Internet Statement 2019-81
Kein Mensch kann an der
objektiven Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung
etwas ändern Was man aber kann und tun sollte, das ist sich auf die Seite des Fortschritts stellen und gegen die reaktionären, an der Fortsetzung der Ausbeutung interessierten Kräfte kämpfen
Maria Weiß 27.12.2019 Was war eigentlich der Hauptfehler dieser so genannten Dissidenten im östlichen europäischen Bereich? Nicht daß sie Kritik an den bestehenden Verhältnissen hatten. Nein. Das war gut. Aber sie hatten keinerlei Konzept dagegen, außer einer Anbetung des Westens. Und das war eben zu schwach, das konnte keinen Bestand haben, und deswegen wurde diese Bewegung zwischen den beiden Blöcken letztendlich zerrieben, oder anders ausgedrückt vom Westen mehr oder minder aufgesogen. Was hat denn die ganze „Befreiung“ der ehemaligen sozialistischen Staaten des so genanten Ostblocks hervorgebracht? Sie hat nicht viel mehr hervorgebracht als eine Ruinierung des bestehenden Systems und eine Umwandlung oder teilweise Umwandlung durch das kapitalistische System, welche ja meistens eine Art Integration in den Westen zur Folge hatte. Etwas Eigenes, was sozusagen Kritik an beiden zu verwirklichen fähig gewesen wäre, das hat es nicht gegeben, unseres Wissens jedenfalls nicht.
In gewisser Hinsicht hat diese Bewegung, welche schließlich zur Auflösung eines Großteils des ganzen Blocks im Osten geführt hat, eine gewisse Ähnlichkeit mit dem sogenannten Arabischen Frühling. Beiden ist gemeinsam das Fehlen eines eigenen sozialen Konzeptes, mit dem man seine Kritik hätte verwirklichen können. Und wer in beiden Fällen daraus profitiert hat, das ist bekannt. Das ist jedes Mal der sogenannte Westen unter der Herrschaft des USA-Imperialismus. Sie waren es, die daraus profitiert haben, zusammen mit fast sämtlichen Staaten der damaligen Europäischen Union, sowohl aus der Kritikbewegung im sogenannten Ostblock an der angeblichen oder auch tatsächlichen russischen Diktatur, als auch im Mittleren Osten mittels des so genannten Arabischen Frühlings, angefangen mit dem Sturz und der bestialischen Ermordung der libyschen Regierung. Offenbar ist es sehr schwierig, unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen, seine Kritik auch tatsächlich in etwas konstruktiv Neues umzusetzen. Das sollte mal untersucht werden, warum das so ist.
Auch unsere eigenen Erfahrungen in Deutschland mit der sogenannten Wiedervereinigung ist von ganz ähnlicher Struktur. Und die Frage, welche Ursachen das hat, die dürfte auch für unser Land von großem Interesse sein. Was mir daran spontan von großem Interesse scheint, das ist die Frage des Verhältnisses der Demokratie zur sozial-ökonomischen Struktur der Gesellschaft. Demokratie bedeutet von ihrem Ursprung her Volksherrschaft. Aber was ist eine Volksherrschaft, wenn das Volk sich spaltet? Und zwar in der materiellen Basis, in punkto Besitz- und Eigentumsverhältnisse? In Eigentümer an Grund und Boden und an den Produktionsmitteln auf der einen Seite und Eigentums- und Besitzlose auf der anderen, welche gezwungen sind, durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft ihren Lebensunterhalt zu bestreiten? Und weiter: Was ist, wenn letzteres Verhältnis nur formal aufgehoben ist, sich aber in der Realität weiter praktisch spaltet, so wie im Revisionismus es der Fall war und ist. Wie bekommt man es hin, dieses Problem zu lösen? Ich denke, daß der chinesische Revolutionär Mao Zedong dafür ganz wichtige Hinweise gegeben hat. Aber das war eben in China, und in China sind die Verhältnisse wieder speziell, und man kann das auch nicht einfach nahtlos auf die ganze Welt übertragen. Daher bleibt nichts anderes übrig, als daß jedes Land, die betroffenen Menschen, die Revolutionäre es versuchen selbständig zu analysieren und in den Griff zu bekommen und daraus etwas Neues zu entwickeln.
Die Frage der Demokratie, diese richtig in den Griff zu bekommen, ist dabei ein Kettenglied. Einer der größten Fehler, den man in dieser Hinsicht machen kann, ist es, anzunehmen, daß diese Frage einfach zu lösen ist. Es hat schon seinen Grund, warum bislang all jene Gesellschaften, die versucht haben, eine Art Sozialismus zu schaffen, an eben dieser Frage gescheitert sind. Es bleibt uns daher nicht erspart, genau dieses Problem zu untersuchen. Es ist eben nicht so einfach, mit einer Diktatur des Proletariats, wenn zum Beispiel dieses Proletariat überhaupt keine sozialen Erfahrungen hat. Wie soll man das denn einfach aus dem Boden stampfen?
