Internet Statement 2020-13
Wie bitte? Die „Sicherheit Deutschlands“ wird neuerdings auch noch im Irak, in Libyen und im Sahel verteidigt? Kein reaktionärer Unfug ist so dümmlich, daß er nicht noch übertroffen werden kann
Wassili Gerhard 19.02.2020 Heiko Maas zitierte auf der gerade zuende gegangenen Münchener Sicherheitskonferenz den ehemaligen Verteidigungsminister Peter Struck mit dem Ausspruch, die Sicherheit Deutschlands werde auch am Hindukusch verteidigt. Er ergänzte das laut Presseberichten noch: "Man muss heute hinzufügen - auch im Irak, in Libyen und im Sahel – aber eben genauso am Verhandlungstisch in New York, Genf oder Brüssel" Voltaire soll einmal gesagt haben: "Je öfter eine Dummheit wiederholt wird, desto mehr bekommt sie den Anschein der Klugheit." Das scheint eine Hoffnung von Maas (wie von AKK) zu sein. Das klappt aber nicht immer.
Was will Maas am Hindukusch, in Irak, Libyen und im Sahel verteidigen?
Er will die gegenwärtige Weltordnung verteidigen, in der eine kleine Zahl wohlhabender Länder die übrige Welt ausbeutet. Was hierzulande für wenig Geld zu kaufen ist – aber auch durchaus manches Teure – ist immer öfter woanders in der Welt von Menschen produziert worden, die von ihrem Einkommen gerade so überleben oder nicht einmal das. Die Welt wird, grob vereinfacht gesagt, eingeteilt in Länder, wo produziert wird und die ausgebeutet werden, und die mit den Konsumenten von deren Produkten. Daß die heute reichen Länder oben bleiben in dieser Ordnung, auch wenn das für Milliarden Hunger, Elend, Krankheit und Tod bedeutet, wird durch eine Weltordnung ermöglicht, die dafür die Regeln durchsetzt. Für diese Weltordnung soll die Bundeswehr verstärkt eingesetzt werden. Das verbirgt sich hinter der Phrase „Mehr Verantwortung übernehmen.“
Da dieses Land immer mehr von der internationalen Ausbeutung lebt, gestützt auf den aufgehäuften Geldreichtum, auf Kapitalexport, Rohstoff-Plünderung zu Tiefstpreisen, auf Finanzspekulation, braucht es dafür eine internationale Ordnung, die zur Not mit Krieg dafür sorgt, daß andere Länder weiter ihre natürlichen Ressourcen gegen immer öfter schuldenbasierten Geldreichtum tauschen. Speziell die USA können einfach ein Schuldenloch aufreißen und echte Werte in aller Welt mit den selbst gedruckten Dollars kaufen, weil der Dollar immernoch internationale Handelswährung ist. Und wehe dem, der dieses System nicht mehr akzeptiert, dann haben sie ja noch das mit Abstand größte Militärpotential.
Manche wollen ihr Gewissen heute damit beruhigen, daß sie die Folgen dieser Ordnung auf den Klimawandel schieben statt auf die wirklichen Ursachen und damit noch helfen, diese Weltordnung länger am Leben zu halten. Statt Kampf gegen die Verursacher, wozu nicht zuletzt Klassenkampf gehört, gehen sie gemeinsam mit den Ausbeutern, die sich selbst immer grüner gebärden, gegen die angeblich schuldige Menschheit. Die Ansicht, die Menschen müßten aus ihrer „Wohlfühlzone“ herauskommen, um den Weltuntergang – den wievielten angekündigten Weltuntergang eigentlich mittlerweile? – zu verhindern, ist einerseits auch Klassenkampf nach innen gegen die Ärmeren, und lenkt völlig davon ab, daß Milliarden auf der Welt keine Wohlfühlzone haben, daß sie Entwicklung und gesellschaftlichen Fortschritt brauchen, damit zum Beispiel, um einen krassen Fakt zu nennen, nicht mehr alle 10 Sekunden ein Kind unter 5 Jahren an Hunger stirbt, und noch mehr Menschen an den Folgen, beispielsweise an Krankheiten, denen sie wegen Hunger und schlechter Lebensbedingungen nicht genug Widerstandskraft entgegensetzen können, obwohl längst, angesichts der modernen landwirtschaftlichen Möglichkeiten – ebenfalls in der Klimakampagne verteufelt – genug Lebensmittel für alle produziert werden können, wie auch überhaupt ein besseres Leben für alle längst möglich ist. Aber nicht jedem gefällt diese Vorstellung. Wo kommen wir denn da hin, wenn alle so gut leben wie in den reichen Ländern, gar wie die Wohlhabenden dort?
