Internet Statement 2022-124

 

 

 

Hat uns der Ukraine-Krieg die Krise gebracht – oder eher umgekehrt?

 

Die gegenwärtige Krise des Kapitalismus und wie der Ukraine-Krieg für die Strategien imperialistischer Mächte instrumentalisiert wird, um die Folgen der Krise auf die breite Bevölkerung und auf die internationalen Rivalen abzuwälzen

 

 

Wassili Gerhard  02.09.2022

Der Ukraine-Krieg muß gegenwärtig – neben Corona – für vieles herhalten. Der hauptsächliche Hintergrund ist aber ein Kampf um die Welthegemonie, der vor allem von den USA, China und Russland geführt wird, und darum, auf wen die Folgen der gegenwärtigen tiefen Krise des kapitalistischen Systems abgeschoben werden sollen. Enorme ökonomische Verwerfungen werden mit dem Krieg in der Ukraine begründet, die doch eher etwas mit dem bestehenden kapitalistischen System zu tun haben, das seiner Dauerkrise nicht entkommen kann. Auch die USA stehen im Inneren unter enormem sozialen Druck durch die Folgen der Krise, die sie aber nach Möglichkeit auf andere abzulasten versuchen. In diesem Zusammenhang ziehen die USA gegenwärtig alle Register, um Europa und Russland gegeneinander zu hetzen, weil sie damit einen Teil der Krisenfolgen auf andere verschieben und sich dann vor allem auf die Auseinandersetzung mit China konzentrieren können. Die Zerstörung von in langen Jahren gewachsenen Wirtschaftsverbindungen und anderen Kontakten hat enorme wirtschaftliche und andere Schäden auch für Europa zur Folge.

 

Politisch und militärisch werden in Europa Richtung Russland immer tiefere Gräben gezogen, Frontlinien eines künftigen Krieges, nachdem es doch schon mehr als genug Kriege mit Russland gegeben hat, die den Kontinent und Russland genügend geschädigt haben. Sicherlich gibt es auch an Russland und der russischen Politik vieles zu Recht zu kritisieren, aber die USA sind ganz sicher global betrachtet alles andere als die wohltäterische Friedensmacht, als die sie die Unverfrorenheit haben sich zu bezeichnen, wollen Russland seit der Oktoberrevolution am liebsten von der Weltkarte tilgen, und haben mit ihren Kriegen und Interventionen nach keineswegs unrealistischen Schätzungen nach 1945 schon etwa 20 Millionen Menschen auf dem Gewissen. Da darf man sich keineswegs einfach auf eine Seite schlagen und in das Gerede von der Verteidigung des „freien Westens“ einstimmen, wenn auch die Bundesrepublik eine Zeit lang, auf Grund ihrer geostrategischen Bedeutung im Kalten Krieg, materiell dabei profitiert hat. Diese Zeiten sind vorbei und werden nicht wiederkommen, und das ist auch gut so, denn in anderen Teilen der Welt wurde der Preis dafür gezahlt. Und das Elend, das in andere Regionen getragen wurde, droht jetzt eben zu uns zurück zu schwappen.

 

Europa, und nicht zuletzt Deutschland, sollen im Gefolge der USA an der großen globalen Auseinandersetzung teilnehmen, die diese für die Erhaltung und sogar den Wunsch nach Erweiterung ihrer Hegemonie führen. Der Krieg in der Ukraine ist nur als ein Teil dieser Auseinandersetzung zu verstehen. Man darf nicht auf das übliche propagandistische Theater hereinfallen. Es gibt einerseits die Politiker im Dienste der herrschenden Klasse und andererseits die einfache Bevölkerung, die vor allem die Folgen ausbaden muß und auf beiden Seiten kein Interesse an diesem Krieg hat. Sie sollen nur die Bauern in diesem Spiel sein. Und aus der Sicht der Mehrheit der Menschen muß dieser Krieg so schnell wie möglich beendet werden, denn er wird in keinem Fall zu einem Ergebnis führen, das die Probleme löst, die ihm zu Grunde liegen, sondern höchstens die Weichen für weitere Kriege stellen.

 

Wenn Europa gegen Russland geschickt wird, würden beide extrem geschwächt, was die USA ihrem langfristigen Ziel näher brächte, die Hegemonie über ganz Eurasien (Europa und Asien) zu erringen und keine ernsthafte Konkurrenz mehr zu haben, woran sie seit Jahrzehnten arbeiten, wodurch nach den Worten des früheren Präsidentenberaters und außenpolitischen Strategen Zbigniew BrzezinskiAnm.1 in dem Buch The Grand Chessboard (in der deutschen Übersetzung „Die einzige Weltmacht“), die USA erst wirklich zur einzigen Weltmacht werden würden. Dies vertrat er schon 1997, als Russland sich absehbar von dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Jelzin-Ära wieder zu erholen begann. Schon damals verwies er auf die Ukraine als ein Land, das gegen Russland in Stellung gebracht werden müsse. Was für ein Hindernis China dabei heute darstellt, hat er allerdings zu jener Zeit noch nicht vorhersehen können. Die Imperialistischen Bestrebungen bringen eben auch immer Gegenkräfte mit hervor.

Mit dem gegenwärtigen Regime in der Ukraine soll so eine Art „Sparta des heutigen Westens“ kreiert werden, sprich Vorposten der Hegemonie der Supermacht USA. Die Ukraine ist ein Staat, der sich besonders schlecht von der Zerschlagung der UdSSR erholt hatAnm.2 , mit der seine Ökonomie eng verflochten war, und seit ca. Mitte der neunziger Jahre auch mit Milliardensubventionen aus dem Westen aufrecht erhalten wird. Ein Konzept, wie man aus eigener Kraft da hinaus kommt, fehlt der herrschenden Klasse. Die Anfänge der Subventionierung – seit 1997 ist die Ukraine der SU-Nachfolgestaat, der die meisten westlichen Finanzhilfen erhält – wurden vom damaligen Jelzin-Regime, das vor allem mit der Bereicherung der neuen Oligarchen und Räuber beschäftigt war und alles andere den Bach runter gehen ließ, sogar noch positiv unter dem Aspekt gesehen, daß man so leichter noch fällige Schulden von der Ukraine eintreiben könne.

 

Warum erholte sich die Ukraine besonders schwer? Eine vor allem agrarische Westukraine, in deren Bauernschaft vor allem die ukrainische Kultur und Sprache Jahrhunderte überlebte, während lange Zeit die Oberschicht polnisch war und Kleinhändler und Schankwirte vor allem einer jüdischen Bevölkerungsgruppe mit eigener Sprache angehörten, wurde im Rahmen der Sowjetunion, in der sie erstmals in jüngerer Zeit ein großes zusammenhängende Gebiet erhielt, mit einer industriell entwickelten östlichen Ukraine verbunden, die ökonomisch und kulturell enge Verbindungen mit Russland hatte, und in den fünfziger Jahren wurde die seit längerem russisch dominierte Krim angegliedert. Es entstand so zum ersten Mal eine große, entwickelte moderne Ukraine, in der der Analphabetismus besiegt wurde, in der es eine Entwicklung in Richtung eines modernen entwickelten Staates gab, die Wissenschaften allgemein einen Aufschwung nahmen.

