Internet Statement 2024-47

 

 

Diplomatie statt Kriegstreiberei - Orbáns frischer Wind

 

Uwe Müller 22.07.2024

 

Man kann vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán halten, was man will. Man muß ihn nicht mögen. Man kann und muß auch ihn kritisieren. Keine Frage. Ebenso von Orbán in seiner Rolle als aktuellem Rats-Vorsitzenden der EU. Was aber aktuell von Seiten der EU-Vertreter und vieler deutscher und europäischer Politiker und Regierenden geäußert wird, geht weit über eine Kritik unter demokratischen Partnern hinaus.

Gleicht es nicht vielmehr einer Hexenjagd, wenn man sieht, wie nahezu unisono gegen Orbán und seine umtriebige diplomatische Initiative für einen Waffenstillstand zwischen Rußland und der Ukraine, gehetzt wird? Ungarn steht innerhalb der EU wegen seiner Innen- und Außenpolitik schon lange unter Kritik, es wurden Verfahren gegen Ungarn eröffnet und Milliardengelder zurückgehalten. Was aber aktuell läuft, ist noch weitaus schärfer - und hat mit demokratischem Umgang unter Partnerländern nichts zu tun. Und das von politischen Kräften, die ständig mit den Begriffen Freiheit, Demokratie und Menschenrechten hausieren gehen. Heuchelei ist das.

Als erster Kritikpunkt kam sogleich, diese Reisen nach der Ukraine, Rußland, Türkei, China und die USA waren von ihm innerhalb der EU nicht abgesprochen worden, Orbán könne also nur für sich und Ungarn reden, aber nicht für die EU. Mag ja sein, das dem so war. Warum aber wurde nicht zum Beispiel ein Macron gleichermaßen abgekanzelt und behandelt, als er den Einsatz von europäischen NATO-Truppen in der Ukraine forderte? Das wurde höchstens leicht kritisiert oder ganz übergangen.

Von Orbán aber wird sich sofort distanziert, er wird scharf attackiert und von von der Leyen ganz offiziell boykottiert. Das ist ein Skandal. Es gibt sogar Stimmen, die Ungarn den EU-Ratsvorsitz wegnehmen wollen. So z.B. der Europaparlamentarier Daniel Freund von den Grünen:

„Man sollte Viktor Orban die Ratspräsidentschaft entziehen. Eigentlich hätte er sie gar nicht erst antreten sollen", sagt der Europaparlamentarier Daniel Freund von den Grünen, einer der schärfsten Orbán-Kritiker. So eine Ratspräsidentschaft habe die EU noch nicht gesehen, stellt Freund fest - ein Land, dem wegen "zig Rechtsstaatsverstößen und Korruption ein Großteil der EU-Gelder eingefroren wurden, sollte nicht für die gesamte EU sprechen und schon gar nicht in dieser Weise in Moskau und Peking auftreten". (aus einem Bericht der tagesschau vom 13.7.2024, betitelt „Kann Ungarn der EU-Ratsvorsitz entzogen werden“)

So ein Demagoge. Als wenn es in anderen EU-Staaten, auch in Deutschland, keine Korruption und Rechtsstaatsverstöße gäbe. Was war denn mit der Corona-Diktatur? Wurden da nicht massiv Grundrechte eingeschränkt? Was mit der Kriminalisierung der Proteste gegen den brutalen, völkerrechtswidrigen Krieg Israels gegen Gaza? Was ist denn mit dem Cum-Ex Skandal? Was mit Deutschland als dem Geldwäschestaat in Europa? Um nur mal einiges zu nennen...


Wofür wird Orbán so attackiert und boykottiert? Nicht deswegen, weil es nicht abgesprochen war, das glaube wer will. Er wird so scharf attackiert, weil er versucht, diplomatische Lösungen zur Beendigung dieses Krieges zu finden, dem tagtäglich unzählige Soldaten und Zivilisten auf beiden Seiten zum Opfer fallen. Er will dieser unsinnigen, ruinösen und barbarischen imperialistischen Abschlachterei (Anm.1) ein Ende bereiten. Und das paßt den Kriegstreibern innerhalb der EU und über dem Atlantik überhaupt nicht.