Thomas L. Friedman, einer der Vordenker der Klimapolitik aus den USA, der schon vor über einem Jahrzehnt einen sogenannten „Code Green“ als neue Mission der USA in der Welt propagierte, der den Kampf gegen den Kommunismus ablösen soll, malte schon 2008 ein Bedrohungsszenario aus in dem Buch „Was zu tun ist. Eine Agenda für das 21. Jahrhundert“, in dem er die grüne Klimapolitik vehement fordert als Projekt, mit dem die USA wieder great werden sollen: „Und wenn die gegenwärtigen Trends in der Gesundheitsversorgung [in Indien] anhalten, werden viele dieser neuen Münder [mit höheren Ansprüchen als ihre Väter] 10 Jahre älter. Es wird also mehr Menschen geben, die wie Amerikaner leben, und dies auch noch länger als je zuvor. [...] All dies wirft eine einfache aber grundlegende Frage auf, sagt Moses Naim, Herausgeber der Zeitschrift Foreign Policy, in der Ausgabe von März/April 2008: ,Kann die Welt sich eine Mittelschicht leisten?‘“ (Seite 93) Ein paar Seiten weiter resümiert er: „Heißt das, die Amerikaner wollen nun nicht mehr, daß die Menschen so leben wie sie? Nein, das heißt,daß Amerika die Führung übernehmen muß, wenn es darum geht, neu zu bestimmen und neu zu erfinden, was es bedeutet, wie Amerikaner zu leben und was der „amerikanische Weg“ im Blick auf Energie- und Rohstoffverbrauch sein soll.“ Ähnliche Vorstellungen gibt es seit jeher im Kampf gegen die ehemals kolonialen Völker, die man in neokolonialer Abhängigkeit halten will, aber eigentlich überhaupt gegen die Massen auf der Welt, die ein besseres Leben fordern, die fordern, daß der Fortschritt der Produktivkräfte auch ihnen zugute kommt. Die wollen doch glatt ihre Rohstoffe für die eigene Entwicklung nutzen. Besseres Leben oder gar überhaupt menschliches Leben wird zur Zielscheibe gemacht. Heute machen sich die Grünen, die ihre Verwandtschaft mit Leuten wie Thomas L. Friedman bisweilen zu kaschieren versuchen, sogar für für höhere Lebensmittelpreise stark, ohne daß es einen Aufschrei gibt. Immer wieder kommen Anhänger dieser Richtung, die einfach mal die Logik zuende denken, zu dem Schluß, daß überhaupt die angebliche „Klimakatastrophe“ nur gestoppt werden kann, wenn die Bevölkerung weltweit drastisch reduziert wird, insbesondere heute in Afrika..
