Internet Statement
2021-167
"Mietendeckel
hält 5 Jahre - Vergesellschaftung hält ein Leben lang“.
Richtig. Allerdings braucht man eine Gesellschaft, die dazu passt.
Maria Weiß
08.07.2021
Obiger Slogan las ich an einer Litfaßsäule in Berlin Moabit. Richtig,
Mietendeckelung zu fordern ist völlig berechtigt. Allerdings darf man
nicht außer Acht lassen, daß in dieser Gesellschaft, in der wir leben,
das Privateigentum an Grund und Boden herrscht, was selbst staatliche
Wohnungen mit beeinflußt, weil der Staat, in dem wir leben, das Privateigentum
schützt. Es ist dies sogar seine vorrangigste Aufgabe, dies zu tun. Was
folgt daraus? Eigentlich kann die Antwort jeder selbst finden, wenn er
ein wenig nachdenkt.
Nun sind die Dinge allerdings nicht ganz so einfach, wie es scheint. Das
liegt daran, daß es ja inzwischen Erfahrungen gibt, mit Staaten, in denen
eine Vergesellschaftung des Privateigentums an Grund und Boden wie auch
an den Produktionsmitteln stattgefunden hat. Nicht zuletzt die frühere
DDR ist auch ein Beispiel gewesen. Allerdings sind die Erfahrungen, welche
die Massen dort gemacht haben, auch nicht die besten gewesen, im Gegenteil,
es gab viel Kritik, was am Schluß auch den Zusammenbruch dieses Teilstaates
bewirkt hat. Man muß sich daher vor Simplifizierungen hüten. Die Bodenfrage
ist aber in jeder Gesellschaft eine der Kernfragen, welche einer differenzierten
Behandlung bedürfen. Allerdings ist diese Frage auch eines der deutlichsten
Beispiel, an denen sich die Versprechungen des Westens als Betrug entlarvt
haben. Von wegen „Niemand wird es schlechter gehen“, wie es damals von
westlicher Seite lautete. Viele Menschen aus der „Ehemaligen“ haben inzwischen
Erfahrungen machen müssen, welche diese Versprechungen Lügen strafen,
und nicht wenige dieser Menschen müssen heute heute um ihre Wohnung bangen
oder sind bereits obdachlos geworden. Es gibt inzwischen sogar wieder
eine Massenbewegung für bezahlbaren Wohnraum in Berlin, und mit „bezahlbar“
ist hier natürlich nicht die kleine Schicht der so genannten „Besserverdienenden“
gemeint, welche sich die horrenden Mieten leisten können, sondern die
breite Masse der Bevölkerung, für welche das immer schwieriger wird, überhaupt
noch eine Wohnung zu bekommen, deren Miete sie gerade eben noch ertragen
können. Insbesondere für Familien mit Kindern ist das ein bedrückendes
Problem, ja dieser Fakt trägt sogar dazu bei, daß man sich das mit Kindern
oft überhaupt überlegt, ein Faktum, welches nicht zuletzt die negative
demografische Entwicklung in diesem Land beeinflußt hat.
Es gibt daher in Berlin seit etlichen Jahren eine breite Bewegung von
Menschen aller Altersklassen, welche sich entschlossen haben, diese perversen
Verhältnisse nicht länger hinzunehmen.
Die Wohnungsfrage ist ein Kernpunkt des kapitalistischen Systems der Ausbeutung
des Menschen durch den Menschen. Das ist allgemein bekannt. Und selbst
wenn von so genannten Besserverdienenden nicht selten über die Verhältnisse
in der DDR hergezogen wurde, an diesem Punkt, exakt in der Wohnungsfrage,
zeigt sich eben ein Kernpunkt des Systems selbst. Das kann man nicht außer
Betracht lassen, selbst wenn es viele berechtigte Kritik an diesem ersten
Versuch, in Deutschland eine sozialistische Gesellschaftsordnung zu verwirklichen.
Es kann eben nicht alles auf einen Schlag klappen. Auch eine neue Gesellschaft
braucht Zeit und erleidet Rückschläge. Mal abgesehen von dem Fakt, dass
dieser Teilstaat es auch nicht gerade leicht hatte, etwas Neues zu entwickeln,
während er permanent unter dem wechselseitigen Druck der miteinander konkurrierenden
Supermächte stand, welche alle beide in Europa um den größeren Einfluß
zu ringen befasst waren. Wie soll unter solchen Umständen in ruhiger und
kreativer Weise eine Entwicklung der Gesellschaft stattfinden? Wenn permanent
von zwei entgegengesetzten und sich bekämpfenden sogenannten Supermächten
versucht wird, jede Bewegung gleich als allererstes für sich zu verbuchen.
