Internet Statement 2020-46
Mea Culpa und kein Ende? Maria Weiß 26.06.2020 Digitalisierung , der darin bestehende Fortschritt der Produktivkräfte, erzwingt eigentlich ein neues Gesellschaftssystem, welches den Bedingungen dieses Fortschritts der Entwicklung der Produktivkräfte entspricht und sich auch in sozialer Hinsicht im Sinne dieses Fortschritts entwickelt. Das ist aber hier mitnichten der Fall. Wie kann das angehen, daß Arbeiter und Arbeiterinnen aus Rumänien beispielsweise, die in Deutschland arbeiten, nicht selten wie der letzte Dreck behandelt werden? Jüngstes Beispiel dafür sind die niedersächsischen Fleischbetriebe, aber sicher nicht nur diese. Das kann doch nicht angehen. Sind das etwa „EU-Standards“ oder was soll das? Ich bin der Ansicht, daß die Arbeiter und Werktätigen in Deutschland das nicht akzeptieren können. Dagegen muß vorgegangen werden. Es muß erzwungen werden, daß diese vielen Kolleginnen und Kollegen aus anderen Staaten –das gilt natürlich auch für andere Staaten außerhalb der EU- hierzulande gleichberechtigt behandelt und auch entlohnt werden. Nicht aber eingepfercht werden in irgendwelche Löcher – zum Beispiel was ihre Wohnsituation betrifft - und hier ausgebeutet werden zu unwürdigen Bedingungen. Ausbeutung ist das Grundprinzip dieser gegenwärtigen Gesellschaftsordnung. Das stimmt. Aber die Bedingungen, unter welchen diese stattfindet, auf die kommt es eben auch an. Und da gibt es große Unterschiede. II. III. Aus diesem Grund kann ich mich auch nicht gemein machen mit einem einseitigen Eintreten für die armen Osteuropäer, die ja so schlecht behandelt werden und deswegen alle hierher, in den angeblich so goldenen Westen kommen. Der Mensch hat eine Wahl. Jeder Mensch, egal aus welchem Land er kommt, welche Sprache er spricht und welcher Gesellschaft er angehört. Und eine solche Anforderung muß man auch an jeden Menschen stellen. Tut man das nicht, fördert man im Grunde Sklavenmentalität, welche eben dieser Form der Ausbeutung zugrunde liegt, der sie dann im Westen ausgesetzt sind. Jedenfalls ist das in der Mehrzahl der Fälle zu bemerken. Einige Staaten Osteuropas haben dieser unterwürfigen, sich dem Westen anbiedernden Mentalität Widerstand entgegen gesetzt. Dazu zählt vor allem Polen, aber auch Staaten wie Ungarn und einige weitere vielleicht in schwächerer Form. Dazu zählt heute aber auch vor allem Russland selbst. Das muß man heute an solchen Punkten durchaus einmal betonen. Von nichts kommt nichts. Auch und erst recht keine Weiterentwicklung. Letztere vor allem setzt voraus, daß der Mensch zur Umwandlung, zur bewussten Umwandlung der eigenen Erkenntnisfähigkeit bereit ist. In dieser Hinsicht kann ich auch das Mitleidsgetue gegenüber den armen Osteuropäern, denen es dort so schlecht geht und im Westen jetzt so viel besser geht – wie man gegenwärtig sieht, gilt das aber keineswegs für Alle – nicht einstimmen. Alles hat eben auch eine Kehrseite. Und es ist diese Kehrseite, welche die einzige ist, die verspricht, daß eine Veränderung in Richtung sozialer Revolution einmal wieder möglich wird. Als auch eine Veränderung in Richtung Emanzipation. Was sollen wir denn hier über das Schicksal der armen Rumänen, die alle hierher kommen und arbeiten wollen und dabei so schlecht behandelt werden, nur klagen, wenn wir gleichzeitig die Zustände in den Herkunftsländern nicht unter die Lupe nehmen? Jedes Phänomen hat seine mindestens zwei Seiten, und man geht mit Sicherheit fehl, wenn man nur die eine betrachtet. Auch die Linke in Europa tut nicht gut daran, eine solche Einseitigkeit zu pflegen. Es wird überhaupt viel zu wenig den historischen Erfahrungen Rechnung gezollt. Die Menschen in Osteuropa haben doch auch ihre eigenen Erfahrungen, und die sind keineswegs ausschließlich negativ zu sehen. Es gab auch mal einen Umsturz in diesen verschiedenen Gesellschaften, welcher Fortschritt bedeutet hat. Daß es dabei nicht stehen geblieben ist, ist auch kein Wunder, denn den Fortschritt, den man erreicht hat, den muß man tagtäglich weiter erkämpfen. Wir sollten also unser kritisches Bewusstsein erhalten und mit diesen Menschen über die Bedingungen der Entwicklung Osteuropas, aber auch Russland uns auseinandersetzen. Und nicht nur das, auch über die Bedingungen in dem Zielland sollte gesprochen werden, die Bedingungen in Mitteleuropa, Deutschland, der EU. Es ist doch nicht so, als wenn es hier nichts zu kritisieren gäbe. Deutschland, das „gelobte Land“? Das mag glauben wer will, die Realität, wie man sieht, spricht eine andere Sprache. Und die nächste Krise, ökonomischer Natur wohlgemerkt, wird das ans Tageslicht befördern, Corona hin oder her. Jedes Phänomen, egal um was es sich handelt, hat mindestens seine zwei Seiten. Wenn man aber nur eine sieht und die andere außer Acht lässt, dann wählt man mit Sicherheit den falschen Weg. IV. Die revolutionäre Jugend- und Studentenbewegung der 1960er Jahre hat das versucht, jedenfalls deren revolutionärer Teil. Die grüne Bewegung, die auch ihre Wurzeln in der damaligen Bewegung hat, aber spricht diesen Prinzipien Hohn und tritt sie mit Füßen. Vielleicht sollte man versuchen, diese Verirrung wieder vom Kopf auf die Füße stellen und den grünen Mist hinaussäubern. Die grüne Richtung war und ist eine Falle der Bourgeoisie, welche von Anfang an versucht hat, in der damaligen Bewegung Fuß zu fassen. Man sollte sich mal Gedanken machen, was die Substanz dieser grünen Bewegung ist und ob das überhaupt irgend etwas mit Fortschritt zu tun hat, weder von ihrer Zielsetzung her als auch von der Methodik. Diese Mühe sollte man sich machen, wenn man gesellschaftlich im Richtung Fortschritt kämpfen will. Tut man das nicht, legt man sich Fesseln an und macht sich unglaubwürdig. V.
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