D. N. A I D I T
Die indonesische Gesellschaft
und die
indonesische Revolution
Grundfragen der indonesischen Revolution
Vorbemerkung
Kennen wir Indonesien? Kennen wir das Wesen seiner Geschichte, seiner
Gesellschaft, seiner Menschen, seiner Revolution? Lange Zeit befanden
sich die meisten von uns in der eigenartigen Lage, mehr über den
Westen als über Indonesien, mehr über die Revolutionen anderer
Länder als über unsere eigene Revolution zu wissen.
Die Kommunistische Partei Indonesiens ist sich nicht erst seit heute dieses
unnatürlichen Zustandes bewußt. Sie bemüht sich seit längerer
Zeit, Abhilfe zu schaffen, das heißt, die Söhne und Töchter
Indonesiens mit ihrer eigenen Gesellschaft, die indonesischen Revolutionäre
mit ihrer eigenen Revolution vertraut zu machen. Alle Dokumente, Berichte
und Beschlüsse unserer Partei sind bereits Schritte in dieser Richtung.
So wurde auch im Juli 1957 dem 5. Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen
Partei Indonesiens der Entwurf eines Lehrbüchleins mit dem Titel
„Die indonesische Gesellschaft und die indonesische Revolution“
vorgelegt, eine Arbeit, die Indonesien mit sich selbst bekannt macht.
Dieses vom Genossen Aidit geschriebene Büchlein ist für das
Studium an der Zentralen Parteischule und an den Provinzparteischulen
bestimmt. Es wurde vom Plenum der Partei im Beschluß über die
Arbeit „Grundfragen der indonesischen Revolution“ gebilligt.
Wir veröffentlichen diese Arbeit mit der Überzeugung, daß
sie nicht nur für die Erziehung der revolutionären Kader, sondern
für die Entwicklung der revolutionären Bewegung selbst von größter
Bedeutung sein wird.
Abteilung für Agitation und Propaganda
beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei
Indonesiens
Djakarta, November 1957
Einleitung
Der V. Parteitag der Kommunistischen Partei Indonesiens im März
1954 gab Antwort auf alle grundlegenden Fragen der indonesischen Revolution.
Aber es gibt immer noch viele Mitglieder der Partei, die nicht völlig
verstanden haben, was mit den „grundlegenden Fragen der indonesischen
Revolution“ gemeint ist.
Es ist wichtig, die Grundfragen der indonesischen Revolution zu kennen.
Die Grundfragen der indonesischen Revolution kennen heißt ihre Aufgaben
und Ziele kennen, heißt die Kräfte kennen, die sie vorwärtstreiben,
heißt ihren Charakter und ihre Perspektiven kennen. Um die Grundfragen
der indonesischen Revolution zu verstehen, müssen wir aber zunächst
die indonesische Gesellschaft kennen.
Indonesien und seine Gesellschaft
Die geographische Lage Indonesiens
Indonesien ist ein Archipel, der aus Tausenden von kleinen und großen
Inseln mit einer Gesamtoberfläche von fast zwei Millionen Quadratkilometern
besteht. Das Gebiet Indonesiens ist etwa 57mal so groß wie Holland,
5mal so groß wie Japan, 3½ mal so groß wie Frankreich
und doppelt so groß wie Pakistan. Indonesien hat fünf Hauptinseln:
Java, Sumatra, Kalimantan (Borneo), Sulawesi (Celebes) und West-Irian
(West-Neuguinea). Die Entfernung zwischen dem östlichsten und dem
westlichsten Punkt Indonesiens ist fast so groß wie die Entfernung
zwischen der Ostküste und der Westküste der Vereinigten Staaten
oder etwa die Entfernung zwischen dem Kaukasus und England.
Indonesien ist von drei Ozeanen umgeben, dem Stillen Ozean, dem Indischen
Ozean und dem Südchinesischen Meer. Es bildet eine Brücke zwischen
dem asiatischen und dem australischen Kontinent. Es ist also leicht verständlich,
warum Indonesien seit Tausenden von Jahren bis zum heutigen Tag eine wichtige
Rolle im Weltverkehr, in der Weltwirtschaft und Weltpolitik spielt.
Da Indonesien am Äquator liegt, ist sein Klima tropisch. Die Durchschnittstemperatur
liegt bei 26 Grad (Djakarta hat eine Durchschnittstemperatur von 26,4
Grad, Bandung 22,6, Semarang 26,9, Ambon 27,2). Indonesien hat als tropisches
Land nur zwei Jahreszeiten, die Trockenzeit von März bis September
und die Regenzeit von September bis März. Die Niederschläge
sind in den verschiedenen Teilen des Landes unterschiedlich stark.
Die indonesischen Inseln sind überaus fruchtbar. Java gehört
zu den fruchtbarsten Gebieten der Welt. Deshalb werden hier seit undenklichen
Zeiten die verschiedensten Kulturen, vor allem Reis, angebaut. Indonesien
ist reich an Gebirgen, Tälern und Schluchten, Flüssen und Wasserfällen.
Der indonesische Boden birgt vielfältige Bodenschätze, und die
indonesischen Meere sind voller Reichtümer. In diesem fruchtbaren
und reichen Land, das mit seinen Meeren und Flüssen beste Verkehrsmöglichkeiten
bietet, lebten und entwickelten sich die Vorfahren des indonesischen Volkes.
Seinem Territorium und auch seiner Bevölkerungszahl nach gehört
Indonesien zu den großen Ländern der Welt. Daß es ein
reiches Land ist und daß es mit seinen Inseln zwei Kontinente verbindet
und von drei Ozeanen umspült wird, hat für das heutige Indonesien
sowohl Vorteile als auch Nachteile.
Indonesien hat eine vorteilhafte geographische Lage, weil es nicht von
der Welt isoliert werden kann. Es hat alle Voraussetzungen für einen
starken Fremdenverkehr. Die Möglichkeiten der Schiffsverbindung im
eigenen Lande und mit der Außenwelt sind unbegrenzt.
Auf der anderen Seite aber wird es Indonesien, nur wenn es stark ist,
gelingen, dem Druck der Invasoren zu widerstehen, die das unermeßlich
reiche Land beherrschen wollen. Die ausgedehnten Küsten sind nicht
leicht gegen ausländische militärische Aggressionen zu verteidigen
und vor Schmugglern zu schützen.
Die Erfahrungen der Augustrevolution 1945 lehren uns, daß der Partisanenkrieg
für die Verteidigung der indonesischen Souveränität eine
wichtige Rolle spielt, doch sind in Indonesien nicht alle notwendigen
Voraussetzungen für den Partisanenkampf gegeben. Es gibt nicht genügend
ausgedehnte bevölkerte Landstrecken, es sind nicht genügend
große Gebirgsgegenden und Wälder vorhanden, die weit genug
von den Städten und Hauptstraßen entfernt liegen. Erschwert
wird dieser Umstand noch durch die Tatsache, daß heute in der nächsten
Nachbarschaft Indonesiens Stützpunkte des Imperialismus, koloniale
und halbkoloniale Länder liegen. Im Norden liegen Malaya, Singapur,
Thailand, Süd-Vietnam, Sarawak, Nord-Borneo und die Philippinen.
Im Süden liegen Australien sowie die britisch beherrschten Weihnachts-
und Kokosinseln. Im Osten liegt das zu Australien gehörige Ost-Irian,
während West-Irian nach wie vor von den holländischen Imperialisten
beherrscht wird. Nirgends grenzt Indonesien an ein Land, das sich schon
völlig von der Macht des Imperialismus befreit hat. Um so notwendiger
ist es für die indonesischen Revolutionäre, ihren eigenen Weg
zur Vollendung der indonesischen Revolution zu gehen.
Aus der Augustrevolution 1945 kann man die Lehre ziehen, daß Partisanenkämpfe
in Indonesien möglich sind. Angesichts der Tatsache jedoch, daß
das Land nicht alle notwendigen Voraussetzungen für den Partisanenkampf
bietet, hätte die Revolution erfolgreicher sein können, wenn
es zu der Zeit gelungen wäre, die drei Formen des Kampfes zu verbinden,
nämlich den Partisanenkampf in den Dörfern (hauptsächlich
von den Bauern geführt), revolutionäre Aktionen der Arbeiter
in den Städten und eine gründliche Arbeit in der feindlichen
Armee.
Das indonesische Volk
Im Jahre 1955 hatte Indonesien eine Bevölkerungszahl von 84 Millionen.
Obwohl sich die Bevölkerung Indonesiens aus vielen Nationalitäten
zusammensetzt, bilden sie doch alle zusammen ein gemeinsames Ganzes, das
indonesische Volk. Das indonesische Volk ist das sechstgrößte
der Welt (nach China, Indien, der Sowjetunion, den Vereinigten Staaten
und Japan).
Die Bevölkerung verteilt sich sehr ungleichmäßig auf das
Land. Java, die kleinste der fünf Hauptinseln (Kalimantan, West-Irian,
Sumatra, Sulawesi und Java), hat etwa 54 Millionen Einwohner (einschließlich
Madura), während auf West-Irian, einer der größten der
„großen Fünf“, die Bevölkerung nur 2 Millionen
zählt. Sumatra ist zwar 3½ mal so groß wie Java, hat
aber nur 12½ Millionen Einwohner. Sulawesi, 1½ mal so groß
wie Java, hat etwa 6 Millionen Einwohner. Kalimantan (der indonesische
Teil, 4mal so groß wie Java, hat kaum 3½ Millionen Einwohner.
Die restlichen Einwohner sind auf die Inseln von Nusatengara (Ost-Indonesien)
mit einer Bevölkerung von 5½ Millionen und die Molukken mit
700 000 Einwohnern verteilt.
Java ist eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt, etwa 393
Personen auf einen Quadratkilometer (1952). In Zentraljava gibt es sogar
Gebiete mit einer Bevölkerungsdichte von 460 Personen auf einen Quadratkilometer.
In Indonesien leben mehr als hundert Nationalitäten, von denen einige
mehrere Millionen Menschen, andere dagegen nur ein paar Tausende zählen.
Zu diesen Nationalitäten gehören die Javaner, die Sundanesen,
die Maduresen, die Melajunesen, die Atjeher, die Menangkabauer, die Batak,
die Palembang, die Lamponger, die Dajak, die Bandjar, die Minahasa, die
Bugi, die Toradja, die Makassaren, die Balinesen, die Sasak, die Ambonesen,
die Timoresen, die Sabu, die Nationalitäten auf West-Irian und viele
andere. Von all diesen Nationalitäten ist die javanische die größte,
ihr folgt die sudanesische, die maduresische, die menangkabauische, die
batakische usw. Die melajunesische Nationalität war lange Zeit die
am weitesten verbreitete an der Ostküste Sumatras, auf den Inseln
zwischen Sumatra und Kalimantan und an allen Küsten Kalimantans.
All die Nationalitäten haben ihre eigene Sprache, sprechen daneben
aber auch indonesisch, die Sprache der Einheit, die auf der Melaju-Sprache
beruht. Das kulturelle Niveau all dieser Nationalitäten ist unterschiedlich,
aber alle blicken auf eine lange Geschichte zurück.
Das indonesische Volk besteht demnach aus vielen Nationalitäten mit
unterschiedlichen Sprachen und unterschiedlicher kultureller Entwicklung,
aber alle Nationalitäten stammen von einem Volk mit einer gemeinsamen
Sprache und einer gemeinsamen Kultur ab. Sie wurden im Laufe der Zeit
getrennt, haben sich aber im Prozeß des Kampfes für nationale
Unabhängigkeit und für ein neues Indonesien wieder vereint.
All diese Nationalitäten betrachten Indonesien als ihr Vaterland
und fühlen sich als Teil des indonesischen Volkes. Sie betrachten
die indonesische Sprache als die Sprache der Einheit und die indonesische
Kultur als eine gemeinsame Kultur neben ihrer eigenen nationalen Kultur.
Sehr interessant ist die Tatsache, daß die indonesische Sprache
nicht von der Sprache der größten Nationalität abgeleitet
wurde. Die indonesische Sprache ist in ihrer ganzen Geschichte niemals
eine Sprache der Kolonialherrschaft gewesen; im Gegenteil, sie ist eine
Sprache, die mehr als hundert Nationalitäten vereint. Sie entstand
im Kampf für nationale Unabhängigkeit und ist die Sprache der
Befreiung.
Neben diesen Nationalitäten gibt es in Indonesien einige Millionen
Bürger ausländischer Abstammung, Chinesen, Europäer und
Araber, die alle neben der indonesischen Sprache und Kultur ihre eigene
Sprache und Kultur bewahren.
Auch die wirtschaftliche Entwicklung ist auf den verschiedenen Inseln
unterschiedlich verlaufen. Das zeigt sich in der Industrie, in der Landwirtschaft
und besonders im Verkehrswesen. Java besitzt zum Beispiel ein ausgedehntes
Straßen- und Eisenbahnnetz, während auf anderen Inseln wenig
oder nichts davon vorhanden ist. Auf einigen Inseln und in einigen Gebieten
gibt es sogar noch Überreste vergangener Wirtschaftsordnungen. Auf
der Grundlage dieser unterschiedlichen ökonomischen Bedingungen weist
auch die Gesellschaft unseres Landes unterschiedliche Entwicklungsstufen
auf, von denen jede ihre Eigenheiten besitzt.
Das indonesische Volk hat nicht immer sein heutiges Gebiet bewohnt. Etwa
1500 Jahre vor unserer Zeitrechnung, also etwa vor 3500 Jahren, lebten
die Vorfahren der heutigen Indonesier in Hinterindien (heute Indochina,
Thailand und Birma). Zu der Zeit nannte man sie die Mon Khmer, ein Volk,
das heute noch in Tongking, Thailand und Kambodscha lebt. Die Mon Khmer
sind ein Zweig der Austroasiaten (Südasiaten); weitere Zweige sind
die Khasi (Assam), die Munda (Indien) und die Santal (Indien). Das indonesische
Volk ist eines der vier Zweige der Mon Khmer (die anderen sind die Melanesier,
Polynesier und Mikronesier). Diese vier Zweige wurden Austronesier genannt
(Volk der südlichen Inseln). Die Mon Khmer waren nicht die Urbevölkerung
von Hinterindien, sondern kamen aus Jünnan (Südchina) und wurden
damals die Austrier (Südländer) genannt.
So ist zwar das indonesische Volk in viele Nationalitäten geteilt
(darunter die Nationalitäten auf West-Irian und Halmahera, die ethnologisch
zu den Melanesiern gehören, politisch aber zu den Indonesiern), aber
sie alle haben gemeinsame Vorfahren (die Austrier, später die Austroasiaten
und noch später die Mon Khmer); es ist ein Volk mit einer sehr langen
Geschichte, ein Volk, das in Kriegen und gegen Naturkatastrophen erbitterte
Kämpfe ausgefochten hat.
Vor etwa 3500 Jahren weilten unsere Vorfahren noch in Hinterindien. Sie
bestellten ihre Felder im Tal des Mekong, des Irawadi und des Salwen.
Unter dem starken Druck von Völkern, die aus dem Norden und Westen
zuwanderten, raubend und plündernd ihr Land besetzten und ihr friedliches
Leben störten, mußten unsere Vorfahren sich entscheiden, entweder
ein Sklavendasein zu führen oder eine neue Heimat zu suchen. Sie
zogen es vor, anderwärts ein Leben in Freiheit zu suchen.
Kriege und andere Faktoren, wie Nahrungsmangel, Naturkatastrophen, Überschwemmungen
und Seuchen, veranlaßten die Vorfahren der Indonesier, auf einfachen
Segelbooten das Festland zu verlassen und sich weit auf das Meer hinauszuwagen.
Sie verstanden sich auf die Seefahrt, waren kräftig und mutig. Sie
überquerten die Meere und landeten in Madagaskar, auf den Philippinen,
auf Kalimantan, Sumatra und anderen indonesischen Inseln. Etappenweise,
in großen Gruppen, wanderten sie auf die südlichen Inseln aus
und siedelten sich überall an den Küsten Indonesiens an, vom
östlichsten bis zum westlichsten Punkt. Sie landeten wie ein siegreiches
Heer, das neues Land besetzt. Hier konnten sie den Boden bestellen, jagen
und zur See fahren. Überall an den Küsten bauten sie sich ihre
Häuser.
Die indonesischen Inseln jedoch waren nicht unbewohnt, als unsere Vorfahren
hier landeten. Sie trafen auf eine einheimische Bevölkerung. Diese
„Eingeborenen“ gehörten zu den Völkern der Negrito
und Weddiden, die schon seit Jahrtausenden auf den Inseln lebten. Sie
waren nicht bereit, sich von den Neuankömmlingen aus dem Norden verdrängen
zu lassen, und leisteten anfangs Widerstand. Es war also notwendig, zu
einer Regelung mit den Einheimischen zu kommen. Außerdem mußten
unsere Vorfahren gegen wilde Tiere, Überschwemmungen und andere Schwierigkeiten
kämpfen. Die Waffen unserer Vorfahren waren besser als die der einheimischen
Bevölkerung. Während diese nur mit Blasrohren und vergifteten
Pfeilen bewaffnet war, besaßen unsere Vorfahren schon eiserne Waffen
(Messer, Lanzen, Pfeil und Bogen). Unsere Vorfahren kannten schon den
Ackerbau, während die einheimische Bevölkerung auf das angewiesen
war, was ihr der Urwald gab. Es dauerte Jahrhunderte, bis Einheimische
und Neuankömmlinge gelernt hatten, miteinander zu leben, und alle,
die sich einem solchen Zusammenleben widersetzten, weitergezogen waren.