Orbán hat seine Linie kurz so umrissen.
„Der Kern unseres Konzepts, das sich von dem offiziellen Konzept unterscheidet, besteht darin, dass die Europäische Union nicht die Außenpolitik der amerikanischen Demokraten kopieren sollte, sondern einen eigenen europäischen Ansatz im Geiste der strategischen Autonomie haben sollte – und dafür treten wir hier ständig ein“
(Quelle: UNGARN Heute, vom 18.07.2024)

Überdies hat er der EU am 12. Juli einen Bericht über seine Reisen übermittelt. Öffentliche Reaktionen seitens der EU sind mir bislang nicht bekannt. (Anm.2)

Die EU unter von der Leyen aber betreibt seit Kriegsbeginn keinerlei Bestrebungen, diplomatische Lösungen zu finden. Im Gegenteil, die EU unterstützt die Ukraine mit immer mehr Waffen und Milliarden, jeder Hilferuf aus der Ukraine wird gehört. Kritik an der Ukraine oder Selbstkritik über die eigene Rolle und Politik im Vorfeld des Krieges? Fehlanzeige. Von Kritik an der Rolle der USA, bzw. des US Imperialismus ganz zu schweigen. Rußland, dem russischen Imperialismus wird die alleinige Schuld zugeschoben, Putin als das personifizierte Böse hingestellt. Das ging und geht sogar so weit, alles Russische zu verdammen. Der eigene Imperialismus, der EU-Imperialismus im Schlepptau und Kotau des US-Imperialismus, und seine große Mitverantwortung für diesen Krieg ist ihnen natürlich nicht einmal eine Erwähnung wert.
Die einzigen diplomatischen Bemühungen der EU und auch der deutschen Außenministerin seit Kriegsbeginn bestehen darin, möglichst viele Länder in die Front gegen Rußland hinein zu ziehen. Nicht zufällig sind diese Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt, denn ein Großteil der Länder rund um den Globus sieht diesen Krieg nicht aus der Brille des sog. Westens, aus der Brille des westlichen Imperialismus. Aus gutem Grund.

Und da kommt jetzt ein Orbán daher und will, salopp formuliert, Friedenspolitik machen anstatt ständig den Krieg weiter zu treiben und immer noch mehr Waffen zu liefern. Aus Sicht der EU-Kriegstreiber scheint das wohl ein Affront zu sein. Aus Sicht der Mehrheit der europäischen Bevölkerung (und auch die russische Bevölkerung gehört hier mit dazu) ist das ein kleines Zeichen der Hoffnung, daß es auch innerhalb der EU Alternativen zur permanenten Kriegstreiberei mit dem Potential des Ausbruches eines noch größeren Krieges gibt.

Europa bzw. die EU ist ganz schön auf den Hund gekommen. Wie kann das denn sein, daß eine solche politische Lusche wie die von der Leyen wieder gewählt wurde (Anm.3), die nach wie vor den Green Deal (sprich De-Industrialisierung Europas und Knebelung der sog. 3.Welt bzw. der Länder des Südens) und die aggressive imperialistische Handels- und Kriegspolitik der USA gegen China und Rußland weiter blindlings unterstützen und vorantreiben möchte und wird. (Anm.3) Aus Sicht der Herrschenden ist das nicht verwunderlich, sondern folgerichtig.

Die Medien und interessierte Experten werteten dies als Signal der Stabilität, angesichts der Wahlerfolge der Rechten (Anm.4) bei der Europawahl. Woher aber kommt dieser Aufschwung der Rechten? Liegt das nicht an der Politik der Regierenden der EU und EU-Länder, denen nichts mehr am Herzen liegt, als das kapitalistische System der Ausbeutung - aus westlicher Sicht seit langem vorwiegend auch der internationalen Ausbeutung, zu retten? Die deswegen so eng verbunden sind mit dem US-Imperialismus? Liegt es nicht daran, daß sie grob gesprochen Politik machen im Interesse des Kapitals und nicht im Interesse der Masse der Bevölkerung? Vor allem aber liegt es an den Gesetzmäßigkeiten des kapitalistischen Systems, an der tiefen Krise, in der sich der Kapitalismus seit 2007 befindet, die deren Vertreter und Apologeten dazu bewegt, als Plan B sozusagen, notfalls mit Krieg und Faschismus zu versuchen, das System zu retten - koste es was es wolle?

 


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Anm 1: Es ist von beiden Seiten ein imperialistischer Krieg, wobei auch die Verteidigung des Landes auf beiden Seiten ein wichtiges Motiv bildet. Provoziert und ständig angeheizt von Seiten des US- und westlichen Imperialismus.

Anm.2: Orbán hat der EU am 12. Juli einen Bericht seiner Reisen überreicht, in der Öffentlichkeit wurde darauf bislang allerdings nicht eingegangen.

Anm.3: Kein Wunder, daß das insbesondere die sie unterstützenden Grünen EU-Abgeordneten sehr gefreut hat. So hat es die FAZ berichtet: Die Grünen liefen mit breitem Grinsen über die Gänge..." Quelle: FAZ 18.072024

Anm.4: Mit dem Begriff „rechts“ ist das so eine Sache. Ich meine hier nicht nur die braunen, völkischen Rechten, die Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Chauvinismus vertreten, Ich meine damit auch die grünen, erzkonservativen Rechten, die generell gegen menschlichen Fortschritt und gegen den Menschen als Feind der Natur sind - sie selbst als grüne Elite natürlich ausgenommen. Beiden gemeinsam ist, daß sie den Kapitalismus retten wollen, beide hängen am Gängelband des Finanzkapitals.

 

 

 

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