Internet Statement 2006-82

 

BSH Belegschaft mit „Einigung“ überrollt
 -  entwickelnder Widerstand wird unterlaufen

Klas Ber 18.10.06       

Heute, Mittwoch Morgen überraschte die Berliner IG Metall damit, daß sie sich mit dem VME Berlin-Brandenburg und BSH in der Nacht auf Eckpunkte für eine Teilfortführung der Fertigung in Berlin geeinigt hat.

Zu dieser Einigung waren die Parteien in der Nacht gekommen. Die Ergebnisse waren noch nicht einmal zusammengefaßt und sollten erst im Laufe des Vormittags bekannt gegeben werden. Die Belegschaft kannte also die Einzelheiten noch nicht, geschweige denn waren sie diskutiert oder abgestimmt worden. Die IGM hat aber sofort entschieden, daß die für Donnerstag vorgesehene große Kundgebung vor der Bosch-Siemens Zentrale in München nun mit dieser Einigung entfällt und abgesagt ist.

Am 5.Oktober hatte die streikende Belegschaft mit ihrem „Marsch der Solidarität“, der sie zu vielen Orten und Betrieben führte und auf dem sie sich mit anderen Belegschaften zusammenschlossen, begonnen. Die Kollegen blieben nicht in Gartenfelde vor dem Werktor sitzen, sondern begannen ihren Widerstand zu entfalten und zu anderen Werken zu ziehen. Sie versuchten weitere Belegschaften zu mobilisieren. Am 19. sollte der gemeinsame Protest gegen Siemens in einer großen Protestkundgebung in München einen Höhepunkt haben.
Dieser Marsch war eine eigene Initiative der streikenden Belegschaft, abgesagt aber wird er nun umgehend von der IGM, nachdem sie sich mit BSH geeinigt hat, und noch bevor die Belegschaft ihre Meinung dazu sagen kann. Das wirft auch schon ein Licht auf den Charakter, den diese Einigung zwischen BSH und der IGM-Führung hat.
Bereits Mitte September, nachdem die Verhandlungen bereits gescheitert waren, vereinbarte die IG Metall ein sogenanntes Moratorium von zwei Wochen, in dem sie sich verpflichtete, keine Arbeitskampfmaßnahmen gegen BSH zu ergreifen. Vordergründig wurde argumentiert „Damit haben wir als Tarifparteien einen Zeitkorridor geschaffen, um zu Lösungen zu kommen“. Am Ende war auch nichts anderes da als vor dem Moratorium, nur die Berliner Wahlen waren jetzt vorüber als der Streik beginnen konnte.

Wie sieht das Ergebnis nun aus, auf das sich die IG Metall und VME geeinigt haben, jedenfalls soweit es bekannt ist?

  • Die Fertigung soll um mehr als 50 Prozent reduziert werden. Von 570 Arbeitsplätzen bleiben nur noch 270 in der Fertigung in Berlin-Gartenfeld erhalten. Rund 220 Stellen werden abgebaut. Die übrigen KollegInnen sollen in der Entwicklung sowie an anderen Berliner Standorten der Muttergesellschaften beschäftigt werden.
  • Insgesamt - mit 400 Mitarbeitern in Forschung, Entwicklung, IT und in den Servicebereichen sowie Logistik -  sollen bei BSH etwa 770 Mitarbeiter in Berlin weiterbeschäftigt werden. Heißt es jedenfalls in der Pressemitteilung der BSH GmbH.
  • Für den Standort soll beginnend im Jahr 2007 eine sogenannte Beschäftigungssicherung bis 2010 gelten.
  • Weiter sollen die „Personalkosten“ am Standort um 20 Prozent gesenkt werden. Was bedeutet, daß die Belegschaft pro Jahr ein Volumen von rund 8,5 Millionen Euro an Kürzungen zu tragen hat.
  • Dabei ist u.a. für die verbleibende Belegschaft von Kürzungen des tariflichen Urlaubsgeldes, des sog. Weihnachtsgeldes und des Wegfalls der Schichtzulagen die Rede.
  • Im Bereich Forschung, Entwicklung und Services soll die 40-Stunden-Woche als Regelarbeitszeit ohne Lohnausgleich eingeführt werden.
  • Für die entlassenen Kollegen und Kolleginnen soll eine „Beschäftigungsgesellschaft“ eingerichtet werden. Und so viele wie möglich möchte man in Rente schicken.

