Internet Statement 2007-13

 

Tschechien hat eine neue Regierung,
eine der besonderen Art

   
   
Strategische Stützpunkte für US-Militär, Verbot linker Organisationen
und Einschränkung der Kernenergie als Schwerpunkte
   
Walter Grobe, 23.Jan. 2007

Als eine der ersten Amtshandlungen, wenn nicht die erste überhaupt, gab die neue Regierung unter Ministerpräsident Topolánek bekannt, daß mit den USA Verhandlungen aufgenommen würden über den Aufbau eines Radarsystems der USA in Tschechien.  Verbunden mit angestrebten Raketenstellungen der USA in Polen, wollen hiermit die USA den größten internationalen Bestandteil ihres strategischen Raketenabwehrsystems errichten. Die Auseinandersetzung in Polen über die Raketenstationierung ist schon länger im Gange.

Das formelle Ersuchen der USA ging nur wenige Stunden nach der Vereidigung des neuen Kabinetts in Prag ein, was dessen Stellenwert für die USA bereits kennzeichnen dürfte. Topolánek sowie der Außenminister Schwarzenberg von der grünen Partei befürworten den Plan ausdrücklich, obwohl die neue Regierung eigentlich ebenso wie die alte, die bereits  unter demselben Topolánek stand, keine Mehrheit im Parlament hat. Nur durch zwei Überläufer oder „Leihstimmen“ aus der sozialdemokratischen Fraktion kam am 19. 1. 2007 eine formelle Mehrheit überhaupt zustande.

Das Raketenabwehrsystem ist einer der aggressivsten militärisch-politischen Vorstöße der USA im globalen Maßstab überhaupt. Mit der militärischen Sicherung europäischen Territoriums hat es überhaupt nichts zu tun, es bedeutet im Gegenteil eine Verschärfung der Risiken für Europa, in Konflikte der USA mit anderen Mächten hineingezogen und an die Politik der USA angekettet zu werden. Die Erzählungen aus Washington, man wolle Europa vor Raketenangriffen aus Ländern schützen, die die USA derzeit als „Schurkenstaaten“ zu bezeichnen belieben, wie Iran, Nordkorea usf., sind ebenso lächerlich wie die von Topolánek, in Tschechien würden ja nur Radarstationen errichtet, die Raketen woanders.

Es ist völlig offensichtlich, daß die USA vor allem andere Staaten mit einem wirklichen Interkontinentalraketen-Potential  im Visier haben wie Rußland und in der weiteren Entwicklung sicher auch China. Ihnen gegenüber wollen die USA die Überlegenheit sichern und ausbauen, um weiter die militärisch dominierende Macht auf dem Globus bleiben zu können und die internationale Ausbeutung unter der Führung des US-Kapitals zu behalten und zu intensivieren. Die Radar- und Raketenstellungen in Polen und Tschechien, würden sie zustande kommen, wären daher bevorzugte Ziele von solchen potentiellen Gegnern der USA und würden deren Angriffe auf sich ziehen, ob nun Europa insgesamt im Bündnis mit den USA wäre oder nicht, oder ob nur einzelne Staaten wie die Stationierungsländer selbst US-Partner wären. Sie würden andere europäische Länder in ein Bündnis geradezu hineinzwingen.

Auch ohne direkte Konfrontation sollen die Radarstellungen in Tschechien wohl dem tiefen Hineinhorchen in östliche Staaten dienen. Es dürfte interessant sein, wenn Militärs und Politiker sich einmal genauer zu den diversen Szenarien äußern, die mit diesen Planungen verbunden sind.

Im Irakkrieg hatten die USA hämisch darauf verwiesen, daß gegenüber dem „alten Europa“, v. a. Deutschland und Frankreich, ein „neues“ erwachse, mit willigen Bundesgenossen wie Polen, Dänemark und anderen. Solche Regierungen waren unverschämt genug, um sich als Vorposten der US-Vormacht in und über Europa zu verkaufen, und stellten sich damit im Grunde außerhalb des angestrebten europäischen politischen Zusammenschlusses. In der Politik der neuen Regierung Topolánek wird diese Richtung verschärft fortgesetzt. Es dürfte wohl auch klar sein, daß eine EU, die zunehmend nach Zusammenschluß und einheitlichem Auftreten in der internationalen Politik streben muß, mit einer solchen Politik einzelner Mitgliedsländer nicht leben kann. Daher müßten Entscheidungen für die US-Politik, wie sie bspw. auch in Polen gefordert werden, auf die entsprechende Reaktion der europäischen Länder stoßen. 

Interessant sind auch andere Seiten der Topolánek­-Regierung. Topolánek war bereits seit Sept. 2006 Ministerpräsident einer Minderheitskoalition. Diese war insbesondere durch das Verbot des Kommunistischen Jugendverbandes (KSM) in Erscheinung getreten sowie noch weitergehende Verbotsdrohungen gegen die KSCM (Kommunistische Partei Böhmens und Mährens), ultrareaktionäre Vorstöße, die bisher in Europa einmalig sind. Insbesondere die grüne Partei tat sich durch eine fanatische antikommunistische Hetze hervor. Es kam zu gedanklichen Blüten wie, daß überhaupt öffentliches Eintreten für Gemeineigentum verboten werden sollte.  Diese grüne Partei besetzt nun trotz ihrer geringen Abgeordnetenzahl nicht weniger als vier Ministerstellen, was von Kommentatoren mit Erstaunen vermerkt wird. Der grüne Außenminister Schwarzenberg ist einer der Exponenten des US-Plans, wie bereits erwähnt. Erziehungsministerin wurde die Grüne Dana Kuchtová, eine Anführerin der in der tschechischen Bevölkerung sehr unpopulären Kampagne gegen das Kernkraftwerk Temelin. Der Koalitionsvertrag hat bereits festgelegt, daß die Kernenergie nicht ausgebaut werden dürfe. Obwohl Kuchtová zugab, daß sie mit einer direkten Abschaltung von Temelin nicht durchgekommen seien, hat sich die Regierung auf eine verkehrte und sicher nicht von der Mehrheit gestützte Politik in dieser Frage bereits festgelegt.

Wir können dem tschechischen Volk nur wünschen, daß es diese Regierung von reaktionären Extremisten, Lakaien der US-Suprematie und Kriegspolitik, Politikern der Sprengung der europäischen Einheit, der Lähmung der tschechischen Wirtschaft und der Unterdrückung von Organisationen der arbeitenden und studierenden Jugend sowie derjenigen Partei, die dem Kampf um Arbeiterrechte und den gewerkschaftlichen Kämpfen jedenfalls näher steht als die übrigen, baldmöglichst wieder los wird.

Es dürfte interessant sein, wie die Parteienkoalition im Europaparlament, in der die KSCM (Kommunistische Partei Böhmens und Mährens) Mitglied ist, die „Vereinigte Europäische Linke - Nordische Grüne Linke“, sich zu den Umtrieben der neuen tschechischen Regierung und ihrer Bündnispartner in anderen Regierungen und im Europaparlament selbst stellen wird. Wird man die KSCM und ihren Jugendverband KSM wirklich gegen das Verbot unterstützen? Wie will man sich zu den Grünen in Tschechien stellen, zu ihrem Kampf gegen die Atomenergie, der hier als Teil der aggressivsten Pro-US-Politik und der schwarzen Verbotshetze gegen Linke sichtbar wird?

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