Es fiel also unseren Vorfahren nicht leicht, in Indonesien eine Heimstätte
zu finden. Sie mußten einen Kampf auf Leben und Tod führen,
stürmische Meere überqueren und gegen wilde Tiere, Hochwasser
und andere Naturkatastrophen kämpfen.
Das indonesische Volk, das auf dem asiatischen Festland ein einheitliches
Ganzes mit einer gemeinsamen Sprache und Kultur gewesen war, verteilte
sich nun auf die indonesischen Inseln. Gebirgsketten, Flüsse, Seen
und das Meer trennten die einzelnen Teile voneinander, so daß sie
nun, auf sich selbst gestellt, einen unterschiedlichen Weg einschlugen
und sich im Laufe der Jahrhunderte zu verschiedenen Nationalitäten
entwickelten, jede mit einer eigenen Sprache und Kultur.
Nach ihrer Ankunft auf dem indonesischen Archipel nahmen unsere Vorfahren
das Leben, das sie auf dem asiatischen Festland geführt hatten, wieder
auf. Sie lebten in Gemeinschaften, errichteten Pfahlbauten, bestellten
den Boden, fuhren zur See und jagten. Ihre äußerst primitiven
Produktionsinstrumente zwangen sie, kollektiv zu arbeiten. Die Produktionsmittel
waren gemeinsames Eigentum, es gab keine Ausbeutung des Menschen durch
den Menschen, und alle Einwohner hatten den gleichen Anspruch auf das,
was die Natur hergab. Zu der Zeit gab es keine Klassen in der Gesellschaft.
Jede Gemeinschaft wählte ihre Führer; von oben eingesetzte Könige
oder eine Staatsmacht gab es nicht. Ein Staat war zu der Zeit nicht notwendig.
Das Zusammenleben wurde durch Sitten und Gebräuche geregelt, und
zur Aufrechterhaltung der Ordnung genügten die Autorität und
das Ansehen der gewählten Führer und Ältesten. Unsere Vorfahren
lebten damals in einer Urgemeinschaft. Überreste dieser Urgemeinschaft
finden sich heue noch in Indonesien. So gibt es Dörfer, in denen
der Boden noch gemeinsames Eigentum ist, so gibt es den Brauch der gemeinschaftlichen
Arbeit (gotong-royong), Überreste des Mutterrechts (zum Beispiel
in Menang-kabau und auf der Insel Enggano), Überreste der patriarchalischen
Familie (in Batak, auf den Molukken) usw.
Mit der Verbesserung der Produktionsinstrumente und dem Fortschreiten
der Produktivkräfte begannen die alten Produktionsverhältnisse
die weitere Entwicklung der Produktivkräfte zu hemmen. Die Methoden
der Gemeinschaftsarbeit in der Urgesellschaft entsprachen nicht mehr den
vervollkommneten Produktionsinstrumenten. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung
entwickelte sich. All das bedeutete, daß wohl oder übel das
gemeinschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln dem individuellen
Eigentum weichen mußte. Aber die Reisfelder und Wiesen, die Wälder
und Weiden und die Bewässerungsanlagen blieben gemeinsames Eigentum.
Das Privateigentum an bestimmten Produktionsinstrumenten und an persönlichem
Reichtum weckte bei den Privateigentümern den Wunsch, immer mehr
Produktionsinstrumente und Reichtum in die Hand zu bekommen. Privateigentümer
waren jene, die Machtpositionen innehatten (die Ältesten, die von
den Kriegshäuptlingen und Priestern gestützt wurden). Die Mächtigen
verwandelten das Gemeineigentum in Privateigentum. Gleichzeitig begann
auch der Drang nach Expansion, nach der Eroberung anderer Dörfer,
mit dem Ergebnis, daß sich mehrere Dörfer unter einem Ältesten
zusammenschlossen. Ein Krieg löste den anderen ab, weil jeder Dorfälteste
(Gebieter eines kleinen Herrschaftsbereiches) sein Territorium erweitern
wollte, um sich mehr Produktionsinstrumente und größeren Reichtum
anzueignen. Im Kampf gefangene Feinde wurden nicht mehr getötet,
sondern zu Sklaven gemacht und gezwungen, für die Mächtigen
zu arbeiten, die sich das Arbeitsprodukt aneigneten und ihren Reichtum
vermehrten. Auch verschuldete Arme, die ihre Schulden nicht zurückzahlen
konnten, wurden zu Sklaven gemacht. Die Sklavenhalter konnten mit ihren
Sklaven tun und lassen, was sie wollten, sie verkaufen und sogar töten.
Auf diese Weise traten die indonesischen Vorfahren in die Sklavenhaltergesellschaft
ein.
In dieser Gesellschaft öffnete sich eine breite Kluft zwischen den
beiden Hauptklassen, den Sklavenhaltern und den Sklaven, den Herrschern
und den Beherrschten, eine Kluft, die immer breiter und tiefer wurde.
Auf diese Weise trat in der Gesellschaft unserer Vorfahren zum ersten
Mal der Klassenkampf in Erscheinung, Die Macht des Dorfältesten wurde
immer größer, bis er sogar seinen eigenen Nachfolger ernennen
durfte (bis dahin waren die Ältesten gewählt worden). Das Gebiet
unter der Herrschaft der Ältesten nahm zu, immer mehr Dörfer
und Familien gerieten unter ihre Herrschaft. Diese Ältesten, die
nun reich geworden waren und sich dem Volk entfremdet hatten, führten
mit ihrer Familie und ihrer Dienerschaft ein Luxusleben im „Keraton“
(Königspalast) oder „Ketadon“ (Fürstenpalast). Sie
waren nicht mehr nur die Führer, sondern galten als Vertreter unserer
Vorfahren, denen Achtung und Gehorsam entgegengebracht werden mußten.
Da die Sklaven Widerstand leisteten, brauchten die Sklavenhalter nun ein
Mittel, den Widerstand zu brechen und die Sklaven niederzuhalten. So entstand
der Staat, ein Apparat, der den Sklavenhaltern Macht gab und ihnen die
Herrschaft über die Sklaven ermöglichte.
Überreste dieser Sklavenhaltergesellschaft gab es Anfang des 20.
Jahrhunderts noch auf einigen unserer Inseln, So war es an einigen Orten
den Sklavenhaltern immer noch möglich, ihre Sklaven töten zu
lassen, ohne dafür bestraft zu werden, so verfügten die Mramba
(Sklavenhalter in Sumba) über das gesamte Produkt des von ihren Sklaven
bestellten Bodens (Atta), und so waren die Kinder von Sklaven Eigentum
der Sklavenhalter.
Selbst mit dem Machtmittel des Staates in der Hand konnten die Sklavenhalter
den offenen oder geheimen Widerstand der Sklaven niemals ganz brechen.
Die Sklavenarbeit, die anfangs die Entwicklung der Produktivkräfte
im Vergleich zur Urgesellschaft vorangetrieben hatte, erwies sich mit
der Zeit als immer weniger produktiv, weil die Sklaven nicht das geringste
Interesse an ihrer Arbeit hatten und immer weniger schöpferisch wurden.
Ein Teil der Freien in dieser Sklavengesellschaft, die Bauern und Handwerker,
gerieten durch die ständigen Kriegsabgaben in immer stärkere
Bedrängnis und verfielen der Sklaverei. Manche flohen aus dem Machtbereich
der Sklavenhalter in die Küstengegenden oder andere entlegene Gebiete
und schlossen sich dem Widerstandskampf gegen den Sklavenhalterstaat an.
Die ständig zur Erhaltung der Sklavenhaltermacht notwendigen Kriege,
das unaufhörliche Absinken von Produktion und Handel brachten es
mit sich, daß die Macht der Sklavenhalter immer schwächer wurde
und die Kultur des Sklavenhalterstaats immer mehr verfiel.
Die fortgeschrittenen Produktivkräfte entsprachen nicht mehr den
bestehenden, auf Sklavenarbeit beruhenden Produktionsverhältnissen.
Die Sklavenhaltergesellschaft war zu einer Fessel geworden und wurde schließlich
durch die Feudalgesellschaft abgelöst. In Indonesien, besonders in
Java, traten unsere Vorfahren etwa mit dem Beginn der christlichen Zeitrechnung
in die Feudalgesellschaft ein. In der Feudalgesellschaft durften die bisherigen
Sklaven den Boden „für sich selbst“ bestellen, unter
der Voraussetzung, daß sie einen großen Teil ihrer Ernte an
den Feudalherrn abgaben. Hier wurde nun die Trennungslinie zwischen dem
Produkt der notwendigen Arbeit für den Bauern und dem Produkt der
Mehrarbeit, das vom Feudalherrn angeeignet wurde, deutlich sichtbar. Der
Grundwiderspruch in der Feudalgesellschaft war der Widerspruch zwischen
den Feudalherren (den Königen, Adligen, Priestern und Häuptlingen)
und den Bauern. Die Staatsmacht lag in der Hand der Feudalherren, die
über die Bauern herrschten. Die Bauern waren im Vergleich zu den
Sklaven etwas „freier“, mit dem Ergebnis, daß sie auch
produktiver waren. Es war nun im großen und ganzen nicht mehr möglich,
die Bauern willkürlich zu töten. Sie waren nicht mehr Sklaven,
sondern Leibeigene, die unbezahlte Arbeit (rodi, corvée) leisteten,
indem sie einen großen Teil ihrer Erzeugnisse an den Feudalherrn
abgaben.
Neben den Bauern gehörten auch die Handwerker und Händler zu
den unterdrückten Schichten, die mit der Zeit vom Feudalismus in
ihrer weiteren Entwicklung gehemmt wurden.
Die Geschichte des indonesischen Volkes enthüllt, daß Landwirtschaft
und Handwerk schon sehr alt sind, daß Indonesien seine eigenen Philosophen,
Wissenschaftler, Künstler, Staatsmänner und Militärstrategen
hatte. Lange vor der christlichen Zeitrechnung, lange also vor der Ankunft
der Hindu, produzierte Indonesien Werkzeuge in großen Mengen, ebenso
Waffen aus Stein und Eisen. Der Kalender, der für die richtige Bestellung
der Reisfelder so notwendig war, bestand bereits, ebenso ein Bewässerungssystem.
Im Jahre 150 unserer Zeitrechnung schrieb der griechische Geograph und
Astronom Ptolemäus, die Insel Java sei außerordentlich fruchtbar
und produziere viel Gold (er meinte Gegenstände aus Gold). Aus der
gleichen Periode lesen wir in der Hindudichtung (Ramajana): „Studiert
Djawadjipa (Java) mit seinen sieben Königreichen, die Gold- und Silberinsel,
wo es im Überfluß aus Gold hergestellte Gegenstände gibt.“
Im Jahre 132 wurden Abgesandte von Java nach China geschickt, die goldene
Königssiegel mit sich führten. Die Lage Indonesiens zwischen
Indien und China machte es schon Anfang der christlichen Zeitrechnung
zu einem Zentrum des Welthandels. Es gibt Aufzeichnungen, daß im
Jahre 414 ein chinesischer Handelsmann mit 200 anderen, meist Hindus,
von Westjava nach Kanton reiste.
All diese Tatsachen zeigen, daß lange vor der Ankunft der Ausländer
die Indonesier ein zivilisiertes Volk waren und daß die Auffassung,
erst die Ausländer hätten die Indonesier etwas gelehrt und ihnen
die Zivilisation gebracht, falsch ist. Später, nach Ankunft der Hindus,
wurden herrliche Tempel gebaut, und die berühmte Kunst des Tanzes
und Puppenspiels faßte Fuß. Schöpfer all dieser Dinge
war das indonesische Volk; die Hindus spielten nur die Rolle von Helfern
und Beratern. Die Errungenschaften dieser Kultur zeigen, daß schon
seit uralten Zeiten das indonesische Volk stets bereit war, Gutes aus
der Fremde anzunehmen, daß es Ideen und Hilfe aus berufener Quelle
stets willkommen hieß, ohne jedoch seine nationalen Eigenheiten
aufzugeben.
Indonesien spielte eine aktive Rolle im Außenhandel und in der Außenpolitik
und nutzte dabei geschickt die äußerst vorteilhafte geographische
Lage des Landes aus. Dadurch wurde es schon in alten Zeiten eines der
Zentren des Welthandels.
Das indonesische Volk war aber nicht nur als fleißiges und beharrliches
Volk bekannt, als ein Volk mit einer eigenen Kultur, sondern auch als
ein Volk von Kämpfern und Revolutionären. Schon als es noch
auf dem asiatischen Festland lebte, war es kampfgewohnt. Um seine neue
Heimat hatte es kämpfen müssen, und später mußte
es sie oft vor ausländischen Angriffen verteidigen. Das indonesische
Volk ist ein freiheitliebendes Volk mit einer revolutionären Tradition.
Das hat sich bis in das 20. Jahrhundert, bis zum heutigen Tag immer wieder
erwiesen. Die indonesische Geschichte ist schon seit frühesten Zeiten
eine Geschichte von Bauernrevolten, von Helden und Revolutionen, eine
Geschichte der arbeitenden Menschen. Im 20. Jahrhundert hat der Kampf
des indonesischen Volkes moderne Formen angenommen, die aber nichts anderes
als eine Fortsetzung der jahrhundertealten revolutionären Traditionen
sind.
Die Feudalgesellschaft
Obwohl Indonesien ein großes, günstig gelegenes Land ist, obwohl
es fruchtbar und dicht bevölkert ist und auf eine alte, an revolutionären
Traditionen reiche Geschichte zurückblickt, ist es doch heute ein
ökonomisch, politisch und kulturell rückständiges Land.
Der Grund dafür sind 1500 Jahre Feudalherrschaft.
Das ökonomische und politische System der indonesischen Feudalgesellschaft
zeigte folgende Merkmale:
l. In der Feudalgesellschaft wurde für den eigenen Bedarf produziert,
nicht für den Markt. Das Bewässerungssystem in unserem Lande
war zu Anfang der Feudalperiode schon gut entwickelt. Das beweisen die
Anweisungen König Purnawarmans vom Königreich Taruma Negara
(in Westjava, etwa auf dem Gebiet der heutigen Bezirke Djakarta, Bogor
und Krawang) im 4. Jahrhundert, der den Bau eines fünfzehn Kilometer
langen Kanals befahl. Es ist bewiesen, daß es seit dem Beginn der
modernen Zeitrechnung geschickte Handwerker gab, denn schon vor der Ankunft
der Hindus stellten die Indonesier Gegenstände aus Eisen, Kupfer,
Schildpatt, Horn und Gold her. Sie wurden aber nicht in erster Linie für
den Handel produziert. Es gab zwar einen Austausch von Produkten zwischen
den Einwohnern und auch einen Austausch mit der Außenwelt, zum Beispiel
zwischen indonesischen Königen und hohen Beamten und Kaufleuten aus
China, Indien und anderen Ländern, aber dieser Austausch spielte
keine wesentliche Rolle.
2. In der Feudalgesellschaft lag die Macht in den Händen der Feudalklasse.
Ihre Vertreter waren der König, die Adligen, die Priester und Häuptlinge
(die Beamten). Die Macht der Feudalklasse stützte sich auf ihr Eigentum
an Grund und Boden und ihr begrenztes Eigenturn an den leibeigenen Bauern.
Der König übte die zentrale Macht aus. Er ernannte die Beamten
der Zentralregierung und die Beauftragten für die Provinzen. Ihre
Aufgaben beschränkten sich auf Fragen der bewaffneten Kräfte,
der Gerichte, des Staatsschatzes und der Lebensmittelbevorratung. Die
Könige übten nur über einen kleinen Teil ihres Gebietes
eine direkte Macht aus, der Rest wurde von Adligen und Beamten in Vertretung
des Königs beherrscht. Die Vertreter des Königs hatten die Aufgabe,
die Abgaben der Bauern an landwirtschaftlichen Produkten für ihren
eigenen Bedarf und für den König (die Zentralregierung) einzutreiben.
Außer diesen Abgaben hatten die Bauern noch die Verpflichtung, für
die Adligen und Beamten unbezahlte Fronarbeit zu leisten (rodi und corvée).
Sie wurden gezwungen, Paläste und Tempel zu bauen, Kanäle und
Dämme anzulegen und in Kriegszeiten das Äußerste herzugeben,
auch Soldat zu werden, um den Sieg zu erringen. Als nach Gründung
der mohammedanischen Königreiche zum ersten Mal reguläre Armeen
aufgestellt wurden, oblag den Bauern nun noch die zusätzliche Last,
für eine Armee zu zahlen, die in erster Linie zu ihrer eigenen Unterdrückung
und nur selten zur Zurückschlagung eines feindlichen Angriffes in
Marsch gesetzt wurde. Im Namen des Königs übten die Adligen
und Beamten die Staatsfunktionen aus, saßen zu Gericht und machten
die Gesetze. Um die „Königstreue“ des Volkes zu stärken,
wurden den Untertanen religiöse Gefühle eingeimpft (so befahl
zum Beispiel König Darmawangsa im 10. und 11. Jahrhundert seinen
Hofgelehrten, die Geschichten der Mahabharata aus dem Sanskrit in die
altjavanische Sprache zu übersetzen).