 

Die Sowjetunion, wie sie von Lenin konzipiert wurde, war das Entwickeltste und Fortschrittlichste, was Russland, die vorherige reaktionäre Bastion in Europa, bisher zu Stande gebracht hat. (Natürlich nicht zuletzt die Arbeiterklasse im Bündnis mit den armen Bauern) Leider wurde sie dann von innen durch Revisionismus und großrussischen Chauvinismus ausgehöhlt und ruiniert. Die Unterminierung und Zerstörung von Innen der Sowjetunion traf die Ukraine besonders schwer, schwerer als die russischen Föderation selbst, wo das ausufernde Oligarchentum, das in seiner ungehemmten Plünderung das Land völlig zu zerstören drohte, von Putin teilweise an die Kette gelegt wurde, wenn er auch leider dann dabei seine Vorbilder im alten ultrareaktionären Zarismus suchte. Er hat sogar Lenin den Vorwurf gemacht, den ukrainischen Nationalismus gefördert zu haben.

 

Für den rechten ukrainischen Nationalismus und seine Zielsetzung einer ethnisch einheitlichen ukrainischen Nation war aber die engere Verbindung mit Russland und den Russen als Teil der eigenen Bevölkerung stets ein Horror. (Zumal der großrussische Chauvinismus seinerseits ja diese Stellung ja auch durch sein Verhalten gegenüber anderen Nationen gefördert hat. Das begreift ein Putin anscheinend nicht.) Das löste im Lande eine ständige innere Auseinandersetzung aus, zumal die EU nebenan attraktiv erschien. In der jüngeren Vergangenheit haben in der Ukraine Regierungen, die stärker oder schwächer die Anlehnung oder wenigstens ein Einvernehmen mit der russische Föderation vertraten und Regierungen, die diese Verbindungen völlig kappen und sich dem Westen anschließen wollten, gegenseitig abgelöst. Auch bei den Oligarchen gab es solche Fraktionsbildung. Aber ein Konzept für die Lösung der inneren Probleme haben beide Seiten nicht vorweisen können.

 

Der erste gelungene Anlauf zu einem eng an den Westen gebundenen Staat mit der „Orangenen Revolution“ 2004 scheiterte zunächst, auch weil der „goldene Westen“ statt mit dem Füllhorn zunächst mit einer langen Liste von Forderungen kam. Aber dann hat es die Maidan-Unruhen gegeben, als die damalige Regierung Janukowitsch das Assoziationsabkommen mit der EU nicht unterzeichnen wollte. Fanatische Nationalisten und Faschisten konnten bei den Protesten die Führung erringen, angeleitet von Kräften wie Victoria Nuland („Fuck the EU“), und es wurde ein gewaltsamer Umsturz mit Gewalt und Betrug durchgesetzt. Von da an war es nur eine Frage der Zeit bis zu dem heutigen Krieg. Kräfte, die für ein friedliches Aufkoimmen oder eine freundschaftliche Verbindung mit Russland eintreten, sind seit jener Zeit ihres Lebens nicht mehr sicher und heute offiziell illegal. Das trifft auch weitgehend linke Organisationen und Gruppen.

 

Der ukrainische Nationalismus, in seiner vorwiegenden Ausprägung, sieht seinen eigenen Aufstieg vor allem in der Zerstörung Russlands und seiner Beerbung als Hegemonialmacht in der Region, in dem Anschluß an den Westen als ein vorwiegend ethnisch einheitlicher Nationalstaat, in der Ausnutzung des Widerspruchs zwischen Westeuropa und Russland, indem sich die Ukraine auf die eine Seite dabei stellt, obwohl – oder weil? – sie doch selbst ein ungleicher Bruder Russlands ist und eher in der Rolle einer Brücke eine positive Rolle für die Entwicklung der Region spielen würde. Allerdings ist auch das Gebaren Russlands dem nicht immer förderlich. So wie es jetzt läuft, werden die inneren Widersprüche so auf die Spitze getrieben, daß es das Land zu zerreißen droht. Früh erkannte die USA, daß dieser Nationalismus eine Kraft ist, die für die Zerstörung des russischen Rivalen in der Region, der Russland wieder ist, und für die Ausdehnung ihres Hegemoniebereiches genutzt werden kann.

 

 

Hat uns der Ukraine-Krieg die Krise gebracht – oder eher umgekehrt?

 

Es wird immer wieder behauptet, Corona und der Ukraine-Krieg hätten uns angeblich in die schlimmste Wirtschaftskrise seit vielen Jahrzehnten gebracht. Diese Krise kommt aber nicht überraschend, sondern war seit langem zu erwarten, im Grunde schon seitdem die vorherigen Krisen nur zeitweilig in den Griff bekommen wurden, indem man das Feuer mit noch mehr Brennmaterial für die nächste noch größere Krise erstickte, nämlich mit noch mehr schuldenbasiertem Geld, das in den Finanzmarkt gepumpt wurde und wird. Tatsächlich ging die Wirtschaftskrise bereits viel früher los, lange vor dem jetzigen Krieg und vor der Corona-Epidemie. Schon 2018 bahnte sich die aktuelle Krise an, seit der zweiten Hälfte 2019 wurde sie dann zunehmend massiv. Einige Fakten zum Beleg dafür möchte ich hier anführen.

 

Der Publizist Fabio VighiAnm.3, der sich offensichtlich nicht mit den offiziellen Erklärungen abspeisen lassen wollte, legte im August 2021 dar:

 „Anderthalb Jahre nach dem Auftauchen des Virus fragen sich einige vielleicht, warum die gewöhnlich skrupellosen herrschenden Eliten beschlossen haben, die globale Profitmaschine angesichts eines Erregers, der fast ausschließlich die Unproduktiven (über 80-Jährige) trifft, einzufrieren. Wozu der ganze humanitäre Eifer? Cui bono? Nur diejenigen, die mit den wundersamen Abenteuern von GloboCap nicht vertraut sind, können sich der Illusion hingeben, das System habe sich aus Mitleid für den Stillstand entschieden. Lassen Sie uns von Anfang an klarstellen: Die großen Raubtiere von Öl, Waffen und Impfstoffen könnten sich nicht weniger um die Menschheit scheren.

Folgen Sie dem Geld.“
(Fabio Vighi „
A Self-Fulfilling Prophecy: Systemic Collapse and Pandemic Simulation“, eigene Übersetzung)

Der Autor hebt eine Reihe von deutlichen Vorzeichen im Jahre 2019 hervor. So warnte im Juni die BIZ (Bank für internationalen Zahlungsausgleich, seit 1930 wichtige Institution des globalen Finanzsystems, „Bank der Zentralbanken“) in ihrem Jahreswirtschaftsbericht 2019 vor einer Überhitzung des Marktes für fremdfinanzierte Kredite und zog Parallelen zur Situation vor der Subprimekrise 2008. Schon für 2018 werden in diesem Bericht Zeichen für einen kommenden Abschwung im internationalen Markt festgestellt.