Zielscheibe Afrika. Immer öfter kann man die Ansicht lesen, daß aller „Kampf gegen den Klimawandel“ doch für die Katz ist, wenn nicht drastisch weniger Kinder geboren werden, zum Beispiel in Afrika. Dies ist das Reaktionärste, was es geben kann. Dieser in der Geschichte übel gebeutelte und ausgeplünderte Kontinent erwacht und strebt nach Fortschritt. Er könnte das Mehrfache an Menschen ernähren und ein Motor für den Fortschritt in der Welt werden, wenn sich auch gesellschaftlicher Fortschritt Bahn bricht. In einer Gesellschaft, die den Schöpferkräften der Menschen freien Lauf läßt, schafft jeder mehr, als er selbst verbraucht, heute ganz außerordentlich mehr. Also ist potentiell jeder Mensch mehr ein Mehr an Fortschritt und Weiterentwicklung, von Kreativität, eine Quelle von besserem Leben. Es sind reaktionäre gesellschaftliche Verhältnisse, nicht zuletzt durch das neokoloniale Weltsystem aufrecht erhalten, die das blockieren. Die angeblichen „Grenzen des Wachstums“ sind Pseudogrenzen, aufgestellt von Apologeten des Bestehenden, die jeder revolutionären Weiterentwicklung gegenüber feindlich eingestellt sind.
Das einst sozialistische China unter Mao Zedong hat es bewiesen, indem es in den ersten 30 Jahren seiner Existenz seine Bevölkerung verdoppelte und gleichzeitig den Hunger, der schon seit langem beinahe alljährlich Millionen vor allem Bauern dahinraffte, von deren extensiver Ausbeutung die Gesellschaft vorwiegend lebte, grundlegend beseitigte. Auch wenn dort heute wieder eine Ausbeutergesellschaft existiert, machte China, das schon auf dem Weg in eine Ansammlung von Kolonien gewesen war, in dieser Zeit einen gewaltigen Entwicklungssprung, ohne den das heutige industriell entwickelte, teilweise relativ moderne kapitalistische China nicht möglich wäre. Und übrigens bringt das in den Augen der alten imperialistischen Länder die Weltordnung nicht wenig durcheinander, daß das riesige China sich aus der kolonialen Schlinge gewunden hat und nun global als Konkurrent auftritt.
Das versaut auch den „Green Deal“ in einem gewissen Maß für sie, denn eigentlich wollten die USA und ihr Anhang ursprünglich das Monopol haben, allen die „klimafreundliche Technik“ zu verkaufen, ohne die sie sich nicht weiter entwickeln dürfen. China kommt ihnen nun als Konkurrent dazwischen. Es ist aus der Sicht der Masse der Ausgebeuteten immer besser, wenn nicht nur eine Macht in der Welt mit Abstand dominiert, auch wenn man China natürlich als globale Macht keineswegs nur positiv sehen kann. Mao Zedong beispielsweise verlangte noch wenige Jahre vor seinem Tod, daß China öffentlich erklärte, niemals eine Weltmacht werden zu wollen. Deng Xiaoping mußte das vor der UNO verlesen.
Schluß mit den neokolonialen internationalen Militäreinsätzen
Aber letztlich muß und wird der Kapitalismus – wie auch andere Ausbeuterordnungen zuvor – weltweit beseitigt werden, auch in China, sonst wird es zum Beispiel auch immer wieder zu Kriegen kommen. Das zeigt auch die gegenwärtige Weltlage ganz deutlich. Der ganze Mittlere Osten ist vorsätzlich in ein völliges Chaos gestürzt worden, das sich Richtung Afrika fortsetzt, und all die ach so humanen Friedensinitiativen, für die sich jetzt auch noch die Bundeswehr nach Meinung von Maas und AKK verstärkt einsetzen soll, wollen vor allem Eines: Diesen Zustand unbedingt aufrecht erhalten, den die übelsten Ausbeuter dieses Landes und ihr Anhang, eines Lande, das sich unter dem Schirm der USA immer mehr als globale finanzkapitalistische Macht zu gebärden versucht, dringend brauchen, darum geht es. Und da die USA allein damit auch immer mehr ihre Schwierigkeiten haben, muß man nach Ansicht solcher Kräfte eben „mehr Verantwortung übernehmen“.