Eine weitere Frage, die zu untersuchen sich hier ergibt, ist die: Wie hängt die Frage der Demokratie mit der Frage der internationalen Ausbeutung zusammen? Wie sieht eigentlich konkret die soziale Emanzipation der unterdrückten Klasse des Proletariats aus? Ich habe den Eindruck, daß man sich über diese Schwierigkeit zu wenig Gedanken gemacht hat. Es reicht nicht, wenn die neue Gesellschaft, die neue Klasse oder Schicht eine solche Gesellschaft anführt, zwar das richtige Bewußtsein in dieser Hinsicht hat, aber die Masse der Bevölkerung es eben nicht hat. Mao Zedong hat versucht, dieses Problem anzupacken und hat wichtige Hinweise in diese Richtung gegeben.
Aber das reicht noch nicht. China war ein wenig entwickeltes Land. Die entwickelten Staaten auf der Welt, die haben ganz andere Probleme in dieser Hinsicht, und die muß man erstmal zur Kenntnis nehmen und studieren. Vor allen Dingen haben Letztere nicht nur eine bürgerliche, sondern auch eine kolonialistische Ausbeutertradition, die sich heute teilweise in modernen Formen weiter vollzieht. Auch diese muß man mit berücksichtigen. Kommunisten haben heutzutage nicht nur die bisherigen Erfahrungen der verschiedenen Versuche, einen Sozialismus aufzubauen und daraus zu lernen, sondern sie müssen sich auch überlegen, wie sie das mit ihren eigenen konkreten Verhältnissen in Einklang bringen, wie man das hier zum Beispiel umsetzt. Zum Beispiel in Europa, welches eine kolonialistische Tradition von Jahrhunderten hat, und außerdem auch noch Formen kolonialistischer Praktiken nach wie vor hegt und aufrecht erhält. Wie soll man das da umsetzen? Vielleicht hat ja Lenin, der russische revolutionäre Führer mit seiner Analyse recht gehabt, daß es letztlich die unterdrückten Völker und Nationen sein werden, welche als erste den Versuch der sozialen Umwälzung dauerhaft Wirklichkeit werden lassen, denen dieses gelingen wird.
Das ist allerdings schon eine ganze Weile her, daß er diese Äußerung gemacht hat. Wie sieht es denn heute aus, wenn man sich die unterdrückten Völker und Nationen ansieht? Schauen wir doch nach Afrika. Wie sieht es dort damit aus? Die Menschen in den afrikanischen Staaten haben selbst wiederum ganz andere Erfahrungen als andere Kontinente. Wie will man da den sozialen Bestrebungen zum Durchbruch verhelfen, diese unterstützen? Ein einfaches Lösungsmittel, das gibt es nicht. Das kann man sich abschminken. Der chinesische Leumund hat gegenwärtig in afrikanischen Staaten einen ganz anderen Geschmack, einen ganz anderen Einfluß und ganz andere Auswirkungen als etwa den sozialen Fortschritt auszustrahlen. Im Gegenteil, er hat eher die Wirkung früherer Kolonialräuber. Wobei man nicht den Fehler machen sollte, das etwa mit China gleich zu setzen, schon gar nicht mit dem früheren revolutionären China unter Mao Zedong. Das ist alles sehr kompliziert und erfordert sehr viel Vermögen zu differenzieren, aber natürlich ohne das Kettenglied des Kampfes für den sozialen Durchbruch weltweit aus den Augen zu verlieren. Man braucht daher ein sehr offenes Auge für neue Entwicklungen und ist genötigt, dabei ständig auf dem eigenen Globus herumzuwandern.
Was entwickelt sich gegenwärtig in Südamerika? Da gibt es auch Bewegungen, was wollen diese? Was haben sie für Zielsetzungen? Es wird oft viel zu sehr vernachlässigt, das zu analysieren und erst recht damit Verbindungen aufzunehmen. Man bräuchte einen ganzen Stab, der ständig auf der ganzen Welt sein Auge hat und herumreist und analysiert, was sich entwickelt. Die Bourgeoisie hat so etwas, wir haben es nicht, aber wir sollten versuchen, es aufzubauen. Und ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist der Folgende: Wir sollten auch versuchen, es an die nachfolgenden Generationen zu vermitteln. Die nehmen das ganz anders wahr, die kennen solch eine soziale Denkweise zum Teil gar nicht mehr, sondern bewegen sich vor allem in angeblichen Klimaproblemen. Was ist denn, wenn es uns nicht mehr gibt? Vieles wird sich auf Grund der objektiven Widersprüchlichkeit auch neu entwickeln, darum braucht man sich nicht zu sorgen. Aber die Erfahrungen von Generation zu Generation sind es auch wert, weitergegeben zu werden. Ich will ja nicht bestreiten, daß es nicht schon Schwierigkeiten in der eigenen Familie gibt, so etwas fortzupflanzen. Dann ist das eben so. Aber es gibt auch noch Menschen, die nicht der eigenen Familie angehören, und wenn man sich an Alle richtet, dann hat man vielleicht größere Chancen.
