Internet-Statement 2004-38

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Widerstand bei
Daimler-Chrysler


Kann das Versprechen der Standortsicherung überhaupt ernst genommen werden?

Die Auseinandersetzung bei Daimler-Chrysler wird jetzt von vielen Kollegen und Kolleginnen in der Republik mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Aus vielen Betrieben kommen Solidaritätsbotschaften, auch aus dem Ausland.

Der Vorstand versucht, die Kollegen in Baden-Württemberg als Inhaber „ungerechtfertigter Privilegien“ hinzustellen und zu isolieren, aber die Belegschaften aller Daimler-Chrysler- Standorte und viele Gewerkschafter anderer Firmen haben bereits klargemacht, daß sie das nicht so sehen. Sie sehen, daß hier das Kapital einen weiteren willkürlichen Versuch der Arbeitszeitverlängerung und Lohnsenkung fährt, der allen gilt. Wegen der zentralen Bedeutung des Daimler-Chrysler-Konzerns für die deutsche Wirtschaft und die Stellung der Arbeitnehmer muß er von allen ernstgenommen werden. Wenn das Kapital sich bei Daimler-Chrysler durchsetzt, wird es mit verdoppelter Gier und Arroganz in allen anderen Firmen auftreten. Wenn die Kollegen sich durchsetzen, werden auch die zahllosen anderen Belegschaften, denen Lohnsenkungen und Arbeitszeitverlängerungen abgefordert werden, gestärkt.

Die Kollegen des Daimler-Chrysler-Werks in Bremen, die der Vorstand mit der Aussicht locken will, daß sie Nutznießer der Verlagerungen würden, haben den Spaltungsversuch zurückgewiesen und an den Proteststreiks teilgenommen.

In der Daimler-Chrysler-Belegschaft von rd. 160.000 Beschäftigen allein in Deutschland steckt eine große Kampfkraft, daher fordern viele Kollegen wirklichen Arbeitskampf, um die Sache rasch und klar für sich zu entscheiden. Derzeit ist die weitere Richtung allerdings unklar, weil die IG Metall-Spitzen mit dem Daimler-Chrysler-Vorstand in Klausur gegangen sind und wenig über ihre Verhandlungsziele sagen. Wenn es allerdings stimmt, was die „Berliner Zeitung“ über ihre Absichten schrieb:

„BERLIN, 19. Juli. Bei den Verhandlungen über die Sparpläne des Autokonzerns Daimler-Chrysler streben die Arbeitnehmervertreter eine Übereinkunft an, die nicht nur die Arbeitsplätze am Standort Sindelfingen, sondern in allen deutschen Mercedes-Werken weit über die Einführung der neuen C-Klasse im Jahr 2007 hinaus sichert. ‚Wir wollen eine Verabredung, die nicht nur zwei Jahre hält, sondern sämtliche mittelfristigen Produkteinführungen abdeckt. Eine Laufzeit von bis zu zehn Jahren ist denkbar’, sagte der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, am Montag der Berliner Zeitung.“

dann stellen sich doch einige Fragen:

- Meint Kollege Huber tatsächlich, daß im derzeitigen Kapitalismus ein solcher Vertrag, wenn er überhaupt zustande kommt, auch etwas ist, das eingehalten wird?

- Wer kann denn eine Garantie geben, daß ab 2007 Daimler-Chrysler die geplanten Modelle überhaupt im geplanten Umfang bauen und verkaufen kann? Und in zehn Jahren??? Selbst wenn der Vorstand das wollte, könnte er es nicht. Wird dann Daimler-Chrysler überhaupt noch existieren?

Und selbst wenn dies annähernd so ablaufen sollte, wer kann angesichts des rapiden produktionstechnischen Wandels eine Garantie über Standorte und Arbeitsplätze geben?

Nein, jetzt Löhne und Arbeitszeiten verteidigen ist angesagt, und dazu  Zusammenschluß über die einzelnen Standorte, Firmen und Branchen hinweg, und Entwicklung der internationalen Solidarität der Arbeiter. Dann ist diese Verteidigung sehr wohl möglich.

Man sollte sich das jüngste Beispiel der sog. „Standortsicherungsverträge“ ansehen. Es ist erst ein paar Wochen her, daß die IG Metall mit dem Siemens-Konzern eine Übereinkunft über die Handyfertigung in Kamp-Lintfort und Bocholt getroffen hat, mit der, wie es hieß, der Erhalt von Tausenden von Arbeitsplätzen „gesichert“ wurde. Aber für mehr als zwei Jahre gilt sie von vornherein nicht, es gibt also im Grunde keinerlei Arbeitsplatzsicherheit dort, und wenn man den Vertrag genauer anschaut, dann ist sogar während der kurzen Laufzeit weiterer Arbeitsplatzabbau dort möglich.

Was bei Daimler-Chrysler bestenfalls herauskommen kann, sind Absichtserklärungen, keine Garantien des Vorstands über sog. Standortsicherung, und auch „Standortsicherung“ bedeutet im Normalfall Arbeitsplatzabbau. Und für alle deutschen Standorte die gleiche „Garantie“? Das würde der Vorstand höchstens unterschreiben, um im Moment Ruhe zu haben und bei nächster Gelegenheit mit Erpressungen zu kommen, daß das eben aufgrund der unvorhersehbaren wirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr gehe, usw. usf.

- Ist die IGM-Verhandlungsmannschaft für eine solche Übereinkunft wirklich bereit, die sog. Einsparungen von 500 Mio. Euro im Wesentlichen zu genehmigen? Dazu besteht keinerlei Notwendigkeit, denn die Kampfkraft ist da, und Daimler-Chrysler macht gerade mit den Werken in Baden-Württemberg riesige Profite.

Besser als daß eine derartige zweifelhafte Vereinbarung übernacht zustande kommt und nur noch nachträgliche Protesterklärungen abgegeben werden können, wäre es unserer Meinung nach, jetzt die Kampfmaßnahmen auszuweiten, faule Verträge, die sich abzeichnen, rechtzeitig zurückzuweisen und der Verhandlungsdelegation Maßstäbe zu setzen.

Die lächerlichen Erklärungen, die Vorstände würden als Gegenleistung auf einen Teil ihrer Bezüge verzichten, sind nur als Ablenkung von der Frage gemeint, wie der Kampf jetzt zum Erfolg geführt werden kann. 

21.07.2004
W. Grobe

 

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