„ Erstens waren es vor allem politische Faktoren, die der Wirtschaft ihren Stempel aufdrückten und die Entscheidungsträger in der Wirtschaft beschäftigten. Neben einigen länderspezifischen politischen Faktoren spielten auch Handelsspannungen eine große Rolle. Zweifellos hemmten die damit verbundenen Unsicherheiten und Bedenken die Wirtschaftstätigkeit, insbesondere die Investitionen. Zweitens verlangsamte sich die Konjunktur in China, da die Behörden versuchten, den dringend erforderlichen Schuldenabbau in der Wirtschaft zu erreichen, um das Wachstum nachhaltiger zu gestalten. Angesichts der Bedeutung Chinas und seiner engen Verflechtung mit der Weltwirtschaft verbreitete sich der Abschwung schnell in der ganzen Welt. [Schon 2018!] Globale Wertschöpfungsketten wirkten als starker Übertragungskanal. Drittens verschärften sich die finanziellen Bedingungen in Teilen der Welt ein Stück weit, da sich die US-Geldpolitik bis Ende 2018 weiter normalisierte und der US-Dollar an Wert gewann. Die aufstrebenden Volkswirtschaften (EMEs) hielten sich zwar im Vergleich zu früheren Standards bemerkenswert gut, gerieten aber angesichts der starken Abhängigkeit ihrer Unternehmen von der Finanzierung in US-Dollar etwas unter Druck. “ (Deepl-Übersetzung, Jahreswirtschaftsbericht der BIZ 2019, Markierung und Einschübe in eckigen Klammern von mir.)

Weiter heißt es:

„Die jüngste Konjunkturabschwächung kann keineswegs nur auf Handelskonflikte und Protektionismus zurückgeführt werden - die Verlangsamung von Handel und Produktivität geht dem Rückzug in den Protektionismus in den letzten beiden Jahren voraus. Der Lärm und die Heftigkeit des Handelskonflikts und die damit verbundene Unsicherheit haben der Verlangsamung jedoch eine Abwärtsspirale verliehen. Auch die längerfristigen Herausforderungen sollten wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Aus historischer Sicht ist es nicht ungewöhnlich, dass es nach großen wirtschaftlichen Erschütterungen zu solchen Stimmungsschwankungen kommt: Die Große Depression [1929/1930] markierte das Ende der vorherigen Globalisierungsära. Es ist noch zu früh, um zu sagen, wie sich dieser jetzige Umschwung entwickeln wird, aber er wird in den kommenden Jahren eindeutig eine Kraft sein, mit der wir zu kämpfen haben werden.“ (Ebenda, Markierung von mir)

Im August wurden in einem Arbeitspapier der BIZ unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen zum Schutz der Realwirtschaft erörtert. Zentralbanken sollten direkte Kredite an die Wirtschaft anbieten.

Ebenfalls im August fordert BlackRock in einem Weißbuch mit dem Titel „Dealing with the next downturn“ Liquidität seitens der FED für den Finanzmarkt, um einen „dramatischen Abschwung“ zu verhindern:

» Wenn die Geldpolitik erschöpft ist und die Fiskalpolitik allein nicht ausreicht, ist eine noch nie dagewesene Reaktion erforderlich. Diese Antwort wird wahrscheinlich darin bestehen, "direkt zu handeln": Direktes Handeln bedeutet, dass die Zentralbank Wege findet, das Zentralbankgeld direkt in die Hände der öffentlichen und privaten Geldgeber zu bringen. Direkte Geldschöpfung, die auf verschiedene Weise organisiert werden kann, funktioniert wie folgt:[. . .]

Eine extreme Form des "direkten" Vorgehens wäre eine explizite und dauerhafte monetäre Finanzierung einer fiskalischen Expansion, das so genannte Helikoptergeld. [. . .]

Ein praktikabler Weg, "direkt" zu gehen, müsste Folgendes leisten:
1) Definition der ungewöhnlichen Umstände, die eine solche ungewöhnliche Koordinierung erfordern; 2) unter diesen Umständen ein ausdrückliches Inflationsziel, für dessen Erreichung die Finanz- und Währungsbehörden gemeinsam verantwortlich gemacht werden; 3) ein Mechanismus, der einen flexiblen Einsatz einer produktiven Finanzpolitik ermöglicht, und 4) eine klare Ausstiegsstrategie. Ein solcher Mechanismus könnte die Form einer ständigen fiskalischen Notfallfaszilität annehmen. Es würde sich um eine ständige Einrichtung handeln, die jedoch nur aktiviert würde, wenn die Geldpolitik ausgeschöpft ist und erwartet wird, dass die Inflation über den Politikhorizont hinweg systematisch unter ihrem Ziel liegt.

Der Umfang dieser Fazilität würde von der Zentralbank festgelegt und so kalibriert, dass das Inflationsziel erreicht wird, wozu auch der Ausgleich früherer Inflationsunterschreitungen gehören könnte. [. . .]«
(Aus dem Arbeitspapier, Deepl-Übersetzung, Hervorhebung so im Original)

Die Zentralbanker der G7 trafen sich dann am 25. August bei einer Tagung in „Jackson Hole“/USA, „um das BlackRock-Papier und dringende Maßnahmen zur Verhinderung der drohenden Kernschmelze zu diskutieren“ (Vighi). Die New York Times berichtete:

» Die in Jackson Hole versammelten Zentralbanker aus aller Welt hatten das Gefühl, dass die Dinge nie wieder so sein würden wie zuvor.
Die Industrieländer hätten einen "Regimewechsel" in den wirtschaftlichen Bedingungen erlebt, erklärte James Bullard, Präsident der Federal Reserve von St. Louis, gegenüber der Financial Times. "Irgendetwas ist im Gange, und ich denke, das führt zu einem völligen Überdenken des Zentralbankwesens und all unserer hochgehaltenen Vorstellungen von dem, was wir glauben zu tun", sagte er. "
Wir müssen einfach aufhören zu denken, dass nächstes Jahr alles wieder normal sein wird". « (Hervorhebung von mir)

Mitte September 2019 erhöhten sich dann die „Repo-Sätze“ auf das 5-Fache, von 2 Prozent auf 10,5. Das ist der Satz zu dem Investmentfonds sich kurzfristig Geld gegen Hinterlegung von Sicherheiten wie Staatspapieren leihen. Vighi sagt dazu: „Ein Mangel an Liquidität auf dem Repo-Markt kann einen verheerenden Dominoeffekt auf alle wichtigen Finanzsektoren haben.“

 

Kurz darauf, am 17. September beginnt die FED mit einem geldpolitischen Notprogramm und pumpt wöchentlich hunderte Milliarden Dollar in die Finanzmärkte.

Und folgendes Ereignis, immerhin vor dem Lockdown in China, kann auch in diesem Zusammenhang gesehen werden:

»19. September 2019: Donald Trump unterzeichnet die Executive Order 13887, mit der eine National Influenza Vaccine Task Force eingerichtet wird, deren Ziel es ist, einen "nationalen 5-Jahres-Plan“ (Plan) zu entwickeln, um den Einsatz flexiblerer und skalierbarer Technologien zur Impfstoffherstellung zu fördern und die Entwicklung von Impfstoffen zu beschleunigen, die gegen viele oder alle Grippeviren schützen." Damit soll einer "Grippepandemie" entgegengewirkt werden, die "im Gegensatz zur saisonalen Grippe [...] das Potenzial hat, sich schnell über den Globus zu verbreiten, eine größere Anzahl von Menschen zu infizieren und hohe Krankheits- und Todesraten in Bevölkerungsgruppen zu verursachen, die nicht immun sind". « (Vighi, eigene Übersetzung)

Im Januar 2020 verhängt China über Wuhan und andere Städte eine Ausgangssperre wegen Corona.