Es ist also klar, daß sich die Feudalgesellschaft auf den Großgrundbesitz
stützte, während die Bauern als Leibeigene arbeiteten (sie pachteten
ihr Ackerland oder „entlehnten“ es). Der Boden, in der Feudalgesellschaft
das grundlegende Produktionsmittel, gehörte den feudalen Grundherren.
Die leibeigenen Bauern unterschieden sich von den Sklaven dadurch, daß
sie nicht mehr ohne Umstände getötet werden konnten, aber sie
konnten noch gekauft und verkauft werden.
Der Feudalstaat war ein Instrument in den Händen der Grundherren,
um ihr feudales Ausbeutungssystem zu erhalten. Zur ökonomischen Ausbeutung
kam die politische Unterdrückung. Die Bauern hatten weder politische
Rechte noch persönliche Freiheiten. Die Feudalherren durften sie
schlagen und foltern und bis in die späten Jahre der Feudalzeit sogar
unter bestimmten Umständen töten.
Die Verarmung und Rückständigkeit der Bauern, eine Folge der
feudalen Ausbeutung und politischen Unterdrückung, war die Hauptursache
dafür, daß die Wirtschaft und das gesellschaftliche Leben in
Indonesien um Jahrhunderte hinter den fortgeschrittenen modernen Ländern
der heutigen Zeit zurückblieb. In der feudalen Gesellschaft sind
Bauern und Handwerker die Klassen, die Reichtum und Kultur schaffen, während
die Feudalherren und ihre Cliquen (die Könige, Adligen, Priester
und Beamten) nicht nur völlig unproduktiv sind, sondern die große
Mehrheit des Volkes ausbeuten und unterdrücken.
Die besonders scharfe ökonomische Ausbeutung und politische Unterdrückung
führten zu zahlreichen Bauernaufständen gegen die Macht der
Feudalherren, so zum Beispiel die Rebellion gegen die erste Mataram-Monarchie
(8. und 9. Jahrhundert), die Rebellionen gegen die Kediri-Monarchie (Anfang
des 13. Jahrhunderts) unter der Führung des Bauernsohnes Ken Anrok,
der Aufstand gegen das Singasari-Königreich (Ende des 13. Jahrhunderts),
der Aufstand gegen das Madjapahit-Königreich (im 14. und 15. Jahrhundert)
und viele andere. Diese Aufstände erreichten zwar stets nur, einen
alten König durch einen neuen zu ersetzen, ohne an der Lage der Bauern
etwas zu verbessern, trotzdem aber waren es echte Bauernaufstände,
geboren aus der Opposition der Bauern gegen die ökonomische Ausbeutung
und Politische Unterdrückung durch das Feudalregime.
Sie erhoben sich spontan, weil sie die Feudalherren haßten, aber
sie waren nicht in der Lage, ein revolutionäres Agrarprogramm aufzustellen.
Es gab auch noch keine fortschrittliche Klasse und keine politische Partei,
die in der Lage gewesen wären, die Bauern zum Siege zu führen.
Das Ergebnis war, daß die Bauernaufstände und -kriege mit einer
Niederlage endeten und keine Veränderung der feudalen Produktionsverhältnisse
und der politischen Ordnung herbeiführten. Sie mußten scheitern,
weil die Bauern als individuelle Kleinbesitzer nicht den neuen Produktionsverhältnissen
zum Durchbruch verhelfen konnten.
Trotzdem wäre es falsch zu sagen, daß die Bauernaufstände
überhaupt keinen sozialen Fortschritt herbeigeführt hätten.
Es ist völlig klar, daß die Bauern Erfahrungen in der Kriegführung
erwarben und daß verschiedene Könige, die sie auf den Thron
brachten, einige der bösartigsten Formen der Ausbeutung abschaffen
mußten. Die Kämpfe der Bauern trugen entscheidend zur Schwächung
des Feudalismus bei und werden schließlich seine völlige Beseitigung
erzwingen.
Die koloniale Gesellschaft
Mit der weiteren Ausdehnung des indonesischen Außenhandels im 14.
Jahrhundert, und besonders durch den Gewürzhandel mit Europa, erwarben
die indonesischen Küstenstädte eine immer größere
Bedeutung, und der Handel mit Europa nahm gegenüber dem Handel mit
China und Indien zu. Die Küchen Europas verlangten immer mehr Gewürze.
Malakka und Banten (an der Westspitze Javas) spielten eine führende
Rolle in diesem regen Handel.
In Malakka und Banten ließen sich viele ausländische Händler
nieder, besonders mohammedanische Händler aus Indien und Persien,
die einen großen Einfluß auf die indonesischen Könige
gewannen. Die Händler belieferten die Könige mit Luxusartikeln.
Sie bekehrten die Könige, die dem hinduistischen Glauben angehörten,
zum Islam und veranlaßten sie, sich vom Madjapahit-Reich, dessen
Zentrum im Inneren lag, loszusagen und unabhängige mohammedanische
Königreiche zu bilden. Um ihren Einfluß weiter zu festigen,
verheirateten diese mohammedanischen Händler ihre Töchter mit
den Königen. Je stärker ihr Einfluß wurde, desto größer
wurden auch ihre Profite.
Je weiter der Welthandel voranschritt, desto entschlossener waren die
Königreiche entlang der Küste, die Gebiete des Madjapahit-Reiches
im Inneren unter ihre Herrschaft zu bringen. Unter der Führung des
Königs von Demak vereint, stürzten die mohammedanischen Könige
1521 König Madjapahit. Der Sturz Madjapahits war das Ergebnis des
Widerspruchs zwischen den feudalen mohammedanischen Königreichen,
die sich mit dem Handelskapital vereinigt hatten, und den feudalen hinduistischen
Königreichen, die sich noch völlig auf die alte feudale Agrarwirtschaft
stützten.
In diesem Zustand der Spaltung, der sich verschärfenden Widersprüche
zwischen den am Welthandel beteiligten Königreichen an der Küste
und den noch völlig auf Agrarwirtschaft und dem Pologoro (feudale
Fronarbeit) beruhenden Königreichen im Inneren, trafen die Europäer
ein und brachten Schiffe und Waffen mit sich, die den indonesischen Königreichen
weit überlegen waren.
Die ersten waren die Portugiesen (1498) unter Vasco da Gama, der nicht
nur auf einen Gewinn bringenden Handel bedacht war, sondern außerdem
die in Europa vorherrschende christliche Religion verbreiten wollte. Dabei
nutzten die Portugiesen die Widersprüche zwischen den „mohammedanischen
Königreichen“ und den „hinduistischen Königreichen“
aus. Um dem Angriff der Portugiesen zu begegnen, gleichzeitig aber die
Bauernaufstände zu unterdrücken und gegen die hinduistischen
Königreiche Krieg zu führen, wurde in den mohammedanischen Königreichen,
zum Beispiel in Demak, eine Neuerung eingeführt, die in den hinduistischen
Königreichen noch nicht bekannt war, ein stehendes Heer.
Im Jahre 1512 trafen die Spanier mit zwei Schiffen in Tidore ein. Um Fuß
zu fassen, verbündeten sie sich mit dem König von Tidore, der
zu der Zeit gegen die mit dem König von Ternate verbündeten
Portugiesen kämpfte. Im Hintergrund des spanisch-portugiesischen
Konflikts stand das Monopol für Gewürznelken. In den Kämpfen
zwischen den Spaniern und dem Königreich Tidore einerseits und den
Portugiesen und dem Königreich Ternate andererseits unterlagen die
Spanier. Sie verließen 1529 Indonesien mit einer Entschädigungssumme
von 350 000 Crusados.
Die stehenden Heere der mohammedanischen Königreiche waren besser
bewaffnet und ausgerüstet als die Streitmacht der hinduistischen
Königreiche, die im wesentlichen aus ausgehobenen Bauern bestand.
Die europäischen Schiffe und Waffen waren wiederum denen der mohammedanischen
Königreiche überlegen. Darauf ist es in der Hauptsache zurückzuführen,
daß die Kriegsschiffe des Königreichs Dernak unter der Führung
von Dipati Unus im Krieg gegen die Portugiesen (1513) zum Rückzug
gezwungen wurden. Nicht Mangel an Mut oder Können führte die
Niederlage der Indonesier herbei, sondern lediglich die technische Überlegenheit
der Europäer und vor allem die Spaltung, die eine Schwächung
der indonesischen Königreiche herbeigeführt hatte.
Am 22. Juni 1596 landeten vier holländische Schiffe unter dem Befehl
von Cornelis de Houtman im Hafen von Banten.
Ursprünglich kamen die Holländer nach Indonesien, um Handel
zu treiben. Dazu gründeten sie 1602 in Holland eine Handelsgesellschaft,
die Holländisch-Ostindische Kompanie. Um die holländische Position
in Indonesien zu festigen und die Handelstätigkeit zu koordinieren,
wurde ein Generalgouverneur ernannt (der erste trat 1610 sein Amt an)
und ein aus fünf Personen bestehender Indienrat gebildet. Zunächst
blieben die Holländer auf einen sehr engen Raum beschränkt.
Gegen sie standen die Portugiesen mit ihren südostasiatischen Besitzungen
und die Indonesier, die nach wie vor die indonesischen Meere beherrschten.
Als ein Mittel, ihre Monopolstellung im Gewürzhandel zu wahren, führte
die Holländisch-Ostindische Kompanie rücksichtslos ihre sogenannten
Hongi-Expeditionen in die östlichen Teile Indonesiens durch. (Hongi
ist ein schnelles und bewegliches Schiff, das in den Gewässern der
Molukken in Gebrauch war. Charakteristisch für diese Hongi-Expeditionen
waren Raub, Plünderung und Massenvernichtung.) Die Holländisch-Ostindische
Kompanie fiel bei der geringsten Übertretung ihrer Monopolbestimmungen
über die Einwohner der ostindonesischen Inseln her, mißhandelte,
schleppte ins Gefängnis und entvölkerte ganze Landstriche. Die
Bewohner der Bandainseln wurden fast restlos ausgerottet. Aber die Bevölkerung
der Molukken nahm diese Strafexpeditionen nicht tatenlos hin. 1635 brach
in Ambon unter der Führung von Kakiali ein Aufstand gegen die Greueltaten
der Kompanie aus.
Ein Mann, der viel dazu beitrug, den Grundstein für die holländische
Kolonialherrschaft in Indonesien zu legen, war der Generalgouverneur J.
P. Coen, der die Erweiterung seiner Macht damit begann, daß er Djakarta
eroberte (am 4. März 1619 gaben die Holländer der Stadt offiziell
den Namen Batavia) und es zu einem Zentrum des Ostasienhandels machte.
Damit ging der Handel aus den Händen der indonesischen Königreiche
und der Portugiesen in die Hände der Holländer über. Von
Djakarta aus erweiterten die Holländer ihre Macht über die ganze
Länge und Breite des Landes. 1641 vertrieben die Holländer die
Portugiesen aus ihrer südostasiatischen Festung Malakka; 1667 besetzten
sie Makassar, 1677 die Nordküste Javas bis nach Ostjava, und 1692
bekamen sie Banten in die Hand. Banten sicherte den Holländern die
Herrschaft über den westlichen Zugang zu Indonesien, von Malakka
aus beherrschten sie die Straße von Malakka, von Makassar aus den
Osten Indonesiens, und ihre Besetzung der Nordküste Javas ermöglichte
es ihnen, das (zweite) Mataram-Königreich vom Meer abzuschneiden.
Unter Ausnutzung der Widersprüche zwischen den mohammedanischen
und den hinduistischen Königreichen und des Widerspruchs zwischen
den hinduistischen Königreichen selbst gelang es den holländischen
Kolonialherren mit ihren überlegenen Waffen, das völlig eingeschlossene
Maratam-Königreich 1749 zur Übergabe zu zwingen.
Die koloniale Ausbeutung der Holländisch-Ostindischen Kompanie, die
der Periode des Handelskapitals in Holland entsprach, beruhte auf einem
System hoher Bodensteuern (Quoten genannt) und der Zwangsablieferung landwirtschaftlicher
Produkte zu sehr niedrigen Preisen. Die Politik der Holländisch-Ostindischen
Kompanie bestand darin, die bestehenden feudalen Institutionen auszunutzen.
Unter diesem ökonomischen und politischen System waren die Bauern
einer doppelten Ausbeutung ausgesetzt, der Ausbeutung durch die Könige
und der Ausbeutung durch die Holländisch-Ostindische Kompanie.
Unter der Herrschaft der Holländisch-Ostindischen Kompanie änderten
sich die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht, nur der König
hieß jetzt Bupati (Bezirkschef) und wurde von der Kompanie eingesetzt.
Starb ein Bupati, so wurde das Amt demjenigen seiner Söhne übertragen,
den man für den Tüchtigsten hielt. Die Bauern litten größte
Not, weil sie nicht nur die Forderungen der Kompanie befriedigen mußten,
die den größten Teil ihrer Ernte verschlangen, sondern auch
noch vom Bupati ausgeplündert wurden.
Durch ihr Zwangs- und Monopolsystem führte die Holländisch-Ostindische
Kompanie ihren eigenen Untergang herbei, weil sie kein Wachstum der Produktivkräfte
zuließ, die Wirtschaft zerrüttete und damit nicht zuletzt auch
ihre eigenen Profite gefährdete. Überall im Regierungsapparat
herrschte Korruption, bei Holländern und Indonesiern. Immer wieder
brachen im 17. und 18. Jahrhundert auf Grund der doppelten Ausbeutung
Bauernaufstände und Widerstandsaktionen aus. Die Holländisch-Ostindische
Kompanie wurde im Jahre 1798 aufgelöst, weil sie für die Aktionäre
keine Profite mehr abwarf. Danach übernahm der niederländische
Staat selbst die Herrschaft über Indonesien.
Die Ära der Holländisch-Ostindischen Kompanie war eine wichtige
Periode im Zuge der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals. Über
die unsagbaren Greueltaten, mit denen sich die holländischen Kaufleute
ihre unbeschränkten Rechte erwarben, schrieb Karl Marx: „Die
Geschichte der holländischen Kolonialwirtschaft — und Holland
war die kapitalistische Musternation des 17. Jahrhunderts — ,entrollt
ein unübertreffbares Gemälde von Verrat, Bestechung, Meuchelmord
und Niedertracht'.“ 1)
Die direkte Herrschaft durch den niederländischen Staat brachte Indonesien
keine Verbesserung. Im Gegenteil, als Holland von Frankreich besetzt wurde,
erschien in Indonesien ein besonders brutaler Generalgouverneur, Daendels
(1808—1811). Unter der Herrschaft Daendels wurden die holländischen
Truppen von 4000 auf 18 000 Mann erhöht. Für ihre militärischen
Zwecke bauten die Holländer Festungen, die so manchem Indonesier
das Leben kosteten. Außerdem wurden etwa eintausend Kilometer Straße
gebaut, die den Osten Javas mit dem Westen verbanden. Diese Straßen
entstanden in weniger als einem Jahr mit sehr geringem Kostenaufwand,
aber mit einem großen Verlust an Menschenleben. Die hohen Bodensteuern
und Zwangsablieferungen blieben in Kraft, aber dazu kam jetzt noch das
Reismonopol der Regierung und der Verkauf von „Privatland“
an reiche Europäer und Chinesen. Die verstärkte Ausbeutung ließ
neue Aufstände aufflammen, besonders in Banten und Tjirebon. Es ist
also leicht verständlich, warum die Holländer beim indonesischen
Volk keine Unterstützung fanden, als 1811 die Engländer Java
angriffen. Von den hemmungslosen Greueltaten Daendels empört, weigerten
sich sogar die Könige und Bupati, gegen die Engländer zu kämpfen.
Während der englischen Herrschaft von 1811—1814 versuchte Generalleutnant
Stamford Raffles in Java das Prinzip der englischen Kolonialpolitik im
Interesse des damals rasch voranschreitenden englischen lndustriekapitals
anzuwenden. Es war das auch in Bengalien (Indien) angewendete Prinzip
der freien Konkurrenz für das englische Industriekapital. England
versuchte, in Indonesien das auf Wucher und Raub beruhende System des
holländischen Handelskapitals durch ein System zu ersetzen, das der
weiter fortgeschrittenen englischen Industrie besser entsprach.
Die Engländer erreichten jedoch nicht viel, weil sie nur 3½
Jahre an der Macht waren. Die englische Herrschaft brachte dem indonesischen
Volk neue Lasten. Die neuen Kolonialherren führten eine staatliche
Kontrolle über die Salzproduktion ein und setzten den Verkauf von
„Privatland“ mit allen dazugehörigen feudalen Rechten
zugunsten des Käufers und zum Schaden der Bauern fort.
England erklärte Grund und Boden zum Staatseigentum und erhob darauf
eine Steuer, die nicht weniger als zwei Fünftel einer guten und ein
Viertel oder ein Drittel einer schlechten Ernte betrug. Auch die englische
Bodenpolitik rief Bauernaufstände hervor, in Banten, Tjirebon, Djokjakarta
und an anderen Orten. Raffles sah sich daraufhin gezwungen, einen Teil
des im Namen des Staates verkauften „Privatlandes“ wieder
zurückzukaufen.
Nach der Niederlage Napoleons unterzeichneten die Engländer 1814
ein Abkommen mit Holland, das die Rückgabe aller holländischen
Kolonien einschließlich Indonesien vorsah. So bekamen die Holländer
Indonesien erneut in die Hand, stellten aber ihre Herrschaft erst 1816
wieder her.
