Internet Statement 2021-234

 

 

 

Fahrradkuriere von "Gorillas" kämpfen gegen unakzeptable Arbeitsbedingungen

Viele "Gorillas"-Fahrer fristlos entlassen, überwiegend wegen Beteiligung an Streiks

 

 

Wassili Gerhard  07.10.2021

Am 6.10.2021 fand vor der Gorillas-Zentrale in der Schönhauser Allee eine Lärm-Kundgebung statt, zu der bis zu 150 Menschen kamen, nicht nur betroffene Fahrer, sondern auch viele, die das Anliegen unterstützen wollten. Besonderer Anlaß war die fristlose Kündigung eines großen Teils der Fahrer. Der Eingang wurde mit Protestplakaten behängt und mit umgedrehten Fahrrädern symbolisch blockiert, mit Topfdeckeln und anderem wurde Lärm gemacht. Auch mehrere orangefarbene Jacken von Lieferando waren zu sehen.

 

 

Die Fahrer hatten in der letzten Zeit immer wieder Streikaktionen gegen die Arbeitsbedingungen organisiert, die nicht die minimalsten Voraussetzungen erfüllen, nicht die minimalsten Standards einhalten, wie dort berichtet wurde. Nicht einmal eine pünktliche und korrekte Lohnauszahlung ist dem Vernehmen nach bei diesem Start-Up selbstverständlich.

 

Es wurde berichtet von 30 Arbeitsstunden, beliebig über 6 Tage verteilt, u. U. über Handy kurzfristig angeordnet, auch Nachts, von häufigen Unfällen, z.T. auch wegen schlecht gewarteter Räder, von manchmal viel zu schweren Rucksäcken, von der Weigerung, die notwendige Schutzausrüstung zu stellen, von der Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen 11 Stunden Ruhepause zwischen zwei Arbeitsschichten und dergleichen mehr. Der Lohn ist mit etwas über 10 Euro pro Stunde wenig über dem Mindestlohn.

 

In der Zeit der Kundgebung sind viele Kurierfahrer anderer Firmen vorbeigefahren. Es ist offenbar ein boomenden Geschäft, den Kunden ihre Einkäufe nach Hause zu bringen. Es wäre sehr sinnvoll, die Streikaktionen auch auf andere Kurierdienste auszuweiten, wo es sicher nicht so viel anders zugeht. Das Management von Gorillas lobte sich sogar selbst als eine Firma mit besonders guten Arbeitsbedingungen für diese Branche.

 

 

 

Aber was ist denn Anderes zu erwarten als Sozialdumping. Gorilla verspricht, telefonisch bestellte Ware binnen 10 Minuten an die Haustür zu liefern, ohne daß das besonders teuer ist. Auf wessen Kosten funktioniert denn das? Natürlich vor allem auf Kosten der geringbezahlten und intensiv ausgebeuteten Fahrer und Lagerarbeiter, und daß man Verkaufsräume und Verkaufspersonal spart. Sozialdumping ist Voraussetzung für die Gewinnmaximierung dieses Start-Ups.

 

Soll so die Perspektive für die ärmeren Einwohner Berlins aussehen, wenn hier die neue „Global City“ verwirklicht wird? In den Innenstädten werden wohlhabendere Neuberliner angesiedelt, die man in den nächsten Jahren zu Zehntausenden anwerben will, und für deren Bedienung gibt es dann für die weniger Betuchten solche gering bezahlten Dienerjobs, mit deren Bezahlung sie in diesen Vierteln keine Wohnungsmiete bezahlen können, und mit der sie auch keine Rentenansprüche erwerben können, mit denen sie ohne zusätzliche Sozialleistungen überleben können.

 

Auffallend ist auch, daß es gerade auch junge Menschen sind, teilweise aus aller Welt, die solche Jobs ausführen. Und gleichzeitig wird über die Anwerbung von gut ausgebildeten Fachkräften aus dem Ausland diskutiert. Warum bildet man denn die vielen jungen Leute hier nicht entsprechend aus? Warum arbeiten die in solchen Jobs, in denen vor zwanzig Jahren kaum ein jüngerer Mensch hätte arbeiten wollen? – als Lastenesel mit null Entwicklungsmöglichkeit. Als Diener für eine neue wohlhabende Schicht, die als „unternehmensnahe Dienstleister“ – was hier die wichtigste Zukunftsbranche werden soll – die internationale Ausbeutung organisiert. Wenn dagegen gekämpft wird, ist das unbedingt zu unterstützen!

 

 

 

www.neue-einheit.com                                    www.neue-einheit.de