Anfang März 2020 brach der Finanzmarkt beinahe zusammen (und die WHO erklärte zur gleichen Zeit Covid 19 zur globalen Pandemie). In der damaligen Situation gab der Zusammenbruch von Lieferketten der Weltwirtschaft den Rest. Schon weniger wichtige Ereignisse haben in der Vergangenheit den vollen Ausbruch von Wirtschaftskrisen hervorgerufen, deren Ausbruch nur noch eine Frage der Zeit war. Aber die Zuspitzung in Italien und die Stilllegung großer Teile der Wirtschaft im Rahmen von Lockdowns fesselten die Aufmerksamkeit der meisten Menschen derart, daß andere Vorgänge in der Wirtschaft, die hier geschildert werden, für sie dahinter verdeckt abliefen.

 

Ab März mußte die FED im großen Stil die Finanzmärkte mit Billionen Dollar fluten.

» NTV schrieb am 9. März, als das Desaster ganz offensichtlich war und unter der Überschrift „Virus und Ölpreis-Crash: Dax bricht um mehr als 900 Punkte ein“:

„Viele Börsianer sprechen von einem "Schwarzen Montag", doch eigentlich waren die meisten Handelstage in den vergangenen zwei Wochen desaströs.“

Das sei der größte Crash seit dem Börsenkrach vom 19. Oktober 1987 gewesen (eben falls „Schwarzer Montag“ genannt). «

So schrieb ich in dem Artikel „Die gegenwärtige tiefe Krise des Kapitalismus und Corona - nicht zu trennen“ vom 21.11.2021. Da bin ich auf diese Zusammenhänge bereits eingegangen, gestützt auf das Buch von Adam Tooze, dessen englisches Original im September 2021 erschien (Welt im Lockdown: Die globale Krise und ihre Folgen, 25. Oktober 2021).

Dort schrieb ich auch:

» Die FED in den USA intervenierte zur Stabilisierung der Staatsanleihen diesmal mit Billionen von Dollar und senkte die Zinsen zeitweilig auf Null, um diese Entwicklung zu stoppen. Sie machte klar, daß sie tun würde „whatever it takes“ und machte sich buchstäblich zur „Zentralbank der Welt“ (Tooze). Am 25. März wurde außerdem noch der „Coronavirus Aid Relief“ von 2,2 Billionen Dollar verabschiedet). Das trug zur (Schein-) Blüte der Finanzmärkte mitten in der Krise bei. Adam Tooze schreibt auf Seite 147:

„Sobald die Investoren wußten, daß der Kreditgeber und Market Maker der letzten Instanz zur Stelle war, kehrte das Vertrauen zurück, Kredite flossen, und an den Finanzmärkten, insbesondere in den Vereinigten Staaten, setzte eine erstaunliche Erholung ein. Mitte August hatte der S&P 500 [Aktienindex, der die Aktien von 500 der größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen umfasst] seine Verluste seit Februar vollständig wettgemacht und setzte zu einem rekordverdächtigen Höhenflug an. Die kleine Minderheit, die in erheblichem Maße direkt an den Finanzmärkten beteiligt war, wurde wieder reich. Er trug dazu bei, das Vermögen der Unternehmen ganz allgemein wieder zu beleben und damit die Wirtschaft anzukurbeln. Hätten die Finanzmärkte im März 2020 einen Herzinfarkt [!] erlitten, hätte der Großteil der Welt darunter zu leiden gehabt, [er litt auch unter dieser „Rettung“] aber die Vorteile dieser Erholung waren ungleich verteilt. Weltweit stieg das Vermögen der Milliardäre im Jahr 2020 um 1,9 Billionen [!] Dollar, wovon 560 Millionen Dollar den reichsten Amerikanern zugute kamen. « (Hervorhebung von mir. In eckige Klammern gesetzte Textteile sind eingeschobene Kommentare von mir. )

Und etwas weiter:

» Bis Januar wurden vom IWF 14 Billionen Dollar weltweit „finanzpolitische Anstrengungen“ geschätzt (IWF laut Tooze, S. 149). Tooze überschreibt das auf Seite 145 mit: „Die Wirtschaft auf der Intensivstation“ und meint dazu, daß man von „Kriegswirtschaft“ sprechen müsse. In manchen Fällen spricht man auch von Zombiewirtschaft, weil Unternehmen, die eigentlich pleite sind, mit dem billigen Geld als Kredit weiter existieren. «

Die Ausführungen von Fabio Vighi fügen dem noch einmal weitere wichtige Hintergrundfakten hinzu, insbesondere indem sie nachweisen, daß die Krise, in der wir uns nach wie vor befinden, schon spätestens 2019 losging.

 

So ist eines klar: Nicht Corona und der Ukraine-Krieg haben die Wirtschaftskrise verursacht, sondern die tiefe, fundamentaler Krise des kapitalistischen Systems, auch verursacht durch die Verlagerung der Produktion aus den ehemals wichtigsten Industrieländern in andere Weltregionen und die zum Ausgleich erfolgte Aufblähung des Finanzsektors, in den der ganze Reichtum der reichen Länder in Form von Geldkapital eingebracht wird, der sich von allem Mehrwert global seinen Anteil holen will und alles zum Gegenstand seiner Finanzspekulation macht. Die Faktoren, die sowieso immer wieder zyklische Krisen auslösen, werden so noch einmal erheblich verschärft, wie auch die internationalen Konflikte und Widersprüche.

So ist es doch auffallend, wie Politik und Ökonomie in einer bestimmten Weise zusammenwirken. Der Mittlere Osten wurde verheert, hat an Bedeutung für den Ölhandel verloren, während die USA seit 2017 das meiste Öl im globalen Vergleich fördern, das allerdings zum großen Teil dem eigenen Bedarf dient, und seit 2019 unter dem Strich Ölexporteur sind, was sie davor seit 1948 nicht mehr waren, und mittlerweile zum größten Ölförderer und Gasexporteur der Welt aufstiegen, was vor allem an der enorm gestiegenen Menge durch Fracking gewonnenen LNGs (Liquefied Natural Gas - verflüssigtes Erdgas) liegt. Mit der Ausschaltung Russlands für den europäischen Markt könnten die USA ihre Stellung weiter ausbauen. Der Ukraine-Krieg zusammen mit den Boykottmaßnahmen gegen Russland führt außerdem zu einer verstärkten Spekulation auf steigende Gas- und Ölpreise, was in der Folge zu exorbitanten Preissteigerungen führt, die den Ölfirmen Rekordgewinne verschaffen, insbesondere denen, die mit billigem russischem Gas und Öl handeln und es jetzt zu den neuen Weltmarktpreisen verkaufen. Die Exporte der USA von LNG nach Europa sind bereits um 63 Prozent gestiegen, obwohl das LNG erheblich teurer ist als das Gas aus Russland. Die Reduzierung des Gasbezugs aus Russland ist schon länger Thema und wurde schon vor einiger Zeit in der EU als Ziel beschlossen. North-Stream 2 sollte schon zur Zeit der Regierung Trump verhindert werden. Baerbock sagte schon im Januar 2021 zu North-Stream 2:

„Dass mit russischen Geldern eine Stiftung unter dem Deckmantel des Klimaschutzes finanziert wird, die einzig und allein zur Fertigstellung der Pipeline (Nord Stream 2] dient, ist einfach ungeheuerlich. Nicht nur klimapolitisch, sondern vor allem geostrategisch.“ (FAZ 13.01.2021, Hervorhebung von mir.)