Ausblick auf das kommende Jahrzehnt
Nicht der so genannte Umweltschutz ist das entscheidende Thema, sondern die Menschenwürde, das Recht auf Entwicklung, und das gilt es überall auf der Welt durchzusetzen. Menschenwürde - das beinhaltet vor allem das Recht auf Emanzipation, und das erfordert eben die Abschüttelung der rückständigen Herrschaftsverhältnisse auf der ganzen Welt. Nicht die Umwelt gilt es zu retten, sondern das Verhältnis des Menschen zum Menschen, und das gilt es vor allem zu revolutionieren. Weg mit dem System der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, überall auf der Welt. Und da haben wir natürlich einen Feind, und das ist die herrschende Ausbeuterklasse selbst, welche gegenwärtig unter dem Vehikel des so genannten Umweltschutzes ihre eine Ausbeuterherrschaft vor der Revolution zu schützen bestrebt ist. Und hier schließt sich der Kreis der Dummheiten und die Spirale der Erkenntnis sollte sich öffnen. Nicht „Ich weiß, daß ich nichts weiß“ ist die Richtschnur, sondern „Ich weiß, daß ich nicht genug weiß“ und wir halten fest, daß dieses verdammte Ausbeutungssystem des Menschen durch den Menschen beseitigt werden muß. Nicht die Umwelt ist in Gefahr, sondern es sind die Menschen, wenn dieses System nicht beseitigt und durch ein Besseres ersetzt wird.
Man sieht es heute u. a. an der Tatsache, daß einen Krieg anzuzetteln auch das Risiko der eigenen Vernichtung einschließt. Trotzdem wird es passieren, weil die objektiven Widersprüche nicht danach fragen, ob es den Menschen paßt oder nicht. Wer also diesen imperialistischen Krieg verhindern will, der sollte die soziale Umwälzung fördern. Einen anderen Ausweg gibt es nicht, so sehr Grüne und andere reaktionäre gesellschaftliche Kräfte sich auch bemühen, das Gegenteil durchzusetzen. Man kann aber kein Anti-Kriegs Propagandist sein, ohne zugleich die soziale Umwälzung zu fördern. Nicht die grüne Ablenkung ist es, die diesen verhindern kann, sondern es sind Diejenigen, welche den Klassenkrieg vertreten und vorantreiben. Es mag sein, daß der eine oder andere Mensch das nicht versteht oder auch nicht will. Wir wollen das auch nicht, aber kein Mensch kann an der objektiven Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung etwas ändern. Was man aber kann und tun sollte, das ist sich auf die Seite des Fortschritts stellen und gegen die reaktionären, an der Fortsetzung der Ausbeutung interessierten Kräfte kämpfen. Die Entwicklung der Gesellschaft hat eben auch ihre Gesetzmäßigkeiten, und an diesen kann kein Mensch etwas ändern. Was man aber ändern kann, ist seine Einstellung, es ist die bewußte Umformung der eigenen Erkenntnisfähigkeit, welche gefragt ist und welche man lernen und vorantreiben sollte. Wenn man es mal versucht hat, dann wird man feststellen: das geht. Das ist zwar unbequem, aber es geht.
Ein ganz wesentlicher Punkt für die Degeneration sämtlicher bisheriger Versuche, eine gerechtere Gesellschaftsordnung aufzubauen als das System kapitalistischer Ausbeutung, scheint mir der folgende zu sein: In allen bisherigen Sozialismen ist der gesellschaftliche Wettstreit erstorben, was eine Gesellschaft ruiniert. Was aber ist der Grund dafür? Der scheint mir derjenige zu sein, daß man es nicht vermocht hat, ein gerechtes gesellschaftliches System, in dem jeder die gleichen Chancen hat, so aufzubauen, daß andererseits auch der individuellen Leistung Rechnung getragen wird. Letzteres aber muß sein, denn sonst verfällt eine Gesellschaft in Stagnation, und diese ist sowohl für Kapitalismus als auch Sozialismus der Todfeind Nr. 1.
Die Tatsache, daß so viele ehemals sozialistische Staaten gescheitert sind, heißt nicht, daß der Sozialismus falsch ist, sondern bedeutet nur, daß man eben nicht alles im ersten Anlauf schaffen kann. Ich denke aber, die Menschheit ist lernfähig und es wird geschafft.
www.neue-einheit.com www.neue-einheit.de
|