In Libyen hat man seitens der Nato, mit Hilfe von Stammeskriegern und Islamisten von überall her, die als Bodentruppen für die Nato-Luftwaffe fungierten, ein prosperierendes Land, das keine Schulden hatte und eine Stütze für Bestrebungen zur afrikanischen eigenständigen Entwicklung war, kaputt geschlagen. Viele schwarzafrikanische Arbeiter hatten dort vorher Arbeit, die nach dem „humanitären Eingriff“ vor Lynchmorden durch Nato-unterstützte Milizen fliehen mußten. Von denen haben unsere Medien erst Notiz genommen, als sie über das Mittelmeer zu flüchten versuchten. Was dort angeblich für den Frieden unternommen wurde, hat vor allem einen Zustand von weder Krieg noch Frieden, wenn nicht offenen Krieg, geschaffen. Das treibt das Land in den Ruin, das natürlich mit seinen Rohstoffreserven als Sicherheit für Kredite ein toller Schuldner für die Finanzhaie ist. Schuldscheine von da, mit dem Öl als Sicherheit, sind besser als Bargeld. Gesellschaftlicher Fortschritt muß von den Menschen dort selbst durchgesetzt werden. Die angebliche Hilfe dafür von außen hat die Bedingungen in Wahrheit krass verschlechtert, und die angebliche humanitäre Sorge war nur ein Vorwand. Die Herstellung der alten Zustände wäre eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem, was jetzt ist.
Wer die Geschichte kennt, mußte bei der Berliner Konferenz zu Libyen dieses Jahr eigentlich ein Deja Vu gehabt haben. Vor genau 135 Jahren, bis Februar 1885, tagte in Berlin die sogenannte „Kongo-Konferenz“ der in Afrika engagierten Kolonialmächte. Thema war der vorgebliche Kampf gegen den arabischen Sklavenhandel, welch ein hehres Ziel und so humanitär! (Und so geheuchelt.) Ergebnis war, daß der Kongo dem belgischen König „zum Schutz“ als Privatkolonie übergeben wurde, womit faktisch die Kongolesen in der Folge seine Sklaven wurden. Dieser beutete dann auch ganz „humanitär“ die Bodenschätze des Kongo aus, wobei jeder Kongolese jeden Alters eine bestimmte Menge Kautschuk pro Jahr abzuliefern hatte. Zur Durchsetzung schuf er eine Soldateska von der Art, wie sie seitdem eine Geißel des Kongo ist: Jeweils aus feindlichen Stämmen rekrutiert, äußerst korrupt und äußerst brutal. Als Beweis ihrer Tätigkeit hatten sie eine bestimmte Anzahl abgehackter Hände mit zurück zu bringen. Diese Herrschaft kostete mindestens 11 Millionen Opfer, seit Ende der Zeit als Kolonie sind dort weitere Millionen umgekommen, nicht zuletzt durch weiter Ausplünderung des Landes, auch mit Hilfe vom Ausland geförderter paramilitärischer Milizen und Anheizung der Stammesfehden. Dieses Land darf nicht auf die Füße kommen, weil dort zu viel an Naturreichtümern zu holen ist. In unseren Handys stecken zum Beispiel in der Regel seltene Metalle aus dem Kongo, die dort auf solchen Wegen gewonnen und außer Landes geschafft werden. Die Parallelen zu Libyen fallen auf.
Irak und Syrien mußten verwüstet werden, weil das Länder sind, die ihren Ölreichtum hätten nutzen können, um sich zu starken und modernen Ländern, starken regionalen Mächten zu entwickeln. Das darf es in dieser Region aus Sicht der USA nicht geben, allenfalls wohlhabende Länder, die wie Israel oder Saudi-Arabien für ihre Existenz auf den Schutzschirm der USA angewiesen sind und wenig zur Entwicklung der gesamten Region beitragen. Auch die Türkei sehen sie immernoch als ihren potentiellen Wachhund vor Ort, als ein Nato-Land mit einem beachtlichen Militärpotential, auch wenn Erdogan eigenwillig geworden ist und auf der Spur des osmanischen Reiches eine eigene regionale Expansionspolitik betreibt. Sie kalkulieren wohl, daß diese Machtpolitik die Türkei wieder in ihre Arme treiben wird. Zumindest ist deren Wirken in Syrien in ihrem Sinne, weil es eine Beendigung des Krieges dort erschwert.