Der Diepo-Negoro-Krieg von 1825 bis 1830 kostete das holländische
Schatzamt 20 Millionen Gulden. Auch der belgische Aufstand gegen die Holländer
von 1830—1839 belastete die Staatskasse schwer. Holland befand sich
in einer sehr schwierigen ökonomischen Lage, am Rande des Bankrotts.
Um die holländische Wirtschaft aus der Katastrophe zu reißen,
führte die Regierung das sogenannte Kulturensystem (ein System des
Zwangsanbaus) ein (1830-1870).
Das Kulturensystem war eine Kombination der bisherigen von der Holländisch-Ostindischen
Kompanie, von Daendels und von Raffles praktizierten Kolonialmethoden.
Die negativsten Elemente all dieser Systeme wurden miteinander verquickt
und Kulturensystem genannt. Unter diesem System verblieb den Bauern nicht
die geringste Freiheit. Sie mußten Kulturen für den europäischen
Markt anbauen (Zuckerrohr, Kaffee, Indigo, Baumwolle und Tabak) und ihre
Produkte der kolonialen Regierung verkaufen. Welche Preise sie dafür
erhielten, blieb der Regierung überlassen.
In der Praxis zwang das Kulturensystem die Bauern, ein oder zwei Drittel
ihres Bodens, zuweilen sogar den ganzen Boden für die Exportkulturen
zu benutzen. Die Exportkulturen erforderten vielmehr Arbeit und Pflege
als der Reisanbau. Die Grundsteuern, auch auf das mit Exportkulturen bestellte
Land, wurden erhöht. Wenn wirklich einmal die Einnahmen der Bauern
für die Exportkulturen höher waren als die zu entrichtenden
Steuern, wurde ihnen die Differenz nicht ausgehändigt. Im Gegenteil,
um die Steuern zahlen zu können, mußten die Bauern oft noch
ihren Reis verkaufen, obwohl er ohnehin für den eigenen Bedarf nicht
ausreichte. Für Mißernten, selbst wenn sie durch Naturkatastrophen
hervorgerufen wurden, mußten die Bauern allein aufkommen. Von den
Bauern wurde verlangt, daß sie ihre Pflichtprodukte auf eigene Kosten
bis zu den Lagerhäusern transportierten. Außerdem wurden noch
unentgeltliche Arbeitsleistungen für öffentliche Einrichtungen
und für den Festungsbau von ihnen verlangt.
Nach vierzig Jahren dieses Kulturensystems hatten die Holländer 800
Millionen holländische Gulden an Profiten eingesteckt, etwa so viel,
wie in der Periode des Handelskapitals 200 Jahre Ausbeutung unter der
Holländisch-Ostindischen Kompanie eingebracht hatten. In der imperialistischen
Periode im 20. Jahrhundert, vor der Wirtschaftskrise von 1929, konnten
die holländischen lmperialisten eine solche Summe allerdings schon
in einem einzigen Jahr herausholen.
In diesem räuberischen Kulturensystem spielten die Großgrundbesitzer,
die Klasse der feudalen Grundbesitzer, die Vermittlerrolle. Daneben erhielten
sie nach wie vor ihre feudalen Tribute und preßten die Bauern zur
Fronarbeit. Den holländischen Kolonialherren waren die Beamten, ob
hoch oder niedrig, zu unbeschränkten persönlichen Diensten verpflichtet.
Das ging so weit, daß den Residenten (den holländischen Regierungsbeamten)
Musikkapellen und Tänzerinnen bereitgestellt werden mußten,
wenn sie das Land bereisten. Die einheimischen Beamten erhielten ein sehr
niedriges Gehalt, konnten aber ihre Positionen ausnutzen, um sich auf
Kosten der unbezahlten Arbeit der Bauern zu bereichern.
Diese schwere Ausbeutung und Unterdrückung führte überall
zu neuen Bauernaufständen. Viele Bauern zogen in andere Gegenden,
obwohl ihnen eine Verordnung verbot, ohne besondere Erlaubnis ihr Dorf
zu verlassen (Passierscheinsystem). Der Widerstand der Bauern, die Aufstände
und die Flucht von einem Gebiet in ein anderes trugen in großem
Maße dazu bei, das Kulturensystem zu untergraben.
Ein Holländer, Douwes Dekker, der 1856 zum stellvertretenden Residenten
in Lebak (Banten) ernannt wurde, veröffentlichte 1860 unter dem Pseudonym
Multatuli sein berühmtes Buch „Max Havelaar“, in dem
er den holländischen Kolonialismus als den Verantwortlichen für
die unmenschliche politische Unterdrückung und ökonomische Ausbeutung
mit Hilfe des Kulturensystems verurteilt. Das Buch Multatulis fand eine
weite Verbreitung unter den jungen Intellektuellen und auch unter den
Führern der Arbeiterbewegung, die sich damals in Holland zu entwickeln
begann. Gleichzeitig aber machte das Buch die holländische Bourgeoisie
darauf aufmerksam, daß die Periode des Raubs à la Kulturensystem
aufhören mußte, daß diese Methode für die Bourgeoisie
nicht mehr notwendig war und ihr mehr schaden als nutzen konnte.
Die Periode des Kulturensystems war die schlimmste aller Kolonialperioden
für den indonesischen Bauern. Niemals gelang es den Holländern
in dieser Zeit, die Flamme der Rebellion auszutreten. Unaufhörlich
brachen überall im Lande kleine Aufstände aus. Die Feudalherren,
die in früheren Zeiten Bauernaufstände „angeführt“
hatten, unterwarfen sich nach ihrer Niederlage im Diepo-Negoro-Krieg 1825—1830
den Kolonialherren und zeigten niemals wieder Willen zum Widerstand. Außerhalb
Javas brachen noch immer Aufstände aus, aber die holländischen
Kolonialherren hielten ihre Positionen in diesen Teilen des Landes für
weniger wichtig. Zu dieser Zeit war noch nicht daran zu denken, daß
ein Bauernaufstand von der nationalen indonesischen Bourgeoisie oder vom
indonesischen Proletariat angeführt werden könnte.
Die industrielle Entwicklung Hollands vollzog sich langsam, weil Holland
ein reiches Land wie Indonesien in seinem Besitz hatte. Erst 1870 erließ
die Kolonialregierung das sogenannte Agrargesetz, ein Gesetz, das dem
privaten holländischen Kapital ermöglichte, Grund und Boden
in Indonesien anzukaufen. Dieses Gesetz öffnete dem holländischen
Privatkapital Tür und Tor zur Teilnahme an der kolonialen Ausbeutung.
Es war ein Wechsel vom Kolonialmonopol des Handelskapitals zur „neuen“
Kolonialpolitik des Industriekapitals, ein Wechsel vom Monopol zur freien
Konkurrenz. Diese Zeit der freien Konkurrenz, die von 1870 bis 1895 dauerte,
zeichnete sich durch eine ständig wachsende Bedeutung der Kolonialbanken
aus.
Die schwere Wirtschaftskrise von 1895 trieb sehr viele Privatkapitalisten
in Holland in den Ruin. Die Folge war, daß das Finanzkapital die
Wirtschaft völlig in die Hand nahm. Also dauerte die Periode des
Industriekapitals auf der Grundlage der freien Konkurrenz in Indonesien
nicht lange, nur etwa 25 Jahre von 1870 bis 1895. Der Periode der freien
Konkurrenz folgte 1895 die Ära des Imperialismus. Es ist die Ära,
in der das Finanzkapital, die Verschmelzung des Industrie- und Bankkapitals,
die ausschließliche Herrschaft über das wirtschaftliche und
politische Leben in Indonesien auszuüben begann.
Die holländischen Imperialisten unternahmen zwei wichtige Schritte,
um die Zukunft des Kapitals, das sie aus Europa exportiert hatten, zu
sichern: Sie eroberten erstens das gesamte Territorium Indonesiens politisch
und militärisch und studierten zweitens alle Möglichkeiten,
die sich für ein unbeschränktes Wachstum ihres Kapitals boten.
Diese Schritte entsprachen dem Übergang vom vormonopolistischen Kapitalismus
zum Monopolkapitalismus, zur Periode der Herrschaft des Finanzkapitals.
Dieser Übergang war nicht zu trennen von dem sich ständig verschärfenden
Kampf zwischen den Imperialisten um die Aufteilung der Welt. Das Finanzkapital
war bemüht, wo es nur konnte und mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln, so viel Land wie nur möglich an sich zu reißen, denn
es mußte mit den potentiellen Rohstoffquellen rechnen. Jeder imperialistische
Staat fürchtete, in dem erbitterten Kampf um die letzten noch verfügbaren
Landfetzen ins Hintertreffen zu geraten, und erstrebte eine Neuaufteilung
jener Gebiete, die schon verteilt waren.
Um ganz Indonesien unter holländische Herrschaft zu bringen, führten
die Holländer Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ausgedehnte
Kolonialkriege. Es gelang ihnen schließlich, ihre Herrschaft auf
Bali, Lombok, Sumbawa, Dompo, Flores, Bone, Bandjarmasin, Jambi, Riau,
Tapanuli, Atjeh und andere Gebiete auszudehnen. Um höchste Profite
zu gewährleisten, unternahm die holländische Regierung geologische,
geographische, botanische, biologische und andere Forschungen und studierte
auch die Gebräuche, Sprachen und Religionen, die Kultur und Geschichte
der Nationalitäten.
So zerstörte zwar der Imperialismus den staatlichen Monopolismus
des Kulturensystems, setzte aber an seine Stelle ein neues Monopol, das
Monopol des Finanzkapitals. Da die Holländer militärisch schwach
waren und Indonesien nicht mit Waffengewalt verteidigen konnten, mußten
sie ab 1905 eine Politik der offenen Tür verfolgen, eine Politik,
die Indonesien den Kapitalisten aller Länder, besonders den britischen
und amerikanischen Kapitalisten, als Ausbeutungsobjekt zugänglich
machte. Die holländischen Imperialisten rechneten, daß ihnen
eine solche Politik zwei Vorteile bringen werde: l. erhöhte Profite
aus den imperialistischen Unternehmen und 2. gemeinsame Maßnahmen
der imperialistischen Staaten zur Verteidigung ihrer Interessen in Indonesien.
Eine solche Lage gab den holländischen Imperialisten gleichzeitig
die Möglichkeit, die übrigen imperialistischen Staaten gegeneinander
auszuspielen, um zu verhindern, daß einer von ihnen die Herrschaft
in Indonesien an sich risse. An die Stelle der alten Sklaverei des Kulturensystems
setzte der Imperialismus eine neue Form der Sklaverei, die unter anderem
„Sanktionen“ vorsah, das heißt Verordnungen zur Bestrafung
all jener, die im Rahmen des Systems zur Bereitstellung billiger Arbeitskräfte
für die ausländischen Unternehmungen vertragsbrüchig würden.
Da Indonesien in der vorimperialistischen Ära völlig ruiniert
und ausgeblutet worden war, mußte der Imperialismus erst die Grundlagen
für ein modernes Ausbeutungssystem, für eine intensivere und
systematischere Ausbeutung des Volkes und des Reichtums von Indonesien
schaffen. Vom ersten Augenblick der imperialistischen Ära an verfolgte
die holländisch-ostindische Regierung eine, wie sie sagte, „ethische
Politik“, eine Politik, die unter anderem die Verringerung der Zwangsarbeit,
die Einführung eines Gesundheitswesens, eine geringfügige Erweiterung
der Bewässerungsanlagen, die Errichtung von Grundschulen, Lehrerbildungsanstalten,
technischen Schulen, Mittelschulen und ähnliches vorsah, um den Bedarf
des Imperialismus an Arbeitskräften und billigen, aber ausreichend
gebildeten einheimischen Angestellten zu decken.
Unter imperialistischer Herrschaft war Indonesien eine billige Rohstoffquelle,
eine Quelle billigster Arbeitskraft, ein Absatzmarkt für die Produkte
der imperialistischen Länder (Holland, England, die Vereinigten Staaten,
Japan, Frankreich, Italien und andere Länder) und ein Gebiet zur
Investition ihres Kapitals.
Die Kolonialpolitik der Imperialisten war keineswegs darauf gerichtet,
die Industrie in Indonesien zu fördern, sondern sie diente ausschließlich
der Entwicklung der Industrie in ihren eigenen Ländern. Die Imperialisten
widersetzten sich heftig der industriellen Entwicklung Indonesiens. Deshalb
entwickelte sich hier im Gegensatz zu Europa die Handwerkskunst des Volkes
nicht zur modernen Industrie.
Indonesische Unternehmen blieben auf einen sehr engen Wirkungskreis beschränkt,
zum Beispiel das Flechten von Hüten, Matten und Körben, die
Herstellung von Batikstoffen und Kretek-Zigaretten. Am weitesten entwickelt
waren die Batikbetriebe, von denen einige mehrere Dutzend, ja sogar Hunderte
von Arbeitern beschäftigten. Diese Betriebe waren weitgehend von
den ausländischen Importeuren in Indonesien abhängig, bei denen
sie die Materialien für ihre Industrie beziehen mußten. Auch
die Zigarettenbetriebe waren von ausländischen Importeuren abhängig
und mußten außerdem einen schweren Kampf gegen die europäische
Konkurrenz führen. Die größeren Batik-und Kretek-Betriebe
waren meist Eigentum von Arabern, Chinesen oder Europäern.
Angesichte der imperialistischen Politik war es fast unmöglich, die
nationale Industrie mit modernen Maschinen auszurüsten. Vor allem
dieser Umstand hat es Indonesien so schwer gemacht, im zweiten Weltkrieg
und während der Revolution von 1945 bis 1948 seinen Bedarf an Industriewaren
zu decken.
Indonesien hat alle Voraussetzungen, ein starkes, modernes Industrieland
zu werden, denn es ist reich an Kohle, Eisenerz, Erdöl, Zinn, Bauxit,
Mangan, Kupfer, Chrom, Quecksilber, Jod, Asphalt, Gold, Silber, Zink,
Uran und anderen Bodenschätzen. Aber die Imperialisten sorgten dafür,
daß Indonesien kein Industrieland wurde. Ihre Eisenbahnen, Straßen
und Häfen in Indonesien waren dazu bestimmt, die Erzeugnisse des
Landes davonzuschleppen und außerdem die Beweglichkeit der zum Schutz
des Kolonialsystems eingesetzten Truppen zu gewährleisten. Was an
Industriebetrieben errichtet wurde, diente lediglich Reparaturzwecken
und der Veredlung für den Export bestimmter Rohstoffe. Zu den fortgeschrittensten
Industriebetrieben der Imperialisten gehörten der Bergbau (Erdöl,
Zinn, Bauxit, Kohle usw.), außerdem Zuckerfabriken, Reismühlen,
Betriebe zur Verarbeitung von Tee, Kaffee, Kokosöl, Tabak und anderen
Produkten.
Dieser imperialistischen Beherrschung Indonesiens ist es zuzuschreiben,
daß die koloniale Gesellschaft im Lande folgende Merkmale aufwies:
Die Grundlage der natürlichen Bedarfswirtschaft war zerstört,
mit anderen Worten, es wurde für den Markt produziert, aber die Ausbeutung
der Bauern durch den Großgrundbesitzer — die gesellschaftliche
Grundlage der feudalen Ausbeutung—blieb. Die feudale Ausbeutung
hatte sich mit der Ausbeutung des ausländischen Kapitals, der Kompradoren
und der Wucherer, die eine entscheidende Position im sozialökonomischen
Leben Indonesiens einnahm, verflochten. Aus dem feudalen Indonesien war
ein halbfeudales Indonesien geworden.
Der Spielraum für die Entwicklung eines nationalen Kapitalismus war
sehr eng, so daß dieser niemals eine große Rolle im politischen,
ökonomischen und kulturellen Leben Indonesiens gespielt hat. Während
der japanischen Besetzung konnte die nationale Bourgeoisie etwas Einfluß
gewinnen, weil die Japaner gezwungen waren, sie zu ihrem Helfer zu machen.
Trotz allem ist die nationale Bourgeoisie Indonesiens auch heute noch
in politischer, ökonomischer und kultureller Hinsicht sehr schwach.
Im modernen Indonesien war zwar die Macht der autokratischen Könige
gebrochen, das bedeutete jedoch nicht, daß die Feudalherren nun
keine Rolle im kolonialen Regime mehr gespielt hätten. Die Feudalherren,
das heißt die Adligen und Großgrundbesitzer, waren stets ein
wichtiges Instrument in den Händen der Imperialisten zur Verewigung
ihrer ökonomischen Ausbeutung und politischen Unterdrückung
des Volkes. Kolonialmacht bedeutet Diktatur der ausländischen Großbourgeoisie
und der einheimischen Feudalklasse. Durch diese Diktatur beherrschte die
ausländische Beourgeoisie Indonesien nicht nur finanziell und ökonomisch,
sondern auch militärisch und politisch.
Die ausländischen Imperialisten benutzten auch die Waffe der Kultur,
um den Widerstandswillen des indonesischen Volkes zu brechen. Ihre kulturelle
Tätigkeit war darauf gerichtet, im Volk ein Gefühl der eigenen
Minderwertigkeit heranzuzüchten und sich in Lobeshymnen auf die Ausländer
und ihre Agenten zu ergehen. Dem indonesischen Volk wurde eingeimpft,
es sei unfähig, und nur die Ausländer seien gut und weise. Es
wurde erklärt, nur wer in Europa, besonders in Holland, studiert
habe, könne eine Position, einen guten Namen und Reichtum erwerben.
