA oder Europa das getan haben, ja, die sollen sie vor allem in den USA kaufen müssen. Das soll nämlich der Hegemonie der USA einen gewaltigen Schub geben. Zitat:

» One day Iraq, our post-9/11 trauma and the divisiveness of the Bush years will all be behind us — and America will need, and want, to get its groove back. We will need to find a way to reknit America at home, reconnect America abroad and restore America to its natural place in the global order — as the beacon of progress, hope and inspiration. I have an idea how. It's called "green." « (The New York Times Magazine, 15.04.2007, „The power of green“)

Da macht aber inzwischen zunehmend China die Position streitig! (Auch deutsche Träume von einer Führerschaft bei der Solartechnik und ähnlichem sind inzwischen geplatzt.) Die sind heute auch in der Lage dazu, und das noch zu niedrigeren Preisen, was sie noch mehr zu den strategischen Gegnern Nr. 1 in der Welt macht. Und der Iran gehört im Übrigen auch zu den Ländern, zu denen China enge wirtschaftliche Beziehungen pflegt.

 

Manchen gefällt es auf jeden Fall ganz offensichtlich überhaupt nicht, daß Irak und Iran sich einigermaßen konsolidieren, daß sich in Syrien die Assad-Regierung weiterhin hält, deren Beseitigung die USA doch vollmundig nach dem verbrecherischen Irakkrieg als nächstes verbrecherisches Vorhaben angekündigt hatten. Obwohl sie es dann geschafft haben, daß Syrien mit irakischen Flüchtlingen von 1,5 Millionen - sehr viel für ein kleines Land mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten - und Anheizung der inneren ethnischen und religiösen Widersprüche, vor allem von Saudi-Arabien und den Golfstaaten ausgehend, mit Förderung eines „Gotteskrieger-Tourismus“ (nicht nur) nach Syrien, in schwere innere Unruhen verstrickt wurde. Al Quaida-nahe Milizen, sonstige Islamisten und IS wurden dort hochgepuscht und hochgerüstet mit Waffen für Milliarden, aber diese Regierung hat sich gehalten, und das sicherlich nicht vorwiegend aufgrund russischer Unterstützung, sondern eher basierend auf der Unfähigkeit oppositioneller Kräfte im eigenen Land, besteht bis heute fort, ist sogar dabei, mit Idlib die letzte große Bastion der Islamisten zu erobern. Letzteres allerdings auch durch die militärische Unterstützung seitens Rußlands, das dort den einzigen Stützpunkt am Mittelmeer hat, also nicht ganz uneigennützig handelt. Aber ohne einen gewissen Rückhalt in einem Teil der Bevölkerung im Land selbst - trotz aller auch negativer Seiten - wäre das nicht möglich. Da muß doch die westliche Brandfackel unbedingt immer wieder hineingeworfen werden.

 

Inzwischen hat sich die Kriegspropaganda allerdings wieder abgeschwächt. Irgendwie hat es auch hinter den Kulissen Gespräche gegeben, anscheinend auch mit Vermittlung von Katar. Trump ist eventuell doch nicht aktuell auf Krieg aus, sondern wollte vielleicht wieder nur auf die Pauke hauen und Macht und Stärke demonstrieren, auch weil er innenpolitisch unter Druck ist. Man erinnere sich an Bill Clinton, der den Irak bombardieren ließ, weil er im Inneren unter anderem wegen seiner Sexaffäre unter Druck stand und sein Rücktritt gefordert wurde. Aber, nicht zu vergessen, später gab es dann doch die große Irak-Invasion. Es muß also weiterhin sehr wachsam geblieben werden.

 

In den USA selbst ist das natürlich auch ein gefährliches Spiel, aber auch ein willkommener Anlaß, Trump auf diesem Pfad vorwärts zu treiben, insbesondere auch von Seiten der Gegenfraktion. Von Hilllary Clinton hatte man ja genau eine solche Politik erwartet. Die brisanten Widersprüche in der Region des Mittleren Ostens bleiben jedenfalls bestehen, sie wurden durch die Einmischung der rivalisierenden lokalen und internationalen Kräfte zeitweilig auf die Spitze getrieben und können jederzeit hochgehen, mit wenig vorhersehbaren Folgen. Es bleibt weiter gültig, was Mao Zedong einst richtig feststellte: Entweder die Revolution verhindert den Krieg, oder der Krieg ruft die Revolution hervor. Und die Notwendigkeit von Revolutionen ist nicht nur deshalb so groß wie nie zuvor.

 


Anm. 1  Thomas L. Friedman „Was zu tun ist. Eine Agenda für das 21. Jahrhundert“ Suhrkamp 2010.

 

 

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