Auch Iran ist im Visier, nicht zuletzt weil dort bald einmal die Mullahs abgewirtschaftet haben werden, und dann der Iran ebenfalls das Potential hätte, eine moderne regionale Macht zu werden, die zur Entwicklung der Region beiträgt. Aber natürlich bieten sich wie woanders rückständige Zustände im Inneren an, dem militärischen Überfall einen angeblichen „humanitären“ Vorwand zu geben. Dabei hat der imperialistische Einfluß selbst eine Mitverantwortung für reaktionäre Zustände. Wann immer im Iran eine moderne parlamentarische Ordnung errichtet werden sollte, waren imperialistische Mächte zur Stelle, dies zu verhindern. Der Schah, der brutal jede Opposition im Land unterdrückt hat, nur den Mullahs etwas Raum ließ, war von ihren Gnaden eingesetzt.
Zur Not wird eben noch was dazu erfunden, wie im Fall des Irak die angeblichen gefährlichen Massenvernichtungswaffen oder seine angebliche Förderung von Al Quaida, während letztere erst im Gefolge der Irak-Invasion der USA dort wirklich auftrumpfen konnten und gegenwärtig in Syrien, heute in Gestalt von Tahrir Al-Sham, vor der Niederlage geschützt werden sollen. Im Iran sind das neben den Mullahs, deren Existenz sie hinten herum stets gefördert haben, man denke an die Iran-Contra-Affäre, angebliche entwicklungsfähige Atomwaffen, die der Iran allerdings wirklich bräuchte, der längst ringsherum von Atomraketen-Stellungen der USA umgeben ist, wenn nicht auch Israel und die Saudis welche haben. Aber was schert die USA und ihren Anhang ihr Geschwätz von gestern, wenn sie die Fakten geschaffen haben, die sie haben wollten.
Reaktionäre Verhältnisse kann man übrigens in Saudi-Arabien, mit dem man gegen den Iran verbündet ist, mindestens ebenso leicht finden. Das Urteilen nach doppelten Standards, und wie die Saudis dabei gut weg kommen, zeigt sich gerade auch wieder an einem jüngeren Beispiel. Der Krieg einer von Saudis angeführten Militärkoalition im Jemen seit 2015, unterstützt von USA, Frankreich und Großbritannien, verursachte bisher äußerst viele zivile Opfer, Hunger, Seuchengefahr, er ist wirklich eine außerordentliche humanitäre Katastrophe. Aber nicht jeder Kriegstote ist eine gleich große Krokodilsträne wert, das richtet sich nach der Interessenlage. Die Opfer im Jemen finden jedenfalls weniger Beachtung.
Im Übrigen wird auch eine andere Auswirkung dieses Krieges so gut wie nicht erwähnt: Die gegenwärtige Heuschreckenplage in Teilen Afrikas soll ihren Ausgang im Jemen genommen haben, sagt ein Bericht im Tagesspiegel vom 6. Februar 2020. („Schwerste Heuschreckenplage seit 25 Jahren“) Heuschrecken leben als Einzelgänger in der Wüste und formieren sich erst bei einer bestimmten Populationsdichte zu riesigen Schwärmen. Im Frühstadium kann das verhindert werden, können die Heuschrecken in der Wüste wirksam bekämpft werden und die Bildung großer Schwärme verhindert. Dafür gibt es im Jemen ein Frühwarnsystem, um eine solche Entwicklung zu verhindern. Infolge des Krieges dort funktionierte es dieses Mal nicht, und so nahm von dort aus die Heuschreckenplage ihren Lauf. Nur aus Versehen? Wann wird man wohl die Heuschreckenplage dem „menschengemachten Klimawandel“ zurechnen, statt dem Ausbeutersystem und seinen Kriegen?