Die imperialistische und feudale Ausbeutung zur Zeit der holländischen
Herrschaft und besonders während der japanischen Besetzung stieß
das indonesische Volk, vor allem die Bauern, in immer tiefere Armut. Es
litt Hunger, war schlecht gekleidet und wohnte schlecht.
Die heutige indonesische Gesellschaft ist halbkolonial und halbfeudal
Der Grundwiderspruch in der modernen indonesischen Gesellschaft, der Widerspruch
zwischen dem Imperialismus und dem indonesischen Volk, erreichte mit dem
Ausbruch der nationalen Revolution im August 1945 einen Höhepunkt.
Das indonesische Volk nahm den Kampf um die nationale Unabhängigkeit
in die eigene Hand. In dieser Revolution führte das Volk einen heldenhaften
Kampf gegen seinen Hauptfeind, den Imperialismus. Aber der andere gefährliche
Feind, die feudalen Großgrundbesitzer, die wichtigste gesellschaftliche
Stütze des Imperialismus, wurde nicht gestürzt. Das bedeutet,
daß die Hauptkraft der indonesischen Revolution, die Bauern, nicht
genügend aufgerüttelt und in die Revolution einbezogen wurde.
Daß die beiden Hauptaufgaben, die antiimperialistische Aufgabe der
nationalen Revolution und die antifeudale Aufgabe der demokratischen Revolution
voneinander getrennt wurden, ist der wichtigste Grund für das Scheitern
der Augustrevolution.
Im Programm der Kommunistischen Partei Indonesiens heißt es unter
anderem:
„Die Aufgaben der nationalen Befreiung und der demokratischen Umgestaltung
sind in Indonesien noch nicht durchgeführt. Das Sehnen des indonesischen
Volkes nach voller nationaler Unabhängigkeit, nach demokratischen
Freiheiten und nach einem besseren Leben ist noch nicht Wirklichkeit geworden.“
Weiter heißt es im Programm der Kommunistischen Partei Indonesiens:
„Die Vereinbarung, die auf der Konferenz am Runden Tisch (Round
Table Conference) von der Regierung Hatta und der holländischen Regierung
am 2. November 1949 unterzeichnet wurde, legte für Indonesien den
Status eines halbkolonialen Landes fest. Die sogenannte Übergabe
der Souveränität, die am 27. Dezember 1949 laut dieser Vereinbarung
vollzogen wurde, sollte im indonesischen Volk die Illusion wecken, daß
Indonesien nunmehr ein völlig unabhängiges Land und die ,Übergabe
der Souveränität unwiderruflich, vollständig und bedingungslos'
sei.“ Tatsächlich aber stellte die Regierung Hatta mit der
Unterzeichnung des Abkommens die imperialistische Macht der Holländer
wieder her.
Mit Hilfe der Vereinbarung der Konferenz am Runden Tisch versuchten die
indonesischen Reaktionäre, die völlig vor den Imperialisten
kapituliert hatten, die nationale Unabhängigkeitsbewegung und die
demokratische Bewegung des indonesischen Volkes zum Stillstand zu bringen
und zu unterdrücken. Sie erreichten aber nur das Gegenteil. Unter
dem Druck der Volksmassen kündigte die indonesische Regierung im
April 1956 in einer einseitigen Erklärung die Vereinbarung der Konferenz
am Runden Tisch und erklärte etwas später auch alle „Schulden“
Holland gegenüber für null und nichtig. Obwohl dies wichtige
politische Schritte waren, die der wachsenden antiimperialistischen Einstellung
der Massen entsprachen, führten sie keine entscheidende Veränderung
in der indonesischen Gesellschaft herbei.
Die Kündigung der Vereinbarung bedeutete, daß das indonesische
Volk im wesentlichen die politische Unabhängigkeit für 80 Prozent
seines Territoriums erreicht hatte, während auf den restlichen 20
Prozent des Territoriums, in West-Irian, nach wie vor die holländischen
Kolonialherren herrschen und die politische Unabhängigkeit noch nicht
errungen ist. Von einer uneingeschränkten und stabilen politischen
Unabhängigkeit des indonesischen Volkes kann jedoch nicht die Rede
sein. Noch genießt Indonesien nur eine halbe, ständig von den
Reaktionären bedrohte Unabhängigkeit. Die indonesischen Reaktionäre,
die mit den holländischen, amerikanischen und anderen Imperialisten
zusammenarbeiten, machen alle Anstrengungen, die politische Unabhängigkeit
des Volkes einzudämmen und zu zerstören. Darüber hinaus
versucht die nationale Bourgeoisie, der politischen Unabhängigkeit
der Arbeiterklasse und anderer fortschrittlicher Kräfte Grenzen zu
ziehen.
Ganz klar zeigt sich der halbkoloniale Charakter der indonesischen Gesellschaft
in der Tatsache, daß Indonesien auf ökonomischem Gebiet noch
nicht unabhängig ist. Die Imperialisten (die großen ausländischen
Kapitalisten) sind in der indonesischen Wirtschaft auch heute noch vorherrschend.
Sie nutzen ihre Herrschaftspositionen in der Wirtschaft aus, um mit Hilfe
ihrer Lakaien auch in die Entscheidung der politischen Fragen Indonesiens
einzugreifen. Die imperialistischen Gesellschaften wie Bataafsche Petroleum
Mij. (eine Tochtergesellschaft der Royal Dutch-Shell), Caltex Pacific
Petroleum Mij. und Standard Vacuum haben die Erdölreserven unseres
Landes in der Hand. Ein großer Teil des Bodens wird von ausländischen
Grundstücksgesellschaften beherrscht, und in der Schiffahrt herrscht
die Holländisch-Königliche Schiffahrtsgesellschaft vor. Über
den Außen-und Binnenhandel bestimmen nach wie vor die meist als
die „fünf Großen“ bezeichneten Firmen Internationale
Crediet-en Handelsvereeniging „Rotterdam“, Borneo Sumatra
Handel Mij., Jacobson van den Berg & Co., Lindeteves-Stoviks und Geo
Wehry & Co. Wichtige Einrichtungen, zum Beispiel das Verkehrswesen,
liegen völlig oder zu einem großen Teil in der Hand der großen
ausländischen Kapitalisten. Die großen Banken, die Indonesiens
Wirtschaft beherrschen, zum Beispiel die Factorij, die Handelsbank, die
Escompto, die Chartered Bank, die Great Eastern Bank und andere, sind
ausnahmslos im Besitz der holländischen Kolonialherren und anderer
Imperialisten.
Die ökonomische Politik der Imperialisten ist heute im Prinzp die
gleiche wie zur Kolonialzeit. Die Imperialisten führen ihre alten
Unternehmen weiter und haben neue eröffnet. Das bedeutet, daß
sie sich indonesische Rohstoffe aneignen, den natürlichen Reichtum
Indonesiens ausbeuten und billige indonesische Arbeitskraft benutzen.
Sie üben einen wirtschaftlichen Druck auf unsere nationale Industrie
aus, sowohl auf die staatlichen Betriebe wie auf die der nationalen Bourgeoisie.
Sie stehen der Entwicklung der Produktivkräfte in unserem Lande im
Wege. Daß die Banken, die Finanzen und die Waren in den Händen
der Imperialisten liegen, spielt eine entscheidende Rolle im heutigen
Wirtschaftsleben unseres Landes.
Um ihr Kapital zu schützen und ihre Ausbeutung der breiten Massen
der Bauern und anderer Schichten des Volkes zu erleichtern, benutzen die
Imperialisten die Kompradoren und Wucherer, die ihr Ausbeutungsnetz von
den großen Handelsstädten an der Küste über die kleineren
Städte im Inneren bis in die entlegensten Dörfer spannen. Die
Klasse der Kompradoren ist eine Schöpfung des Imperialismus, ein
Helfer der Imperialisten zur Ausbeutung des Volkes. Die Kompradoren dienen
nicht den Interessen der Imperialisten schlechthin, sondern jeder Komprador
ist mit einer bestimmten imperialistischen Gruppe verbunden und hilft
ihr, politische Macht zu erlangen. Die Imperialisten haben ihre Kompradoren
in den bürgerlichen Parteien Indonesiens und erreichen dadurch, daß
diese Parteien als treue Diener der imperialistischen Interessen handeln.
Auf dem Umweg über die bürgerlichen Parteien und unter dem Vorwand,
die Interessen der „Religion“ und der „Ideologie“
wahren zu wollen, sind die Kompradoren in die Regierung, das Parlament
und den Verwaltungsapparat eingedrungen, um im Auftrag ihrer imperialistischen
Herren die Einheit des Volkes zu sprengen und das Wachstum der fortschrittlichen
Kräfte unter der Führung der Kommunistischen Partei zu hintertreiben.
Neben der ökonomischen Macht der Imperialisten gibt es auch noch
starke Überreste des Feudalismus, zu denen vor allem folgende gehören:
l. das ausschließliche Eigentumsrecht des Großgrundbesitzers
auf den Boden, den der Bauer bestellt. Die große Masse der Bauern
besitzt keinen eigenen Boden und ist daher gezwungen, den Boden zu den
vom Großgrundbesitzer gestellten Bedingungen zu pachten;
2. die Entrichtung der Pacht in Naturalien, die einen großen Teil
der Ernte des Bauern verschlingt. Die Folge ist eine fortschreitende Verelendung
der großen Masse der Bauern;
3. das System der Pachtzahlung in Form von Arbeitsleistungen auf den Feldern
des Großgrundbesitzers, das den Bauern fast in den Zustand eines
Sklaven versetzt;
4. die wachsende Verschuldung, die einen großen Teil der Bauern
zu Boden drückt und zum Schuldsklaven der Großgrundbesitzer
macht.
Dem Weiterbestehen starker feudaler Überreste ist es zuzuschreiben,
daß die landwirtschaftlichen Methoden rückständig sind,
daß die große Mehrheit der Bauern verelendet, daß der
Binnenmarkt immer mehr zusammenschrumpft und das Land nicht in der Lage
ist, die Industrialisierung zu vollziehen. Wachsende Verelendung und Unterdrückung
der nationalen Industrie und der nationalen Kultur, das also hat die doppelte
Unterdrückung durch den Imperialismus und Feudalismus Indonesien
gebracht.
Der Hauptwiderspruch in der modernen indonesischen Gesellschaft ist der
Widerspruch zwischen dem Imperialismus und der indonesischen Nation und
der Widerspruch zwischen dem Feudalismus und den breiten Massen des Volkes,
vor allem den Bauern. Daneben bestehen natürlich auch noch andere
Widersprüche, wie der Widerspruch zwischen Bourgeoisie und Proletariat,
Widersprüche zwischen den reaktionären Kräften selbst und
Widersprüche zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten.
Wie dem aber auch sei, der Hauptwiderspruch ist der Widerspruch zwischen
dem Imperialismus und der indonesischen Nation. Die Kämpfe, die sich
aus diesen Widersprüchen ergeben, und die sich ständig vertiefenden
Widersprüche innerhalb einer halbkolonialen und halbfeudalen Gesellschaft
werden zweifellos zu einer Weiterentwicklung der revolutionären Bewegung
führen, denn die indonesische Revolution ist aus diesen Widersprüchen
hervorgegangen und herangewachsen.
Das sind die Schlußfolgerungen, die wir aus den Merkmalen einer
halbkolonialen und halbfeudalen Gesellschaft ziehen können. Die heutige
indonesische Gesellschaft hat sich gegenüber der Lage vor der Augustrevolution
1945 nicht grundlegend gewandelt. Das ist darauf zurückzuführen,
daß die Augustrevolution die beiden Aufgaben der Revolution, die
antiimperialistische nationale Revolution und die demokratische antifeudale
Revolution, nicht gleichzeitig in Angriff nahm. So blieb die Augustrevolution
unvollendet. Noch heute herrscht der Imperialismus in Indonesien, und
auch die wichtigste gesellschaftliche Basis der imperialistischen Macht,
die Klasse der Grundbesitzer, ist nicht gestürzt worden.
Die indonesische Revolution
Die revolutionäre Bewegung Indonesiens im 20. Jahrhundert
Seit der Auflösung der Holländisch-Ostindischen Kompanie im
Jahre 1798 übte die holländische Regierung die direkte und offizielle
Macht in Indonesien aus. Mit Ausnahme der britischen Herrschaftsperiode
von 1811 bis 1816 herrschte die holländische Regierung bis zu ihrer
Vertreibung durch die japanischen Truppen am 9. März 1942 despotisch
über Indonesien.
Mit dem Prozeß der kolonialen Unterwerfung Indonesiens vollzog sich
aber gleichzeitig beim indonesischen Volk ein Prozeß des Kampfes
gegen den holländischen Kolonialismus und seine Agenten. Nur mit
den größten Schwierigkeiten gelang es der holländischen
Regierung, die bewaffneten Aufstände in Ambon, Java, Sumatra, Bali,
Lombok, Kalimantan, Sulawesi und an vielen anderen Orten zu unterdrücken.
Zu den erbittertsten Kämpfen gehörten der Aufstand von Ambon
unter der Führung Pattimuras im Jahre 1817, der javanische Krieg
von 1825—1830 unter der Führung Diepo Negoros und der Paderi-Krieg
in Sumatra von 1830 bis 1839 unter der Führung Iman Bondjols. Die
Aufstandsbewegung in Atjeh konnte von den Holländern erst nach einem
vierzigjährigen ständigen Krieg von 1873 bis 1913 unterdrückt
werden.
Anfang des 20. Jahrhunderts begannen sich mit dem Aufstieg neuer Klassen,
der Arbeiterklasse und der nationalen Bourgeoisie, und unter dem Eindruck
der russischen Revolution von 1905 in der revolutionären Bewegung
Indonesiens neue Kampfformen zu entwickeln. Die russische Revolution trug
in starkem Maße dazu bei, die Völker Asiens aufzurütteln.
Auch in Indonesien begannen sich die unterdrückten Klassen zu organisieren.
Noch im selben Jahr entstand in Indonesien die erste Gewerkschaft, der
Verband der Eisenbahnarbeiter. 1908 bildete eine Gruppe von Intellektuellen
in Java die Organisation Budi Utomo. Überall entstanden örtlich
begrenzte Jugend- und Stu-dentenorganisationen.
Indonesische Studenten in Holland bildeten 1908 die Indische Vereniging,
die 1922 den Namen Indonesische Vereniging erhielt und sich schließlich
1925 Perhimpunan Indonesia nannte. Die Perhimpunan Indonesia war eine
eindeutig politische Organisation, die Unabhängigkeit für Indonesien
forderte.
Im Jahre 1911 bildeten bürgerliche Kaufleute die Serikat Dagang Islam
(Union mohammedanischer Kaufleute), die sich 1912 den neuen Namen Serikat
Islam (Mohammedanische Union) gab. 1914 wurde die Indische Sociaal-Democratische
Vereniging, die erste politische Organisation indonesischer Marxisten,
gegründet. Die Große Sozialistische Oktoberrevolution 1917
hatte einen großen Einfluß auf das indonesische Proletariat
und besonders auf die Sozialdemokratische Vereinigung. Mitte November
1918 wurde eine einheitliche Orgnisation der Nationalen Front gegründet,
die Radicale Concentratie, der die Mohammedanische Union, die Budi Utomo,
die Insulinde, die Pasundan und die Sozialdemokratische Vereinigung angehörten.
Diese Radicale Concentratie erhob die Forderung nach einer Verfassung
und einem Parlament.
Am 23. Mai 1920 bildete sich die Sozialdemokratische Vereinigung zur Kommunistischen
Partei Indonesiens um.
Schon bald war der Einfluß der Kommunistischen Partei weit und breit
beim Volk zu verspüren, das schwer unter der wirtschaftlichen Ausbeutung
und politischen Unterdrückung des holländischen Imperialismus
litt. Die Krise in Indonesien verschärfte sich, die Lebensbedingungen
wurden immer schlechter, der Widerstand der unorganisierten Bevölkerung
immer größer. Unter diesen Umständen häuften sich
die Provokationen der holländischen Kolonialregierung. Streikende
wurden entlassen, Bauern verhaftet, von der Kommunistischen Partei und
der Serikat Rakjat (Union des Volkes) eröffnete Schulen geschlossen,
Arbeiterzeitungen verboten, Arbeiterführer verhaftet und ähnliches.
Gegen die Bauern organisierten die Holländer Terrorbanden wie die
Sarikat Hedjo (Grüne Garde). All das führte zum Ausbruch eines
Volksaufstandes gegen die holländische imperialistische Macht, Ende
1926 in Java und Anfang 1927 in Sumatra. Die Kommunistische Partei setzte
ihre ganze Kraft ein, um in diesem Aufstand die Führung zu übernehmen.
Mangelnde Vorbereitung und Unerfahrenheit sowie die Tatsache, daß
das indonesische Proletariat und seine Partei noch nicht die richtige
politische Linie hatten, sind die Ursachen für das Scheitern des
Aufstandes. Die Kommunistische Partei wurde in die Illegalität getrieben;
überall im Lande wütete der weiße Terror.