In der Presse wird nun vielfach im Zusammenhang mit dieser Einigung von der Rettung des Werkes gesprochen. Und Olivier Höbel, Bezirksleiter der IG Metall, hält es für ein gutes Ergebnis, weil es für die restlichen, verbleibenden Beschäftigten eine angebliche Absicherung bis 2010 enthält.
Diese angebliche Absicherung aber ist nur ein Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen. Wer die Erfahrungen über die Jahre, aus den vielen betrieblichen Auseinandersetzungen gegen Werksschließungen nicht vergißt, weiß, daß es vertraglich keine Absicherung für den Erhalt eines Werkes gibt. Daß es sich hier lediglich um Bekundungen handelt, die morgen, je nach Entwicklung, wieder revidiert werden. Siehe zuletzt Daimler, die trotz ihrer angeblichen Absicherungsvereinbarung wieder massenhaft Personalabbau betreiben.

Diese angebliche Sicherheit ist keine, dieses Gerede dient einzig zur Beschwichtigung und ist in Anbetracht des Industrieabbaus, der doch Stück für Stück weitergeht, eine bodenlose Abwiegelei, die den Abbau deckt. Weder von der IG Metall, noch von einer anderen Gewerkschaft, wird gegen den Industrieabbau oder die Blockade wichtiger Hochtechnologien vorgegangen. Das aber ist das, was wirklich notwendig ist, um hier von so etwas wie „Erhalt von Industriearbeitsplätzen“ reden zu können. In Punkto Kernenergie ist die IG Metall ja sogar noch bei der Blockade mit dabei. Und Kämpfe gegen Schließungen werden von dieser Gewerkschaftsführung immer beschränkt gehalten, auf den einzelnen jeweils betroffenen Betrieb bezogen. Und jeder Kampf, der sich dann erst einmal von daher zu entwickeln und auszudehnen versucht, der versucht andere Betriebe einzuschließen wie diesmal bei BSH, wird an wichtigen Punkten abgebrochen und unterlaufen.

Auch der Punkt der Zurückverlagerung von Produktion nach Berlin gehört behandelt

Im einem Interview sagte Robert Kugler, der Geschäftsführer von BSH-Berlin, zu dieser „Einigung“, sie werden einen optimierten Fertigungsmix mit den drei Standorten Polen, Türkei und Spanien, die mit dem Werk in Gartenfelde einen Fertigungsverbund bilden, zusammenstellen. Und sie werden dazu auch Produktion nach Berlin zurückverlagern.

Da muß man doch fragen: War das auch Gegenstand der Verhandlungen und der „Einigung“?
Und bedeutet dieses dann auch Arbeitsplatzverlust für KollegInnen anderer Standorte? Dazu sagt der Bezirksleiter der IG Metall nichts. Aber dieser Punkt gehört behandelt. Denn wenn das so wäre, untergräbt das den notwendigen internationalen Zusammenschluß.
Diese Aussage vom BSH Geschäftsführer ist doch eine deutliche Ansage, daß Bosch-Siemens hier weiterhin die Belegschaften gegeneinander ausspielen wird. Und das machen sie dadurch, daß sie einen Standort, ein Werk oder Teile davon immer in Frage stellen. Daß sie Produktion zwischen den Werken hin und her verlagern können, und die Löhne und Arbeitsbedingungen dabei herunter drücken. Dem kann man nur im gemeinsamen  praktischen internationalen Handeln begegnen.

Die IG Metall hat die Abstimmung über das Ergebnis nun sofort auf Donnerstag und Freitag angesetzt, um den Streik umgehend zu Ende zu bringen. Aus der Belegschaft soll es viel Unmut über dieses Ergebnis gegeben haben. Aber wer die Strukturen der IG Metall kennt, weiß, daß es zwar mindestens 75% Zustimmung und die Zustimmung des Vorstandes braucht, um einen Streik zu beginnen, aber allein schon 25% an Zustimmung reichen, um den Streik abzubrechen und das Ergebnis abzusegnen.
Daß man mit diesen Gewerkschaftsstrukturen wohl schwerlich die Kraft entwickeln kann um die notwendigen Kämpfe zu führen, und daß die Arbeiter etwas anderes brauchen, liegt das nicht auf der Hand?

 

 

 

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19. Streiktag bei Bosch-Siemens-Hausgerätewerk (BSH) - ein Stück praktische internationale Solidarität
 
Klas Ber 13.10.06


Solidarität mit BSH-Berlin: Dillinger Bosch-Siemens-Mitarbeiter legen vorübergehend Arbeit nieder  17.10.06

 

 

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Gegen die Liquidierung der Unternehmen

Widerstand der Belegschaften und der betroffenen Regionen