Die Saudis waren eben zu nützlich bisher. Ab Ende der siebziger Jahre haben die USA einen gewissen gesteigerten Ölreichtum in dieser Region zugelassen, mittels der zeitweilige Verringerung der Ölförderung zu Erhöhung der Förderpreise, woran sie ja mit ihren dominierenden Ölhandelsgesellschaften erheblich mit verdienten – mehr als die Förderländer – zudem die Erlöse großenteils in Petrodollar bei ihren Banken angelegt wurden. Damit konnten sie auch ihre damalige Finanzkrise mit galoppierender Inflation in den Griff bekommen. Die Verknappung der Öllieferungen förderten sie zusätzlich, indem die großen Ölgesellschaften ihre Öltanker zu langsamerem Fahren aufforderten und so die Lieferengpässe noch verstärkten.
In der Folge kamen viele der sich entwickelnden Länder, die meist hohe Schulden abzuzahlen hatten, finanziell ins Straucheln und wurden noch mehr vom USA-dominierten Bankensystem abhängig. Der IWF verordnete ihnen dann ein Wirtschaftssystem nach den Bedürfnissen der Finanzspekulation der reichen Länder, wo sie als Gegenleistung für Kredite vieles für diesen Sektor als Spekulationsobjekt freigeben mußten. Der Finanzsektor der entwickelten Länder hatte also erst einmal selbst großen Nutzen davon bei der Bekämüfung der Bewegung der Dritten Welt, der zu dieser Zeit durch den kapitalistischen Umsturz in China auch das wichtigste Hinterland abhanden kam.
Wer den USA heute nützlich ist, kann morgen ein Problem für sie werden
Die USA wollten natürlich nicht zulassen, daß ihnen in der Mittel-Ost-Region dauerhaft Konkurrenten heranwachsen. In seinem Buch schreibt Thomas L. Friedman, der Vordenker der Klimarichtung und auch vehementer Befürworter des Irak-Krieges in seinem Vorfeld: „Bisher haben die staatlichen Fonds der Golfstaaten bei der Bewältigung der amerikanischen Hypothekenkrise eine sehr positive, stabilisierende Rolle gespielt. Doch man kann sich kaum vorstellen, daß sie ihre ökonomische Stärke nicht auf Dauer in politische Stärke umsetzen. Schließlich haben Amerika und Großbritannien genau das auch getan, als sie finanziell stark waren. Sie benutzten das Geld, um ihre nationalen Interessen im Ausland durchzusetzen.“ (Seite 144) Im Iran-Irak-Krieg unterstützten die USA zunächst beide Seiten, damit diese Länder sich gegenseitig maximal schwächten. Später lockten sie den Irak in einen Krieg mit Kuwait, um dann in der Folge den Irak in mehreren Wellen von Krieg und Boykott in seiner Entwicklung weit zurück zu werfen. Danach kündigten sie an, daß Syrien als Nächstes dran sein werde. Das paßt durchaus in die Logik, die in obigem Zitat steckt. Dabei vergißt Friedman natürlich sein „grünes Herz“ nicht und setzt sich für solarbetriebene Armeezelte für die Truppen im Irak ein, statt Dieselaggregate, lobt „grüne Militärs“, die das durchsetzen.
In Syrien ging das Zerstörungswerk weiter. In diesem Land gibt es viele Volksgruppen und verschiedene Religionen, die man gegeneinander hetzen kann, die in einem ausbalancierten System von Ethnien, Stämmen und Religionsgruppen, mit dem Assad-Regime als Hüter, sich befanden. Der große islamisch-sunnitische Anteil, der größte Anteil an der Gesamtbevölkerung, ist zu einem Teil religiös aufhetzbar im Sinne der Errichtung einer Scharia-Ordnung. Zur Destabilisierung trugen auch Hundertausende meist sunnitische Iraker bei, die vor schiitischen Milizen nach Syrien geflohen waren, die nach dem Krieg im Irak von der Leine gelassen wurden. Da hinein wirkten Kräfte wie vor allem Saudi-Arabien und Katar mit einer religiös aufhetzenden Agitation. Daß es moderne gesellschaftliche Kräfte in einem solchen Umfeld äußerst schwer haben und zwischen die Mühlsteine geraten, hat sich schon im Bürgerkrieg im Libanon gezeigt. Wer das Land kannte, der befürchtete von Anfang an die Radikalisierung der islamistischen Kräfte und deren Vorherrschaft, wenn dieses System von außen destabilisiert wurde.