Nach dem Verbot der Kommunistischen Partei Indonesiens entstanden Orgnisationen
und politische Parteien der nationalen Bourgeoisie unter der Führung
revolutionärer Intellektueller, die den von der Kommunistischen Partei
begonnenen Kampf fortsetzten. Unter dem Eindruck des revolutionären
Kampfes wurde 1928 die Organisation Sumpa Pemuda (Gelöbnis der Jugend)
gegründet. In ihr verkörperte sich die feste Überzeugung
der Jugendlichen verschiedener Nationalitäten und verschiedener politischer
Richtungen, daß sie ein Volk mit einer Sprache in einem Vaterland,
Indonesien, seien. Das war ein äußerst wichtiger Schritt im
Bildungsprozeß der indonesischen Nation. Mit ihm gab die Jugend
die richtige Antwort auf die Spalterpolitik der holländischen Imperialisten.
Im Jahre 1933 brach wie ein Blitz aus heiterem Himmel eine Meuterei auf
dem holländischen Kriegsschiff „De Zeven Provincien“
aus. Indonesische und holländische Seeleute übernahmen gemeinsam
das Kommando über das Schiff. Auch als die Kolonialregierung eine
Bombe auf das meuternde Schiff abwerfen ließ, blieb die Solidarität
zwischen den indonesischen und holländischen Seeleuten fest. Diese
Meuterei, obwohl sie schließlich erstickt wurde, gab Millionen unterdrückter
Indonesier neue Hoffnung und neues Selbstvertrauen.
Im März 1942 vertrieben die japanischen Imperialisten die Holländer
aus Indonesien. Auch während der japanischen Besetzung brach der
revolutionäre Kampf des indonesischen Volkes niemals ab. In den Betrieben
häuften sich die Sabotageakte, japanische Truppentransportzüge
wurden zum Entgleisen gebracht, wichtige Gebäude in die Luft gesprengt.
Auf dem Lande brachen organisierte Bauernaufstände aus, in Singaparna,
lndramaju, den Karoinseln und an anderen Orten. Auch in den Reihen der
Peta (Heimwehr), die unter japanischer Führung aus Indonesiern gebildet
worden war, kam es zu Revolten, zum Beispiel in Blitar (Ostjava). Unter
den Intellektuellen, den Studenten, der Jugend und den Schulkindern wuchs
der Widerstand. Kurz nachdem die Nachricht von der japanischen Kapitulation
bekannt geworden war, proklamierte das indonesische Volk am 17. August
1945 seine Unabhängigkeit und gründete eine Republik.
Die junge Republik Indonesien sah sich starken Feinden gegenüber,
die für sich in Anspruch nehmen konnten, soeben siegreich aus dem
zweiten Weltkrieg hervorgegangen zu sein, besonders die britischen und
holländischen Armeen, die vom amerikanischen Imperialismus unterstützt
worden waren. Abgesehen davon, daß sie weit bessere Waffen als die
Republik Indonesien besaßen, machten sich die Imperialisten auch
die Waffe der Politik und Diplomatie zunutze. Sie umgaben die indonesische
Revolution mit einem Ring von Marionettenstaaten und versuchten gleichzeitig,
durch reaktionäre Kräfte, die wichtige Positionen in der Republik
innehatten, die Revolution von innen zu sprengen.
Durch Intrigen und Einschüchterung gelang es den Imperialisten mit
Hilfe der Hatta-Clique im Januar 1948, die revolutionäre Regierung
der Republik zu stürzen und an ihre Stelle eine reaktionäre
Regierung unter der Führung Hattas zu setzen, der bis dahin den Posten
eines Vizepräsidenten der Republik Indonesien innegehabt hatte. Diese
Hatta-Regierung war es, die später Kommunisten und andere Fortschrittliche
verfolgen und morden ließ. Mit der als „Zwischenfall von Madiun“
2) bekannt gewordenen Provokation verschaffte sich die Hatta-Regierung
den Anlaß zur blutigen Unterdrückung der revolutionären
Kräfte. Nun hatte sie freie Bahn, einen Kompromiß mit der holländischen
Regierung einzugehen, der unter der Oberaufsicht eines Vertreters der
USA rasch zustande kam. Am 2. November 1949 unterzeichneten die Hatta-Regierung
und die holländische Regierung die Vereinbarung der Konferenz am
Runden Tisch, die Indonesien in den Zustand eines halbkolonialen Landes
versetzte.
Fünzig Jahre sind vergangen, seit 1908 die ersten revolutionären
Organisationen des indonesischen Volkes entstanden, über dreißig
Jahre seit dem Aufstand von 1926, dreißig Jahre seit der Gründung
der Organisation „Gelöbnis der Jugend“ und weit mehr
als ein Jahrzehnt seit der Augustrevolution 1945, aber die Aufgabe des
nationalrevolutionären Kampfes ist noch nicht restlos erfüllt.
Die nationale Unabhängigkeit wurde nicht vollständig errungen,
die demokratischen Veränderungen wurden nicht vollzogen und ein besseres
Leben für das Volk nicht erreicht. Die Augustrevolution ist nicht
zu Ende geführt. Vor dem indonesischen Volk, besonders vor der indonesischen
Arbeiterklasse und der Kommunistischen Partei Indonesiens, steht daher
die Aufgabe, die Verantwortung für die Vollendung der Augustrevolution
in die Hand zu nehmen.
Um bei der Vollendung der Augustrevolution Fehler zu vermeiden oder doch
auf ein Mindestmaß zu beschränken, müssen wir uns völlig
klar über die Ziele der Revolution sein. Welches sind ihre Aufgaben?
Welche Kräfte treiben sie voran? Das sind die Grundfragen der indonesischen
Revolution, und davon soll im nächsten Kapitel die Rede sein.
Die Grundfragen der indonesischen Revolution
Ausgehend von der Tatsache, daß die indonesische Gesellschaft halbkolonial
ist, hat die Kommunistische Partei Indonesiens auf ihrem V. Parteitag
im März 1954 die Ziele der indonesischen Revolution in der gegenwärtigen
Periode festgelegt und erläutert, welche Kräfte sie vorwärtstreiben
und welches ihre Merkmale und Perspektiven sind. Um die Grundfragen der
indonesischen Revolution zu verstehen, ist eine genaue Kenntnis der indonesischen
Gesellschaft notwendig. Eines der Hauptverdienste des V. Parteitages der
Kommunistischen Partei Indonesiens besteht darin, daß er, gestützt
auf eine richtige Kenntnis der indonesischen Gesellschaft, die Grundfragen
der indonesischen Revolution darlegte:
A. Das Hauptziel der indonesischen Revolution in der gegenwärtigen
Etappe ist die Beseitigung des Imperialismus und des Feudalismus, heißt
es im Programm der Kommunistischen Partei Indonesiens: „Solange
sich die Lage in Indonesien nicht ändert, das heißt, solange
die Herrschaft des Imperialismus nicht überwunden ist und die Überreste
des Feudalismus nicht beseitigt sind, kann sich das indonesische Volk
nicht von Armut, Rückständigkeit, Schlendrian und Wehrlosigkeit
gegenüber dem Imperialismus befreien. Die Macht des Imperialismus
und die Überreste des Feudalismus können nicht beseitigt werden,
solange in Indonesien die Staatsmacht in der Hand der Großgrundbesitzer
und Kompradoren liegt, die mit dem ausländischen Kapital zusammenarbeiten,
weil sie die imperialistische Unterdrückung und die halbfeudalen
Zustände in unserem Lande verewigen wollen und das indonesische Volk
mehr als alles andere fürchten.“
Wenn wir sagen, daß die Beseitigung des Imperialismus und Feudalismus
das Hauptziel der indonesischen Revolution ist, so bedeutet dies, daß
die Hauptfeinde der indonesischen Revolution gegenwärtig die Großbourgeoisie
der imperialistischen Länder und die Großgrundbesitzer in unserem
eigenen Lande sind. Das sind die Klassen, die sich verschworen haben,
das indonesische Volk auszubeuten. Da die imperialistische Unterdrückung
am schwersten und brutalsten auf dem indonesischen Volk lastet, ist der
Imperialismus unser größter und erbittertster Feind.
Die indonesische Revolution darf sich nicht darauf beschränken, gegen
die Bourgeoisie der imperialistischen Länder und gegen die eigene
Klasse der Großgrundbesitzer zu kämpfen, sondern sie muß
auch die indonesischen Kompradoren und Agenten des Imperialismus bekämpfen.
Kampf gegen die ausländischen Imperialisten ohne Kampf gegen ihre
Agenten, die Kompradoren, wäre nutzlos, denn die ausländischen
Imperialisten könnten sich nicht einen Tag halten, wenn sie nicht
ihr Netz von Agenten hätten, die überall eindringen, in den
zentralen und örtlichen Staatsapparat, in die Verwaltung, in die
Wirtschafts- und Finanzorgane, in die politischen Parteien, in die Massenorganisationen,
in die Presse, die kulturellen Institutionen und Universitäten, in
die Armee und Polizei, in die verschiedenen offiziellen und inoffiziellen
Ausschüsse, in die Forschungsinstitute, in religiöse Vereinigungen
und Terroristenbanden. Von diesen imperialistischen Agenten sind die einen
an den Geschäften ihrer ausländischen Auftraggeber beteiligt,
die anderen werden aus besonderen Fonds bezahlt oder auf andere Weise
von den Imperialisten bestochen.
Es ist also klar, daß die Feinde der indonesischen Revolution noch
stark und sehr gefährlich sind, besonders die Kombination der Imperialisten,
Kompradoren und Großgrundbesitzer, die im indonesischen Volk ihren
größten Feind sehen. Obwohl die Feinde der indonesischen Revolution
noch stark sind, bedeutet dies keineswegs, daß sie eine aufsteigende
Kraft sind; im Gegenteil, sie befinden sich in einem Zersetzungs- und
Fäulnisprozeß. Trotzdem wäre es ein Fehler, ihre Stärke
und Gefährlichkeit zu unterschätzen.
Der Kampf gegen die Feinde der indonesischen Revolution wird also erbittert,
hartnäckig und langwierig sein. Es wäre ein Fehler, ihn zu leicht
zu nehmen, ebenso wie es falsch wäre, anzunehmen, er könnte
überhastet in kürzester Frist abgeschlossen werden.
Unsere Taktik in der Führung dieses erbitterten, schwierigen und
langwierigen Ringens muß darin bestehen, den revolutionären
Kampf des indonesischen Volkes behutsam, und ohne Übereilung, aber
unbeirrt voranzutreiben. Wir müssen uns dabei stets vor zwei Abweichungen
hüten, vor Kapitulantentum und Abenteurertum, die beide das Ergebnis
kleinbürgerlicher Schwankungen sind.
Da die Feinde des Volkes von allen Kampfformen Gebrauch machen, müssen
auch wir befähigt sein, alle Kampfformen anzuwenden. Wir müssen
geschickt alle Möglichkeiten des offenen und legalen Kampfes ausnutzen.
Das 4. Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Indonesiens
(Ende Juli 1956) wies unter anderem darauf hin, daß wir „wachsam
sein müssen, daß wir uns bereit halten und das Volk in jeder
Hinsicht vorbereiten müssen, damit es den Reaktionären nicht
gelingt, den Wunsch des Volkes nach einer friedlichen mit parlamentarischen
Mitteln vollzogenen gesellschaftlichen Umwälzung zu hintertreiben“.
Natürlich beschränkt sich die Tätigkeit der Kommunistischen
Partei Indonesiens nicht auf die parlamentarische Arbeit, sondern ist
vor allem auf die Massenarbeit gerichtet, die Arbeit unter den Arbeitern,
Bauern, Intellektuellen und anderen werktätigen und demokratischen
Massen. Diese gesamte Arbeit, innerhalb und außerhalb des Parlaments,
hat das Ziel, das Kräfteverhältnis zwischen den Imperialisten,
Großgrundbesitzern und Kompradoren auf der einen und den Kräften
des Volkes auf der anderen Seite zu verändern. Damit die Partei ihre
Ziele erreichen kann, müssen wir uns bei der Anwendung dieser Kampfformen
vom Prinzip der Gerechtigkeit leiten lassen, müssen wir jeden Vorteil
wahrnehmen und genau wissen, wie weit wir gehen dürfen. Wichtig ist
nicht in erster Linie, wie groß die Erfolge sind, sondern daß
der Kampf im ganzen erfolgreich geführt wird, daß jeder Erfolg
die Grundlage zu neuen größeren Erfolgen bildet.
Das bedeutet also, daß im Zuge der langwierigen Arbeit um die Mobilisierung
aller Kräfte zum Kampf gegen den noch starken Feind demagogisches
Geschrei und hastige, unüberlegte Aktionen die indonesische Revolution
ihrem Ziel keinen Schritt näher bringen werden. Was unsere Partei,
von allen Mitgliedern, besonders von den Funktionären verlangt, ist
Beharrlichkeit und geduldige harte Arbeit.
B. Zu den Aufgaben der indonesischen Revolution. Das Programm der Kommunistischen
Partei Indonesiens legt dar, daß es Aufgabe der indonesischen Revolution
ist, eine Volksregierung zu schaffen, die „zunächst keine sozialistischen,
sondern demokratische Veränderungen herbeiführt. Es wird eine
Regierung sein, die fähig ist, alle antiimperialistischen und antifeudalen
Kräfte zu vereinen, sie wird das Land kostenlos den Bauern übereignen;
sie wird dem Volk seine demokratischen Rechte verbürgen und wird
fähig sein, die nationale Industrie und den Handel vor der ausländischen
Konkurrenz zu schützen, den Lebensstandard der Werktätigen zu
erhöhen und die Arbeitslosigkeit abzuschaffen. Kurz gesagt, es wird
eine Regierung des Volkes sein, die für die nationale Unabhängigkeit
und die Entwicklung Indonesiens auf demokratischem und fortschrittlichem
Wege bürgen kann.“
Die wichtigste Aufgabe ist der Kampf gegen die beiden Feinde, das heißt,
die Vollendung der nationalen Revolution zum Sturz des Imperialismus,
des äußeren Feindes, und die Durchführung der demokratischen
Revolution zum Sturz der Großgrundbesitzer im eigenen Lande. Von
diesen beiden Aufgaben ist die nationale Revolution zum Sturz des Imperialismus
die wichtigste.
Das bedeutet jedoch nicht, daß die beiden Hauptaufgaben der indonesischen
Revolution jede für sich allein gelöst werden könnten.
Im Gegenteil, diese beiden Aufgaben sind eng miteinander verbunden. Ohne
den Sturz des Imperialismus kann die Klasse der Großgrundbesitzer
nicht gestürzt werden, weil der Imperialismus die wichtigste Stütze
für die Großgrundbesitzer ist. Da aber andererseits die Großgrundbesitzer
die wichtigste gesellschaftliche Basis der imperialistischen Macht über
Indonesien sind, wird man die Kräfte des Imperialismus nicht stürzen
können, ohne auch die Kräfte der feudalen Grundherren zu stürzen.
Die Großgrundbesitzer können nur gestürzt werden, wenn
es die Arbeiterklasse versteht, die Hauptkräfte der Revolution, die
Massen der Bauern, zu mobilisieren, wenn sie den Bauern hilft, die Großgrundbesitzer
zu stürzen. Daraus geht klar hervor, daß die antifeudale Front
der Arbeiter und Bauern die Grundlage für die antiimperialistische
nationale Front ist. Die beiden Aufgaben der indonesischen Revolution
unterscheiden sich also voneinander, sind aber gleichzeitig eng miteinander
verbunden.
Der Gedanke, „zunächst die nationale Revolution zu vollenden“
und erst dann, „nach Vollendung der nationalen Revolution, die antifeudale
demokratische Revolution in Angriff zu nehmen“, ist falsch und gefährlich.
Die „nationale Revolution vollenden“, ohne für die Befreiung
der Bauern von den Überresten des Feudalismus zu kämpfen, bedeutet,
die Bauern von der Revolution fernhalten, sie nicht für die Revolution
gewinnen. Dieser Fehler wird im wesentlichen von dem Wunsch diktiert,
die Positionen der Großgrundbesitzer unangetastet zu lassen. Die
Verfechter dieser Idee behaupten, man dürfe die Großgrundbesitzer
nicht antasten, weil sie sonst die antiimperialistische nationale Front
verlassen und sich gegen die Revolution wenden würden. Dieses Argument
ist völlig unbegründet. Wollten wir eine solche Politik betreiben,
so erreichten wir dadurch keineswegs eine nennenswerte Stärkung der
nationalen Front durch die Großgrundbesitzer. Auf der anderen Seite
verlören wir aber die Bauern, die Hauptkraft der Revolution, denn
es ist unmöglich, sie zum Kampf gegen den Imperialismus aufzurütteln
und zu mobilisieren, wenn nicht mit ihrem unmittelbaren Feind, mit dem
Großgrundbesitzer, abgerechnet wird und wenn dieser ungehindert
den Bauern weiter ausbeuten und unterdrücken darf. Ohne die Bauern
zu mobilisieren und für den Kampf zu gewinnen, kann die nationale
Revolution nicht vollendet werden.
Die Partei hat ein Programm zur Vollendung der Augustrevolution. Sie will
die Zusammenarbeit zwischen der Kommunistischen Partei Indonesiens und
allen Parteien, die Zusammenarbeit mit allen demokratischen und patriotischen
Gruppen und Einzelpersonen zur Verwirklichung aller Forderungen der Augustrevolution.