Wobei das Argument der Klimapolitik innerhalb der eigenen Logik absurd ist und zeigt, wie diese Argumentation instrumentalisiert wird, denn der Ersatz durch Fracking[!]-Gas aus den USA, (während man eigentlich strikt gegen Fracking ist) das zudem erst über den großen Teich herangeschafft werden muß und wofür die Terminals gebaut werden müssen, dazu die Stilllegung einer fast fertigen Gaspipeline, kann wohl kaum im Rahmen der eigenen Klimapolitik-Argumentation befürwortet werden, während das geostrategische Moment vor allem in die Richtung atlantischer Hunde-Treue gegenüber den USA weist, die sich ja jetzt auch deutlich erweist Anm.4. Kurz zuvor hatten die Grünen übrigens ihr Programm geändert und darin militärische Interventionen im Rahmen der Nato oder EU weitgehend befürwortet, wenn auch nicht auf den ersten Blick erkennbar. Siehe auch das IS vom 19.01.2022 „A. Baerbocks jüngster Vorstoß gegen North Stream 2 – Was kann man daran sehen?“.

 

Es gibt offenbar keine Hemmungen bei der Verteuerung der Energie, die ja nach der eigenen grünen Ideologie schon immer befürwortet wird. Jetzt sollen auch noch die Endkunden durch eine Umlage zum Ausgleich von wirtschaftlichen Folgen für Gasimporteure verdonnert werden, auch solchen, die ihre Gewinne gesteigert haben, weil sie billiges Gas zu teuren Spekulations-Preisen verkaufen, also um ihnen die Überprofite zu sichern.

 

Die ausufernde Finanzspekulation

Die Verteuerung kommt allerdings in erheblichem Maße durch die ausufernde Finanzspekulation zustande, wozu der Ukrainekonflikt nur den Aufhänger liefert. So gibt es für Rohstoffe und Agrarprodukte seit langem Warenterminbörsen, die seit den zweitausender Jahren ihren Charakter erheblich gewandelt haben. Waren sie ursprünglich dafür da, Käufer und Verkäufer vor allzu großen Preissprüngen zu schützen, indem sie zukünftige Geschäfte zu einem im Voraus festgelegten Preis möglich machten, wobei sogar der Anteil spekulativer Anlagen durch Obergrenzen eingeschränkt wurde um Preisverzerrungen zu verhindern, wurden sie seit Anfang des Jahrtausends von diesen Beschränkungen befreit und für Spekulationen mit Grundbedürfnissen freigegeben, die auch in der Krise befriedigt werden müssen. Die wichtiger gewordene Finanzbranche hat hier ihren Einfluß geltend gemacht.

 

Dabei spielt eine Rolle, daß Warentermingeschäfte auch ohne physischen Handel mit den Waren abgewickelt werden können, indem nur die Preisdifferenz beim Kauf oder Verkauf einer bestimmten Menge ausgeglichen wird, gegen eine Gebühr und Hinterlegung einer Sicherheitszahlung. Die Börse kommt dann für die Differenz auf oder zieht sie ein, je nach Entwicklung des Marktes. Diese fiktiven Termingeschäfte werden sogar von großen Händlern zusätzlich zum eigentlichen Handel genutzt, wodurch die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Preisentwicklung steigen. Heute, nach Abschaffung der Limitierung, dominiert oft die Spekulation an diesen Börsen und erwirbt mehr sogenannte „Futures“ als der reale Handel hergibt.

 

Die Finanzinvestoren entwickelten darauf gestützt sogenannte ETFs (Exchange Traded Funds – börsengehandelte Indexfonds). Ein ETF ist ein Indexfonds, der einen bestimmten Bereich von Rohstoffen und/oder Agrarprodukten abdeckt, auf deren Preissteigerung am Markt gewettet wird. Jedermann kann einen Anteil daran kaufen. Wenn wir eine Versicherung abschließen oder Geld sparen kann es zum Beispiel auch sein, daß unsere Einzahlungen in solchen Fonds angelegt werden. Gibt es die Annahme einer Preissteigerung oder Verknappung, steigt die Nachfrage nach entsprechenden Anlagen, was wiederum zu Verknappung oder Preissteigerung führen kann, was zu absurden Preisausschlägen führen kann.

 

Von den meisten Ökonomen wird immer bestritten, daß diese Finanzspekulation zu Preissteigerungen führt, aber es orientieren sich auch die realen Händler oftmals an den Spekulations-Preisen. Billiger wollen sie ihre Ware dann auch nicht verkaufen. Daß dies nicht die realen Preise beeinflußt, halte ich auch für eine LegendeAnm.5. So schießen die Preise für Gaskontrakte an den Terminbörsen für Gas und Öl gegenwärtig enorm in die Höhe. Die Händler verdienen gewaltig daran. Shell hat seinen Gewinn verfünffacht und andere mindestens verdoppelt.

 

Uniper-Nothilfe und die Subventionierung von Krisengewinnlern

Der Gashändler Uniper, dagegen ist ein besonderer Fall. 2002 wurde er geschaffen. tagesschau.de schrieb zum Zustandekommen von Uniper:

„Damals, 2002, wollte der Stromkonzern E.ON den größten deutschen Gasanbieter Ruhrgas übernehmen. Das Bundeskartellamt sah erhebliche Nachteile für den Wettbewerb und lehnte das Vorhaben ab. Auch die Monopolkommission, die die Bundesregierung berät, brachte in einer Stellungnahme massive Bedenken vor. Doch die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder setzte sich darüber hinweg und erlaubte den Zusammenschluss - in Form einer so genannten Ministererlaubnis.“ (tagesschau.de.#, 17.08.2022)

Im Jahre 2000 hatte die gleiche Regierung den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen, und Gas sollte die Lücke füllen. E.ON übernahm zunächst diese Monopolposition, aber 2016 wurde Uniper ausgegliedert, vielleicht hat man die kommende Entwicklung gesehen, und gehört heute dem finnischen Fortum-Konzern. E.ON wollte sich fortan gerade auch aus dem Geschäft mit russischem Gas und Investitionen in russische Ölfelder, in Nord Stream 2 zurückziehen, um sich voll auf die sogenannten „Erneuerbaren“ zu konzentrieren und auf die lukrativen Geschäfte, die im Rahmen der Klimarichtung erwartet werden.

 

Im Juli diesen Jahres forderten die vorwiegend finnischen Eigner von Uniper vom deutschen Staat, die krisengeschüttelten deutschen Geschäfte zu übernehmen, nachdem sie in den Jahren zuvor traumhafte Gewinne mit Uniper gemacht haben. „Finanznachrichten“ am 12.05.2021:

„Das vergleichbare Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) stieg zwischen Januar und März [2021] auf 1,479 Milliarden Euro von 543 Millionen, wie der staatlich kontrollierte Konzern mit Sitz in Espoo mitteilte.“

Der Tagesspiegel schreibt am 18. August 2022 unter der Überschrift „Am Rande der Insolvenz“:

„Der hohe Nettoverlust geht zum Teil auf bereits bekannte Abschreibungen auf Russland-bezogene Geschäfte von Uniper zurück – etwa für die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 und Kraftwerke in Russland. Der größte Teil steht allerdings im Zusammenhang mit Gaslieferkürzungen aus Russland“

