Informationsstelle Militarisierung (IMI)

Diskussionsbeitrag zu den brutalen Anschlägen gegen das World Trade
Center in New York, das Pentagon in Washington etc.


Der Wendepunkt der Weltpolitik hin zu mehr Gewalt

Erste Einschätzung der Terroranschläge in den USA

1. Die Mega-Anschläge und die Opfer

Die brutalen Flugzeug-Anschläge bzw. Mega-Attentate (keines dieser Worte
trifft die riesige Tragödie richtig) auf das World Trade Center, das
Pentagon etc. in den USA am 11. September 2001 sind aufs Schärfste zu
verurteilen. Es hat wohl Tausende Tote gegeben. Es ist entsetzlich. In
diesen Tagen und Stunden sind unsere Gedanken und Mitgefühle bei den
Toten, den Ermordeten, den Verletzten und ihren Angehörigen und
Freund/innen. Die Anschläge und ihre Folgen hinterlassen einen in
Fassungs- , Rat- und Sprachlosigkeit. Wer meint, solche Mega-Morde
politisch begründen zu können, irrt total. Jegliche Rechtfertigung,
Genugtuung oder Freude ist völlig fehl am Platz. Solche Anschläge sind
ausschließlich menschenverachtend und barbarisch.

2. Die möglichen Täter

Zum derzeitigen Zeitpunkt (12.09.2001, 12.00 Uhr) ist noch völlig
ungeklärt, wer diese Mega-Anschläge auf Symbole der US-Macht verübt hat
oder verübt haben könnte. Für eine Durchführung dieser unvorstellbaren
Anschläge sind umfassendes Know-How (als Piloten, als Techniker etc.),
genaue Koordination, Logistik und totale Skrupellosigkeit erforderlich.
Wer ist dazu in der Lage? Derzeit wird in den Medien über die "üblichen
Verdächtigen" spekuliert. Zuerst waren "die Palästinenser" im Blickfeld.
Es ist fatal ganze Gruppen von Menschen bestimmter Herkunft für diese
Mordanschläge verantwortlich machen zu wollen oder sie zu verdächtigen.
Die Form der Spekulationen in einigen Medien ist zum Teil
hochproblematisch. Es ist dringend vor Vorverurteilung zu waren. Dann
tauchte der Name Osama bin Laden auf und wird bisher immer wieder
genannt. Was bisher fehlt sind Fakten und Hintergründe. Die Frage, was
jemanden oder eine Gruppe dazu bringt, solche Mega-Anschläge
durchzuführen, muß gestellt werden. Auch muß die Frage erlaubt sein,
warum gerade die USA (und dort gerade das World Trade Center und das
Pentagon) Ziel dieser Mega-Anschläge geworden sind. Sollte Osama Bin
Laden hinter diesen Anschlägen stecken, muß kritisch angemerkt werden:
Die US-Regierung haben über Jahre ihn und seine Komplizen finanziert und
aufgebaut, als er nützlich erschien, um in Afghanistan gegen die
Invasion der Roten Armee der Sowjetunion zu kämpfen. Ähnliches gilt für
die Unterstützung von Saddam Hussein durch die USA und für andere
Gruppen, die einst "nützlich" erschienen. Jetzt zeigt sich der Effekt,
dass die herbeigerufenen Zauberlehrlinge nicht mehr beherrschbar sind
und sich gegen ihre einstige Ziehväter wenden. Es muß endlich Schluß
sein mit einer doppelbödigen Moral in der internationalen Politik, die
die Attribute "gut" und "böse" je nach aktueller Weltlage oder
Opportunität verteilt.

3. Die mögliche Reaktion der US-Regierung

Die weltpolitische Lage hat sich nun grundlegend geändert. Der 11.
September 2001 ist wohl der Wendepunkt der Weltpolitik hin zu mehr
Gewalt. Eine zentrale Frage lautet nun: Wie wird die US-Regierung
reagieren? Es ist zu befürchten, daß sie in heftigster Form Rache üben
wird. Die aussen- und friedenspolitischen Implikationen dieser
Mega-Anschläge könnten furchtbar sein. Die Aussen- und
Wirtschaftspolitik, aber insbesondere auch die Militärpolitik der
Administration des derzeitigen US-Präsidenten George W. Bush waren schon
bisher so, daß sie selten nach den Folgen ihrer Politik für Menschen
außerhalb der USA, insbesondere in Gebieten ausserhalb der westlichen
Staaten fragte. Die Schwelle für die Anwendung von (militärischer)
Gewalt war für die(se) Regierung der USA bisher immer sehr niedrig. Es
ist zu befürchten, daß sich die Militärpolitik der USA weiter
verschärfen wird. Weitere und direktere Kriege der US-Regierung gegen
vermeintliche oder tatsächliche Gegner, staatlicher oder
nichtstaatlicher Art, sind nach den brutalen Mega-Anschlägen leider sehr
viel wahrscheinlicher geworden.

4. Verwundbarkeit der hochtechnisierten Welt

Die Mega-Anschläge zeigen die Verwundbarkeit der hochtechnisierten Welt.
Der zivile und militärische Flugverkehr werden nach dem 11. September
2001 nicht mehr so durchgeführt werden können wie zuvor. Kommunikation,
Mobilität und Finanzverkehr - drei zentrale Momente der westlichen Welt
waren und sind durch diese Mega-Anschläge deutlich beeinträchtigt
(Telefonverkehr und Internet waren und sind wegen Überlastung zum Teil
zusammengebrochen, die Finanzmärkte spielen verrückt - nein, sie folgen
ihrer eigenen immanent makabren Logik: die Kurse der Rüstungsfirmen und
der Ölmultis steigen!) .

5. Die innenpolitischen Implikationen der Mega-Anschläge

Die innenpolitische Situation in den USA wird sich stark verschlechtern.
Aber auch das innenpolitische Klima in Deutschland könnte sich enorm
verschärfen. Repressionen gegen Menschen bestimmter Herkunft und gegen
alle die berechtigte Kritik an der Politik der US-Regierung haben, sind
zu befürchten. Jetzt werden viele diese Mega-Anschläge für ihre Politik
instrumentalisieren, z.B. für eine verstärkte innen- und
aussenpolitische Aufrüstung. Für eine weitere Stärkung von Polizei und
Militär, die Militarisierung wird wieder weiter vorangetrieben werden.
Nein, es sind keine militärischen Reaktionen vonnöten, notwendig ist der
Abbau wirtschaftlicher Ungleichheiten in der Welt. Statt repressiver und
militärischer Reaktionen ist eine Veränderung von politischen Strukturen
hin zu mehr Gerechtigkeit vonnöten.

Die groß erklärte Freiheit, die Globalisierung, ist zumeist nur eine
Freiheit, eine Globalisierung, des Handels, nicht der Menschen und
dieser Handel, diese Globalisierung hat seine/ihre Opfer.

Es ist Gerhard Schröder und Joschka Fischer entschieden zu
widersprechen: Nein, es geht nicht um Solidarität mit dem Staat USA, um
Solidarität mit der Regierung der USA, um Solidarität der "zivilisierten
Welt". Nein, es geht um Solidarität mit den Menschen, die von den
Mega-Anschlägen betroffen sind.

Text: Tobias Pflüger u.a. nach Diskussion mit einigen
IMI-Vertreter/innen, 12.09.2001

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