Neben der Propagierung ihres allgemeinen Programms ist die Kommunistische
Partei Indonesiens aber auch bemüht, das Volk auf der Grundlage seiner
unmittelbaren täglichen ökonomischen und politischen Forderungen
zu vereinen, und diese konkreten Forderungen zur Plattform für die
gegenwärtige Zusammenarbeit mit allen demokratischen und patriotischen
Parteien, Gruppen und Individuen zu machen. Die politische Forderung,
die heute am besten geeignet ist, das Volk zu vereinen, ist die Forderung
nach einer hundertprozentigen Verwirklichung der Konzeption Präsident
Sukarnos, mit deren Verwirklichung ein wichtiger Schritt auf dem Wege
zum strategischen Ziel der indonesischen Revolution, zur Vollendung der
Augustrevolution, getan wäre.
C. Zu den vorwärtstreibenden Kräften der indonesischen Revolution
heißt es in dem Programm der Kommunistischen Partei Indonesiens:
„Die vorwärtstreibenden Kräfte der indonesischen Revolution
sind die Arbeiterklasse, die Bauern, das Kleinbürgertum und andere
demokratische Kräfte, deren Interessen durch den Imperialismus geschädigt
werden.“ Sie alle bilden die fortschrittlichen Kräfte der indonesischen
Gesellschaft. Die Frage nach den vorwärtstreibenden Kräften
der Revolution ist die Frage danach, welche Klassen und Schichten der
indonesischen Gesellschaft beharrlich gegen Imperialismus und Feudalismus
kämpfen. Die Frage nach der grundlegenden Taktik der indonesischen
Revolution kann nur richtig beantwortet werden, wenn hierüber völlige
Klarheit herrscht.
Im Programm, der Kommunistischen Partei Indonesiens wird „die Vereinigung
der Arbeiter und Bauern, des Kleinbürgertums und der nationalen Bourgeoisie
zu einer nationalen Front“ gefordert. Die nationale Front ist der
Zusammenschluß der fortschrittlichen und gemäßigten Kräfte.
Die gemäßigten Kräfte sind im wesentlichen die Angehörigen
der nationalen Bourgeoisie.
Das Programm der Kommunistischen Partei Indonesiens sieht den Weg aus
der halbkolonialen und halbfeudalen Lage Indonesiens in einer „Kräfteverschiebung
zwischen den Imperialisten, Großgrundbesitzern und Kompradoren einerseits
und dem Volk andererseits. Zu diesem Zweck muß man die Massen, vor
allem die Arbeiter und Bauern, aufrufen, mobilisieren und organisieren.“
Das 4. Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Indonesiens
stellte unter anderem fest, daß es in der indonesischen Gesellschaft
drei Kräfte gibt: die eingefleischten Reaktionäre, die gemäßigten
Kräfte und die fortschrittlichen Kräfte. Es stellte ferner fest,
daß gegenwärtig die Kräfte des Volkes, das heißt
die fortschrittlichen und die gemäßigten Kräfte, nach
einem politisch und ökonomisch unabhängigen indonesischen Staat
streben. Gegen diese Kräfte kämpfen die mit den Imperialisten
verbündeten Kompradoren und Großgrundbesitzer, die hartnäckig
bemüht sind, Indonesien in einen Satellitenstaat zu verwandeln, das
heißt in einen Staat, der nur formal unabhängig, in Wirklichkeit
aber dem Imperialismus unterworfen ist. Die politische Linie der Kommunistischen
Partei Indonesiens fordert gegenüber diesen drei Kräften: „Die
fortschrittlichen Kräfte unermüdlich und mit ganzer Kraft entwickeln,
sich mit den gemäßigten Kräften vereinen und die eingefleischten
Reaktionäre isolieren.“ Die Verwirklichung dieser Linie ist
von größter Bedeutung, um das Kräfteverhältnis in
der Gesellschaft zu verändern.
Die Herrschenden in der heutigen indonesischen Gesellschaft sind die obersten
Schichten der Großgrundbesitzer und der Bourgeoisie. Die Beherrschten
sind die Arbeiterklasse, die Bauern und alle übrigen Mittelschichten,
die große Mehrheit der indonesischen Gesellschaft. Man kann also
auch sagen, daß der Ausweg aus der halbkolonialen und halbfeudalen
Lage darin besteht, das Kräfteverhältnis zwischen den herrschenden
und den beherrschten Klassen zu verändern.
Die Lage und das Auftreten aller Klassen, der herrschenden und der beherrschten,
wird durch ihre gesellschaftliche und ökonomische Stellung bedingt.
Das heißt, daß nicht nur die Ziele und Aufgaben der Revolution
vom Wesen der indonesischen Gesellschaft bestimmt werden, sondern auch
die Kräfte, die diese Revolution vorwärtstreiben. Welche Klassen
gehören zu den Kräften, die die indonesische Revolution vorwärtstreiben?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir die Klassen in der indonesischen
Gesellschaft analysieren.
Die Klasse der Großgrundbesitzer, die die Bauern ausbeutet und unterdrückt,
die keine fortschrittliche Rolle spielt, sondern ein Gegner der politischen,
ökonomischen und kulturellen Entwicklung der indonesischen Gesellschaft
ist, zählt nicht zu den Kräften, die die Revolution vorwärtstreiben.
Sie ist ein Feind, gegen den der Hauptstoß der Revolution gerichtet
ist.
Die Klasse der Bourgeoisie zerfällt in zwei Teile, in die Kompradoren
und die nationale Bourgeoisie. Die Großbourgeoisie, die den Charakter
einer Kompradorenbourgeoisie trägt, dient unmittelbar den Interessen
der großen ausländischen Kapitalisten und wird von ihnen ausgehalten.
In der indonesischen Revolution sind die Kompradoren keine vorwärtstreibende
Kraft, sondern ein Hindernis. Deshalb richtet sich der Hauptstoß
der Revolution auch gegen sie. Die nationale Bourgeoisie ist zwiespältig.
Als eine vom Imperialismus unterdrückte Klasse, deren Entwicklung
auch durch den Feudalismus gehemmt wird, ist sie antiimperialistisch und
antifeudal und in dieser Hinsicht eine revolutionäre Kraft. Aber
auf der anderen Seite hat diese Klasse nicht den Mut, konsequent gegen
den Imperialismus und Feudalismus zu kämpfen, weil sie ökonomisch
und politisch schwach ist und Klassenbindungen zum Imperialismus und Feudalismus
hat. Auf diese Zwiespältigkeit der nationalen Bourgeoisie ist es
zurückzuführen) daß wir zwei Arten von Erfahrungen mit
ihr machen. Das heißt, bis zu einer gewissen Grenze kann diese Klasse
für den revolutionären Kampf gegen den Imperialismus, gegen
die Kompradoren und gegen die Großgrundbesitzer gewonnen werden
(wie zum Beispiel während der Augustrevolution), aber zu anderen
Zeiten läßt sie sich von den Kompradoren ins Schlepptau nehmen
und verbündet sich mit ihnen im konterrevolutionären Lager (wie
zum Beispiel 1948 zur Zeit des Zwischenfalls von Madiun und während
der Massenverhaftungen im August 1951).
Zur Frage der indonesischen Bourgeoisie zog der V. Parteitag der Kommunistischen
Partei Indonesiens auf der Grundlage ihrer Erfahrungen in verschiedenen
Phasen des Kampfes des indonesischen Volkes (1920-1926, 1935-1945, 1945-1948
und in der Zeit seit 1951) folgende Schlußfolgerungen:
„Die nationale Bourgeoisie Indonesiens kann, weil auch sie vom ausländischen
Imperialismus unterdrückt wird, unter bestimmten Umständen und
in gewissen Grenzen für den Kampf gegen den Imperialismus gewonnen
werden. Unter diesen bestimmten Umständen muß das indonesische
Proletariat die Einheit mit der nationalen Bourgeoisie schaffen und aus
ganzer Kraft für ihre Erhaltung wirken. In anderen, noch schärfer
abgegrenzten Situationen, zum Beispiel, wenn sich die Politik der Partei
in einem bestimmtem Augenblick nur gegen ein imperialistisches Land richtet,
kann sogar ein Teil der Kompradorenbourgeoisie für die Opposition
gegen dieses spezifische Land gewonnen werden. Trotz allem bleibt die
Kompradorenbourgeoisie eine durch und durch reaktionäre Klasse, deren
Ziel es ist, die Kommunistische Partei die Arbeiterbewegung und jede demokratische
Bewegung zu zerschlagen.
Da die indonesische nationale Bourgeoisie ökonomisch und politisch
schwach und ihrer Natur nach schwankend ist, wird sie unter bestimmten
historischen Umständen zögern und Verrat üben. Die indonesische
Arbeiterklasse und die Kommunistische Partei Indonesiens müssen also
auf der Hut sein; sie dürfen nicht außer acht lassen, daß
die nationale Bourgeoisie unter bestimmten Umständen nicht für
die nationale Front gewonnen werden kann, während es unter anderen
Umständen wieder möglich ist.“
Bei der Einschätzung des schwankenden Charakters der nationalen Bourgeoisie
muß berücksichtigt werden, daß es gerade ihrer politischen
und ökonomischen Schwäche wegen nicht sehr schwer ist, sie nach
links zu ziehen und fest mit der Revolution zu verbinden, wenn die fortschrittlichen
Kräfte stark sind und die Kommunistische Partei eine richtige Taktik
anwendet. Das heißt, der schwankende Charakter dieser Klasse ist
nicht unabänderlich, nicht unüberwindlich. Sind aber die fortschrittlichen
Kräfte nicht stark und wendet die Kommunistische Partei keine richtige
Taktik an, so kann es leicht geschehen, daß die ökonomisch
und politisch schwache Bourgeoisie auf die Seite der Rechten überläuft
und ein Feind der Revolution wird.
Das Kleinbürgertum, das heißt die armen Schichten in der Stadt,
die Intellektuellen, Kleinhändler, Handwerker und Fischer, die Angehörigen
der freien Berufe usw. sind ähnlich wie die Mittelbauern der Unterdrückung
des Imperialismus, des Feudalismus und der Großbourgeoisie ausgesetzt
und leben ständig am Rande des Ruins. Deshalb sind sie eine vorwärtstreibende
Kraft der Revolution und ein verläßlicher Verbündeter
der Arbeiterklasse. Sie können ihre Freiheit nur unter der Führung
der Arbeiterklasse erreichen. Die Intellektuellen und Studenten sind nicht
eine besondere Klasse in der Gesellschaft, sondern ihre Klassenposition
wird durch ihre soziale Herkunft, ihre Lebensbedingungen und ihre politischen
Auffassungen bestimmt. Die Kleinhändler haben meist nur Buden oder
kleine Läden und arbeiten allein oder mit nur wenigen Angestellten.
Sie leben in der ständigen Gefahr, von den Imperialisten, der Großbourgeoisie
und den Wucherern ruiniert zu werden. Die Handwerker und Fischer besitzen
ihre eigenen Produktionsmittel. Sie beschäftigen keine oder nur wenige
fremde Arbeitskräfte. Die Angehörigen der freien Berufe üben
verschiedene Tätigkeiten aus. Zu ihnen gehören die Ärzte.
Juristen usw. Sie arbeiten auf eigene Rechnung und beuten andere Menschen
nicht oder nur in sehr geringem Maße aus. Alle Angehörigen
des Kleinbürgertums können für die Revolution gewonnen
werden und gute Verbündete der Arbeiterklasse sein. Ihre Schwäche
besteht darin, daß sie leicht unter den Einfluß der Bourgeoisie
geraten. Deshalb muß besonderer Wert darauf gelegt werden, in ihrer
Mitte politische Überzeugungsarbeit zu leisten und sie zu organisieren.
Die Bauern machen 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung Indonesiens aus
und zählen zusammen mit ihren Familien Dutzende von Millionen Menschen.
Wir unterscheiden im indonesischen Dorf Großbauern, Mittelbauern
und Kleinbauern. Es gibt unter den Großbauern nicht wenige, die
Land verpachten, Geld verleihen und ihre Landarbeiter brutal ausbeuten.
Sie sind in ihrem Wesen eine halbfeudale Schicht, aber sie arbeiten selbst
mit und gehören von diesem Gesichtspunkt aus zur Bauernschaft. Ihre
Produktionstätigkeit wird noch für eine bestimmte Zeit nützlich
sein, und sie können auch dafür gewonnen werden, den Kampf gegen
den Imperialismus zu unterstützen. Im revolutionären Kampf gegen
die Feudalherren können sie dazu gebracht werden, eine neutrale Stellung
einzunehmen. Deswegen dürfen wir sie nicht zu den Großgrundbesitzern
zählen. Die Mittelbauern sind ökonomisch unabhängig. In
ihrer großen Mehrheit beuten sie keine fremden Arbeitskräfte
aus und leihen kein Geld gegen Zinsen aus. Im Gegenteil, sie selbst werden
von den Imperialisten, Großgrundbesitzern und von der Bourgeoisie
ausgebeutet. Es gibt Mittelbauern, die nicht genug Land besitzen, um voll
beschäftigt zu sein. Die Mittelbauern können nicht nur für
die antiimperialistische Revolution und die Agrarrevolution, sondern sogar
für den Sozialismus gewonnen werden. Deshalb sind sie eine der wichtigen
vorwärtstreibenden Kräfte der Revolution und ein unerläßlicher
Verbündeter der Arbeiterklasse. Ihre Haltung ist für den Erfolg
der Revolution von entscheidender Bedeutung, weil die Mittelbauern nach
der Agrarrevolution die Mehrheit der Landbevölkerung bilden werden.
Vor der Agrarrevolution bilden die Kleinbauern und Landarbeiter die Mehrheit
unserer Dorfbevölkerung. Die Kleinbauern besitzen entweder keinen
eigenen Boden oder zu wenig, um davon leben zu können. Sie sind Halbproletarier
und stellen zahlenmäßig die größte vorwärtstreibende
Kraft der Revolution dar. Ihrem Wesen nach sind sie die verläßlichsten
Verbündeten der Arbeiterklasse und ein fester Bestandteil der indonesischen
Revolution.
Die Klein- und Mittelbauern können ihre Befreiung nur unter der Führung
der Arbeiterklasse erringen. Andererseits kann die Arbeiterklasse die
Revolution nur führen, wenn sie ein festes Bündnis mit den Klein-
und Mittelbauern eingeht. Unter dem Begriff „Bauer“ verstehen
wir vor allem die Klein- und Mittelbauern. Sie bilden die Mehrheit der
Dorfbewohner. Bei der Führung des Kampfes auf dem Lande muß
die Partei bestrebt sein, 90 Prozent der Landbevölkerung zu mobilisieren
und in die Revolution einzubeziehen. Sie muß sich dabei fest auf
die Kleinbauern und Landarbeiter stützen und mit den Mittelbauern
ein Bündnis eingehen.
Die indonesische Arbeiterklasse umfaßt etwa sechs Millionen Arbeiter,
die mit ihren Familienangehörigen einige 20 Millionen Menschen oder
etwa 25 Prozent der Gesamtbevölkerung Indonesiens ausmachen. Davon
sind 500 000 moderne Industriearbeiter (Transport- und Verkehrsarbeiter,
Fabrikarbeiter, Arbeiter in Reparaturwerkstätten, Bergarbeiter usw.),
mehr als zwei Millionen sind in der kleinen Industrie und im Handwerk
beschäftigt. Eine weitere große Gruppe sind die Land- und Forstarbeiter
und sonstige Kategorien. Neben diesem Industrie-und Landproletariat gibt
es in den indonesischen Dörfern Millionen von Tagelöhnern, die
meist weder Boden noch eigene Arbeitsgeräte besitzen und ihre Arbeitskraft
im Dorf verkaufen müssen. Sie sind die ärmste Schicht im Dorf;
ihre Rolle in der Bauernbewegung ist ebenso wichtig wie die der Kleinbauern.
Ebenso wie die Arbeiterklasse anderer Länder hat auch die indonesische
Arbeiterklasse hervorragende Eigenschaften. Schon die Art ihrer Tätigkeit
hilft den Arbeitern, sich in der ökonomisch fortgeschrittensten Form
zu organisieren und die Notwendigkeit von Organisiertheit und Disziplin
zu erkennen. Da sie keine Produktionsmittel besitzen, sind sie von Natur
aus nicht individualistisch. Außerdem leidet die indonesische Arbeiterklasse
unter einer dreifachen Ausbeutung durch den ausländischen Imperialismus,
den Kapitalismus und den Feudalismus und tritt daher im revolutionären
Kampf fester und bewußter auf als alle anderen Klassen. Da unter
diesen Umständen der Boden in Indonesien für den Reformismus
nicht so fruchtbar ist wie in Europa, ist die Arbeiterklasse in ihrer
Gesamtheit revolutionär, mit Ausnahme einer kleinen Zahl, die zum
Lumpenproletariat abgesunken ist. Die indonesische Arbeiterklasse wird
seit ihrem Erscheinen auf dem politischen Schauplatz von ihrer revolutionären
Partei, der Kommunistischen Partei Indonesiens, geführt und ist aus
diesem Grunde die politisch bewußteste Klasse in der indonesischen
Gesellschaft. Die indonesische Arbeiterklasse hat eine natürliche
Bindung zu den Massen der Bauern, da sie sich zu einem großen Teil
aus der ruinierten Bauernschaft rekrutiert. Das Bündnis zwischen
Arbeitern und Bauern wird dadurch erleichtert.