Wegen der Kürzungen muß teilweise an der Gashandelsbörse teures Gas zu Spekulationspreisen gekauft werden, um langfristige Verträge zu niedrigeren Preisen zu erfüllen. 2021 hat man noch gute Geschäfte gemacht. Es wird auch gemunkelt, daß russisches billiges Gas bisweilen teurer auf dem Weltmarkt weiterverkauft wurde. Nun hat man eine andere „Lösung“ gefunden. Deutschland hat ein „Hilfspaket“ für Uniper von 7,7 Milliarden geschnürt, hat es doch zu verantworten, daß Nord Stream 2 nicht in Betrieb geht. Und alle deutschen Gaskunden sollen jetzt Uniper über eine zusätzliche Abgabe auf den Gaspreis entschädigen! Das hat allerdings Protest ausgelöst, insbesondere weil auch Firmen, die ihre Gewinne gesteigert haben, bis zu 100 Prozent, in den Genuß der Erlöse aus dieser Abgabe kommen sollen. Da sollen Übergewinne noch on top subventioniert werden. Habeck mußte inzwischen versprechen, da Abhilfe zu leisten. Der Vorschlag, die Mehrwertsteuer darauf zu erlassen, ist keineswegs generös. Soll der Staat etwa noch zusätzlich auf diese Weise daran verdienen, wo er doch sowieso schon genug Abgaben auf Energie kassiert? Und die EU erklärt diesen Vorschlag von Finanzminister Lindner nun auch noch für unzulässig. Wußte er das und wollte er alle mit diesem Vorschlag verarschen? Fortum will übrigens in Finnland noch im Dezember ein Terminal für LNG in Betrieb nehmen und dann am Handel mit diesem Gas verdienen. „Too big to fail“, oder soll der Umstieg auf LNG verkleidet als Nothilfe subventioniert werden?

 

Spekulationsprofite auf Kosten der Hungernden

Auch die aktuelle globale Hungerkrise existiert nicht erst seit dem Ukraine-Krieg. Weizen ist genug auf dem Markt, denn die heutige Landwirtschaft ist sehr produktiv, aber die Ärmsten können ihn sich nicht mehr leisten. In einer Analyse auf amerika21 vom 23.08.2022 heißt es dazu:

„Wie die internationale Nichtregierungsorganisation Grain analysiert, sind wir mit einer Preiskrise konfrontiert, nicht mit einer Lebensmittelknappheit. In erster Linie ist sie der Finanzspekulation derer geschuldet, die die industrielle Nahrungsmittelkette kontrollieren, nicht dem Mangel an Produktion oder Beständen.

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zeigt in ihrem globalen Preisindex, dass die Preise für Lebensmittel auf dem höchsten Stand seit Beginn der FAO-Aufzeichnungen 1990 sind. Im Jahr 2022 übertraf der Preisanstieg sogar noch den Höhepunkt der Lebensmittelkrise von 2007/2008.“

Und je ärmer ein Mensch ist, desto höher ist der Anteil seines Einkommens, das er für Essen ausgibt. Die Allerärmsten auf der Welt geben 80 Prozent und mehr ihres verfügbaren Einkommens für Lebensmittel aus. Wenn diese dermaßen teurer werden, hat das einen ganz anderen Effekt als bei uns: schnell wird gehungert. Aber auch die Hungerprogramme der UNO u.ä. verteuern sich, die Budgets reichen nicht mehr aus, um den schlimmsten Hunger zu verhindern. Dabei würde ein Bruchteil des Vermögensgewinnes der reichsten Milliardäre der Welt, von dem diese persönlich gar nichts merken würden, bereits dafür reichen, daß niemand Hunger leiden oder an Folgen von Hunger sterben muß. Was die Milliardäre der Welt an Zugewinn hatten, liegt im Billionenbereich. Dort landet am Ende ein Großteil der Gelder, mit denen die Finanzmärkte zur Kriseneindämmung geflutet wurden, denn mit Hilfe der Finanzspekulation kann auch in der Krise Geldvermögen gescheffelt werden. Wer aber muß für die Schuldenlöcher aufkommen, auch über die steigende Inflation?

 

 

Die neue grüne „Volksgemeinschaft“, die das Kapital gerne hätte

Man will jetzt mit der Kulisse der angeblichen äußeren Bedrohung im Inneren eine Art neue grüne „Volksgemeinschaft“ begründen, daß alle „solidarisch“ zusammenstehen sollen und vor allem die breite Bevölkerung, gerade auch die am meisten betroffenen ärmeren Bevölkerungsschichten, die Folgen „solidarisch“ schlucken soll. Wer sich dennoch wehrt, soll damit als unsolidarisch und egoistisch verfemt werden.

 Auch Verdi hat gerade auf der ersten Seite der neuen Ausgabe der Mitgliederzeitung „Publik“ die Überschrift: Zusammenhalten! Solidarisch in der Krise – die Starken können und müssen jetzt mehr Lasten tragen als die Schwächeren. Aber viele der „Stärkeren“ haben doch schon so schwer an ihren Spekulationsgewinnen zu tragen, haben den Kopf damit voll, wie sie noch mehr daraus machen. Die darf man doch nicht mit so etwas Banalem überfordern. Sarkasmus ist hier das Einzige, was einem zu dieser wirklichkeitsfernen Überschrift einfällt.

 

Der Tagesspiegel-Autor Christoph von Marschall, der relativ zuverlässig den USA-Standpunkt im Berliner Tagesspiegel vertritt, vornehmlich die Demokraten-Richtung, brachte in einer Kolumne auf der ersten Seite am 14. Juli 2022 eine demagogische Umdeutung der Ursachen für die drohende Verarmung vieler. Nicht der Kapitalismus, nein, Putin ist an allem Schuld:

„Der Krieg bringt Gewissheiten, auf die über viele Friedensjahrzehnte Verlass war, ins Wanken. In der neuen Wirklichkeit helfen die gewohnten Rituale der Verteilungskämpfe nicht weiter, in denen die Interessen von Wirtschaft und Gesellschaft, Bossen und Arbeitnehmern, Kindern und Rentnern als scharfe Gegensätze dargestellt und gegeneinander ausgespielt werden. Sie alle, wir alle leben in gegenseitiger Abhängigkeit. Die Zumutungen lassen sich nur gemeinsam bestehen.“

Also wie schon gehabt in ähnlichen Situationen. Alles wird abgelenkt auf eine Bedrohung von außen, und deshalb müssen die Menschen die wahren Ursachen vergessen und in einer „Volksgemeinschaft“ zusammenstehen mit denen, die in Wahrheit die eigentlichen Verursacher sind. Und was passiert, wenn die Ärmeren, auf die die Krisenfolgen abgewälzt werden sollen, das nicht einsehen? Wird hier nicht an der Rechtfertigung von deren Unterdrückung gearbeitet, wie das schon in der Vergangenheit üblich war, wenn jemand sich der „Volksgemeinschaft“ nicht unterordnen will? – in der natürlich tatsächlich die herrschende Klasse weiter die Fäden zieht und die Folgen der Krise vor allem nach unten weiterreicht, wie das ja aktuell zu beobachten ist.

 

Man kann dabei auch auf Kräfte zurückgreifen, die jeden Widerstand in die rechte Ecke zu stellen trachten. Schon kann man vereinzelt Meldungen aus den „Sicherheitsorganen“ lesen (die für ihre Protektion der NSU-Terroristen berüchtigt sind), die Rechten würden die Sozialproteste kapern wollen. Das ist sehr ernst zu nehmen, denn wahrscheinlich werden unsere „Sicherheitsorgane“ mit ihren zahlreichen V-Leuten unter den Faschisten auch ihren Beitrag dafür leisten, daß diese Prognosen nicht völlig falsch sind. Aber man darf man sich auf keinen Fall davon abhalten lassen, auf die Strasse zu gehen. Den Rechten darf man nicht das Feld überlassen. Widerstand ist unbedingt gerechtfertigt und notwendig, das ist doch wirklich das Mindeste.

