Edith Bartelmus-Scholich hat einen Brief an uns geschrieben. Unsere Organisation
hat die Stellung von Edith Bartelmus-Scholich deutlich kritisiert (Nochmal zu Blüm
in Köln und Edith Bartelmus-Scholich
)
. Entsprechend unserem Demokratieverständnis,
möglichst breit und authentisch eine Diskussion zu entwickeln, haben wir
wunschgemäß den Brief hier auf unserer page veröffentlicht. Wir werden ihn ebenfalls
beantworten.
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15.4.2004

Liebe Mitstreiter in der Gruppe Neue Einheit,

da Ihr seit Herbst letzten Jahres mehrfach Auseinandersetzungen über meine
Person und meine Positionen begonnen habt, erlaube ich mir dazu Stellung zu
nehmen. Ich habe nichts dagegen, wenn Ihr nachfolgendes Schreiben von mir
als persönliche Stellungnahme ebenso auf Eurer Homepage veröffentlichen
würdet,am besten neben Euren diesbezüglichen Schreiben.

Zunächst begrüße ich es, dass sich der Schwerpunkt der Auseinandersetzung
von reinen Mutmaßungen über meine Person hin zur Auseinandersetzung über
tatsächliche Positionen von mir verschoben hat. Es hat mich in der
Vergangenheit sehr gestört, dass Ihr daraus, dass ich u.a. mit der MLPD in
Bündnissen zusammen arbeite, sogleich eine einfache Zuordnung von Person und
Positionen vorgenommen habt, und dass Ihr dabei die Existenz einer
kämpferischen Frauenbewegung mit eigenständigem Profil und zahlreichen
Aktivistinnen im gesamten Bundesgebiet schlicht geleugnet habt.

Nachdem nun im Zusammenhang mit meiner Einschätzung der Bedeutung der
Blüm-Rede am 3.4. unübersehbar geworden ist, dass ich in dieser Frage eine
durchaus von der MLPD unterschiedliche Position vertrete, schreibt Ihr immer
noch: "Das sind aus dem Munde einer angeblich emanzipierten linken
Vertreterin, die im organisatorischen Gefüge einer angeblich
marxistisch-leninistischen Partei sich betätigt, doch ganz erstaunliche
Sätze."

Was soll das? Euch, wie mir, ist sicher bekannt, dass es zum
Grundverständnis einer kommunistischen Partei gehört, auf einer gemeinsamen
weltanschaulichen Grundlage gleich zu handeln. Aus der Tatsache, dass ich in
der Frage "Blüm-Rede" eine deutlich andere Position vertrete als die MLPD
ist nur der Schluss zu ziehen, dass ich eben nicht "im Gefüge dieser
marxistisch-leninistischen Partei" tätig bin. Da ich Euch bereits im Herbst
2003 geschrieben hatte, dass ich parteipolitisch ungebunden bin, bitte ich
Euch nunmehr dringend zukünftig derartige Zuschreibungen zu unterlassen.
Damit aber kein Missverständnis aufkommt, möchte ich auch noch einmal
deutlich sagen, dass ich sehr wohl die Zusammenarbeit mit der MLPD in
Bündnissen in den vergangenen Jahren zu schätzen gelernt habe und auch
bestrebt bin, diese Zusammenarbeit fortzusetzen.

Um Euren Spekulationen ein Ende zu setzen, möchte ich Euch auch noch offen
legen, für welche Politik ich eintrete. Als Linksfeministin stehe ich mit
meiner Person für eine revolutionäre, sozialistische und
geschlechterdemokratische Perspektive und arbeite für einen doppelten
Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft. Aufbauend auf den Überlegungen
von Rosa Luxemburg ist mir dabei wichtig, den emanzipatorischen Aspekt der
sozialistischen Bewegung zu stärken und für einen freiheitlichen,
sozialistischen Pluralismus zu werben.

Um diesen doppelten Paradigmenwechsel erreichen zu können, muss nach meiner
Einschätzung vorab ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber erzielt
werden. Hier trete ich für den Dialog mit allen gesellschaftlichen und
politischen Gruppen ein, die diesen Paradigmenwechsel von ihrem
Selbstverständnis und von ihrer Interessenlage her mittragen könnten. Wer
dafür in Frage kommt, ist zu diskutieren, aber sicher sind sowohl die
linksfeministische als auch die linksökologische politische Richtung
potentielle Bündnispartner.

Ich würde nun so weit gehen, auch die kapitalismuskritischen Strömungen der
Christen, in der christlich-sozialen Bewegung, einzubeziehen; denn aus einer
hinreichenden Kenntnis der katholischen Soziallehre möchte ich behaupten,
dass dort zum Kapitalismus grundlegende Widersprüche bestehen. Tatsächlich
gibt es ja auch mit dem Bund der Religiösen Sozialisten eine Gruppe, die
diese Widersprüche auflöst. (Größere Probleme sehe ich als Feministin was
das Verständnis von Frau und Familie, also die Verankerung des Patriarchats,
in der katholischen Soziallehre betrifft.)

Auf Basis dieser Grundeinstellung habe ich in den vergangenen 10 Jahren
habe ich meine Kraft ganz hauptsächlich in
Netzwerke und Plattformen gesteckt, die sehr breit angelegt sind. Im Rahmen
des Kämpferischen Frauenrats arbeiten z.B. mit sehr großem Erfolg Frauen aus
der Feministischen Partei, der SPD, der DKP und der MLPD mit nicht
parteigebundenen Frauen zusammen. Ähnlich breit angelegt ist die
Zusammenarbeit im Frauenverband Courage und in der Bewegung Frauen und
Mädchen für Frieden, Brot und Rosen. Im Krefelder Arbeitskreis für
Arbeitsrecht und Sozialpolitik haben wir seit 1998 mit einem
Teilnehmerkreis, der zusätzlich noch Mitglieder von CDA und KAB einbezog,
sinnvolle Projekte auf den Weg gebracht. Es hat sich überall und immer
wieder gezeigt, dass es sich lohnt breite Bündnisse zu schließen und es hat
sich auch gezeigt, dass viele Vorurteile in den Hintergrund treten, wenn man
zusammen arbeitet und der andere politische Standpunkt "ein Gesicht"
bekommt. (www.frauenpolitischer-ratschlag.de ; www.frieden-brot-und-rosen.de
; www.so-wollen-wir-arbeiten.de)

Eine derartig breite Bündnisarbeit halte ich auch für notwendig, wenn wir
als "praktisches Projekt" die Agenda 2010 vom Tisch fegen wollen. In diesem
Kampf setze ich darüber hinaus darauf, dass durch den Kampf eine
Bewußseinsbildung und eine Höherentwicklung der Bewegung eintritt, die den
notwendigen doppelten Paradigmenwechsel befördert.

Was ich nicht für richtig halte, ist eine Radikalisierung der Bewegung durch
den Aufbau von Feindbildern, wie ich dies zum Teil bei Eurem Argumentieren
erkenne. Feindbilder über die Klassengrenzen hinweg schaffen nur
destruktive Kraft, Feindbilder innerhalb einer Klasse wirken spaltend und
zersetzend. Was wir aber brauchen ist konstruktive Kraft und Menschen aus
den unterschiedlichsten Lebenszusammenhängen, die bereit sind für den Aufbau
einer neuen Gesellschaftsordnung Verantwortung zu übernehmen.

Mit solidarischem Gruß

Edith Bartelmus-Scholich
(...Adresse..)

 

www.neue-einheit.com