Obwohl die indonesische Arbeiterklasse gewisse unvermeidliche Schwächen
aufweist, zum Beispiel ihre geringe Zahl im Vergleich zur Bauernschaft,
ihre Jugend im Vergleich zur Arbeiterklasse der kapitalistischen Länder
und ihr niedriges kulturelles Niveau im Vergleich zur Bourgeoisie, ist
sie doch die entscheidende vorwärtstreibende Kraft der Revolution.
Die indonesische Revolution kann nur unter Führung der Arbeiterklasse
erfolgreich sein. Wir können als das jüngste Beispiel dafür
die Augustrevolution anführen. Anfangs war sie erfolgreich, weil
die Arbeiterklasse mehr oder weniger bewußt einen wichtigen Anteil
an ihr hatte, aber später erlitt die Revolution Niederlagen, weil
die Rolle der Arbeiterklasse immer mehr in den Hintergrund gedrängt
wurde und die obere Schicht der Bourgeoisie ihr Bündnis mit der Arbeiterklasse
brach (Zwischenfall von Madiun). Dazu kommt, daß die indonesische
Arbeiter-klasse und ihre Partei noch nicht die genügende revolutionäre
Erfahrung gesammelt hatten. Ohne die aktive Teilnahme der Arbeiterklasse
wird in der indonesischen Gesellschaft nichts vorangehen. Die Geschichte
und die Erfahrung haben das in der Vergangenheit bewiesen und werden es
auch in Zukunft immer wieder beweisen.
Die indonesische Arbeiterklasse ist also die Klasse mit dem höchsten
politischen Bewußtsein und den besten organisatorischen Voraussetzungen.
Dennoch muß völlige Klarheit darüber herrschen, daß
der Sieg der Revolution niemals ohne ihre revolutionäre Einheit mit
allen anderen revolutionären Klassen und Gruppen erreicht werden
kann. Die Arbeiterklasse muß eine revolutionäre Front schaffen.
Von den anderen Klassen der Gesellschaft sind die Bauern die festesten
und verläßlichsten Verbündeten der Arbeiterklasse. Die
städtischen Mittelschichten sind verläßliche Verbündete,
während die nationale Bourgeoisie ein Verbündeter unter bestimmten
Umständen und in gewissen Grenzen ist. Das ist ein unumstößliches
Gesetz, das in der modernen Geschichte Indonesiens schon oft unter Beweis
gestellt wurde und täglich neu bewiesen wird.
Ein Produkt der halbkolonialen und halbfeudalen Gesellschaft sind die
Tagediebe und Vagabunden. Die halbkoloniale und halbfeudale Gesellschaft
ist dafür verantwortlich, daß in Städten und Dörfern
Arbeitslosigkeit herrscht, daß die Arbeitslosen ein zielloses Vagabundendasein
führen müssen und schließlich auf den Weg des Verbrechens
gedrängt werden. Sie schlagen sich als Diebe, Räuber, Gangster,
Bettler, Prostituierte oder auf ähnliche Weise durch das Leben. Diese
Gruppe ist ihrem Wesen nach schwankend. Ein Teil dieser Menschen läßt
sich von den Imperialisten kaufen, ein anderer kann für die Revolution
gewonnen werden. Es besteht aber immer die Gefahr, daß sie in den
revolutionären Reihen eine ideologische Quelle abenteuerlicher anarchistischer
Strömungen werden. Es ist nicht schwer, sie entweder zu bestechen
oder zu blindem Haß und hemmungsloser Zerstörungswut anzustacheln.
Sie lassen sich leicht von lauten flammenden Reden beeinflussen oder von
konterrevolutionären Kräften dazu mißbrauchen, durch demagogische
revolutionäre Phrasen Opposition und Spaltung in die Partei der Arbeiterklasse,
die Arbeiterbewegung und die revolutionäre Bewegung zu tragen. Deswegen
müssen wir sie durch geduldige und geschickte Überzeugungsarbeit
erziehen und vor allem ihren anarchistischen und destruktiven Charaktereigenschaften
entgegenwirken.
Aus dieser Analyse der Klassen in der indonesischen Gesellschaft geht
klar hervor, welche Klassen und Gruppen die Säulen des Imperialismus
und Feudalismus sind: die Großgrundbesitzer und die Kompradoren.
Sie sind das Hindernis, das der Revolution im Wege steht, darum sind sie
die Feinde des Volkes. Die Analyse zeigt auch, welche Klassen und Gruppen
die vorwärtstreibende Kraft der Revolution sind: die Arbeiterklasse,
die Bauern und das Kleinbürgertum. Sie zeigt, welche Klassen für
die Revolution gewonnen werden können: die nationale Bourgeoisie.
Deshalb bilden die Arbeiter und Bauern, das Kleinbürgertum und die
nationale Bourgeoisie das Volk; deshalb sind sie die Kräfte der Revolution,
die Kräfte der geeinten nationalen Front.
D. Über das Wesen der indonesischen Revolution sagt das Programm
der Kommunistischen Partei Indonesiens unter anderem folgendes aus: „Da
unser Land rückständig ist, erklärt die Kommunistische
Partei Indonesiens, daß diese Regierung (die demokratische Volksregierung)
nicht die Diktatur des Proletariats sein darf, sondern eine Diktatur des
Volkes. Diese Regierung wird keine sozialistischen, sondern demokratische
Veränderungen durchführen,“ Das heißt, der Charakter
der indonesischen Revolution in der gegenwärtigen Etappe ist nicht
der einer proletarisch-sozialistischen, sondern einer bürgerlich-demokratischen
Revolution.
Wir können den Charakter unserer Revolution bestimmen, wenn wir die
besonderen Bedingungen der indonesischen Gesellschaft erkennen, die heute
noch halbkolonial und halbfeudal ist, wenn wir wissen, daß die Feinde
der indonesischen Revolution gegenwärtig der Imperialismus und die
feudalen Kräfte sind, wenn wir erkennen, daß die Aufgabe der
indonesischen Revolution darin besteht, die nationale und die demokratische
Revolution zu vollenden und die beiden Hauptfeinde (Imperialismus und
Feudalismus) zu stürzen, wenn wir wissen, daß die nationale
Bourgeoisie für diese Revolution gewonnen werden kann und daß
selbst dann, wenn die Großbourgeoisie die Revolution verrät
und ihr Feind wird, die Hauptschläge gegen Imperialismus und Feudalismus,
nicht aber gegen Kapitalismus und Privateigentum der nationalen Kapitalisten
schlechthin geführt werden müssen.
Die indonesische bürgerlich-demokratische Revolution von heute ist
nicht eine bürgerlich-demokratische Revolution des alten Typs, sondern
sie stellt etwas spezifisch anderes dar, einen neuen Typ der Revolution.
Diese bürgerlich-demokratische Revolution neuen Typs nennt man auch
die neue demokratische Revolution oder die Revolution der Volksdemokratie.
Sie ist ein Teil der proletarischen Weltrevolution, die konsequent gegen
den Imperialismus, das heißt gegen den internationalen Kapitalismus,
kämpft. In der gegenwärtigen Etappe ist es nicht mehr möglich,
eine bürgerlich-demokratische Revolution durchzuführen, ohne
den Interessen der internationalen Kapitalisten den Kampf anzusagen, ohne
der proletarischen Weltrevolution zu dienen, die mit der Großen
Sozialistischen Oktoberrevolution 1917 ihren Anfang nahm.
Die volksdemokratische Revolution ist politisch gesehen die gemeinsame
Diktatur der revolutionären Klassen über die Imperialisten,
Kompradoren, Großgrundbesitzer und sonstigen Reaktionäre. Sie
wendet sich gegen die Umwandlung der indonesischen Gesellschaft in eine
bürgerliche Diktatur. Darin unterscheidet sie sich grundlegend von
der Französischen Revolution von 1789, die eine Diktatur der Bourgeoisie
brachte. Ökonomisch gesehen, bedeutet die volksdemokratische Revolution
die Nationalisierung aller Kapitalien und Betriebe der Imperialisten,
Kompradoren und sonstigen Reaktionäre, die Enteignung der Großgrundbesitzer
und die kostenlose Übereignung ihres Bodens an die Bauern. Die Betriebe
der individuellen nationalen Kapitalisten werden geschützt, und die
Großbauern bleiben unangetastet. Gleichzeitig muß aber die
volksdemokratische Revolution beginnen, die Voraussetzungen für den
Sozialismus zu schaffen. Die Periode der volksdemokratischen Macht ist
eine Übergangsperiode und nicht eine besondere Gesellschaftsform,
die sich radikal vom Sozialismus unterscheidet.
Die indonesische Revolution befindet sich gegenwärtig in der Übergangsetappe
von der Beendigung der halbkolonialen (in West-Irian ist die koloniale
Unterdrückung heute noch nicht abgeschafft) und halbfeudalen Gesellschaft
zur Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft. Der Übergangsprozeß
begann mit den Bewegungen für nationale Unabhängigkeit zu Beginn
des 20. Jahrhunderts, Einer der Höhepunkte dieses Übergangsprozesses
war die Augustrevolution 1945. Die Aufgabe der Augustrevolution, den Feind
von außen, den Imperialismus, und den inneren Feind, den Feudalismus,
zu stürzen, wurde jedoch nicht vollendet. Die Ursache dafür
ist der Verrat der oberen Schicht der Bourgeoisie und die mangelnde revolutionäre
Erfahrung der indonesischen Arbeiterklasse.
Im Jahre 1948 warf die indonesische Bourgeoisie das Banner der Augustrevolution
über Bord, verriet ihren Verbündeten, die Arbeiterklasse, und
kapitulierte vor dem Imperialismus. Es gereicht der indonesischen Arbeiterklasse
zur Ehre und erfüllt sie mit Stolz, daß sie unter diesen Umständen
der Augustrevolution treu blieb, daß sie das Banner der Revolution
erneut erhob und das ganze indonesische Volk aufrief, nicht auf halbem
Wege stehenzubleiben, sondern sich erneut zusammenzuschließen und
weiter zu kämpfen, um die Forderungen der Augustrevolution restlos
zu verwirklichen, um durch den Sturz der imperialistischen und feudalen
Macht auf indonesischem Boden die Revolution zu vollenden.
Die Erfahrungen der Augustrevolution und die Erfahrungen der folgenden
Jahre im Kampf des indonesischen Volkes gegen Kolonialismus und für
Demokratie zeigen, daß keine Kraft, keine Klasse das Schicksal Indonesiens
entscheiden wird, wenn sie die Arbeiterklasse, die Bauern und das Kleinbürgertum
unterschätzt und sich von ihnen isoliert. Eine demokratische Republik,
wie sie die indonesische Revolution erringen will, ist nur denkbar, wenn
die Arbeiter, die Bauern und die übrigen Mittelschichten einen wichtigen
Platz in ihr einnehmen und die entscheidende Rolle spielen. Eine demokratische
Republik muß sich, wenn sie nicht scheitern will, auf das revolutionäre
Bündnis der Arbeiter mit den Bauern, den städtischen Mittelschichten
und allen anderen antiimperialistischen und antifeudalen Kräfte stützen.
Die Erfahrungen des indonesischen Volkes zeigen, daß die Republik
Indonesiens unter der Führung der Bourgeoisie nicht in der Lage ist,
die Macht der Imperialisten und Großgrundbesitzer zu brechen. Allein
unter der Führung der Arbeiterklasse kann die Republik Indonesien
eine wahrhaft demokratische Republik werden, die befähigt ist, die
Macht der Imperialisten und Großgrundbesitzer hinwegzufegen.
E. Die Perspektiven der indonesischen Revolution werden klar, wenn die
Hauptstoßrichtung, die Aufgaben, die vorwärtstreibende Kraft
und der Charakter der Revolution im gegenwärtigen Augenblick erkannt
werden. Wenn über all diese Faktoren Klarheit herrscht, kann es auch
über die Perspektiven der indonesischen Revolution, über den
Zusammenhang zwischen der bürgerlich-demokratischen Revolution und
der proletarisch sozialistischen Revolution in Indonesien, über den
Zusammenhang zwischen der Gegenwart und der Zukunft der indonesischen
Revolution keinen Zweifel geben.
Die indonesische Revolution vollzieht sich in einer Zeit des sozialistischen
Aufbaus und des kapitalistischen Verfalls. Es ist also offensichtlich,
daß nicht der Kapitalismus, sondern der Sozialismus und Kommunismus
die Zukunft der indonesischen Revolution ist. Das ist die unwiderrufliche
Perspektive der indonesischen Revolution.
Stehen aber die Perspektiven des „Sozialismus“ und „Kommunismus“
nicht im Gegensatz zu dem heutigen Ziel der Revolution, „nicht sozialistische,
sondern demokratische Veränderungen herbeizuführen“? Nein,
da gibt es keinen Gegensatz. Nach dem Sieg der volksdemokratischen Revolution
wird sich die kapitalistische Wirtschaft in bestimmten Grenzen entwickeln,
weil die Hemmnisse, die ihr heute im Wege stehen, beseitigt werden. Das
ist keineswegs erstaunlich und ist auch kein Grund zur Beunruhigung. Das
Wachstum des Kapitalismus in bestimmten Grenzen ist nur ein Aspekt des
Sieges der indonesischen Revolution. Auf der anderen Seite aber bedeutet
der Sieg der demokratischen Revolution die Entwicklung sozialistischer
Faktoren. Dazu gehören der wachsende politische Einfluß der
Arbeiterklasse, die wachsende Anerkennung ihrer führenden Rolle durch
die Bauern, Intellektuellen und anderen Mittelschichten, das Erstarken
der staatlichen Betriebe und der Genossenschaften der Bauern, Handwerker,
Fischer und anderer Bevölkerungskreise. Das alles sind sozialistische
Faktoren, die gewährleisten, daß die Zukunft der indonesischen
Revolution der Sozialismus und nicht der Kapitalismus sein wird.
Aus der Erkenntnis, daß die Perspektive der indonesischen Revolution
der Sozialismus und Kommunismus ist, ergibt sich die Aufgabe unserer Partei
in der gegenwärtigen und in den kommenden Etappen der Revolution.
Unsere Partei hat bei der Führung der indonesischen Revolution eine
doppelte Aufgabe. Unter der Losung „Restlose Erfüllung der
Forderungen der Augustrevolution“ gilt es, als erstes die Aufgaben
der bürgerlich-demokratischen Revolution zuvollenden. Der zweite
Schritt, nachdem der erste vollzogen ist, besteht in der restlosen Erfüllung
der Aufgaben einer Revolution, die ihrem Wesen nach proletarisch-sozialistisch
ist. Das sind also die Aufgaben der indonesischen Revolution. Jedes Mitglied
der Kommunistischen Partei Indonesiens muß dazu beitragen, sie bis
zum Ende zu erfüllen, ohne auf halbem Wege stehenzubleiben. Die indonesische
revolutionare Bewegung unter der Führung der Kommunistischen Partei
ist keine Bewegung, die sich mit halben Erfolgen zufriedengibt. Deshalb
umfaßt sie zwei revolutionare Prozesse, die sich ihrem Wesen nach
voneinander unterscheiden, trotzdem aber eng miteinander verbunden sind.
Die erste Etappe ist die notwendige Vorbereitung für die zweite Etappe,
und die zweite Etappe ist unmöglich, ohne daß die erste vollendet
wurde.
Das sind große und schwere, aber ruhmreiche Aufgaben, die unsere
ganze Kraft und einen unermüdlichen Kampf erfordern. Wir müssen
zu einer Partei werden, die sich auf das ganze Land erstreckt, die einen
breiten Massencharakter hat und in ideologischer, politischer und organisatorischer
Hinsicht fest ist. Alle Mitglieder der Kommunistischen Partei Indonesiens
müssen aus ganzer Kraft zur Schaffung einer solchen Partei beitragen.
Für eine solche Partei gibt es keinen Gipfel, der nicht gestürmt
werden könnte, sei es nun der Gipfel der demokratischen Republik
oder der sozialistischen Republik.
I N H A L T
Vorbemerkung 3
Einleitung 4
Indonesien und seine Gesellschaft 5
Die geographische Lage Indonesiens 5
Das indonesische Volk 7
Die Feudalgesellschaft 17
Die koloniale Gesellschaft 20
Die heutige indonesische Gesellschaft ist halbkolonial und halbfeudal
34
Die indonesische Revolution 40
Die revolutionare Bewegung Indonesiens im 20 Jahrhundert 40
Die Grundfragen der indonesischen Revolution 45
Fußnoten:
') Karl Marx: Das Kapital, Erster Band, Dietz Verlag, Berlin 1959, S.
791.
2) Ein Zwischenfall, der sich Mitte September 1948 bei der Armee in Madiun
zwischen den reaktionären und den treu zur Revolution stehenden Kräften
ereignete, gab der Hatta-Regierung den Vorwand, einen blutigen Terror
gegen die Kommunistische Partei und alle fortschrittlichen Kräfte
Indonesiens zu entfesseln. Die Red.
[Fußnoten aus Broschüre Dietzverlag 1959 übernomen; offensichtliche
Rechtschreibfehler wurden korrigiert. -Red. NE]
DIETZ VERLAG BERLIN
1959
Englischer Originaltitel:
Indonesian Society and the Indonesian Revolution
Übersetzt von Rose Gromulat
www.neue-einheit.com |