 

Mit erstaunlicher Offenheit sagt von Marschall:

Deshalb ist es gut, dass Robert Habeck den Vorstoß gemacht hat und nicht ein Wirtschaftsliberaler. Der Grüne ist nicht als Lobbyist von Industrieinteressen bekannt.“ (Fettdruck von mir.)

Gibt es denn nicht außer der Industrie heute die großen Finanzakteure, deren Bedeutung seit Jahrzehnten steigt? Die verkaufen heute auch sogenannte „grüne und nachhaltige“ Finanzanlagen und wollen auch an „grünen“ Maßnahmen kräftig verdienen. Das würde allerdings sehr viel eher passen.

 

Und weiter heißt es, völlig demagogisch:

„Man möchte wünschen, dass es so weiter geht im öffentlichen Dialog. Und alle Betroffenen nach Habeckschem Muster nicht nur für die eigenen Interessen und Sichtweisen kämpfen, sondern auch Verständnis für die berechtigten Belange der Anderen zeigen. Denn die sind ihre Partner.

Der Einschnitt durch den Krieg und seine ökonomischen wie sozialen Folgen ist so tief, dass die Regierung weder bestimmten Gesellschaftsgruppen noch für einzelne Bereiche des Alltags versprechen kann, dass sie garantiert ausgespart bleiben von Einschnitten. Um den Schaden für das gemeinsame Wohl zu minimieren, muss sie abwägen, wie alle einen Beitrag leisten: als Solidargemeinschaft.“ (Alles aus besagter Tagesspiegel-Kolumne. Hervorhebung von mir.)

Ist das denn nicht indirekt auch eine Drohung an jene, die nicht „solidarisch“ mit den Krisengewinnlern sein wollen? Hatten wir nicht diese Ideologie schon einmal, daß ein „einfacher Mann aus dem Volke“ an der Spitze des Staates für die Gerechtigkeit sorgen würde, der die Interessen der Herrschenden und der Beherrschten zum Ausgleich bringen würde? Und das internationale Großkapital hat dabei prächtig verdient, so wie auch am Ukraine-Krieg mancher prächtig verdient, vor allem in den USA. Der Betrug ist dieses Mal nicht kleiner.

 

Die sozialen Fragen müssen wieder in den Mittelpunkt gestellt werden

 

Das Vorschieben angeblicher Welt-Umweltkatastrophen, wegen denen die sozialen Fragen angeblich zweitrangig oder nebensächlich seien, ist Zweckdemagogie. Wenn es wirklich heute zu Katastrophen kommt, beweist die herrschende Klasse zunehmend extreme Unfähigkeit sie zu verhüten, in den Griff zu bekommen oder die Folgen zu beseitigen, siehe das Ahrtal, wo eine mögliche Katastrophe vorher angekündigt wurde. Und das trotz all der modernen Mittel in Hülle und Fülle, die heute zur Verfügung stehen könnten. Dafür wird mit Nebenfragen jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf getrieben, während die wirklich brennenden sozialen Fragen in den Hintergrund gedrängt werden. Schluß damit. Ohne die längst überfällige Beseitigung des Systems der Ausbeutung und der Herrschaft einer Ausbeuterklasse wird jedes Herumdoktern an irgendwelchen Einzelproblemen sie nicht „nachhaltig“ bewältigen, um einen heute modernen Ausdruck zu verwenden. Die Überwindung der Klassengesellschaft ist dringender denn je.

 

Die wichtigsten Gründe für die gegenwärtige Inflation, die Verteuerung, die Verarmung und die Senkung der Sozialstandards in ungeheurem Maße, das ist zum einen die Krisenanfälligkeit des Kapitalismus – und noch mehr des internationalen kapitalistischen Systems, wie es sich heute herausgebildet hat, womit das Kapital eigentlich der sozialen Unruhe in den ursprünglich entwickeltsten kapitalistischen Ländern entkommen wollte. Um der Zuspitzung des Klassenkampfes auf einer entwickelten Grundlage, mit einer sehr großen, organisierten, erfahrenen Arbeiterklasse zu entgehen, wurde die Produktion in besonderem Umfang in andere Weltregionen verlagert, große Teile der ehemaligen Industriebevölkerung prekarisiert und auf ein demografisches Aussterbegleis gesetzt. Die ausufernde Spekulation, selbst mit den elementarsten Grundgütern des Überlebens, bekam in der Folge für die führenden kapitalistischen Mächte eine neue Bedeutung. In den reicheren Ländern wird der gesamte materielle Reichtum als fiktives Kapital für das Finanzsystem mobilisiert, um in der übrigen Welt alles aufzukaufen, was Gewinn oder Rendite abwerfen kann. So kann bisher auch finanziert werden, daß hierzulande ein großer Teil der Bevölkerung alimentiert werden muß, wenn auch zum Teil auf zunehmend niedrigerer Stufe.

 

Dieses System kracht in allen Fugen. Die Völker rebellieren gegen die internationale Ausbeutung. Und die alten Mächte haben sich außerdem neue Rivalen herangezogen, denn natürlich begnügen sich die herrschenden Klassen anderer Länder nicht auf Dauer mit einer Rolle als „verlängerte Werkbank“ für die alten Mächte, die den Rahm abschöpfen. Die Rivalität der großen Weltmächte, die Abwälzung der Kosten der Krise nach unten aber auch nicht zuletzt auf den Rivalen, die Unfähigkeit, der neuen Krise Herr zu werden, das verschärft die Gefahr von Kriegen, auch die Gefahr eines neuen globalen Krieges. Auch dem zweiten Weltkrieg ging nicht zufällig die große Krise von 1929/30 voraus.

 

Wie man gegenwärtig die Krise zu managen versucht und die Folgen nach unten abwälzen will, gar auf die Allerärmsten, die mit dem Hungertod bedroht sind, während zur Stützung und Bereicherung der größten Nutznießer dieses Systems Billionen an schuldenbasiertem Geldkapital aus der Taufe gehoben werden – das sind Zeichen, wie widersinnig dieses System heute ist. Weltweit steigt der Hunger und die Verelendung in ungeheurem Maße, und das in einer Welt, wo eigentlich die materiellen Voraussetzungen gegeben sind, Hunger und Verelendung völlig zu beseitigen. Ein Bruchteil des Zugewinns der reichsten Multimilliardäre seit 2020 würde schon reichen, daß niemand verhungern oder an Folgen der Unterernährung sterben müßte.