Assad ist selbst verankert in der Minderheit der Aleviten, dieses Regime steht eigentlich für eine gewisse religiöse Toleranz und gesellschaftliche Entwicklung, greift aber auch bisweilen zur Machterhaltung auf barbarische Methoden zurück, was für die meisten seiner Gegner aber nicht minder zutreffen würde, wenn sie die Macht erringen würden. Sie wurden wegen ihrem Status als Angehörige einer vielfach gut ausgebildeten Minderheit als relativ neutraler und qualifizierter Träger der Regierung akzeptiert. Aber genau deshalb sind sie potentiell auch Zielscheibe für Kräfte, die einen sunnitischen Scharia-Staat wollen. Katar, Saudi-Arabien, auch die Türkei, unterstützt mit großen Waffenlieferungen auch aus Europa, rüsteten die islamistischen Milizen aus, die außerdem Zulauf von sogenannten „Dschihadisten“ aus der ganzen Welt bekamen. Dieser Dschihad-Tourismus wurde in unseren Medien zunächst relativ wohlwollend behandelt, bevor diese Entwicklung in den Aufstieg des IS mündete. Das schuf schließlich die Basis für den Aufschwung des IS. Aber Assad hielt zum Erstaunen aller stand, auch weil er das russische Militär zur Hilfe holte, das dort auch seinen einzigen Stützpunkt im Mittelmeer verteidigt und sich so unentbehrlich machen konnte. Statt Assad zu verschlingen, expandiert der Bluthund IS in alle Welt und beißt dabei bisweilen auch die Hand, die ihn eigentlich hochfütterte.
Durch Einmischung von außen kann man diesen Krieg bis heute am Laufen halten, der vielleicht sonst längst wegen allgemeiner Erschöpfung sämtlicher Bürgerkriegsparteien ein Ende gefunden hätte. Und der „humanitäre“ heuchlerische Aufschrei ist immer dann am lautesten, wenn die Regierung Assad – und das ist die einzige Regierung, die überhaupt ein gewisses Maß an Legitimität vorweisen kann – sich endgültig wieder durchzusetzen droht, und damit der Krieg nämlich vorläufig vielleicht gar zu enden droht! Dieses Ende befürchtet man nämlich vor allem, obwohl dort genug Zündstoff auch für einen Weltbrand liegt. Ausgerechnet wenn es um ein Gebiet geht, wo mit Al-Quaida verbundene Islamisten und Erdogans Türkei dafür sorgen, daß es nicht wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung kommt, flammt die humanitäre Sorge auf, die bei Raqqa oder Mossul auf Sparflamme gehalten wurde, wo es nämlich die „humanitären“ Bomben und Granaten der USA und ihrer Verbündeten waren die herunterprasselten, die auf geheimnisvolle Weise immer wissen, wie sie vorwiegend nur die „Bösen“ treffen. Immer neue Verletzungen der Souveränität dieses Landes werden gerechtfertigt, das wie Deutschland im 30-jährigen Krieg von immer neuen Soldateska-Haufen durchzogen wird, wodurch die syrische Bevölkerung ohne Ende leidet, die ohne äußere Einmischung einen solchen Krieg nicht hätte durchmachen müssen. Alle ausländischen Truppen raus aus der Region!
Deshalb:
Keine „größere Verantwortung in der Welt“ im Sinne des Kampfes für die Aufrechterhaltung der kannibalischen neokolonialen Weltordnung!
Schluß mit dem Einsatz von europäischen und auch Bundeswehrtruppen als „internationale Eingreiftruppen“!
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