Internet Statement 2024-64
Geschichte ist Geschichte und Geschichte hört nicht auf
Wie fühlt sich heute eine junge Frau, die nachts um drei Uhr auf dem Gleisdreieck steht? Ich habe das erlebt vor vielen, vielen Jahren, als ich als Medizinstudentin nach Berlin gekommen bin. Damals war das in diesem damaligen Westberlin durchaus möglich. Man konnte nachts herumlaufen und sich relativ sicher fühlen, ohne die Sorge zu haben, daß man vielleicht vergewaltigt wird. Das war ein kleiner Fortschritt, wenn das auch nicht alles ist. Jedenfalls kann ich mich daran erinnern, daß ich damals nachts um drei auf dem Gleisdreieck stand und nicht die geringste Angst hatte, von irgendwelchen Schweinen vergewaltigt zu werden. Komisch, wo ist das geblieben? Nein. Es hat sich „normalisiert“. Das hat sich dem Kapitalismus alles angepasst.
Von wegen, daß der Sozialismus völlig schlecht war. Man hat unter anderem darauf bestanden, den Respekt des Menschen vor dem Menschen zu beachten, und natürlich auch den Respekt vor den Frauen. Das alles hatte seine Ausstrahlung und wirkte auch in den Westen hinein. Deswegen konnte man das damals hier machen. Ich habe damals in Westberlin Medizin studiert, und es war so, daß man nachts herumlaufen konnte, ohne die Gefahr einzugehen, vergewaltigt zu werden. Wie sieht das denn heute aus, nach der wunderschönen Wiedervereinigung, na wovon eigentlich? Was wurde eigentlich wiedervereinigt? Das System der Ausbeuter der Welt wurde wiedervereinigt. Der Rest blieb auf der Strecke. Na gut, man kann jetzt nicht darüber herumheulen, das bringt nichts, aber man sollte überlegen und verstehen, warum das so gewesen ist und warum das heute wieder vollkommen anders ist. Heute würde ich mich nicht mehr trauen, nachts auf dem Gleisdreieck zu stehen, wie einst. Obwohl ich ja heute viel zu alt bin inzwischen, um dafür attraktiv zu sein. Aber trotzdem würde ich das nicht mehr machen. Warum? Was hat sich verändert? Was hat sich denn in den verschiedenen Jahrzehnten der letzten Zeit eigentlich verändert zum Fortschritt der Menschheit? Wird darüber vielleicht nachgedacht?
Wer das nicht getan hat, der sollte das mal tun. Es ist nicht alles Gold was glänzt. Es ist auch nicht alles ein Fortschritt, wenn man den sogenannten Revisionismus überwunden hat. Ja, der Revisionismus war natürlich zwiespältig, das ist mir klar. Mit aller notwendigen Kritik an den Versuchen, eine andere Gesellschaftsordnung, den Sozialismus, überall durchzusetzen, muß man das feststellen. Es ist nicht so einfach, auch wenn man das pure Ausbeutungsunwesen abschafft, auch die ganze Kultur umzuwälzen. Das ist etwas, was man hier ganz deutlich feststellen kann. Und eine einheitliche Entwicklung auf der ganzen Welt hervorzurufen, die das System der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abschafft, ach, das ist schwierig. Das kann man nicht in einem Zug, in einem Satz schaffen. Das wäre eine ziemliche Illusion. Und eben so ist es auch gelaufen. Ja, was haben wir jetzt? Jetzt haben wir überall auf der Welt wieder das System der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Ach wie schön! Ja, die Ausgebeuteten hätten eben selber Schuld. Warum sind sie keine Ausbeuter? Wer kann denn diese Frage mal beantworten, ohne sich lächerlich zu machen? Ja, das Prinzip des Eigentums, des Privateigentums an den Produktionsmitteln hat sich durchgehend auf der ganzen Welt wieder durchgesetzt, und das macht sich bemerkbar.
Aber wer macht sich heutzutage darüber Gedanken? Oh, ich wäre sehr interessiert, mit solchen Menschen Kontakt aufzunehmen, die sich mit dieser Art von Rückschritt der Entwicklung nicht zufrieden geben wollen.
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