 

Daß die Beseitigung von Hunger und Elend angeblich wegen des Klimas nicht möglich sei, ist doch eigentlich eine sehr durchschaubare Rechtfertigung des bestehenden Systems, lenkt von der Klassenherrschaft als Ursache ab, besonders auch von den Mächten, die die größten Nutznießer dabei sind und auch die neue „Klimapolitik“ zu einem Billionengeschäft machen wollen. Die von ihnen verursachten Folgen werden auf das Bestreben der Menschheit nach einem besseren Leben geschoben. Letzteres ist aber, gestützt auf die Entwicklung der Produktivkräfte, unverzichtbarer Teil der Lösung, statt das Problem. Ohne diese Triebkraft hätte die Menschheit schon viele Male in einer Sackgasse landen müssen. Es gibt keinen Weg, der zu einem „Kreislauf“ führt, der immer nur das Bestehende reproduziert. Das sind nur Wunschträume einer herrschenden Klasse und ihres Anhangs, die die Klassenherrschaft in Ewigkeit fortsetzen will und – zu Recht! – Angst vor der Zukunft hat. Eine neue revolutionäre Umwälzung ist längst überfällig.

 

 

 



Anm.1 Zbigniew Brzezinski, Präsidentenberater und strategischer außenpolitischer Denker, spielte schon eine wichtige Rolle dabei, der UdSSR in Afghanistan „ihr Vietnam“ zu bereiten, indem er die Mudjahedin, eigentlich vorsintflutliche Islamisten, mit Milliarden militärisch aufrüstete, Afghanistan in ein Mekka für Islamisten aus aller Welt verwandelte und so für einen Zustrom an teilweise modern ausgebildeten Kräften sorgte, und die Sowjetunion in einen langen Krieg verwickelte, den sie nicht gewinnen konnte, denn die USA saßen mit ihrem Militärpotential hinter dem Gegner. Parallelen zum gegenwärtigen Krieg in der Ukraine sind nicht schwer zu erkennen.

 

Anm.2 Die Wirtschaft in der Ukraine ist schon länger in einer stetigen Abwärtsentwicklung begriffen, das Oligarchenunwesen entwickelte sich ungehemmter als in Russland, wo mit Putin schließlich eine gewisse Eindämmung der Plünderung alles Werthaltigen betrieben wurde, diese Plünderung war so extrem gewesen, daß zu diesen Zeiten irgendwann nicht einmal der Sold der Soldaten oder der Lohn der Staatsbediensteten bezahlt werden konnte. Ähnlich waren die Verhältnisse in der Ukraine, aber noch viel längere Zeit, und die Oligarchen sind heute noch ungehemmter. Die Landwirtschaft sorgt heute in der Ukraine für 40 Prozent der Exporte, aber mit Landwirtschaft ist heute kein Land reich und stark zu machen. Zumal es auch noch Subsistenzwirtschaft gibt und das Land verstärkt Objekt von „Landgrabbing“ ist. „Agroholdings“, ukrainische wie ausländische, sollen heute die Hälfte des ukrainischen Agrarlandes kontrollieren. Der Firmensitz der meisten Agroholdings ist im Ausland. Das Geld, das die Arbeitsemigranten nach Hause schicken, ist vor allem in der Westukraine von großer Wichtigkeit. Die Bevölkerung der Ukraine sank durch sinkende Geburtenrate und Arbeits-Emigration von ca. 51 Millionen 1990 auf 42 Millionen in 2021, zusätzlich haben inzwischen mehrere Millionen seit dem Krieg das Land verlassen. Der Donbass, das ursprünglich industriell entwickeltste Gebiet mit den höchsten Einkommen pro Kopf wurde zu einem Armenhaus, nicht nur deshalb denken dort viele positiv an die Zeit zurück, als die Ukraine Teil der Sowjetunion war. Auch kulturell stehen dort viele der Bevölkerung im benachbarten Russland näher als der Westukraine. Der rechte Nationalismus à la Bandera (der als Wunschgestalt, wie man ihn heute gern hätte, unter Beschönigung der faschistischen Seite, von der offiziellen Politik verklärt wird, dessen Anhänger heute auf allen Ebenen Einfluß haben) hat in seinem Ursprungsgebiet die Massakrierung und Vertreibung der polnischen und jüdischen Bevölkerung betrieben, um eine „ethnisch reine“ Ukraine zu schaffen. Und wieviel Kreide manche Anhänger auch öffentlich fressen, er stellt eine reale Bedrohung der russischstämmigen Bevölkerung dar. Die Ukraine ist nun völlig auf Krieg eingestellt und von Milliarden aus dem Ausland abhängig. Sie betont deshalb, daß sie für die ganze „freie Welt“ kämpfen würde und deshalb von dieser alles zu erhalten habe, was sie braucht. Für die Zeit „nach dem Sieg“ werden völlig neue, viel bessere Verhältnisse versprochen. Ob sich die Hoffnung erfüllt, daß man ihr eine neue moderne Industrie spendieren wird, lassen wir mal dahingestellt. Es sieht eher nach einem Eldorado für ausländisches Kapital aus. Als sie sich allerdings in die innere Diskussion in den USA einmischten und Selenskyj den USA-Bürgern erklären wollte, daß diese sich eher bedanken müßten, daß die Ukraine ihre Milliarden annimmt und für sie kämpft, ist das auch dort nicht gut aufgenommen worden. Letztlich haben sich da zwei Kräfte verbündet, von denen jeder den anderen für seine Zwecke einspannen will, wie das bei Bündnissen dieser Art auch zu erwarten ist. Die USA jedenfalls ziehen diesen Krieg anscheinend bewußt in die Länge, um Russland maximal zu schwächen, das ist offenbar das, worauf es ihnen mehr ankommt.

 

Anm.3  Fabio Vighi ist Professor für Kritische Theorie und Italienisch an der Universität Cardiff, Großbritannien. Er vertritt eine Richtung, die Marx und Psychoanalyse zusammenbringen will. Seine Unterscheidung von Finanzkapitalismus und Industriekapitalismus teile ich nicht. Die Erzeugung von Mehrwert ist immer noch fundamental für den Kapitalismus, der Finanzsektor ist Teil des gleichen Kapitalismus, der durch die Dynamik des Klassenkampfes in den ehemals entwickelteren Ländern dazu kam, das gegenwärtige überdimensionierte Finanzsystem auszuprägen. So wie der Finanzsektor schon anfangs im Rahmen der „Nationalökonomie“ im Kapitalismus seinen Anteil am gesellschaftlich erzeugten Mehrwert beanspruchte, tut er es heute, seit der Kapitalismus so global wie nie zuvor ist, global.

 

Anm.4  Nachdem der internationale Boykott zu wenig beachtet wird, wollen die USA neuerdings den Käufern einen so niedrigen Preis vorschreiben, daß sich der Öl-und Gashandel für Russland nicht mehr lohnt. Wie weit das durchsetzbar ist, fragt es sich da allerdings. Endeffekt auch da: Alle sollen das teure Gas aus den USA früher oder später kaufen müssen - und die USA sind ja so klar Friedensengel und würden die Einnahmen natürlich niemals für Kriege verwenden, sind mit den über 20 Millionen Toten, die ihren Kriegen schon seit dem zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen sind, natürlich völlig zufrieden und wollen nicht mehr Menschen umbringen. Das ist doch völlig logisch und einsichtig.

 

Anm.5 Ich empfehle hierzu das Buch „Die Hungermacher. Wie Deutsche Bank, Allianz und Co. auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmitteln spekulieren“ von Harald Schumann, das die Methoden grundsätzlich anschaulich aufzeigt, wenn auch der Titel eher heute kleinere Akteure nennt und die Illusionen, daß diese Probleme im Rahmen der heutigen Gesellschaftsordnung durch Gesetzesänderungen gelöst werden könnten, seltsam weltfremd und im Gegensatz zu den realistischen Recherchen des Gegenstands sind.

 

 

 

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