Es gab in der DDR keine Obdachlosigkeit. Es gab zwar Bevormundung in einer
wenig flexiblen Art - der Westen íst in dieser Hinsicht einfach flexibler
- aber es gab eben auch keine Obdachlosigkeit. Schwer zu beantworten,
was schlimmer ist. Eigentlich gehört natürlich beides beseitigt, aber
es gelingt eben nicht alles auf einen Schlag in einer perfekten Weise.
Die Frage, die sich hier aufdrängt, ist folgende: Wie kann man in einer
sozialistischen Gesellschaft, welche das Privateigentum an den Produktionsmitteln
als auch an Grund und Boden abgeschafft hat und stattdessen eine Form
von Gemeinwesen mit einer Gleichberechtigung für Alle aufbauen will, verwirklichen?
Alle meint natürlich nicht, daß die Versuche der überwundenen Klasse,
ihre auf dem Privateigentum basierende Gesellschaft wieder einzuführen,
etwa widerstandslos hingenommen werden dürfen. Daß das nicht geht, liegt
auf der Hand, sonst brauchte man es ja gar nicht erst versuchen, eine
besserer Gesellschaft zu schaffen als die de Dominanz des Privateigentums
an den Produktionsmitteln als auch an Grund und Boden.
Nun stellt sich allerdings hier bei der DDR ganz unmittelbar die Frage
der Ausgangssituation. Diese hat ihre wesentliche Rolle natürlich gespielt.
Es war keine eigene Revolution, welche die Veränderung hervorgebracht
hat, sondern eine Besetzung derjenigen Macht, welche den Krieg gewonnen
hatte. Und obendrein hatte man zugleich auch noch mit den Überresten des
vorherigen verbrecherischen Nazismus zu tun. Nicht gerade einfach für
die damaligen Führer in der sowjetisch besetzten Zone, die dieser Teil
Deutschands, die spätere DDR, zunächst war. Wie sollte sich dieses biografisch
gemischte Bevölkerungssystem, welches von dem Horror des vergangenen Kriegs
in unterschiedlicher Weise gezeichnet war, orientieren? Es war ja alles
andere als das Ergebnis einer eigenen Revolution, was sich da zusammenfand
in dieser von der Siegermacht Sowjetunion besetzten Zone. Das war unendlich
schwierig, obendrein musste man auch noch mit den vergangenen Erfahrungen
das Nazifaschismus und Rassismus fertig werden. Wie hilfsbereit und geduldig
die Siegermacht Sowjetunion in dieser Hinsicht sein konnte, das sei einmal
dahin gestellt. Sicher aber waren die schnell aufgezogenen sogenannten
Plattenbauten erstmal eine Unterkunft, die überhaupt wieder so etwas wie
ein Leben ermöglichten - vor allem für die vom Nazismus verfolgten und
drangsalierten Menschen, welche überlebt hatten, zunächst mal vor allem
ein Leben in Sicherheit vor der ständigen Bedrohung und Drangsalierung
des eigenen Lebens. Vergleichbar mit dem Westen und Süden Deutschlands,
in welche das Geld des USA-Imperialismus vor allem floß, war das sicher
nicht, was den Komfort und die Bequemlichkeit angeht, aber es war wenigstens
wieder ein Leben möglich, nach dem ganzen nazistischen Terror und den
Schrecken des vergangenen Kriegs, für den man obendrein auch noch einen
Teil der Verantwortung mit zu tragen hatte.
Der Wiederaufbau des westlichen Teils Deutschlands, welcher vor allem
mit US-amerikanischem Geld vonstatten ging und natürlich auch dazu diente,
eine angeblich nicht zu überbietende Konkurrenz gegenüber dem Osten in
Westdeutschland zu schaffen, übte erst viele Jahrzehnte später, in einer
völlig anderen Situation in Europa, seine bekannte Wirkung aus, welche
dann schließlich in dem dümmlich-banalen Slogan „Kommt die D-Mark nicht
nach hier, gehen wir zu ihr“, seine wohlbekannte und beabsichtigte Wirkung
aus.
Es würde mich nicht wundern, wenn heute nicht wenige Menschen in den so
genannten neuen Bundesländern auch die damalige Bewegung weitaus kritischer
betrachten, als es in der Öffentlichkeit zum Ausdruck kommt. Nicht wenige
Menschen, welche damals Slogans wie „Kommt die D-Mark nicht nach hier,
gehen wir zu ihr!“ erheblich kritischer betrachten als damals, und es
wäre interessant mal zu erfahren, wie die Bilanz, die sie selbst über
die Entwicklung der letzten Jahrzehnte ziehen, aussieht.
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